Zuletzt aktualisiert am 10.02.2025
Vom Symptom zur Diagnose – Das interaktive Wahlfach zur Verbesserung der klinischen Ausbildung von JungmedizinerInnen
Projektname des bereits eingereichten Projekts:
Ars Docendi Kategorie
Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit
Gruppengröße
< 20
Kurzzusammenfassung des Projekts
Das vorgestellte Projekt (www.symptom-diagnose.com) ist eine von Studierenden für Studierende abgehaltene, wöchentlich stattfindende Lehrveranstaltung (LV), die durch interaktives ‘Problem-based Learning’ (Centor et al., 2019) auf das Erlernen klinisch anwendbarer diagnostischer Fertigkeiten abzielt. Das innovative Lehrkonzept wurde 2016 an der Medizinischen Universität Graz erarbeitet und im selben Jahr als Wahlfach in das Curriculum des Diplomstudiums Humanmedizin implementiert. Aufgrund des regen Interesses sowie international erzielter Erfolge wurde das Konzept um Gastvorträge, einen nationalen Diagnostik-Wettbewerb sowie Kongressbeiträge mit interaktiven Workshops erweitert. Zum gegebenen Zeitpunkt (WS 2019/20) zählt die LV 182 TeilnehmerInnen (entspricht 54,17% aller jährlich verfügbaren Studienplätze), welche dieses erweiterte Bildungsangebot annehmen. Da sich engagierte Studierende aktiv an der Konzeption der LV beteiligen können, entsteht ein interaktiver Raum, welcher das Erlernen von fächerübergreifendem Wissen trotz unterschiedlichen Studienfortschritts erlaubt. Das Repertoire dieser LV wird um die Expertise renommierter GastprofessorInnen ergänzt, wobei die Konfrontation mit Neuem den Blick über den Tellerrand fordert und fördert. Die Nominierung zum Ars Docendi 2020 würde dieser LV die nötige strukturelle Unterstützung geben und in Hinblick auf die Weiterentwicklung dieses innovativen Lehrkonzepts einen essentiellen Baustein repräsentieren.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
The project delineated (www.symptom-diagnose.com) is a weekly course held by students for students, which aims at learning clinically applicable diagnostic skills through interactive problem-based teaching (Centor et al., 2019). The innovative teaching concept of this course was developed at the Medical University of Graz (MUG) in 2016 and implemented in the curriculum of the diploma program as an elective course in the same year. Due to the lively interest and internationally recognised accomplishments, the concept was expanded by monthly held guest lectures, a national diagnostics competition and interactive workshops at international congresses. Currently (winter semester 2019/20), 182 students (approximately 54.17% of all study places available annually at the MUG) are actively participating in this course. Since committed students can actively participate in the conception and implementation of the course, an interactive platform is established, which allows for interdisciplinary learning despite a heterogeneous student body. The repertoire of this course is complemented by the expertise of renowned guest professors, whereby the confrontation with new content challenges and encourages a view beyond the horizon. The nomination for the Ars Docendi 2020 would give this course the necessary structural support and represent an essential building block to advance this innovative teaching concept.
Nähere Beschreibung des Projekts
Genese der Lehrveranstaltung:
Der Grundstein für die Entstehung und Entwicklung dieser Lehrveranstaltung wurde von fünf Studierenden der Medizinischen Universität Graz (MUG) gelegt, die 2015 aus Eigeninitiative an einem renommierten, interuniversitären, medizinischen Wettstreit teilnahmen. Beispiellos konnte das Team bei diesem, vor allem auf diagnostisch-medizinische Kenntnisse ausgelegten, Wettstreit den ersten Platz erringen. Angespornt durch diese positive Erfahrung beschlossen die Studierenden, mit der Unterstützung von Univ. Prof. Dr. A. Rosenkranz und Univ. Prof. Dr. Peter Fickert, diesen Erfolg als Basis für eine Lehrveranstaltung zu sehen, die den nachfolgenden Jahrgängen eine ähnliche Begeisterung für fallbasierte medizinische Diagnostik, sowie eine Leidenschaft zum interaktiven Erarbeiten komplexer Lerninhalte vermitteln sollte. Die resultierende Kontinuität an einer auf Eigeninitiative beruhenden, qualitativ hochwertigen, einerseits kompetitiven aber auch von Unterstützung und Teamwork geprägten Atmosphäre dieses Wahlfaches trugen dazu bei, dass die Lehrveranstaltung bis zum jetzigen Zeitpunkt (WS 2019/2020) an der MUG stattfindet und mittlerweile 182 Teilnehmerinnen zählt (entspricht 54,17% aller jährlich an der MUG verfügbaren Studienplätze).
