Zuletzt aktualisiert am 11.06.2025
Sprache(n) mit Schulkindern entdecken: Seminare "Bildungsprojekte planen (A)", "Bildungsprojekte durchführen (B)", "Bildungsprojekte reflektieren (C)", im Rahmen des Masterstudiums an der KPH Wien/Niederösterreich, ab SJ 2019/20
Bei dem Projekt handelt es sich um ein neues Projekt / eine wiederholte Einreichung
Ars Docendi Kategorie
Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ars Docendi Kriterien
- Innovative Hochschuldidaktik
- Studierenden- und Kompetenzorientierung
- Perspektivenerweiterung und Internationalisierung
- Partizipation und Mitgestaltung
Gruppengröße
< 20
Anreißer (Teaser)
Sprachenvielfalt, Mehrsprachigkeit, Sprachenvergleiche: Wie Schulkinder sich von ihren Sprachen begeistern lassen und sich in eine zeitgemäße sprachliche Bildung einbringen.
Kurzzusammenfassung des Projekts
Die hier vorgestellten Bildungsprojekte haben das Ziel, ein durchaus anspruchsvolles, das analytische Denken von (Primarstufen-)Kindern förderndes linguistisches Wissen mit Bezug auf die heutzutage relevanten Themen wie Sprachenvielfalt, Mehrsprachigkeit, Sprachenvergleiche in den Deutschunterricht zu bringen. Mit exemplarisch erarbeiteten Projektthemen zeigen die Masterstudierenden, mit welchen konkreten Bildungsinhalten diese aktuellen Themen in den Unterricht einfließen können. Die Inhalte gehören nicht zum klassischen inhaltlichen Kanon des Deutschunterrichts, sie ergänzen ihn jedoch fachlich wie erzieherisch wertvoll, auch weil die Berücksichtigung der o.g. Themen vom aktuellen Lehrplan (2023) gefordert wird, in Anbetracht der starken sprachlichen Heterogenität an den Österreichs Schulen. Die Reaktion vonseiten der Kinder ist dabei überwältigend: Klassen, die sich mehrheitlich aus fremdsprachigen Schüler/innen zusammensetzen und im Schulverband als „leistungsschwach“ gelten, denen gar „eine geringe Konzentrationsspanne, fehlender Respekt voreinander und gegenüber der Lehrperson und eine negative Arbeitshaltung“ attestiert wird, verwandeln sich in Klassen, in denen die Kinder fleißig mitarbeiten, gebannt zuhören, wenn die Lehrerin z.B. von der Verwandtschaft der in der Klasse gesprochenen Sprachen erzählt, aufgeregt darauf warten, von ihren Sprachen selbst zu erzählen, und sich am Ende für die Stunden bedanken und fragen, wann sie wieder „so etwas“ machen würden.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
The educational projects presented here aim to introduce linguistic knowledge into the classroom that promotes analytical thinking in (primary school) children with reference to topics that are relevant today, such as linguistic diversity, multilingualism and language comparisons. Using exemplary project topics, the Master's students demonstrate the specific educational content with which these current topics can be incorporated into lessons. The content is not part of the traditional canon of German lessons, but it complements them in a valuable way both professionally and educationally, also because the current curriculum (2023) requires that the above-mentioned topics be taken into account in view of the strong linguistic heterogeneity in schools. The response from the children is overwhelming: classes that are made up of a majority of foreign-language pupils and are considered ‘underachieving’ in the school community, who are even said to have ‘a poor concentration span, a lack of respect for each other and for the teacher and a negative attitude to work’, are transformed into classes in which the children work diligently, listen intently when the teacher talks about relationship between the languages spoken in the classroom, for example. They are excitedly waiting to talk about their own languages and, at the end, thank the teacher for the lesson and ask when they will do ‘something like that’ again.
