Zuletzt aktualisiert am 22.10.2025
VORLESUNG 2 Eine Revitalisierungskur für einen „alten Knochen“ der Lehrveranstaltungsformate am Beispiel der VO „Spätmittelalterliche Archäologie“
Bei dem Projekt handelt es sich um ein neues Projekt / eine wiederholte Einreichung
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Scholars_at_a_Lecture_MET_DP818523.jpg
Scholars at a Lecture, William Hogarth 1736, Credit: Harris Brisbane Dick Fund, 1932
Ars Docendi Kategorie
Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit
Ars Docendi Kriterien
- Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz
- Innovative Hochschuldidaktik
- Studierenden- und Kompetenzorientierung
- Partizipation und Mitgestaltung
Gruppengröße
> 150
Anreißer (Teaser)
Die gute alte Vorlesung – ein „alter Knochen“ aus der Vergangenheit oder Schlüssel zu moderner Hochschullehre? Dieses Projekt zeigt, wie das traditionsreiche Lehrformat interaktiv ins digitale Zeitalter katapultiert werden kann.
Kurzzusammenfassung des Projekts
Die gute alte Vorlesung – ein „alter Knochen“ aus der Vergangenheit oder Schlüssel zu moderner Hochschullehre? Dieses Projekt zeigt, wie das traditionsreiche Lehrformat interaktiv ins digitale Zeitalter katapultiert werden kann, ohne seinen Charakter als fundamentales Wissensvermittlungsmedium zu verlieren. Schluss mit langweiligem Frontalunterricht, der Studierende zum Gähnen bringt! Mit cleveren Hochschuldidaktik-Methoden wie Constructive Alignment, dem VARK-Modell und aktivierenden Lehrmethoden wird die Vorlesung zum Ort lebendigen Lernens. Aufgepeppt mit optionalen Online-Learning-Tools können Studierende außerhalb des Hörsaals ihr Wissen nachhaltig und im eigenen Tempo vertiefen. Beispiel gefällig? In der „Spätmittelalterlichen Archäologie“-Vorlesung an der Universität Innsbruck wurde dieses Konzept bereits erfolgreich umgesetzt – mit enorm positiver Resonanz. Das Resultat kann sich sehen lassen: Studierende, die motiviert lernen, anstatt nur Fakten in sich hineinzustopfen, die sowieso nach der Prüfung wieder vergessen werden. Aber keine Sorge – der persönliche Kontakt zur Lehrperson und den Kommiliton*innen im Hörsaal bleibt weiterhin entscheidend für den Lernerfolg. Neugierig geworden? Dann lies weiter, wie digitale Ressourcen, klare Kommunikation und interaktive Methoden zusammenkommen, um die Vorlesung zu revitalisieren!
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
The good old lecture – an "old bone" from the past or the key to modern higher education? This project shows how the traditional teaching format can be interactively catapulted into the digital age, without losing its core as a fundamental medium for knowledge transfer. Say goodbye to boring lecture-style teaching that makes students yawn! Using clever higher education didactics like Constructive Alignment, the VARK model, and activating teaching methods, the lecture becomes a place for dynamic learning. Enhanced with optional online learning tools, students can deepen their knowledge sustainably and at their own pace outside the classroom. Want an example? The "Late Medieval Archaeology" lecture at the University of Innsbruck has already successfully implemented this concept – with overwhelmingly positive feedback. The results speak for themselves: students who learn with motivation, rather than just binge-learning facts that are quickly forgotten after the exam. But don’t worry – personal contact with the lecturer and peers in the classroom is still crucial for learning success. Curious? Keep reading to see how clear communication, interactive methods in the classroom and digital resources join forces to revitalize the lecture!
Nähere Beschreibung des Projekts
„The lecture is dead, long live the lecture“ titelte ein Artikel in der Times Higher Education 2021, der forderte, den „alten Knochen“ der Lehrveranstaltungen endlich ins digitale Zeitalter zu holen [1]. Die Vorlesung (VO) ist unbestreitbar als traditionsreichstes Format der universitären Lehre zu bezeichnen [2–4]. Als Frontalunterricht ohne Anwesenheitspflicht ist sie jedoch nicht erst seit dem Corona-bedingten Wechsel der Lehre in den digitalen Raum in die Kritik geraten [5]. Schon seit den 1990ern wird sie vermehrt als nicht mehr zeitgemäßes Lehrformat kritisiert [4,6,7], dessen Existenzberechtigung v.a. im kosteneffizienten Unterrichten großer Studierendenzahlen begründet sei. Besonders bemängelt wird der fehlende interaktive Charakter, der bei Studierenden zu geringer Motivation, ineffizientem „Binge-Learning“ [9] und dem Anfüttern von Faktenwissen führt, das nach der Prüfung schnell wieder vergessen wird [10,11]. Andererseits betonen Hochschuldidaktiker*innen, dass die VO nach wie vor wichtig ist, um Grundlagen eines Faches zu vermitteln und komplexe Zusammenhänge zu erklären [3]. Wie lässt sich dieses Format also für das digitale Zeitalter und die Ansprüche moderner Hochschullehre fit machen?