Struktur und Ablauf der Lehrveranstaltung:
- Dauer: ganzjähriges Angebot als Wahlfach an der MUG (2 Semesterstunden im WS19/20)
- Zielsetzung: Steigerung medizinischer fallbasierter Lösungskompetenzen im klinischen Kontext; Verbesserung differentialdiagnostischer Fähigkeiten durch die Identifikation von Leitsymptomen und bekannter krankheitsspezifischer Muster; Verknüpfung und Anwendung des erworbenen Wissens aus sämtlichen medizinischen Fachbereichen; Vermitteln dieser Kernkompetenzen an Studierende unterschiedlichen Studienfortschritts
- Didaktisches Konzept: Interaktives, multimodales ‘Problem-based Learning’ unter Einsatz von ‘Peer-to-peer Teaching’ und ‘Gamification’ Techniken (Seaborn and Fels, International Journal of Human-Computer Studies, 2015)
Relevanz der Zielsetzung:
In der medizinischen Ausbildung ist der Schritt vom theoretisch erlernten fachspezifischen Wissen hin zur praktischen Anwendung dieser erlernten Inhalte essentiell. Im klinischen Kontext dient die Erkennung typischer Leitsymptome den Grundstein der Diagnosefindung. Gute diagnostische Fähigkeiten sind damit ein wesentlicher Bestandteil besserer und effizienterer Behandlungsmethoden, helfen, potentiell gefährliche Verläufe frühzeitig zu erkennen, und sind der Schlüssel zu einer hochqualitativen medizinischen Versorgung. Das Format der Lehrveranstaltung fördert die studentische Eigeninitiative und Teilhabe am positiven Entwicklungsprozess unserer universitären Lehre.
Methodik:
Folgende Methoden bilden das Grundkonzept der angewandten Didaktik und repräsentieren daher die Grundpfeiler dieses Lehrmodells:
a.) Problem-based Learning: Im Rahmen der klinischen Fallbeispiele werden Hypothesen zur Diagnose basierend auf Symptomen, klinischen Bildern und Laborkonstellationen gebildet. Weitere Untersuchungen (e.g. Blutbefund, Bildgebung) können diese Hypothesen nun erhärten oder zu deren Verwerfung führen. Diese hier angewandte «Problem-based Learning» Methode (Al-Azri et. al., 2014), in der universitär-medizinischen Lehre immer mehr an Bedeutung gewinnend, wird zunehmend im intrahospitalen Bereich in Form von «Clinical Reasoning» praktiziert (Learning Clinical Reasoning Kassirer et al., Lippincott Williams & Wilkins, 2009; Centor et. al., Jama Network, 2019; Kelekar et. al., Perspectives on Medical Education, 2020). Lerntheoretisch kommen hier unter anderem ‘active recall’ Lerntechniken zum Tragen. Bei dieser Lernmethode wird das zuvor bereits im Rahmen der regulären Vorlesungen sowie im Selbststudium theoretisch Erlernte, durch aktives Wiederaufrufen («active recall») gefestigt und vernetzt (Augustin, Yale Journal of Biology and Medicine, 2014).
b.) Interaktives «Peer-to-peer Teaching»: Im Rahmen des ‘Peer-to-peer Teaching’ wird darauf geachtet, dass ein reger Austausch zwischen lehrenden- und teilnehmenden Studierenden besteht (Goldschmied/Goldschmied, Higher Education, 1976). Weiters fördern die flache Hierarchie und die kollegiale Atmosphäre ein interaktives Mitarbeiten der heterogenen Studierendenschaft. Durch die umfangreiche Vorbereitung der wöchentlich abgehaltenen Lehrveranstaltung werden die lehrenden StudentInnen angehalten, sich ausgiebig mit der jeweiligen Thematik zu beschäftigen, um so gezielt auf potentiell auftauchende Fragen einzugehen. Auf diese Weise können sowohl lehrende als auch teilnehmende StudentInnen positiv von dieser Lehrveranstaltung profitieren (Bené et. al, Family Medicine, 2014). Der Einsatz digitaler App-basierender Abstimmsysteme (e.g. «Kahoot») hat in der jüngeren Vergangenheit weiter dazu beigetragen, sämtliche teilnehmende Studierende aktiv in die Lehreinheit integrieren zu können und führt zudem zu einer weiteren Verringerung der Schwellenangst in diesem Lehr- und Lernformat. Die im Hörsaal projizierten Fragen zum Fall können von den Studierenden anonym über ein mobiles Endgerät beantwortet werden. Die Abstimmungsergebnisse werden gesammelt, abgebildet, und eingehend diskutiert.
