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Zuletzt aktualisiert am 02.10.2025

Jederzeit und überall: Mit Virtualisierung, Automatisierung und KI zum modernen Flipped Classroom

Bei dem Projekt handelt es sich um ein neues Projekt / eine wiederholte Einreichung

Ars Docendi Kategorie

Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit

Ars Docendi Kriterien

  • Digitale Transformation
  • Innovative Hochschuldidaktik

Gruppengröße

50-150

Anreißer (Teaser)

Flipped-Classroom-Kurse sind attraktiv, scheitern aber oft am Aufwand für Lehrende und für Kurse mit Übungsteil. Wir nutzen Virtualisierung, Automatisierung und KI, um ihre Erstellung effizienter und ihre Durchführung flexibler zu machen.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Lehrveranstaltung "Hardware Modeling" vermittelt Studierenden grundlegende Kenntnisse in der Hardwareentwicklung und den praktischen Umgang mit einer dafür üblichen Beschreibungssprache. Sie umfasst einen Vorlesungs- und einen Übungsteil und zeichnet sich durch zwei zentrale Innovationen aus:

Flipped Classroom mit KI-gestützten Lehrvideos

Studierenden stehen Lehrvideos mit begleitenden Self-Check-Quiz zur Verfügung, um Lerninhalte orts- und zeitunabhängig zu erarbeiten. Die Videos werden automatisiert aus Foliensätzen mithilfe einer eigens entwickelten Open-Source-Software erstellt. Diese Software erlaubt es, Voice-Over-Text direkt auf den Präsentationsfolien anzugeben und erzeugt dann mittels KI-basierten Text-to-Speech-Services verständlich eingesprochene Videos. So kann auf Feedback schnell, flexibel und konsistent reagiert werden, was eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung bei geringem Mehraufwand ermöglicht.

Fernzugriff auf Laborhardware

Im Übungsteil sind Designaufgaben zu lösen, für die Laborarbeitsplätze mit spezieller Hardware und Software benötigt werden. Um die Verfügbarkeit dieser teuren Ressourcen zu erhöhen, wird zusätzlich zum physischen Labor auch ein eigens entwickeltes "Flipped-Lab" angeboten. Das erlaubt es Studierenden über ein Webinterface 24/7 vollumfänglich auf einen Laborarbeitsplatz zuzugreifen. Die Notwendigkeit persönlich in das Labor zu kommen entfällt dadurch weitestgehend.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The course "Hardware Modeling" provides students with fundamental knowledge of hardware development and practical experience with a commonly used hardware description (programming) language. It consists of a lecture and an exercise part and features two key innovations:

Flipped Classroom with AI-Supported Teaching Videos

Students have access to lecture videos with accompanying self-check quizzes, allowing them to study the material independently of time and location. The videos are automatically generated from slide decks using a specially developed open-source software. This software enables the direct integration of voice-over tracks into presentation slides and then creates clearly narrated videos using AI-based text-to-speech services. This approach allows for quick, flexible, and consistent responses to feedback, enabling continuous quality improvement with minimal overhead.

Remote Access to Laboratory Hardware

The exercise component includes design tasks that require lab workstations equipped with specialized hardware and software. To increase the availability of these costly resources, a custom-developed "Flipped-Lab" is offered in addition to the physical lab. This allows students to access a lab workstation 24/7 via a web interface. As a result, the need for in-person visits to the lab is greatly reduced.

Nähere Beschreibung des Projekts

Das Pflichtfach "Hardware Modeling" ist eine Vorlesung mit Übung im 3. Semester des Bachelorstudiums Technische Informatik an der TU Wien (3 ECTS, ca. 60 Teilnehmende). Die Lehrmaterialien werden ausschließlich auf Englisch zur Verfügung gestellt.

Ausgangslage und Ziele

"Hardware Modeling" vermittelt sowohl theoretische als auch praktische Kompetenzen. Im neuen Studienplan (ab 2024) wurde daher die bereits bestehende Vorlesung durch einen Übungsteil ergänzt, was eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis erfordert. Konventionelle Lehrmethoden sind jedoch durch starre Zeitpläne (Hörsaalverfügbarkeit, fixe Laborzeiten) begrenzt, was sowohl Lehrende in der Wissensvermittlung, als auch Studierende in unterschiedlichen Lebenslagen im Wissenserwerb einschränkt.