1 Aktivierende Methoden - Constructive Alignment - VARK
“If we are to truly redefine the lecture, we must determine the most appropriate format for online content, enhanced with interactive and collaborative learning.” [1]
Das vorgestellte Konzept schlägt vor, drei zentrale Elemente für nachhaltigen Wissenserwerb in VOs zu integrieren: Constructive Alignment (CA), das VARK-Modell (VM), und aktivierende Lehrmethoden (AL).
• Das CA ist eine hochschuldidaktische Methode, die darauf abzielt, Lehr- und Lernaktivitäten sowie Prüfungsmodalitäten auf die angestrebten Lernziele abzustimmen, damit Studierende den gewünschten Lernerfolg erreichen [13,14].
• Studierende sind unterschiedliche Lerntypen und kommen mit unterschiedlichen Bedarfen und Voraussetzungen in eine Lehrveranstaltung. Nach dem VARK-Modell [15] gibt es vier Hauptlerntypen: visuell, auditiv, read/write (lesen/schreiben) und kinästhetisch. Visuelle Lerner*innen bevorzugen Informationen in grafischer Form (z.B. Diagramme, Karten oder Flow-Charts), während auditive Lerntypen durch Hören, Audiomedien und Diskussionen besser lernen. Lesen/Schreiben-Lerner*innen ziehen Texte, Notizen und schriftliche Informationen vor, und kinästhetische Lerntypen profitieren von praktischen Aktivitäten und Experimenten. Indem Lehrende Methoden und Materialien einsetzen, die unterschiedliche Arten des Lernens bedienen, können sie die individuellen Lernbedarfe der Studierenden besser ansprechen und somit den Lernerfolg maximieren.
• ALs fördern die Aufmerksamkeit und Partizipation der Studierenden im Hörsaal. Dazu gehören beispielsweise Trigger-Fragen, Quizze oder kurze Gruppendiskussionen [4,12]. Zusätzlich können optionale digitale Ressourcen (z.B. Literaturauszüge, interaktive Übungen, Suchaufgaben nach Online-Ressourcen, interaktive Karten, etc.), die Studierende autonom im „eigenen Tempo“ nutzen können, die Motivation steigern.
Um auch die VO zu einem partizipatorischen Lernerlebnis zu machen und so einen nachhaltigen Lernerfolg der Studierenden zu ermöglichen, schlage ich in diesem Konzept vor, diese Methoden folgendermaßen umzusetzen:
1. Klare Kommunikation bzgl. Lernthemen, Lernzielen, Struktur der Lehrveranstaltung, Kernliteratur, zusätzlichen Lernressourcen, und Prüfungsmodalitäten zu Beginn des Semesters durch einen leicht zugänglichen Syllabus
2. Lerninhalte und -methoden sollten direkt auf die Lernziele hinarbeiten und in verschiedenen
Formaten angeboten werden
3. Prüfungen sollten die Lernziele überprüfen und es den Studierenden ermöglichen, ihr Wissen mittels verschiedener Informationsformaten zu mobilisieren.
2 Eine Revitalisierungskur für die VO „Spätmittelalterliche Archäologie“
Die VO „Spätmittelalterliche Archäologie“ vermittelt Studierenden des BA Archäologie einen Überblick über dieses Teilgebiet. Sie dekonstruiert das populäre Bild des Mittelalters und zeigt, wie sich die Grundlagen des modernen Europas über 1000 Jahre entwickelten. Dabei werden Themen wie Methodik der Historischen Archäologie, Sozialtheorie, Quellengattungen und archäologische Fundgruppen, die Entwicklung von Siedlungen, politischen und kulturellen Räumen, Wirtschaftsformen, Religionen und Bestattungsriten, sowie die Auswirkungen von Krieg und Krisen behandelt.
Ziel ist, dass Studierende ein solides Überblickswissen erwerben und gleichzeitig kritisches Denken entwickeln. Das didaktische Konzept (s.o.) wird wie folgt angewandt:
2.1 Klare Kommunikation
Schon vor Beginn der VO steht auf der digitalen Lernplattform der Universität der Syllabus zur Verfügung und enthält Informationen zu Inhalten, Terminen, Zielen, Lernressourcen, Prüfungsmodalitäten und Literatur.