Nähere Beschreibung des Projekts
1. EINLEITUNG
Die o.g. Seminare werden ab SJ 2019/20 an der KPH Wien/NÖ laufend durchgeführt und beinhalten Bildungsprojekte zu verschiedenen Themen, die von Master-Studierenden in Primarstufenklassen an niederösterreichischen und Wiener Schulen durchgeführt werden. Alle Projekte beinhalten Planung, Durchführung und Reflexion von je 3 bis 5 Unterrichtsstunden zu ausgewählten Themen der sprachlichen Bildung im weitesten Sinne. Dabei werden anspruchsvolle linguistische Inhalte erarbeitet, die üblicherweise nicht zum klassischen Kanon des schulischen Unterrichts und der gängigen Lehrwerke gehören, den Unterricht bzw. die Lehrwerke jedoch sinnvoll wie auch wertvoll ergänzen, vor dem Hintergrund der aktuellen Anforderungen an den Deutsch-Unterricht, so, wie sie im aktuellen Lehrplan (2023) formuliert werden. Eben dieser Hintergrund – der hohe Anspruch des Lehrplans in Bezug auf Themen, die bislang nicht zu seinem klassischen inhaltlichen Kanon gehörten, aber den aktuellen gesellschaftlichen Kontext berücksichtigen müssen – ist das Motiv und die Ausgangslage zugleich für die entsprechende thematische Konzeption einzelner Projekte: Die meisten haben nämlich inhaltlich einen starken Bezug zu den Themenkomplexen Mehrsprachigkeit, Sprachenvielfalt, Sprachenvergleiche, mehrsprachige Sprachreflexion, oder die genannten Themenkomplexe stehen gar im Vordergrund der Projekte. Alle Projekte haben jedenfalls zum Ziel, ein ausdifferenziertes, das analytische Vermögen von Kindern förderndes linguistisches Wissen in den Unterricht zu bringen, was eine mehrsprachige Sprachreflexion erst ermöglicht. In den Schulklassen werden die Themen von den Kindern mit großer Begeisterung aufgenommen; und auch die Masterkandidatinnen, die die Projekte durchführen, sind von den Reaktionen der Kinder mitunter auch überwältigt (s. Abschnitt „Akzeptanz und Resonanz“).
Alle Projekte werden/wurden im Rahmen der Schulfächer Deutsch oder Deutsch als Zweitsprache durchgeführt. Sie beruhen auf einschlägiger Forschung, wobei für die Konzeption der Bildungsprojekte auch die Forschung der Seminarleiterin maßgeblich einfließt (s. Publikationen unten). Beispielhafte Themen:
- Mehrsprachigkeit in der Schule. Unter besonderer Berücksichtigung des Türkischen (durchgeführt von Melanie Schrammel an der Offenen Volksschule Wagramer Straße 224b, Wien; SJ 2021/22);
- Vermittlung kurzer und langer Vokale und ihrer orthographischen Fixierung im anfänglichen Deutschunterricht (durchgeführt von Christina Schirak an der VS der Marktgemeinde Kirchstetten; SJ 2022/23);
- Mehrsprachigkeit in der Schule sichtbar machen (durchgeführt von Carolin Eschenbacher an der VS Quellengasse, Wien; SJ 2023/24);
- Warum verstehen wir einander eigentlich? Basale Einsichten in Phonetik und Phonologie (durchgeführt von Magdalena Glassl an der VS Salvator Kaisermühlen, Wien; SJ 2023/24);
- Didaktik und Methodik der Vermittlung von Satzgliedern. Erarbeiten der Objekte im 3. und 4. Fall. Unter besonderer Berücksichtigung des Faches Deutsch als Zweitsprache (durchgeführt von Sophie Wöber an der VS Mengergasse 33, Wien; SJ 2023/24);
- Die Aussprache der Buchstaben <ö>, <ü> und <ä> im Unterrichtsfach Deutsch als Zweitsprache (durchgeführt von Theresia Mayer an der VS West, Stockerau; SJ 2023/24).
2. ZIELE UND VORGANGSWEISE DER SEMINARE (MIT FORSCHUNGSBEZUG)
Die o.g. Seminare/Bildungsprojekte verfolgen zwei wesentliche Ziele.