Die bestehende Vorlesung nutzte aus ähnlichen Gründen bereits einen Flipped-Classroom-Ansatz, bei dem Studierende Lehrvideos über Moodle eigenständig bis zur Prüfung bearbeiteten. Während sich das prinzipiell bewährt hat, kamen jedoch auch einige Schwachstellen des bestehenden Konzepts zu Tage:

  • Dauer: Konzipiert als Aufzeichnungen klassischer Vorlesungen waren die Videos zu lang.
  • Qualität: Variationen in Stimme, Tempo und Hintergrundgeräuschen.
  • Informationsdichte: Ein fehlendes Skript führte zu ineffizienter Wissensvermittlung in den Videos.
  • Wartbarkeit: Selbst kleinere Korrekturen erforderten aufwendiges neues Einsprechen und Schneiden. Das hat sich im Laufe der Zeit auch in der empfundenen Qualität der Videos niedergeschlagen.
  • Abhängigkeit: Videos waren an einzelne Lehrpersonen gebunden, was langfristige Nutzung erschwerte (bzgl. Wartbarkeit und Persönlichkeitsrechte).

Ziel der Überarbeitung war es, diese Probleme durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) zu beheben, und zusätzlich den Flipped-Classroom-Ansatz auch auf den neu dazu gekommenen Übungsteil auszuweiten. Ein zentrales Element ist dabei das Flipped-Lab, das Studierenden ermöglicht, Laborgeräte und Arbeitsplätze auch außerhalb der Universität flexibel zu nutzen.

Die neue Struktur erlaubt es Studierenden jederzeit und überall die Lerninhalte zu konsumieren und verbessert gleichzeitig die Lehrqualität im Vergleich zu konventionellen Hochschulkursen.

Kursaufbau und didaktisches Konzept

Die Lehrveranstaltung (LVA) besteht aus drei aufeinander aufbauenden Kapiteln mit einer Dauer von jeweils 5–6 Wochen. Jedes Kapitel umfasst zeitlich flexible (Asynchrone) Phasen zur eigenständigen Bearbeitung von Lehrinhalten sowie zeitlich fixierte (Synchrone) Präsenztermine. Zudem wird zwischen Teilen mit verpflichtender (Präsenz) und optionaler (Remote) Anwesenheit unterschieden.

Alle drei Kapitel folgen demselben Ablauf:

  • 1. Videophase (Asynchron & Remote)
  • 2. Nachbesprechung (Synchron & Präsenz oder Asynchron & Remote)
  • 3. Übungsphase (Asynchron & Remote)
  • 4. Übungseinheit (Synchron & Präsenz)

Die Gesamtnote setzt sich zu gleichen Teilen aus den Übungseinheiten und einer Abschlussprüfung zusammen.

Zusätzlich gibt es noch Möglichkeiten, während des Semesters Bonuspunkte zu sammeln, um die finale Note zu verbessern.

Die zentrale Plattform ist die Moodle-Instanz der TU Wien.

Videophase

Die zweiwöchige Videophase bildet den Einstieg in ein Kapitel und ermöglicht zeit- und ortsunabhängiges Lernen mit bewusst kompakt gehaltenen Videos (10–25 Min.). Zwei Quiz pro Video helfen bei der Selbst-Evaluierung und beim Festigen des Stoffes, und geben den Lehrenden wertvolles Feedback über den Zwischenstand der Studierenden:

  • Basis-Quiz: Kerninhalte, niedrigschwellige Erfolgserlebnisse
  • Erweitertes Quiz: Anspruchsvollere Fragen zur Vertiefung

Eine optionale Feedback-Aktivität pro Video ermöglicht die kontinuierliche Verbesserung der Lehrvideos. Zudem bietet ein anonymes "Moodle-Overflow"-Forum Raum für Fragen, die sowohl von Studierenden als auch von Lehrenden beantwortet werden. Besonders aktive Teilnahme wird mit Bonuspunkten belohnt - das fördert den Austausch zwischen Studierenden.

