Zuletzt aktualisiert am 03.10.2025
Strategic Thinking and Analysis I + II, Managerial Economics
Projektname des bereits eingereichten Projekts:
Ars Docendi Kategorie
Digitale Transformation in der Lehre
Gruppengröße
< 20
Kurzzusammenfassung des Projekts
In den Kursen Strategic Thinking and Analysis I + II (BA) und Managerial Economics (MA) an der WU erlernen die Studierenden strategisches Denken und evidenzbasierte Entscheidungen durch einen bunten Mix an Vermittlungsmethoden, die didaktisch und inhaltlich um das zentrale Element digitaler Lehr-Experimente gruppiert sind. In diesen Lehr-Experimenten treffen die Studierenden echte Entscheidungen und erfahren somit direkt die Konsequenzen falscher und richtiger Ansätze zur Lösung eines Entscheidungsproblems. Dies führt zu Erfahrungslernen und Reflexion. In einer intensiven Selbstlernphase erarbeiten sich die Studierenden die theoretischen Grundlagen und analysieren ihre eigenen digitalen Entscheidungsdaten, bevor sie in der Veranstaltung im Gruppenkontext gemeinsam diskutiert werden. Weitere Praxisbeispiele, aber auch Reflexionen zur Praxisrelevanz runden das Veranstaltungsdesign ab. Die Kurse vermitteln den Studierenden damit nicht ein Grundverständnis der behandelten Methoden der strategischen Analyse, sondern auch die Kompetenzen, selbstständig strategische Entscheidungssituationen und die Anreize der jeweiligen Akteure zu analysieren und Vorhersagen über das erwartete Verhalten zu treffen, entsprechende Entscheidungsdaten zu evaluieren und Rückschlüsse zu ziehen, ihre Ergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren, und in Gruppen in solchen Aufgaben zusammenarbeiten zu können. All dies sind Kernkompetenzen, die in der Praxis eine signifikante Rolle spielen.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
In the courses Strategic Thinking and Analysis I + II (BA) and Managerial Economics (MA) at WU, students learn to think strategically and to make evidence-based decisions. This is achieved through a mix of teaching methods, which are didactically and content-wise grouped around the central element of digital classroom experiments. In these classroom experiments, students make real choices in real decision situations, and thus directly experience the consequences of wrong and right approaches to solve the decision problem. This results in experience learning and reflection. In an intense self-learning phase, students work through the theoretical analysis and analyse their own digital decision data, before discussing their results with peers and lecturer in class. Examples and applications from practice, but also reflections on the limits of the theoretical concepts in the real world further enhance the teaching concept. The courses do not only convey a basic understanding of the discussed methods of strategic analysis, but also bestow competencies in students that enable them to independently analyze strategic decision situations and the incentives of agents involved, to make predictions about expected behavior, to evaluate decision data and draw conclusions, to present their results, discuss and defend them, and to work in teams in order to solve these tasks. All these are core competencies that play a significant role in managerial practice.
Nähere Beschreibung des Projekts
1. Grundlegendes Design der Lehrveranstaltungen
Das Lehrdesign der vorgeschlagenen LVs „Strategic Thinking and Analysis I + II“ (Bachelor SBWL) und „Managerial Economics“ (Master) besteht aus einem bunten Mix an Vermittlungsmethoden, die didaktisch und inhaltlich um das zentrale Element der Lehr-Experimente gruppiert sind. Diese Methoden umfassen ausführliche Diskussionen inklusive „cold calls“, strukturierte Hausaufgaben, interaktive Frontallehre mit vielen Beispielen und weiteren Praxisbezügen, und Reflexionen zur Praxisrelevanz.
Am Anfang eines neuen Themas steht immer ein Experiment, oder eine Serie von Experimenten. Diese werden in den letzten 45-60 Minuten der üblicherweise 3-stündigen Veranstaltungsblöcke durchgeführt. Fast alle Lehr-Experimente werden mittels der Experimentsoftware oTree durchgeführt. Dazu wurde eine digitale oTree-Plattform an der WU aufgesetzt (http://otree.wu.ac.at) und bisher ca. 45 verschiedene Lehr-Experimente umgesetzt, die in verschiedenen Veranstaltungen verwendet werden.