c.) Gamification-Techniken: «Gamification» ist definiert durch die Nutzung von spielerischen Elementen und Techniken in Kontexten, welche per se kein Spiel darstellen (Seaborn and Fels, International Journal of Human-Computer Studies, 2015). Die im Wahlfach präsentierten Inhalte, insbesondere die Blickdiagnosen (siehe unten) und die interaktiven App-basierenden Abstimmungssysteme, laden dazu ein, sich spielerisch an der Lehrveranstaltung zu beteiligen. Die TeilnehmerInnen werden auf diese Weise motiviert, in möglichst kurzer Zeit zur richtigen Diagnose zu gelangen. Es wird sehr darauf geachtet, dass richtige Aussagen der TeilnehmerInnen Wertschätzung finden, um so ein Gefühl der positiven Feedbacks zu vermitteln. Falsche Antworten oder Diagnosen werden diskutiert und nicht als lächerlich abgetan. Diese genannten Aspekte fördern rege Interaktion und erlauben Studierenden unterschiedlichen Studienfortschritts sich aktiv in die Lehrveranstaltung einzubringen. Zudem wird kollegialer Respekt gelebt.
Lehrinhalte – und Lehrmodalitäten:
Den Inhalt der Lehrveranstaltung prägen:
a.) Interdisziplinäres und interaktives Abarbeiten von Fallvignetten
b.) Präsentation pathognomonischer Bildbefunde («Blickdiagnosen»)
Gemein ist beiden Kompetenzen das Prinzip der «pattern-recognition», also dem Erkennen typischer Muster, die den diagnostischen Prozess in eine gewisse Richtung lenken, seien es Muster konzeptueller (e.g. Fallbeispiele) oder visueller Natur (e.g. Blickdiagnosen).
a.) Diagnosefindung medizinischer Fallbeispiele: Die mit den anwesenden Studierenden erarbeiteten Fallbeispiele werden schrittweise aufbereitet: Jede dieser beginnt mit der Präsentation des Beschwerdebildes eines Patienten. Dabei sind die präsentierten Anamnesen in ihrem Informationsgehalt an reale Gegebenheiten angepasst, wobei diese einem vorgegeben Muster folgen. In der Folge haben die Studierenden die Möglichkeit, das jeweilige Beschwerdebild interaktiv in Kleingruppen zu diskutieren, um dann gemeinsam den nächsten Schritt in der Diagnosefindung zu beschreiten. Dieser besteht in der virtuellen «Anforderung» eines weiteren diagnostischen Befundes, wie beispielsweise den Ergebnissen einer körperlichen Untersuchung, einer Röntgenuntersuchung oder einer Gewebeprobe. Die von den Studierenden angeforderten Informationen werden bereitgestellt und bieten wiederum die Basis für weitere Diskussionen und diagnostische Schritte. In diesem schrittweisen Prozess der Informationsgewinnung sollen die Studierenden sukzessive mögliche Verdachtsdiagnosen formulieren, die Übereinstimmung der Verdachtsdiagnose mit der Fallpräsentation evaluieren («pattern recognition») und mittels weiterer Untersuchungen versuchen, diese zu falsifizieren oder zu verifizieren. Durch diesen aufbauend didaktischen Prozess werden die Studierenden zu kontinuierlicher Mitarbeit angeregt und lernen, Verdachtsdiagnosen kritisch zu hinterfragen und sämtliche gewonnene Informationen in ein diagnostisches Bild zusammenzufügen. Die präsentierten Beschwerdebilder decken das gesamte fachliche Spektrum der Medizin ab. Dadurch wird eine Restriktion in der diagnostischen Blickweite der Studierenden verhindert, da die diagnostische Lösung eines medizinischen Falles stets in jeglichen medizinischen Fachrichtungen liegen kann. Den Abschluss jedes interaktiven Fallbeispiels bildet die gemeinsame Diskussion und Reflexion über Effektivität und Präzision des stattgehabten diagnostischen Prozesses, immer in Kombination mit der Vermittlung des theoretischen für den Fall wesentlichen Hintergrundwissens.