Nachbesprechung

Die Nachbesprechung stellt den Übergang zur Übungsphase dar und findet als Präsenzveranstaltung mit Aufzeichnung statt (es ist also keine Anwesenheit nötig). Sie beginnt mit einem freiwilligen Quiz aus den Inhalten der Videophase (Videos und Quiz) und ermöglicht es Bonuspunkte zu erreichen. Das Quiz schafft somit einen Anreiz die Lehrvideos und entsprechenden Quiz bis zur Nachbesprechung zu bearbeiten.

Anschließend folgt ein offenes Diskussionsforum, in dem Lehrinhalte vertieft und häufige Fehler aus den Quiz besprochen werden. Hier werden gemeinsam mit den Lehrenden Unklarheiten ausgeräumt. Abschließend werden die Übungsbeispiele der entsprechenden Übungsphase, sowie die benötigten Programme und Geräte vorgestellt und demonstriert. Das erleichtert den Studierenden den Einstieg in die Übungsphase.

Übungsphase

Über drei Wochen bearbeiten Studierende Designaufgaben (vergleichbar mit Programmieraufgaben) im Labor oder im Flipped-Lab (detaillierte Infos im entsprechenden Abschnitt). Die Bearbeitung ist dabei innerhalb der Phase zeitlich komplett flexibel. Unterstützung bieten pro Woche mehrmals stattfindende Laborzeiten mit studentischen Mitarbeitern (bei Bedarf auch Remote) sowie das Moodle-Forum.

Übungseinheit

Ein Kapitel endet mit einer Übungseinheit, die in Kleingruppen zu etwa 20 Personen durchgeführt wird. Pro Beispiel präsentiert eine zufällig gewählte Person den anderen Studierenden, sowie der LVA Leitung, ihre Herangehensweise und Überlegungen zu dem Beispiel. Dabei wird das eigene Verständnis demonstriert, was der LVA Leitung eine Einschätzung darüber erlaubt ob die Aufgabe selbstständig gelöst wurde. Für die anwesenden Studierenden besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen bzw. eigene Lösungsalternativen vorzustellen. Die LVA Leitung gibt während der Präsentation direktes Feedback, und zeigt die Verbindungen zwischen den Lehrvideos und den Beispielen auf.

Die Bewertung basiert auf der Zahl der abgegebenen Beispiele und der Präsentationsqualität, nicht ausschließlich auf der Korrektheit. So entsteht ein geschützter Rahmen für das Anwenden neuer Inhalte ohne übermäßigen Druck. Zusätzlich erhalten pro Übungsphase eine Studierende die sich besonders schwer tun individuelles Feedback im Moodle-Kurs.

KI-gestützte Lehrvideos

Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Produktion hochwertiger Lehrvideos haben gezeigt, dass neben dem hohen Initialaufwand für die Erstellung vor allem die kontinuierliche Pflege der Inhalte eine große Herausforderung darstellt. Oft führen bereits kleinste inhaltliche Änderungen zu einem unverhältnismäßig hohen Überarbeitungsaufwand. Hinzu kommt, dass Variabilität im Präsentationsstil der vortragenden Person(en), bei Studierenden zu subjektiv wahrgenommenen Qualitätsschwankungen führen kann.

Diese Herausforderungen greifen wir mit einem neuen, softwaregestützten Ansatz auf, der insbesondere die Wartbarkeit und Qualitätssicherung maßgeblich verbessert.

Kernstück dieses Konzepts ist Tavox, ein eigens entwickeltes Open-Source-Softwarewerkzeug (verfügbar auf GitHub). Tavox ermöglicht es, Lehrinhalte effizient und flexibel zu gestalten, indem es Lehrende beim Erstellen von Lehrvideos auf Basis von Bildschirmpräsentationen unterstützt. Statt eine klassische Videoaufnahme der Präsentation mit eigener Stimme durchzuführen, wird ein Skript in rein textueller Form, und in Abstimmung mit den visuellen Übergängen, direkt in die Präsentationsfolien integriert.