2.1. Zum einen geht es darum, Studierende zu befähigen, didaktische Konzepte zur Vermittlung linguistischen Wissens rund um das Phänomen der Sprache unter Heranziehung von Fachliteratur selbständig zu entwickeln und in der Praxis methodisch angemessen, altersgerecht und im Sinne einer zeitgemäßen sprachlichen Bildung umzusetzen. Dabei geht es vorrangig um ein solches Wissen, welches, wie erwähnt, nicht zum gängigen inhaltlichen Kanon eines Lehrwerks gehört, aber den Forderungen des aktuellen Lehrplans gerecht wird und die Lehrwerke mit fachlich durchaus anspruchsvollen Inhalten sinnvoll ergänzt. Konkret handelt es sich um Inhalte aus:
- klassischer Linguistik (z.B. aus Phonetik und Phonologie: Artikulation von Vokalen im Deutschen und in anderen Sprachen; die bedeutungsunterscheidende Funktion von Sprachlauten im Deutschen und in anderen Sprachen; s. Abb. 7);
- historisch-vergleichender Sprachwissenschaft (z.B. Sprachenvielfalt, Sprachverwandtschaft, Sprachfamilien, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen verwandten Sprachen; s. Abb. 1, 2, 3, 4);
- der Sprachtypologie (z.B. die Funktionsweise der Kasus im Deutschen und in anderen Sprachen; s. Abb. 5, 6).
Dieses linguistische Wissen wird zunächst von den Studierenden unter fachlicher Begleitung der Seminarleiterin erarbeitet, denn es bildet die fachliche Grundlage für die Konzeption der geplanten Unterrichtsstunden. Nach der Konzeption der Projekte werden diese von den Studierenden in Primarstufenklassen durchgeführt: Das betreffende fachliche Wissen wird kindgerecht und dennoch fachlich fundiert vermittelt: Die Studierenden des Masterstudiums führen die Kinder in das Thema ein, mitunter mit ganz einfachen Impulsfragen, z.B. „Können Sprecher verschiedener Sprachen sich verständigen?“, „Wer spricht von euch mehrere Sprachen?“ Die Kinder sind aktiv in die Mitarbeit einbezogen. Bei den Themen und Aufgaben handelt es sich um (eine beispielhafte Auswahl):
- die Sprachenvielfalt und die Mehrsprachigkeit in der Klasse sowie verwandtschaftliche Beziehungen unter den in der Klasse gesprochenen Sprachen klären und diskutieren;
- Bezeichnungen für Zahlenwörter in verwandten Sprachen analysieren und ihre Ähnlichkeiten erkennen;
- das Laut-Buchstabe-Verhältnis in verschiedenen Sprachen sowie im Deutschen vergleichend analysieren und diskutieren;
- Buchstaben des türkischen Alphabets untersuchen und Unterschiede zum Deutschen Alphabet herausarbeiten;
- Artikulation ausgewählter deutscher Vokale analysieren und mit vergleichbaren Lauten anderer Sprachen vergleichen.
In den Klassen wird u.a. spielerisch gearbeitet:
- Szenische Darstellung von Situationen, in denen die Kinder ihre Erstsprachen verwenden;
- Auditive Übungen zum Erkennen unbekannter Laute anderer Sprachen und anschließender Vergleich mit deutschen Lauten;
- Tafelfußball zum Einüben der richtigen Kasusverwendung im Deutschen mit einer den Kindern neuen (sprachtypologisch begründeten) Methode der Kasusvermittlung.
2.2. Ein weiteres wichtiges Ziel der o.g. Seminare besteht darin, die Studierenden dazu zu befähigen, auf der Grundlage von Fachliteratur zu arbeiten und ihr fachliches Wissen zu erweitern, dies im Hinblick auf die aktuellen, steigenden Anforderungen an die schulische Praxis. Dabei geht es stets auch um die Frage, wie das erworbene Fachwissen gezielt in den Unterricht gebracht und Kindern als wertvolle Bildungsinhalte altersgerecht vermittelt werden kann. Wie erwähnt, es handelt sich um solche Bildungsinhalte, die üblicherweise nicht zum klassischen inhaltlichen Kanon des Unterrichts gehören, aber ihn sinnvoll wie auch fachlich wertvoll ergänzen, im Sinne der aktuellen Forderungen des Lehrplans (2023). Die Seminare basieren auf linguistischer und sprachdidaktischer Literatur. In ihrer aktuellen Forschung widmet sich die Seminarleiterin selbst den Themen der Mehrsprachigkeit, sprachlicher Vielfalt, Sprachenvergleiche etc. (s. Publikationen unten). Ihre Forschung fließt in die Konzeption der Bildungsprojekte ein.
3. BESONDERHEITEN DER SEMINARE UND ERGEBNISSE
Das Besondere an den o.g. Seminaren korrespondiert mit den zwei o.g. Zielen.