b.) Erkennen von Befunden - «Blickdiagnosen»: Den zweiten wesentlichen Teil der Lehrveranstaltung bildet das Formulieren einer medizinischen Verdachtsdiagnose auf Basis eines charakteristischen medizinischen Befundes beziehungsweise einer Befund- oder Symptomkonstellation. Dieser Befund kann eine Abbildung eines bildgebenden Verfahrens (Röntgenbild, Computertomographie), eine Photographie charakteristischer Hautveränderung, eine typische Konstellation von Laborparameter o.Ä. sein. Die didaktische Aufbereitung derartiger «Blickdiagnosen» fördert das reflexartige Abrufen pathognomonischer Befunde und ermöglicht eine sehr effektive und rasche Repetition erlernter Inhalte.
Messung des Lernfortschrittes:
Die Evaluation des Lernfortschrittes der Studierenden findet kontinuierlich im Rahmen der Lehrveranstaltung, zum Teil unter Anwendung App-basierten Methoden, statt. Dabei findet das Etablieren einer möglichst stressfreien Lernumgebung ohne permanente Prüfungssituation besondere Beachtung. Fragen werden ermutigt und ermöglichen interaktive Diskussionen, von deren Inhalt anwesende Studierende beachtlich profitieren. Dadurch kann der Ablauf jeder Einheit gezielt an den Wissensstand und die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme und -verarbeitung anwesender Studierender angepasst werden.
Anreiz und Motivation:
Zur weiteren Steigerung der Motivation zur Mitarbeit und zur Weiterbildung dienen zwei Schlüsselaspekte der Lehrveranstaltung. Zum einen bietet der jährlich vom Team der Lehrveranstaltung abgehaltene Diagnostik Wettbewerb der MUG, ein inneruniversitärer Wettkampf mit Schwerpunkt auf medizinische Diagnostik, die Möglichkeit, sich in Teams von fünf Studierenden mit Mitstudierenden auf freundschaftlicher Basis zu messen. In den letzten Jahren ist es uns dabei vermehrt gelungen, durch intensives Generieren von Sponsoring-Geldern, attraktive Preise für die teilnehmenden Studierenden bereitzustellen (z.B. hochwertige Lehrbücher, Zugänge zu elektronischen Lernplattformen et cetera). Zum anderen bildet die Teilnahme von fünf VertreterInnen des Wahlfaches am interuniversitären Paul-Ehrlich Contest, ein prestigeträchtiger medizinischer Wettstreit unter Teams deutschsprachiger Universitäten, ein Herzstück und jährliches Highlight der Lehrveranstaltung.
Qualitätskontrolle:
Die Erarbeitung der vorgetragenen Lehrinhalte erfolgt auf Grundlage diverser Fachliteratur, aktuellen medizinischen Leitlinien und wissenschaftlichen Publikationen. Um jedoch den höchsten qualitativen Ansprüchen gerecht zu werden, wird diese Lehrveranstaltung von habilitierten Lehrenden der MUG mitbetreut und regelmäßig durch teilnehmende Studierende evaluiert. Auf Basis der uns vorliegender Evaluierungsergebnisse, wäre die Implementation neuer digitaler Medien (E-Learning) der nächste logische Schritt. Konkret wäre die Abarbeitung von Fällen in Form von ‘Blended Learning’ beziehungsweise ‘Flipped Classroom’ ein gewünschtes Detail. Dies steigert jedoch den Bedarf an vorhandenen Ressourcen und bereitgestellter Infrastruktur. Der Ars Docendi 2020 könnte hierbei einen wesentlichen strukturellen Beitrag leisten, um die Lehrveranstaltung um die angeführten Aspekte erweitern zu können.
