Zuletzt aktualisiert am 07.02.2025
Legal Tech Hackathon
Projektname des bereits eingereichten Projekts:
Ars Docendi Kategorie
Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Gruppengröße
< 20
Kurzzusammenfassung des Projekts
Interdisziplinarität und das Verständnis von Methoden, Zielen und Bedürfnissen von Vertreter*innen anderer Domänen werden sowohl in Informatik als auch rechtswissenschaftlichen Berufsfeldern zunehmend von Absolvent*innen eines Studiums erwartet. Um diese Fähigkeiten zu fördern, wurde an der Universität Wien und der FH Campus Wien ein hochschulübergreifendes Lehrveranstaltungskonzept im Bereich Legal Tech entwickelt. Im Rahmen des „Legal Tech Hackathons“ arbeiten Jus-Studierende der Universität Wien und Informatik-Studierende der FH Campus Wien in fachübergreifenden Teams an interdisziplinären Fragestellungen, unter Betreuung von wissenschaftlichen Expert*innen und Expert*innen aus der Privatwirtschaft. Dabei werden für juristische Probleme digitale Lösungen kollaborativ erarbeitet. Die Ergebnisse und Evaluierungen dieser Lehrveranstaltung zeigen ein hohes Engagement und hohe Zufriedenheit bei den Studierenden beiden Hochschulen. Es wurden auch bereits mehrere Start-Ups durch diese Lehrveranstaltung gegründet. Das Lehrveranstaltungskonzept wurde bereits in weiteren Lehrveranstaltungen repliziert.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
Interdisciplinarity and the understanding of methods, goals and needs of representatives of other domains are increasingly expected from graduates in both computer science and law-related professional fields. In order to promote these skills, a cross-university course concept in the field of legal tech was developed at the University of Vienna and the FH Campus Wien. Within the framework of a Legal Tech Hackathon, law students of the University of Vienna and computer science students of the FH Campus Wien work in interdisciplinary teams on interdisciplinary issues, under the supervision of scientific experts and experts from the private sector. Digital solutions for legal problems are developed collaboratively. The results and evaluations of this course show a high level of commitment and satisfaction among the students of both universities. Several start-ups have already been founded as a result of this course. The course concept has been replicated in several other courses.
Nähere Beschreibung des Projekts
Seit etwa 1999 hat sich der Begriff „Hackathon”, eine Wortschöpfung aus „Hacken” und „Marathon” etabliert. Dabei entwickeln Teilnehmer*innen aus der Soft- und Hardware-Branche Projekte und erstellen funktionierende Prototypen. In den genannten Branchen kommt die Methode „Hackathon” sowohl zur Weiterentwicklung kommerzieller Produkte als auch für das Auffinden neuer, kreativer Lösungsansätze für bestehende Problemstellungen zum Einsatz. Für Jurist*innen ist diese Art der Zusammenkunft bis vor wenigen Jahren unüblich gewesen. Doch seit Legal Tech, die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung von juristischen Tätigkeiten, in die rechtswissenschaftliche Arbeit vordringt, nimmt die Anzahl solcher kollaborativer Veranstaltungen auch im juristischen Kontext zu. Dabei geht es einerseits um die Entwicklung von Ideen im Rechtsinformationsmarkt, andererseits um eine rasche Vorabklärung von rechtlichen Chancen und Risiken einer Entwicklungsidee im Feld.
Der gemeinsame „Legal Tech Hackathon“ der FH Campus Wien und der Universität Wien zielt in diese Richtung und soll die Wahrnehmung von Legal Tech bei Informatik-Studierenden stärken, sowie ein Bewusstsein für das einhergehende Potenzial der Zusammenarbeit von angehenden Jurist*innen und Informatiker*innen schaffen. Die Erstellung der Lernziele erfolgte unter Berücksichtigung der Lehrplanrichtlinien der Association for Computer Machinery (ACM) und des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) [1].
Der Kompetenzerwerb für unsere Lehrveranstaltung „Legal Tech Hackathon“ fokussiert auf die folgenden Lernergebnisse:
Nach Abschluss der Lehrveranstaltung sind die Studierenden in der Lage,
- zielorientiert und kooperativ in interdisziplinären Teams zu arbeiten, einschließlich organisierter Planung, Zeitmanagement, Kommunikation zwischen den Teammitgliedern und domänenübergreifendem Wissenstransfer, um gemeinsam ein verwertbares Produkt zu erschaffen.