3.1. Mit den durchgeführten Projekten wurde ein durchaus anspruchsvolles linguistisches Wissen kindgerecht in den Unterricht gebracht, in Form von konkreten fachlichen Bildungsinhalten, im Sinne der Anforderungen des neuen Lehrplans 2023. Dabei wurden fachliche Themen behandelt, die nicht nur im schulischen Kontext, sondern im heutigen gesellschaftlichen Kontext überhaupt eine hohe Relevanz haben, geht es hier schließlich auch um so wichtige gesellschaftliche Prinzipien wie Integration, Partizipation, ja um Einheit in Vielfalt. In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei einigen Klassen, in denen die Projekte durchgeführt wurden, um solche handelt, die sich vorwiegend aus Schüler/innen anderer Erstsprachen als Deutsch zusammensetzen und im Kollegium der jeweiligen Schule als „leistungsschwach“ gesehen werden; einigen Klassen wird gar „eine geringe Konzentrationsspanne, fehlender Respekt voreinander und gegenüber der Lehrperson und eine negative Arbeitshaltung“ attestiert. Diesen Kindern wurde nun in den hier kurz skizzierten Projekten ein überaus interessantes fachliches Wissen angeboten, von dem sie im wahrsten Sinne des Wortes gebannt und begeistert waren. Zu den Rückmeldungen der Kinder und den jungen Lehrerinnen, den Masterkandidatinnen, s. im Abschnitt „Akzeptanz und Resonanz“.
3.2. Das Besondere an den durchgeführten Projekten besteht ferner darin, dass sie sich u.a. auch auf die Forschung der Seminarleiterin stützen und dass außerdem weitere gemeinsame Forschungsprojekte mit den Absolventinnen der Seminare entstehen (s. unten). Die Forschung der Seminarleiterin widmet sich eigens den Bedürfnissen der Lehrveranstaltungen in den Fächern Deutsch und Deutsch als Zweitsprache, die an der KPH Wien/NÖ im Rahmen der pädagogischen Ausbildung gehalten werden, und berücksichtigt gezielt die aktuellen Themen. Die Arbeiten nehmen die Frage in den Fokus, was linguistische Disziplinen (v.a. die klassische Linguistik, aber auch die Sprachtypologie, die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft) mit ihren wesentlichen Inhalten zu einer zeitgemäßen sprachlichen Bildung, die die aktuelle Sprachenvielfalt an den Schulen berücksichtigen muss, beitragen können. Wie gesagt, aus manchen Bildungsprojekten erwachsen weitere Forschungsprojekte mit den Absolventinnen der Seminare:
- Carolin Eschenbacher, Elena Stadnik: Vortrag, 8. Tagung der Forschung im Verbund Nord-Ost „Theoriegeleitet und evidenzbasiert“, PH Wien, 25.02.2025: Mehrsprachigkeit im Unterricht: Wie Gespräche über Sprachen den Erwerb der Zweitsprache Deutsch fördern.
- Carolin Eschenbacher, Elena Stadnik: Vorbereitung der Publikation Mehrsprachigkeit im Unterricht: Wie Gespräche über Sprachen den Erwerb der Zweitsprache Deutsch fördern für Open Online Journal for Research and Education, 2025, hrsg. von der PH NÖ.
- Melanie Schrammel, Elena Stadnik: Vorbereitung der Publikation Sprachenvergleiche im Unterricht: Wie Schulkinder sich für ihre Mehrsprachigkeit begeistern lassen, erscheint in F&E 31/2025, F&E Edition, Future & Education PH Vorarlberg [angenommen].
4. WICHTIGSTE PUBLIKATIONEN DER SEMINARLEITERIN:
Stadnik, Elena (2018): Sprachen vergleichen – ein Bildungsstandard? In: R&E-Source. Open online Journal for Research and Education. Pädagogische Hochschule Niederösterreich. [Unter journal.ph-noe.ac.at]
– " – (2018): Deutsch als Fremd- und Zweitsprache typologisch. Sprachdidaktische Implikationen für den Unterricht in sprachlich heterogenen Gruppen. In: D. Lindner u.a., Hrsg., Kindergärten, Schulen und Hochschulen. Aktuelle Fragen, Diskurse und Befunde zu pädagogischen Handlungsfeldern. Berlin u.a.: LIT, 295-312.
– " – (2020): Linguistik im Deutschunterricht. Unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Deutsch, des Deutschen als Fremd- und Zweitsprache sowie von Migrantensprachen. Wien: Praesens.