Gemäß den Inhalten der Lehrveranstaltungen wurden Lehr-Experimente für diverse Entscheidungssituationen modelliert, z.B. freier Markt, simultaner und sequentieller Preiswettbewerb, Monopolmärkte, Timing und Commitment in Oligopolen, Price matching, Verhandlungen, öffentliche Güter, Kooperation unter Drohungen und Versprechen, Interaktion mit unbegrenztem Horizont, Reputation, Vertrauen in Märkten, diverse Arten von Auktionen, der „Fluch des Gewinners“, Patentwettbewerb, Koordinationsprobleme, Kommunikation, Fokalpunkte und Koordination, Arbeitsmärkte und Bildungsinvestitionen, rationales Herdenverhalten in Finanzmärkten, innerbetriebliche Koordinationsprobleme, Koalitionsbildung, Gruppenentscheidungen und strategische Meeting-Agenden, etc.
Der typische Ablauf eines digitalen Lehr-Experiments sieht wie folgt aus:
- Die Studierenden erhalten Instruktionen, die das Spiel beschreiben, die verschiedenen Rollen im Spiel (z.B. Käufer/in und Verkäufer/in), welche Spieler/innen wann welche Entscheidungen treffen (z.B. erst Angebot, dann Annahme/Ablehnung), und wie die Entscheidungen die „Auszahlungen“ beeinflussen.
- Die Studierenden werden jeweils über ihre persönliche Rolle (z.B. Käufer/in oder Verkäufer/in, Bieter/in, Arbeitgeber/in oder Arbeitnehmer/in, etc.) informiert.
- Die Studierenden treffen ihre Entscheidungen (z.B. Preise, Gebote, zu sendende Nachrichten, etc.) über die digitale Plattform an ihrem Laptop-Computer, Mobiltelefon oder Tablet, und werden am Bildschirm über die vorhergehenden Entscheidungen der anderen Spieler/innen (z.B. Preisangebote) informiert. Nach dem Durchlauf einer Entscheidungssituation erhalten alle Spieler/innen Feedback über die Aktionen aller Teilnehmer/innen sowie ihre resultierende „Auszahlung“.
- Oft werden die Entscheidungssituationen mehrere Male wiederholt, um Anpassung und Lernen zu ermöglichen.
(Zur Veranschaulichung dieses Ablaufs sind Beispiele und Screenshots unter orsee.wu.ac.at/wu/exp_examples/ verfügbar)
Um die Entscheidungen noch realistischer zu machen, werden die „Auszahlungen“ aus den Spielen (z.B. Gewinne des repräsentierten Unternehmens oder des Auktionsteilnehmers) als „Experiment-Dollars“ ausgezahlt. Am Ende eines Kurses wird jeder einzelne E$ zu einem Los. Als attraktive Preise verwenden wir z.B. „zwei Kino-Karten“, einen „Restaurant-Gutschein“, oder eine Jahreskarte für den Zoo. Da durch jeden hinzuverdienten E$ die Chance auf den Gewinn steigt, sind die in den Lehrexperimenten getroffenen Entscheidungen *echte* Entscheidungen.
In ihrem Lehrbuch, welches solche (allerdings nicht digitalisierten) Lehr-Experimente in die mikroökonomische Grundlagenausbildung integriert, schreiben Bergström & Miller sinngemäß:
„Die Teilnahme an Lehr-Experimenten ist ein bisschen wie zu einem Kannibalen zum Dinner eingeladen zu sein. Manchmal ist man Dinner-Teilnehmer, manchmal ist man selbst das Dinner, manchmal beides.
Wenn Du in einem Labor in der Biologie, Physik, oder Chemie bist, dann kannst Du stinkende Chemikalien vermischen, mit Seilzügen spielen, oder Frösche sezieren, aber Du bist immer nur der Experimentator und niemals das eigentliche Subjekt des Experiments. In den Experimenten in diesem Kurs werden Du und Deine Kommilitonen sowohl die Subjekte der Forschung als auch die Forscher sein, die versuchen, die Resultate zu verstehen.
Es ist schwer vorzustellen, dass ein Chemiker sich auch mal in die Position eines Hydrogenmoleküls begeben könnte. Eine Biologin, die Tierverhalten studiert, wird wahrscheinlich nie wissen, wie es sich anfühlt, eine Ente zu sein.