- Eine rechtliche Erstbewertung im Hinblick auf juristische Chancen und Risiken der Produktidee vorzunehmen.
- interdisziplinäre Anforderungen zu erfassen, zu dokumentieren, und zu analysieren.
- eine Anforderungsspezifikation in ein implementierbares Design im Rahmen eines strukturierten Prozesses zu übersetzen.
- einen Applikationsprototypen gemäß Spezifikation zu implementieren.
- grundlagenwissenschaftliche mit anwendungsnahen Kompetenzen zu verbinden.
- den österreichischen und europäischen Rechtsinformationsmarkts zu analysieren und zu erklären.
- die domänenübergreifenden Implikationen der Implementierung zu verstehen und zu erläutern.
- die finalen Projekte in das multiprofessionelle Branchenumfeld einzuordnen und vor einer interdisziplinären Jury zu präsentieren.
Um diese fachlichen und fachübergreifenden Lernziele zu erreichen, entwickelten wir das vorliegende domänenübergreifende, kooperative Lehrveranstaltungskonzept. Der Hackathon bietet Jurist*innen und Informatiker*innen die Möglichkeit zusammenzuarbeiten, um sich komplexen juristischen Herausforderungen zu stellen. Die Studierenden beider Hochschulen lernen von den unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen der jeweils anderen und können so ihre eigenen Fähigkeiten erweitern. Das Konzept fordert Studierende auf, kreativ zu denken und innovative Lösungen zu entwickeln. Die Studierenden können dabei ihre Fähigkeiten im Bereich der Problemlösung und des kreativen Denkens verbessern und neue Ansätze und Methoden kennenlernen. Die theoretischen und methodischen Kenntnisse, die im Rahmen des jeweiligen Studiums erworben wurden, werden in die Praxis umgesetzt. Dies dient sowohl zur Festigung und Vertiefung der vorhandenen Kompetenzen als auch zur Verbindung erworbener grundwissenschaftlicher mit anwendungsnahen Kompetenzen.
Der Aufbau der Lehrveranstaltung ist in vier Phasen gegliedert:
- Kick-off (Auftaktveranstaltung, Dauer 2 Lehreinheiten (LE))
- Online-Kollaboration (Ideenfindung und Teambildung, typischerweise 5-8 Wochen)
- Hackathon (2 Tage, jeweils von 9h00 bis 21h00, bzw. Open End)
- Abschlusspräsentationen (Pitching) (4 LE)
Beim Kick-off sind, neben den teilnehmenden Studierenden der beiden Fachrichtungen, auch immer zahlreiche interessierte Vertreter*innen von Firmen, Start-up Initiativen und Institutionen mit Fokus Legal Tech eingeladen und anwesend. In den Jahren 2020 und 2021 wurde der Kick-off aufgrund der Covid-19 Regulierungen nur im Online-Modus abgehalten. Um auch weiterhin einen möglichst niederschwelligen Zugang von externen Expert*innen zu ermöglichen, wird die Kick-off Veranstaltung seither in hybrider Form durchgeführt. Dadurch haben sowohl externe Expert*innen als auch Studierende, die aus terminlichen oder anderen Gründen nicht vor Ort an der Startveranstaltung teilnehmen können, die Möglichkeit, am Hackathon teilzunehmen. Die externen Firmenvertreter*innen stellen beim Kick-off kurz bereits umgesetzte Legal Tech Projekte vor und liefern auch Projektideen für den Hackathon. Damit wird der, für die Studierende oftmals noch diffuse, Begriff „Legal Tech” konkretisiert und die Aufgabenstellung greifbarer. Im Anschluss ist Zeit für Diskussionen der Studierenden mit den Firmenvertreter*innen, den Lehrenden und den Studierendengruppen untereinander eingeplant. Dabei werden stets bereits konkrete Projektideen besprochen und die ersten Projektteams gebildet.
Die Aufgabenstellung für die Studierenden ist bewusst offen gestaltet:
- Wie lässt sich juristische Arbeit besser als bisher unterstützen?
- Wie/wo kann Technologie den Zugang zum Recht verbessern?
- Welche Start-up-Idee lässt sich realisieren?
Nach dem Kick-off startet die Phase der Online-Kollaboration. Dafür wird allen Teilnehmer*innen des „Legal Tech Hackathons“ eine gemeinsame Online-Plattform zum Austausch von Projektideen und zur Gruppenbildung zur Verfügung gestellt. Diese Online-Phase erstreckt sich über eine Dauer von typischerweise 5 bis 8 Wochen (abhängig von den Stundenplänen der Universität Wien und der FH Campus Wien). Über diese Online-Plattform sind sowohl die externen Expert*innen, als auch die Lehrenden beider Hochschulen für die Studierenden erreichbar.