Internationale Einbettung:
Die internationale Einbettung basiert zum einen auf der regelmäßigen Teilnahme engagierter Studierender der genannten Lehrveranstaltung als VertreterInnen der Medizinischen Universität Graz am Paul-Ehrlich Contest. Zum anderen wird im Rahmen des «international Student Congress» in Graz das innovative Konzept der Lehrveranstaltung VertreterInnen aus aller Welt vorgestellt. Durch die Möglichkeit, Gastvortragende für das Wahlfach zu gewinnen, konnte die Internationalität des Wahlfaches weiter gestärkt werden. So konnten mit Prof. Delichatsios (Harvard Medical School, Boston, USA) und mit Prof. Anastassios (Tufts University School of Medicine, Boston, USA) zwei hochkarätige Vortragende gewonnen werden, wobei in enger Zusammenarbeit mit den leitenden Studierenden 2019 ein außercurriculares, didaktisch interaktiv aufbereitetes Seminar («Internal medicine bedside teaching») angeboten werden konnte.
Akzeptanz und Resonanz
Die positive Resonanz auf das Projekt ist überwältigend, sowohl von Seiten Studierender als auch von Seiten der ProfessorInnen. Neben dem überaus positiven Feedback und konstruktiven Verbesserungsvorschlägen der TeilnehmerInnen (im Rahmen regelmäßiger schriftlicher und mündlicher Feedbackrunden), sind folgende objektivierbare Punkte der Akzeptanz des Projektes Zeuge:
- Die Lehrveranstaltung besteht seit 2016 und der Andrang bzw. das Interesse an der Teilnahme der Lehrveranstaltung wächst (im Sommersemester 2016 betrug die Teilnehmerzahl 114 Personen, im Wintersemester 2019/2020 wuchs sie auf 187)
- Die Implementation der Lehrveranstaltung als Wahlfach in das Curriculum des Studiums der Humanmedizin in Graz und damit die Bereitstellung von Ressourcen (wie Hörsaal, etc.)
- Die Unterstützung des Projektes durch renommierte ProfessorInnen (vorerst zu nennen die Professoren Fickert und Rosenkranz, doch noch viele mehr)
- Die anonymen Evaluierungsergebnisse, bereitgestellt und ausgewertet durch die Stabsstelle für Qualitätsmanagement in der Lehre an der Medizinischen Universität Graz. Im Rahmen der letzten Evaluierung wurden 45 Fragebögen erfasst, davon waren die Studierenden Großteils zwischen 20 und 25 Jahren alt, im zweiten Studienabschnitt und zur Hälfte männlich und weiblich. Die Globalbewertung der Lehrveranstaltung lag im Mittel bei 1,12 (Skala geht von 1 bis 6 mit 1 als Bestnote) +/- 0,4 (Standardabweichung). Es folgen ausgewählte Kommentare aus dem Auswertungsteil der offenen Fragen der letzten Evaluierung:
„Seltene Fälle gut didaktisch aufgearbeitet, oft Wiederholung bestimmter Lerninhalte in späten Terminen der LV/anderen Fällen, viele Lerntipps/Eselsbrücken übermittelt. Es ist sehr motivierend, dass Studenten selbst so motiviert im Bereich der Inneren Medizin sind, dass sie selbst zig Fälle aufarbeiten und anderen Studenten präsentieren, um diesen neue Motivation und neues Wissen zu schenken.“
„Von Studenten - für Studenten - Lehre und Diskussion auf Augenhöhe. Ich habe einen Großteil meines medizinischen Wissens direkt oder indirekt durch dieses Wahlfach erhalten. Man weiß nie was einen erwartet. So werden alle medizinischen Fachgebiete immer wieder wiederholt. Sehr gute Recherche!“
„von Studenten für Studenten, sehr interaktiv, großer Wissensstand der Vortragenden, klinische Relevanz..."
Nutzen und Mehrwert
Das hier vorgelegte Lernformat besteht nun seit 2016 und ist daher bereits mit einer großen Datenbank an Fallvignetten ausgestattet und wird weiter um Online-Auftritte/Lehrressourcen erweitert. Es weist zahlreiche Vorteile gegenüber traditionellen Lehrmethoden auf. Diese werden im Folgenden ausgeführt.