Du hast da mehr Glück! Du studierst das Verhalten und die Interaktionen von Menschen in ökonomisch interessanten Situationen. Als eine/r dieser interagierenden ökonomischen Agent/inn/en wirst Du die Entscheidungsprobleme, denen diese Agenten ausgesetzt sind, selbst erfahren. Wir glauben, dass Du über unser Thema und dessen Analyse durch die eigene Erfahrung und Teilnahme mindestens genauso viel lernen wird wie durch die (nachträgliche) distanzierte Beobachtung und Analyse.“
Im Anschluss an die Durchführung der Experimente werden sowohl die Instruktionen als auch die gesammelten digitalen und anonymisierten Entscheidungsdaten den Studierenden auf der eLearning-Plattform zur Verfügung gestellt. Zur intensiven Vorbereitung der nächsten Veranstaltung erhalten die Studierenden Aufgabenblätter, die sie bei der Analyse unterstützen. Diese sind fragengeleitet und führen die Studierenden Schritt für Schritt durch die theoretische Analyse der Spielsituationen sowie durch die empirische Analyse ihrer eigenen Entscheidungsdaten.
Die Struktur der folgenden LV-Einheit variiert je nach Lehr-Experiment und Thema. Manchmal werden erst die Lehr-Experimente diskutiert und dann die jeweilige formale Theorie nachgereicht, manchmal gehen Diskussion und Theorievermittlung Hand in Hand. Die Diskussion der Lehr-Experimente erfolgt hoch-interaktiv. Es wird erwartet, dass jede/r Studierende vorbereitet ist. Der Lehrende setzt dabei „cold calls“ ein. Das heißt, Studierende werden (meist zufällig ausgewählt) aufgefordert, zu ihren eigenen (Gruppen-)Ergebnissen der Experimentanalyse zu berichten. Das setzt Anreize, sich ausführlich vorzubereiten.
Natürlich gibt es auch inhaltliche Schwerpunkte, in denen der Lehrende wieder zum Frontalunterricht greifen muss, insbesondere wenn es um die Erläuterung formaler Theorien oder um die Vertiefung komplexer Konzepte geht. Aber auch dies wird sehr interaktiv durchgeführt, die Studierenden sind aufgefordert, aktiv Verständnisfragen zu stellen oder weiterführende Gedanken anzustellen.
Ein finales Element des Lehrdesigns zielt auf die Reflexion und Einordnung des Gelernten ab. Im Anschluss der jeweiligen Veranstaltung schreiben die Studierenden einen Eintrag im „Reality Check Blog“. Insbesondere erörtern sie dort Beispiele aus dem eigenen beruflichen oder persönlichen Leben, in denen sie die Konzepte aus der Veranstaltung anwenden können, und wo die Lehrinhalte ihnen bei einem besseren Verständnis der Phänomene helfen. Die Studierenden können jedoch auch Fälle anführen, wo diese Konstrukte eben nicht hilfreich sind, um Lösungen in der Realität zu finden.
30% der Kursnote ergeben sich aus der Mitarbeit, sowohl aus „cold calls“ als auch aus freiwilligen Diskussionsbeiträgen. Dabei wird jedoch nicht so sehr der Inhalt bewertet (Fehler machen ist ausdrücklich erlaubt), sondern die Evidenz, dass sich die Studierenden mit den Fragen beschäftigt und versucht haben, selbst eine Lösung zu finden, und damit soziale Kernkompetenzen. Weitere 20 Prozent der Endnote kommen aus der Benotung von zwei der regelmäßig ausgeteilten Aufgabenblättern. Die übrigen 50% der Note ergeben sich im Rahmen einer Klausur. Diese ähnelt dabei der Analyse der Experimente: es wird eine strategische Situation vorgestellt, inklusive Entscheidungsdaten aus Experimenten dazu. Die Studierenden analysieren dann sowohl theoretisch die Situation als auch empirisch die Daten, und vergleichen beide. Damit werden genau die analytischen Kompetenzen und Denkansätze abgeprüft, die in dem Kurs vermittelt werden sollen.
2. Relevanz für Ausschreibungskriterien
A. Innovative Hochschuldidaktik
Im Gegensatz zu verwandten Methoden wie klassischen Fallstudien und Rollenspielen steckt die Methodik der Lehr-Experimente (im englischen „classroom experiments“) noch in den Kinderschuhen. Während Fallstudien/Rollenspiele nie ihren hypothetischen Charakter verlieren, konfrontieren Lehr-Experimente die Lernenden mit echten Entscheidungen. Hoch innovativ in unseren Kursen (im Vergleich zu bereits existierenden Implementierung von Lehrexperimenten) ist einerseits die Benutzung einer digitalen Plattform und andererseits die intensive Selbstlernphase, in der die Entscheidungssituationen und die eigenen digitalen Entscheidungsdaten analysiert werden, bevor sie im Gruppenkontext gemeinsam diskutiert werden.