Ein KI-basierter Text-to-Speech-Dienst wandelt diese Kommentare automatisch in Audiokommentare um, die anschließend vollautomatisch mit den Folien zu einem fertigen Lehrvideo kombiniert werden. Dieser Prozess eröffnet eine Vielzahl an Vorteilen:

  • Effizientes Arbeiten durch kurze Feedbackschleifen: Die schnelle und unkomplizierte Erstellung ermöglicht es, Lehrvideos iterativ zu verbessern. Lehrende können ihre eigenen Vorlesungen ohne technischen Aufwand selbst anschauen, evaluieren und gezielt optimieren.
  • Hohe Wartungsfreundlichkeit: Studierendenfeedback kann in Echtzeit berücksichtigt werden. Korrekturen oder inhaltliche Anpassungen erfolgen ohne aufwendige Videonachbearbeitung. Selbst größere Umgestaltungen, wie Designanpassungen der Folien, verursachen keinen erheblichen Mehraufwand.
  • Konstante Sprachqualität: Die generierte Sprachausgabe sorgt für gleichbleibende Verständlichkeit und Professionalität.
  • Individuelle Stimmenwahl: Dank KI-gestützter Spracherzeugung können Videos mit einer Vielzahl verschiedenen Stimmen erstellt werden, um den Vorlieben eines möglichst diversen Publikums gerecht zu werden.
  • Unterstützung unterschiedlicher Lerntypen und Barrierefreiheit: Tavox ermöglicht es auch ohne Mehraufwand ein Transkript der Präsentation zu erstellen, sowie Untertiteln in den Videos einzufügen.
  • Dynamische Aktualisierbarkeit: Ein Server kann die Quelldateien der Präsentationen kontinuierlich überwachen und bei jeder Änderung unmittelbar ein neues Video generieren und veröffentlichen.
  • Niedrigere technische Hürden: Weder spezielle Videoschnittprogramme noch Fachkenntnisse in Videobearbeitung sind erforderlich – die gesamte Videoproduktion erfolgt automatisiert.
  • Integration in bestehende Tools: Tavox ist im Kern ein LaTeX Paket, verwendet also eine ohnehin weit verbreitete Technologie im akademischen Umfeld.
  • Unabhängigkeit von Einzelpersonen: Rechtliche Fragen zur Nutzung von Vortragsaufnahmen entfallen, da keine persönliche Stimme oder Bildaufnahme verwendet wird – ein entscheidender Vorteil, wenn Lehrende die Institution verlassen.

Mit diesem Konzept bieten wir eine innovative Lösung für die digitale Lehre, die nicht nur die Produktionseffizienz steigert, sondern auch die Qualität und Aktualität von Lehrvideos nachhaltig sichert. Tavox ermöglicht eine neue Form des flexiblen und wartungsarmen Lehrens - zugänglich, zeiteffizient und technologisch zukunftsweisend.

Labor-Fernzugriff ("Flipped-Lab")

Laborübungen wie "Hardware Modeling" erforderten traditionell physischen Zugang zu speziellen Entwicklungsboards und hochwertigen Messgeräten (z.B. Logikanalysatoren, Oszilloskope). Aufgrund ihrer Fragilität und der hohen Anschaffungskosten (teils über 10.000 €) konnte dieses Equipment nur unter Aufsicht im Computerlabor zur Verfügung gestellt werden. Der direkte Kontakt mit der Hardware ist jedoch essenziell, da Vorab-Simulationen nicht immer exakt das reale Verhalten produzieren – eine fundamental wichtige Erkenntnis für Studierende. Weiters ist der praktische Umgang mit modernen Messgeräten ein wichtiges Lehrziel.

Der Bedarf für einen Fernzugriff auf das Labor wurde erstmals im Sommersemester 2020 während des ersten Lockdowns deutlich. Daraufhin entstand die erste Version des Flipped-Labs. Diese wurde seither kontinuierlich erweitert und verbessert und ermöglicht mittlerweile einen 24/7-Remote-Zugang zum Labor-Equipment.

Studierende loggen sich über eine eigens entwickelte Software ins Labor ein und wählen einen freien Remote-Arbeitsplatz. Über ein Webinterface im Browser kann das Entwicklungsboard gesteuert und programmiert werden, während ein Live-Stream der Kamera die Board-Ausgaben (z.B. Leuchtdioden) in Echtzeit zeigt. Angeschlossene Messgeräte können ebenfalls über das Webinterface bedient werden. Um eine faire Nutzung zu gewährleisten, ist die Zugriffszeit pro Sitzung auf 10 Minuten begrenzt, sofern mehrere Studierende gleichzeitig Zugriff benötigen.