Die Studierenden müssen bis zum Beginn des eigentlichen Hackathons gemischte Teams aus Jurist*innen und Informatiker*innen, mit maximal 3 Informatiker*innen pro Team und mit gleichmäßiger Verteilung der Jurist*innen über die Teams. Die finale Einteilung erfolgt zu Beginn des Hackathons. Aktuell ist die Anzahl der Teilnehmenden auf jeweils 20 Studierende der Rechtswissenschaften und 20 Informatik-Studierende beschränkt. Aufgrund der steigenden Nachfrage planen wir die Teilnehmendenzahl in den nächsten Jahren zu erhöhen. Jedes Team agiert als Start-up. Dementsprechend sind auch Business-Cases für die Projektideen auszuarbeiten, Markforschung hinsichtlich bereits bestehender, vergleichbarer Umsetzungen am Markt durchzuführen und rechtliche Einschätzungen des Vorhabens vorzunehmen.
Der eigentliche Hackathon ist für 2 volle Tage angesetzt und startet mit einer gemeinsamen Brainstorming Session, die ebenfalls in hybrider Form (vor Ort und Online-Teilnahmemöglichkeit) durchgeführt wird. Hier werden Projektideen von den Studierenden vorgestellt, und bei Bedarf auch weitere Ideen von den Lehrenden und externen Expert*innen eingebracht. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die meisten Teams erfahrungsgemäß bereits um konkrete Projektideen gruppiert. Die Vorstellung und kurze Diskussion der Projektideen stellt sicher, dass alle Teams an unterschiedlichen Projekten mit ausreichendem Innovationsfaktor arbeiten.
Für die Ausarbeitung der Projektidee und des dazugehörigen funktionsfähigen Prototyps bestehen darüber hinaus keine Einschränkungen, auch nicht hinsichtlich zu verwendender Technologien. Neben eventuellem Mitbewerb, durch bereits bestehende Produkte am Markt, müssen auch alle rechtlichen Implikationen der Lösung, wie beispielsweise hinsichtlich Markenschutzrecht und Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), mitberücksichtigt und ausgearbeitet werden. Der aktuelle Status aller Projekte wird an beiden Tagen von den Studierenden mehrfach präsentiert und verteidigt. Das Lernziel des domänenübergreifenden Wissenstransfers wird durch vertauschte Rollen zu einem Präsentationstermin adressiert. Dabei erklären die Studierenden einer Domäne den jeweils anderen Projektanteil, d.h. Jus-Studierende den technischen und Informatik-Studierende den juristischen Aspekt. Die externen Expert*innen und Lehrenden begleiten den Hackathon sowohl vor Ort als auch online.
Nach den beiden Hackathon-Tagen haben die Studierenden ein bis zwei Wochen (abhängig von den Stundenplänen der beiden Hochschulen) Zeit, ihre Projekte und Präsentationen zu konsolidieren.
Die Lehrveranstaltung endet mit den Abschlusspräsentationen (Pitching) und Verteidigungen der Projektteams vor einer domänenübergreifenden Jury, zusammengesetzt aus Lehrenden beider Hochschulen und ausgewählten externen Expert*innen. Die Studierenden stellen dabei in einer vorgegebenen Dauer ihre Projekte vor. Mitberücksichtigt müssen dabei sein:
- das Geschäftsmodell,
- alle relevanten juristischen Implikationen,
- die technologische Umsetzung inklusive Demonstration des Prototyps und
- Ausblick auf eine mögliche reale Implementierung im Markt (geschäftlich, juristisch und technologisch).
Die Bewertung der Projekte erfolgt nach folgenden Kriterien:
- Innovation,
- Geschäftsmodell,
- Darstellung aller relevanten rechtlichen Aspekte,
- Technologischer Schwierigkeitsgrad und
- Niveau der Ausarbeitung des Prototyps.
Die Lernergebnisse werden getrennt für jede Domäne bzw. Hochschule beurteilt.