B. Studierendenzentrierung und Heterogenität
Lehrexperimente sind in ganz besonderer Weise geeignet, die Studierenden in den Mittelpunkt zu setzen und der Heterogenität in Interesse, Vorbildung, und Fähigkeiten Rechnung zu tragen. Der Fun-Faktor der Experimente sorgt für hohe Motivation. In den Lehrexperimenten treffen Studierende *eigene* Entscheidungen, produzieren und analysieren *eigene* Daten. In der Gruppenarbeit an Aufgabenblättern zur Vorbereitung der Lehrveranstaltungen können sich heterogene Kompetenzen komplementär ergänzen. Während und nach den Experimenten ergibt sich hochpersonalisiertes Feedback für die Studierenden: sie erfahren direkt die Konsequenzen falscher und richtiger Ansätze zur Lösung eines Entscheidungsproblems. Durch die Analyse echter Entscheidungsdaten ergibt sich aber auch inhaltlich eine Diskussion heterogener Herangehensweisen und Präferenzstrukturen. Solche Kontraste sind expliziter Bestandteil der Diskussion. Es hat sich auch gezeigt, dass die vorhergehenden Diskussionen inklusive der „cold calls“ auch gerade bei sonst eher zurückhaltenden Studierenden zu positiven „Spillover“-Effekten führt. Aufgrund positiven Erfahrungen in der kollegialen Atmosphäre in den Diskussionen haben solche Studierende nun selbst in Phasen des Frontalunterrichts den Mut, aktiv mitzuarbeiten und kritische Fragen zu stellen.
C. Kompetenzorientierung
Ein wichtiges Element dieses Lehrdesigns ist es, dass die Studierenden die theoretische Analyse mittels strukturierter Anleitung selbst erarbeiten (ohne sie vorher präsentiert zu bekommen). Das ist natürlich manchmal frustrierend, aber dies ist positiv wirkende Frustration, die sich bei gleichzeitiger weiterer Motivation zur Lösungsfindung in Fortschritt übersetzt. Forschung zeigt, dass selbst erarbeitete Konzepte besser verstanden und erinnert werden. Die Studierenden bilden dadurch auch wichtige Kernkompetenzen in der evidenzbasierten Strukturierung und Analyse von Entscheidungsproblemen. Bei diesen Aufgaben wird Gruppenarbeit stark stipuliert, so dass die Studierenden auch voneinander lernen können. Durch die intensive Vorbereitung in einer Selbstlernphase erhält die Diskussion in den Veranstaltungen Aspekte eines „Inverted Classroom“. Die Studierenden lernen gegenseitig von ihren Erfolgen aber auch ihren Fehlern. Der Lehrende ist mehr Moderator als direkter Wissensvermittler. In der Veranstaltung trainiert die gemeinsame Erarbeitung der Theorie durch intensive Diskussion weitere „soft skills“ der Studierenden, wie der konstruktive Austausch von Argumenten und die kohärente Artikulation von Argumentationsketten. Das „Reality Check Blog“ schließlich ermöglicht die Reflexion der Praxisrelevanz der Inhalte. Es schließt damit aber auch den Feedback-Loop zum Lehrenden. Besonders interessante Beispiele, sowohl positive als auch negative, erhalten Eingang in die nächsten Veranstaltungen.
Nach erfolgreichem Abschluss eines Kurses sollen die Studierenden als Kompetenzen ein Grundverständnis der behandelten Methoden der strategischen Analyse demonstrieren, selbst strategische Entscheidungssituationen und die Anreize der jeweiligen Akteure analysieren und Vorhersagen über das erwartete Verhalten treffen, entsprechende Entscheidungsdaten evaluieren und Rückschlüsse ziehen, ihre Ergebnisse präsentieren und diskutieren, und in Gruppen in solchen Aufgaben zusammen arbeiten können. All dies sind Kernkompetenzen, die in der Praxis eines Betriebswirtschaftlers eine signifikante Rolle spielen.
D. Europäische und internationale Ausrichtung
Alle Lehrveranstaltungen werden auf Englisch abgehalten, was die internationale Perspektive und Mobilität der Studierenden fördert. Die Lehrveranstaltungen sind explizit offen für Austauschstudierende, die auch regelmäßig und aktiv an den Veranstaltungen teilnehmen und ihre eigenen kulturellen perspektiven einbringen. Des Weiteren haben die Lehrveranstaltung eine klare am ECTS-System orientierte Struktur, was eine Anrechnung an europäischen und anderen ausländischen Universitäten erleichtern sollte.