Das strukturierte interaktive Format der Lehrveranstaltung begünstigt effizientes und nachhaltig vernetzendes Lernen. In einem neuartigen Ansatz werden evidenzbasierte klinische Problemlösungskompetenzen fächerübergreifend anhand von «Problem-based Learning» (Centor et. al., Jama Network, 2019) in miteinander interagierenden Kleingruppen vermittelt und durch die Präsentation pathognomonischer Bildbefunde (i.e. Blickdiagnosen) gefolgt von einer fokussierten Wiederholung des Krankheitsbildes ergänzt. Hierbei bilden die Quervernetzung und die praktische Anwendung von erworbenem Wissen zentrale Lernziele. Die strukturierte Einordnung und Verknüpfung von angeeignetem Wissen sowie die Verinnerlichung des Häufigen und des Abwendbar-gefährlichen nehmen in Zeiten der hochspezialisierten Medizin (HSM) eine entscheidende Stellung in der Ausbildung von JungmedizinerInnen ein und werden durch die Lehrveranstaltung gefördert. Häufige Themenwechsel, aktive Beteiligung anwesender Studierender («problem-based learning») und ständige Interaktionen Lehrender-Studierender sowie Studierender-Studierender definieren dabei den kurzweiligen Charakter der Lehreinheiten und erhalten die Aufmerksamkeit der anwesenden Studentenschaft. Insbesondere die aktive Beteiligung der Studierenden durch direkte Fragen des Lehrenden und durch das Arbeiten in Kleingruppen, welche im Wettbewerb zueinander stehen, fördert die affektive Einbindung der Lernenden. Das unmittelbare Erfolgserlebnis eine Aufgabe zu lösen und die initiale Frustration zu scheitern, gefolgt von der erleichternden Erläuterung des Lösungsweges und der strukturierten Aufarbeitung des Themenfeldes wirken direkt und beugen einem monotonen Ablauf vor. Zudem beleben einprägsame Bildbefunde die Veranstaltung und ermöglichen die Verbindung von Lerninhalt und entsprechendem Bild.
Das Prinzip «von-Studierenden-für-Studierende» («Peer-to-peer Teaching») minimiert den organisatorischen und zeitlichen Aufwand seitens der als Experten auftretenden Gastprofessoren, welche entsprechend der Bedürfnisse und Interessen der TeilnehmerInnen eingeladen werden, um Impulsvorträge zu state-of-the-art Praktiken in ihrer jeweiligen Disziplin und nach internationalen wissenschaftlichen Standards abzuhalten. Die bedarfsorientierte Ausrichtung der Vorträge, kombiniert mit der Einbeziehung renommierter ExpertInnen, stellt gleichzeitig die Studierenden ins Zentrum der Lehre und ermöglicht es GastprofessorInnen, Aspekte ihrer jeweiligen Spezialität zu vermitteln. Des Weiteren gewährleistet die aktive Einladung der GastprofessorInnen durch Studierende hohes Interesse der TeilnehmerInnen, wodurch sich das Engagement der Vortragenden und die Motivation der TeilnehmerInnen gegenseitig verstärken.
Die globale Einordnung länderspezifischer diagnostischer und therapeutischer Standards, die Beachtung geographischer und ethnischer Einflüsse auf die Epidemiologie von Erkrankungen und das kritische Hinterfragen gängiger Praktiken werden durch ExpertInnenvorträge aus diversen klinischen und vorklinischen Fachdisziplinen angeregt und gefördert. Die Kontextualisierung und Interpretation aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und globaler gesundheitspolitischer Trends erweitern den medizinischen Horizont der Studierenden und regen zum Denken an.
Zusätzlich zu Fachwissen und klinischen Kompetenzen vermittelt das «von-Studierenden-für-Studierende» Prinzip Motivation zur weiteren Vertiefung in die behandelte Thematik. Unabhängig von Studienfortschritt und sozialem Hintergrund vereint eine Vielzahl der TeilnehmerInnen ein hohes Maß an fachlicher Begeisterung, welche die Entstehung eines Zusammengehörigkeitsgefühls begünstigt, Inklusion fördert und den Austausch untereinander unterstützt. Durch die Bekennung einiger weniger Studierender zum fachlichen Engagement kann durch den Schneeballeffekt eine positive Dynamik losgetreten und eine wachsende Zahl weiterer motiviert werden.