Das Siegerteam bekommt die Möglichkeit, das Projekt im Rahmen von Fachkonferenzen und/oder Interviews auf Social Media Kanälen (Ars Boni, siehe Linkliste) zu präsentieren. Darüber hinaus wird für eventuell geplante Umsetzungen Start-up Hilfe von der Universität Wien und der FH Campus Wien angeboten. Drei Projekte (2018: „RIS+”, 2020: „Hate Free Net”, 2022: „myLegalMatch”) wurden bisher nach dem Abschluss des „Legal Tech Hackathons“ als Start-ups weitergeführt (siehe Linkliste).
Durch die Einbindung von Firmenvertreter*innen und externen Expert*innen aus der „Legal Tech”-Branche dient die Lehrveranstaltung auch als direkte Schnittstelle zum Arbeitsmarkt.
Das Konzept des Hackathons als Lehrveranstaltung ist sowohl vor Ort, hybrid, als auch online durchführbar. In den Sommersemestern 2020 und 2021 wurde der „Legal Tech Hackathon“ aufgrund bestehender Lockdowns ausschließlich online durchgeführt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse flossen 2022 in die Durchführung in hybrider Form ein. Ein hybrider Modus ermöglicht mehr Flexibilität für Studierende, Lehrende und externe Expert*innen, und hat uns dazu veranlasst, diese Form auch weiter beizubehalten. Die Bereitstellung kollaborativer Online-Werkzeuge ermöglicht den interdisziplinären Austausch der Studierenden untereinander, mit den Lehrenden und mit externen Expert*innen, ortsunabhängig und zeitlich flexibel.
[1] Computing Curricula 2020 “Paradigms for Global Computing Education”, Association for Computing Machinery, New York NY, United States, dl.acm.org/citation.cfm
Nutzen und Mehrwert
Der Mehrwert für die Studierenden ist die Gelegenheit, im Rahmen einer Lehrveranstaltung über den Tellerrand ihrer eigenen Studiendomäne hinauszublicken und sich mit anderen Fachgebieten zu beschäftigen. Durch den interdisziplinären Ansatz können Studierende unterschiedlichste Denkweisen und Techniken kennenlernen sowie Ideen und Lösungen entwickeln, die sie in ihrem eigenen Studienfach nicht in Betracht gezogen hätten. Ein Hackathon bietet dazu eine einzigartige Gelegenheit, neue Ideen auszutauschen, die manchmal sogar unerwartete Lösungen hervorbringen können. Darüber hinaus testen und festigen die Teilnehmer*innen beim Hackathon ihre eigenen Fähigkeiten zur Zusammenarbeit und Kommunikation und erweitern ihre Netzwerke und Kontakte, die sie später für die Umsetzung ihrer Ideen nutzen können.
Die Studierenden bekommen Unterstützung für die Weiterführung ihrer Projekte durch das Start-up Service der FH Campus Wien und das Digital Entrepreneurship Innovation Lab der Universität Wien.
Nach der Ausarbeitung und Implementierung des Konzepts beschränkt sich der Aufwand für die Vorbereitung der Lehrveranstaltung für Lehrende im Wesentlichen auf die Organisation der Termine, Räumlichkeiten und Einladung der externen Expert*innen. Die Beurteilung der einzelnen Projekte und Projektabgaben erfolgt während der Abschlussveranstaltung. Die Betreuung während der Ausarbeitungsphase ist aufwändig und zeitintensiv, gibt den Lehrenden aber auch Einblick in die eingesetzten Strategien und Prioritätensetzung der Studierenden bei der Aufgabenlösung. Mit diesen Erkenntnissen können zukünftige Lehrveranstaltungskonzepte an die sich stätig verändernden Bedürfnisse von Studierenden angepasst werden.
Institutionelle Unterstützung
Die Umsetzung des „Legal Tech Hackathons“ wurde durch die Bereitstellung von Lehrenden und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, Räumlichkeiten und finanzieller Unterstützung bei der Versorgung der Studierenden während des Hackathons, sowohl vom Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien als auch vom Studiengang Computer Science and Digital Communications der FH Campus Wien, von Beginn an unterstützt.
Unterstützung bei der Evaluierung des Konzepts und bei der Studierendenbefragung erhielten wir vom Teaching Support Center der FH Campus Wien.
Das Rektorat der FH Campus Wien hat den „Legal Tech Hackathon“ von Beginn an aktiv, durch Teilnahmen an den Abschlussfeiern und Jurybeteiligungen, begleitet.
Das Start-up Service der FH Campus Wien und das Digital Entrepreneurship Innovation Lab der Universität Wien unterstützen Studierende bei der weiterführenden Umsetzung ihrer Projektideen.