– " – (2020): Über die Bedeutung der Erstsprache für den Zweitspracherwerb. In: J. Bruckner u.a., Hrsg., Miteinander?! Vernetzung zwischen Kindergarten und Volksschule. Wien u.a.: LIT, 174-192.
– " – (2021): Typologische Zugänge zum Fach Deutsch als Zweit- und Fremdsprache: Noch einmal zur Frage nach den charakteristischen Merkmalen des Deutschen. In: İnci Dirim u.a., Hrsg., Deutsch als Zweitsprache. Inter- und transdisziplinäre Zugänge. Leverkusen: Barbara Budrich, 175-188.
– " – (2021): Deutsch und Migrantensprachen: von der Theorie zur Fortbildungspraxis. Ein Erfahrungsbericht. In: Erziehung & Unterricht. Jänne
Akzeptanz und Resonanz
Die Resonanz auf die Bildungsprojekte sowohl vonseiten der Schüler/innen als auch vonseiten der Masterstudierenden, der jungen Lehrerinnen, wurde in deren Portfolios festgehalten. Wie bereits festgehalten, handelt es sich bei einigen Klassen, in denen die Projekte durchgeführt wurden, um solche, die sich vorwiegend aus Schülerinnen und Schülern anderer Erstsprachen als Deutsch zusammensetzen und im Schulkollegium als „leistungsschwach“ gelten (Projekt v. Melanie Schrammel, Mehrsprachigkeit in der Schule. Unter besonderer Berücksichtigung des Türkischen). Einigen Klassen wird gar „eine geringe Konzentrationsspanne, fehlender Respekt voreinander und gegenüber der Lehrperson und eine negative Arbeitshaltung“ attestiert (Projekt v. Carolin Eschenbacher Mehrsprachigkeit in der Schule sichtbar machen). Diesen Kindern wurde nun ein überaus interessantes fachliches Wissen angeboten, von dem sie begeistert waren:
„Die Reaktion der Kinder wirkte überwältigend auf mich. Ich hatte es im Schulkontext lange nicht mehr erlebt[,] mit Kindern zu arbeiten, die so begeistert von einem Thema sind.“ (Aus Bildungsprojekt von Carolin Eschenbacher, Mehrsprachigkeit in der Schule sichtbar machen; SJ 2023/24)
Aus einer vermeintlich „respektlosen“ Klasse mit einer vermeintlich „negativen Arbeitshaltung“ verwandelte sich die Klasse ins Gegenteil:
„Ab dem Moment, in dem ich den Kindern zeigte, in welchen Sprachen wir das Buch, das ich als Einstieg in das Thema wählte, lesen werden, war der Großteil der Kinder aufmerksam, konzentriert, sehr respektvoll und absolut motiviert. Der Freudefunken der Kinder war deutlich zu spüren.“ (Ebd.)
Die Beobachtungen wiederholen sich in anderen Projekten:
„Der Einstieg mit der Frage „Welche Sprachen kennst du denn?“ gelang mir besonders gut, da ich das Interesse der Kinder total geweckt habe. Sie waren wahnsinnig aufgeregt und konnten es kaum erwarten, all ihr Wissen auf das leere Blatt Papier niederzuschreiben. Da ich nicht damit gerechnet habe, muss ich gestehen, dass ich sehr erstaunt war, was für Sprachen sie kennen.“ (Aus Bildungsprojekt von Melanie Schrammel, Mehrsprachigkeit in der Schule. Unter Berücksichtigung des Türkischen; SJ 2021/22)
Auch diese vermeintlich „leistungsschwache“ Klasse (ebd.) zeigte ihre Begeisterung für das Thema (der Sprachverwandtschaft):
„Die Sequenz zum Schluss hat die einzelnen Schüler*innen dann aber wiede[r]um zum Staunen gebracht und es kehrte wieder Ruhe ein. Mit der Frage „Was fällt dir denn auf? Gibt es Auffälligkeiten?“ habe ich das Interesse der Kinder […] geweckt. Die Verwandtschaft der verschiedenen Sprachen hat sie sehr begeistert. So hat zum Beispiel ein Kind, das eine Sprache des romanischen Zweiges spricht, dann ein Kind in der Klasse gesucht, das ebenso eine Sprache dieses Zweiges spricht und sagte zu ihm ‘Wir sind verwandt, wie Bruder und Schwester.’ [d.i.: unsere Sprachen sind verwandt, E. St.]“ (Ebd.)