Die gewonnene Flexibilität (zeitlich und örtlich) hat sich bewährt, sodass das Flipped-Lab inzwischen fester Bestandteil vieler unserer Laborübungen ist. Besonders nützlich ist es für unerfahrene Studierende, die oft mehrere Iterationen für ein Design benötigen und nun kurze Tests und Messungen effizient per Fernzugriff durchführen können anstatt extra ins Labor kommen zu müssen.

Für diese Innovation erhielt das Flipped-Lab 2022 den Sonderpreis "Digital Teaching" bei den "Best Teaching Awards" der TU Wien.

Akzeptanz und Resonanz

Der durchaus unkonventionelle Ansatz, Lehrvideos nur noch mittels KI-generierten Stimmen zu präsentieren, ist definitiv eine Entscheidung mit potenziell tiefgreifenden Auswirkung auf die Studierenden.

Daher ist eine enge und kontinuierliche Evaluierung darüber, wie sich das auf das Lernen der Studierenden auswirkt, essentiell.

Da wir das Flipped-Lab schon in anderen Lehrveranstaltungen eingesetzt und evaluiert haben (wir haben dafür den Sonderpreis für "Digital Teaching 2022" erhalten, der wesentlich auf positivem studentischen Feedback basiert), konzentrieren wir uns in diesem Abschnitt auf die Lehrvideos.

Zu Beginn des Semesters haben wir die Studierenden mittels Moodle-Umfrage zu ihren Erwartungen an das Kurskonzept und KI-Stimmen befragt.

Hieraus ließ sich anfangs eine durchaus optimistisch interessierte Grundstimmung ableiten.

Konkret haben wir dabei folgende Fragen gestellt, wobei jeweils Antworten auf einer vierstufigen Skala möglich waren:

  • Wie zufrieden sind Sie mit dem Kurskonzept? ("sehr zufrieden" (4) bis "sehr unzufrieden" (1)): Durchschnittsantwort 3.4
  • Wie sehr, denken Sie, wird sich Ihre Lernerfahrung durch die Nutzung einer KI-Stimme im Vergleich zu klassischen Lehrvideos unterscheiden? ("sehr stark" (4) bis "gar nicht" (1)): Durchschnittsantwort: 1.9
  • Wie gefällt Ihnen das Flipped-Classroom Konzept dieses Kurses im Vergleich zu klassischen Präsenzvorlesungen? ("viel besser" (4) bis "viel schlechter" (1)): Durchschnittsantwort: 3,2

Insgesamt haben wir 35 Rückmeldungen bekommen. Das entspricht etwas mehr als der Hälfte der Teilnehmenden.

Bei der Frage, ob eine KI-Stimme oder ein menschlicher Vortragender bevorzugt wird, hat sich folgendes Resultat ergeben:

  • KI-Stimme bevorzugt: 31,5 Prozent
  • Keine Präferenz: 20 Prozent
  • Menschlicher Vortragender bevorzugt: 48,5 Prozent

Für die kontinuierliche, begleitende Evaluierung, haben wir für jedes Video einen kurzen Feedbackbogen zur Verfügung gestellt, der (unter anderem) folgende Bewertungsfragen beinhaltet.

  • Wie natürlich klang die KI-Stimme für Sie in dieser Vorlesung? ("sehr natürlich (4)" bis "sehr unnatürlich" (1))
  • War die KI-Stimme leicht zu verstehen? ("sehr leicht" (4) bis "sehr schwer (1)")

Mit Durschschnittsantworten (über alle Videos hinweg) von 3,2 und 3,6 ergibt sich ein sehr positives Bild. Es muss allerdings auch angemerkt werden, dass die Bereitschaft Feedback zu geben, über das Semester hinweg abgenommen hat.

Zusätzlich war es bei den Per-Video-Feedbackbögen noch möglich, Kritik mittels Freitextfeldern zu geben. Dieses Angebot wurde intensiv genutzt und hat noch während des laufenden Semesters zu konkreten Änderungen geführt. Wir möchten hier drei exemplarisch darstellen.