2.2 Lerninhalte und Methoden
Jede Präsenzeinheit ist einem klar definierten Thema gewidmet, das zunächst allgemein vorgestellt und dann anhand von Fallbeispielen vertieft wird. Studierende werden aktiv eingebunden durch ALs und können optional die Themen nach der VO durch die Online-Ressourcen vertiefen:
2.2.1 ALs in der Präsenzlehre
Zu Beginn jeder Einheit gibt es eine kurze Zusammenfassung der letzten LV und einen Ausblick auf das aktuelle Thema. Ein kleines Bilderquiz oder eine Frage steigert die Aufmerksamkeit und Partizipation der Studierenden. PowerPoint-Präsentationen werden mit Erläuterungen der
Lehrperson kombiniert. Reflektionsfragen und Kurzdiskussionen während der VO binden die Studierenden aktiv ein. Jede VO endet mit der Bekanntgabe der Fragen für den Prüfungsfragenkatalog (s.u.) und einem Ausblick auf die nächste Einheit.
2.2.2 Begleitende Onlineressourcen
Parallel zur Präsenzlehre stehen den Studierenden optional mehrere Online-Ressourcen zur Verfügung:
• Mitteilungen werden über das interne Mitteilungstool der Lernplattform verschickt und bleiben so das ganze Semester hindurch abrufbar
• Der Online-Ordner „Unterlagen zur VO“ enthält den Syllabus inkl. Literaturliste, die obligatorisch zu lesende Literatur als PDF-Download, sowie Leitfäden zum Lesen wissenschaftlicher Texte
• Im Laufe der VO entsteht ein Fragenkatalog. Am Ende jeder Sitzung werden 4 bis 5 Fragen zur Einheit auf der Lernplattform veröffentlicht, die entsprechend des VARK-Modells unterschiedliche Lerntypen berücksichtigen. Der so wachsende Fragenkatalog kann laufend
online abgerufen werden. Er dient als Hilfestellung zum strukturierten Lernen. Die Abschlussprüfung setzt sich aus Fragen des Katalogs zusammen.
• Für alle Einheiten werden kleine Online-Denksportaufgaben oder Links zu externen Ressourcen (z.B. Lernvideos, Podcasts, Onlinedatenbanken, interaktive Archäologie-Tools) bereitgestellt, die optional im Selbststudium durchgenommen werden können. Diese „To-Do‘s für Zuhause“ vermitteln Lerninhalte durch unterschiedliche Informationsformate und stellen für die archäologische Forschung relevante digitale Plattformen und Ressourcen vor.
• Eine digitale Karte aller in der VO besprochenen Fundorte unterstützt das visuelle Lernen geografisch-historischer Räume und kann auch während der VO auf dem Smartphone aufgerufen werden.
• Folien der VO werden jeweils eine Woche online zum Nachsehen zur Verfügung gestellt. Die Folien können jedoch nicht heruntergeladen werden. Die nur befristet Verfügbarkeit der Folien soll dazu animieren, zeitnah mit der Nachbereitung der jeweiligen Einheit zu beginnen, und nicht alles bis zum Semesterende hin zu verschieben.
2.3 Prüfung
Die schriftliche Prüfung am Semesterende besteht aus sechs Reflektions-, Wissens- und Bildfragen, die aus dem Fragenkatalog stammen (s.o.). Das ermöglicht Studierenden eine gezielte Vorbereitung und vermeidet Binge-Learning.
3 Praxiserfahrung
Das Konzept wurde bereits dreimal in der Praxis getestet und erhielt durchweg positives Feedback. Die Möglichkeit in der VO aktiv zu partizipieren wurde besonders positiv bewertet, da „man nicht so müde wird“ und „irgendwie dann besser verstehen lernt worum es eigentlich geht“ (anonyme Zitate von LV-Teilnehmer*innen). Bei den Online-Ressourcen werden insbesondere der Fragenkatalog und die „To-Do‘s für zu Hause“ als hilfreich empfunden. Mithilfe der Online-Statistik der Lernplattform ist ersichtlich, wie Studierende die Online-Ressourcen nutzen. In der VO im Sommersemester 2024 waren durchschnittlich 20 Studierende in der VO. Es erfolgten insgesamt 1699 Zugriffe auf die verschiedenen Online-Ressourcen (= ca. 85 pro Studierenden). Dabei zeigt sich deutlich, dass die Nutzung nicht kontinuierlich über das Semester verteilt ist, sondern gewissen Fluktuationen unterliegt. Besonders viele Zugriffe erfolgen zu Semesteranfang (vermutlich um sich über Inhalte und Ablauf der VO zu informieren), in der Mitte des Semesters (hier sind die Bewegründe unklar), und gegen Ende, hier vermutlich im Rahmen der Vorbereitung für die Prüfung. Am häufigsten werden der Fragenkatalog, der Syllabus und die VO-Folien aufgerufen. Die „To-Do‘s für Zuhause“ sind zwar nicht ganz so stark, aber doch recht häufig frequentiert. Die digitale Fundstellenkarte wird hingegen nur selten aufgerufen, was erstaunt, denn deren Nutzung wird in der VO mehrmals empfohlen, um auch die historisch-geografische Spannweite der VO zu verinnerlichen.