  • Mehr KI-Stimmen: Die ersten Videos im Semester wurden nur mit einer einzelnen KI-Stimme veröffentlicht. Obwohl die Stimme grundsätzlich als angenehm eingestuft worden ist, ergaben Rückmeldungen, dass sich nicht alle Studierenden mit der gewählten Stimme komplett anfreunden konnten. Als Reaktion darauf haben wir eine Moodle-Umfrage abgehalten. Dort konnten Studierende aus mehreren Stimmen Ihre Favoriten auswählen. Als Ergebnis haben wir dann alle Videos mit drei verschiedenen KI-Stimmen zur Verfügung gestellt. Dank unserer Software war dies ohne nennenswertem Aufwand möglich (auch rückwirkend für schon veröffentlichte Videos).
  • Mehr Animationsschritte auf den Folien: Eine oft geäußerte Kritik war das Fehlen visueller Anker bei längeren Sprech-Passagen. Das hat es einigen erschwert sich auf das Gesprochene zu konzentrieren. Da der Großteil des Videomaterials während des laufenden Semesters produziert wurde, konnten wir diesem Feedback direkt begegnen. Konkret haben wir mehr und aufwändigere Animationen auf den Folien verwendet. Persönliche Gespräche mit den Studierenden bei den synchronen Events der Lehrveranstaltung haben gezeigt, dass diese Änderungen sehr begrüßt und geschätzt wurden.
  • Erzeugung von Transkripten: Unterschiedliche Menschen sind unterschiedliche Lerntypen und nicht alle bevorzugen klassische Vorlesungen - egal ob im Hörsaal oder per KI-Video. Daher wurde mehrfach der Wunsch nach einem Skriptum aufgebracht. Da wir im Wesentlichen den Inhalt eines Skriptums bereits zur Video-Erzeugung genutzt haben, konnten wir einfach unsere Software anpassen um zusätzlich zu den Videos automatisiert Transkripte zu erzeugen. Im Gegensatz zur herkömmlichen Erzeugung eines Vorlesungsskriptums ist der Aufwand aus Lehrenden-Sicht dabei recht gering und wir haben mehrfach von Studierenden das Feedback erhalten, dass diese Lernressourcen äußerst willkommen und wertvoll sind.

Zusammenfassend zeigt sich, dass der Einsatz von KI-Stimmen in Lehrvideos grundsätzlich positiv aufgenommen wurde, aber auch Herausforderungen mit sich bringt.

Durch den hohen Automatisierungsgrad und die Flexibilität unseres Konzepts kann jedoch kontinuierliches Feedback genutzt werden um diese Herausforderungen in Echtzeit in Stärken zu verwandeln.

Nutzen und Mehrwert

Das Projekt verbindet flexible Lernformate mit praxisorientierter Ausbildung. Es ermöglicht Studierenden ein hohes Maß an Selbstbestimmung und unterstützt unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten und Lebenssituationen. Der Fernzugriff auf die Hardware eröffnet neue Möglichkeiten für Studierende, die nicht regelmäßig an der Universität präsent sein können, und trägt so aktiv zur Förderung der Chancengleichheit bei. Der hohe Automatisierungsgrad bei der Videoproduktion erlaubt es, äußerst dynamisch auf Studierendenfeedback einzugehen. Sowohl das Nachbessern bei Fehlern oder Unklarheiten, als auch das Ergänzen von Lehrinhalten sind praktisch ohne den Mehraufwand möglich der typischerweise mit der Videoproduktion einhergeht.

Lehrende können sich in unserem Konzept daher verstärkt auf das Wesentliche konzentrieren: die Aufbereitung und Vermittlung der Inhalte. Ihre Aufgabe wandelt sich zunehmend vom reinen Vortragen des Wissens hin zum Kuratieren des Wissens, mit dem Anspruch Studierende gezielt durch die Lehrmaterialien zu führen, und dabei zu helfen relevante Inhalte zu erschließen. Die hohe Effizienz des Systems schafft zudem wertvolle Freiräume – Studierende gewinnen mehr Zeit, sich vertieft mit den Inhalten auseinanderzusetzen, während Lehrende ihre Ressourcen verstärkt für die kontinuierliche Verbesserung der Lehrmaterialien und Präsentationsformen nutzen können.

Zusammenfassend ermöglicht es unser Konzept, das Flipped-Classroom Format mit all seinen Vorteilen zu implementieren, ohne unter den typischen Problemen zu leiden. Anstatt der häufigen "Konservendose" für Wissen, die mit der Zeit verstaubt und viele Flipped-Classroom Formate zur lieblosen Alternative klassischer Vorlesungen degeneriert, machen die automatisierte Erzeugung, und die Nutzung KI-generierter Vertonung, unsere Lehrvideos zu einer lebendigen, partizipativen Ressource.

Übertragbarkeit und Langlebigkeit

Das Projekt läuft seit 2024

Unser Konzept hat sich bewährt, und das positive Feedback untermauert die von uns angeführten Vorteile. Daher werden wir die Lehrveranstaltung im Wintersemester 2025 in weiterentwickelter Form erneut durchführen. Ein konkretes Vorhaben ist der Einbau mehrerer KI-Stimmen in den bereits vorhandenen Videos um dynamische "Dialoge" zu erzeugen. Die Idee wäre hier zum leichteren Verständnis gewisse komplexe Themen als Frage-Antwort-Formate aufzubereiten.

Neben der Weiterentwicklung von Tavox wollen wir außerdem unsere Software zur einfachen Erstellung von Moodle-Quiz als eigenständiges Open-Source-Tool veröffentlichen und somit anderen Lehrenden zugänglich machen.

Die Erzeugung von Lehrvideos und Transkripten bietet sich prinzipiell für beliebige Inhalte an. Wir stehen bereits mit Lehrenden der TU Wien und anderer Hochschulen im Austausch über den Einsatz unseres Konzepts. Zudem planen wir gewisse Inhalte in unseren anderen Lehrveranstaltungen mit Hilfe von Tavox in Lehrvideos umzuwandeln. Insgesamt lässt sich unser Konzept ohne nennenswerter Unterschiede auf beliebige Lehrveranstaltungen übertragen, die einen Flipped-Classroom Ansatz verwenden (möchten).

Das Flipped-Lab bietet sich naturgemäß in erster Linie für Laborkurse an, die Zugriff auf spezielle Geräte und Arbeitsplätze benötigen. Aber auch hier gilt, dass unser Konzept im Kern für beliebige Labore, die keine permanente Betreuung benötigen, angewendet werden kann. Die entwickelte Software, die dafür zum Einsatz kommt, ist zwar auch open-source, hat aber naturgemäß ein sehr viel engeres Anwendungsfeld.

Institutionelle Unterstützung

Die TU Wien unterstützt unser Konzept in zwei wesentlichen Bereichen: didaktische Beratung und digitale Infrastruktur.

Ein besonders wertvoller Aspekt ist das Engagement der TU Wien, Lehrende in didaktischen Fragen zu fördern. Einige unserer Ideen sind erst bei der hochschuldidaktische Basisausbildung der TU Wien entstanden bzw. ausgereift. Zudem bietet die TU Wien kostenlose Coaching-Sitzungen mit anerkannten Didaktik-Expertinnen und Experten an. Wir haben dieses Angebot genutzt und bereits während der Ausarbeitung des Lehrveranstaltungskonzept wertvolles Feedback erhalten.

In Bezug auf die Infrastruktur unterstützt uns die TU Wien durch das Hosting unserer Lehrvideos und der Bereitstellung einer eigenen Subdomain für die Lehrveranstaltung. Dies ermöglicht eine stabile und leicht zugängliche Umgebung für unsere Studierenden. Darüber hinaus profitieren wir natürlich von der Integration in die bestehenden Lernplattformen (allen voran die Moodle-Instanz der TU Wien).

Wie jede andere Lehrveranstaltung unterliegt auch dieser Kurs der generellen (freiwilligen) Lehrveranstaltungsbewertung durch Studierende im Lehrveranstaltungsverzeichnis (TISS). Diese Möglichkeit wurde vergangenes Semester allerdings nur von 7 Prozent der Teilnehmenden genutzt. Obwohl dieses Feedback großteils positiv war, lassen sich daraus daher kaum generelle Rückschlüsse ziehen. Wir vermuten, dass die laufenden engmaschige Bewertungsmöglichkeiten unter dem Semester hier bereits zu einem gewissen Ermüdungseffekt geführt haben.

Das erhaltene Feedback lassen wir natürlich in die nächste Durchführung unseres Konzepts einfließen, was auch wieder von einem Didaktik-Coaching begleitet sein wird.