Aus meiner Sicht als Lehrperson ist festzuhalten, dass die angewandten Methoden und bereitgestellten Materialien grundsätzlich zu einem höchst positiven Lernerlebnis beigetragen haben. Bei den Prüfungsergebnissen zeigt sich aber deutlich, dass letztlich jene Studierende den größten Lernerfolg hatten, die regelmäßig die VO besuchten und auch proaktiv an den in der VO angebotenen Diskussionsmöglichkeiten teilnahmen. Deutlich unterdurchschnittlich haben Studierende abgeschnitten die kaum in der VO erschienen sind, oder die sich nie an den aktivierenden Übungen beteiligt haben. Das zeigt klar, dass die Präsenzlehre wie auch die direkte Interaktion mit den Studierenden trotz der enormen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters unverzichtbar für ein produktives Studium sind. Aktuell sieht die studienrechtliche Regelung keine Anwesenheitspflicht bei VOs vor. Studierende zum Besuch der VO zu motivieren ist daher essentiell. Bei den ALs im Hörsaal könnte man künftig auch Formate einsetzen, die alle Studierenden fordern mitzumachen (z.B. partizipierende Umfragen). Bemerkt werden muss auch, dass der Aufwand für die Erstellung und Aktualisierung umfangreicher Lernressourcen wie den hier vorgestellten viel Zeit erfordern, die in der Lehrdeputatsberechnung keine entsprechende Berücksichtigung findt – gute Lehre braucht aber Zeit. Die geringe Nutzung von Lernressourcen deren Erstellung mit großem Zeitaufwand verbunden ist, wie der interaktiven Karte, ist, ist erst nach dem Praxistest ersichtlich, kann aber als Test verstanden werden, auf welche Formate bei künftigen VOs verzichtete werden kann.
Literatur
1 Readman et al., Times Higher Education (2021).
2 JVerger, in: Rüegg (Ed.), Geschichte der Universität in Europa, 1993, 40–80.
3 Fleischmann, in: Berendt et al. (Eds.), Neues Handbuch Hochschullehre, 2014, 1–20.
4 Schmidt et al., Health Professions Education 1 (2015) 12–18.
5 Jakoet-Salie et al., Teaching Public Administration (2022) 01447394221092275.
6 Brahler et al., Journal of Educational Technology & Society 2 (1999).
7 French et al., Teaching in Higher Education 22 (2017) 639–654.
8 Handke, in: Egger et al. (Eds.), Lob der Vorlesung, 2020, 227–245.
9 Horton, E-Learning by Design, 2011.
10 Weimer, Learner-Centered Teaching, 2003.
11 Erasmos, ed., in: Handbook of Research on Teaching in Multicultural and Multilingual Contexts, 2022.
12 Dübbelte, Aktivierende Methoden für Vorlesungen und Seminare mit großen Gruppen, 2017.
13 Biggs, High Educ 32 (1996) 347–364.
14 Biggs et al., Teaching for Quality Learning at University, 2011.
15 Fleming et al., To Improve the Academy 11 (1992) 137–155.
Akzeptanz und Resonanz
Siehe offizielle Evaluierung SoSe 2022 (globaler Durschnittswert 1,2 afu einer Skala von 1 bis 5 / 1 als beste Bewertung;
- durchwegs positives Individualfeedback; Studierende finden das Konzept äußerst anregend und meinen, es erleichtert ihnen in der Vorlesung "bei der Sache zu bleiben".
Nutzen und Mehrwert
Interaktive Methoden in der Vorlesung, digitale Begleitung der Vorlesung, Partizipation, Lerntyp gerechte Vermittlung
Übertragbarkeit und Langlebigkeit
Das Projekt läuft seit 2022
Grundsätzlich ist das Konzept auf alle Vorlesungen im Hochschulbereich anwendbar
Institutionelle Unterstützung
keine Unterstützung
LVs während seitens der Uni standardisiert evaluiert. Diese Evaluationen und das Feedback von Studierenden wird von mir für die nächste Vorlesung eingebaut; Konzept wurde im Rahmen des Lehrkompetenzzertifikats der Uni Innsbruck positiv durch die Studiendekanin evaluiert.