Die Begeisterung fehlte auch nicht der Masterstudierenden:
„Ich nehme vieles aus der abgehaltenen Praxis mit und bin dankbar, ein so tolles Projekt mit vielen spannenden Inhalten abgehalten haben zu dürfen.“ (Ebd.)
Sophie Wöber – ein anderes Beispiel – wandte eine der Klasse noch unbekannte, sprachtypologisch begründete Methode der Kasusvermittlung an (Stadnik 2018a, 2020). Die positive Resonanz aus der sprachlich heterogenen Klasse:
„Da ich in der 4a bis jetzt noch nie unterrichtet hatte, hatte ich Angst, dass die Kinder nicht mitarbeiten würden, dass es unruhig werden könnte oder dass sie nicht verstehen […]. Jedoch ist genau das Gegenteil eingetreten. […] Besonders beeindruckt war ich von einem Schüler, der ohne Aufforderung ein weiteres Verb nannte, das ein Objekt im vierten Fall verlangt. […] Die meiste Zeit über zeigten viele Kinder großes Interesse an den Inhalten der Stunde und stellten auch Fragen.“ (Aus Bildungsprojekt von Sophie Wöber Didaktik und Methodik der Vermittlung von Satzgliedern, SJ 2024/25)
Dazu die Begeisterung der Kinder:
„Im Sitzkreis fiel mir auf, dass die Kinder großen Spaß am Bilden eigener Beispielsätze mit Verb und Objekt im dritten oder vierten Fall hatten. Auch die Euphorie am eigenen Finden und Aufschreiben von Verben habe ich mir so nicht erwartet. […] Dies motivierte viele Kinder, sich die Plakate auch in den Pausen genauer anzusehen und sich die Verben mit dem jeweiligen Objekt einzuprägen. […] [Auch beim spielerischen Lernen] hatten [sie] sehr viel Spaß […].“ (Ebd.)
Dazu die Reaktion der jungen Lehrerin, der Masterstudierenden:
„Besonders schön fand ich, dass sich die Kinder für die lustige Stunde bedankt hatten und ein Mädchen meinte, es kenne sich jetzt viel besser aus. […] Als persönlichen Erfolg meines Bildungsprojektes nehme ich besonders mit, dass die Kinder mich fragten, ob sie diese Spiele öfter spielen können. Als wir wegräumten, haben einige Schüler:innen gesagt, dass sie noch gerne weitergespielt hätten und die Stunde viel zu schnell vergangen ist.“ (Ebd.)
Nutzen und Mehrwert
Zum einen wurden die Studierenden dazu befähigt, auf die wachsenden Anforderungen des Deutschunterrichts (so z.B. die Berücksichtigung der sprachlichen Heterogenität) flexibel zu reagieren, dies indem sie Fachliteratur heranziehen, ihr Fachwissen gezielt mit Blick auf die Anforderungen erweitern und auf dieser Grundlage neue, ja innovative didaktisch-methodische Konzepte zur Vermittlung von Bildungsinhalten entwickeln, die im klassischen Unterricht zwar vielleicht noch ungewohnt sind, den aktuellen Anforderungen des neuen Lehrplans aber entsprechen. Die Masterkandidatinnen berichten aus ihrer Arbeit in den Schulen, dass sie vom Kollegium gewarnt worden sind, die Inhalte seien „zu komplex“, die Klassen zu „leistungsschwach“. Es ist ja auch tatsächlich nicht gängig, Kindern aus den Grundlagen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft – um ein Beispiel zu nennen – zu erzählen (so über Sprachverwandtschaften). Das Erstaunliche dabei war jedoch, wie begeistert die Kinder auf eben dieses ihnen völlig neue Wissen reagiert haben: nämlich mit großer Begeisterung und mit großem Einsatz bei der Mitarbeit.
Und so zeigen die durchgeführten Bildungsprojekte – zum anderen – auch, dass sich vermeintlich „leistungs-“ und „konzentrationsschwache“ Klassen (s. 3.1., „Nähere Beschreibung …“) durchaus ins Gegenteil verwandeln lassen können. Voraussetzung dafür ist: fachliches Wissen der Lehrperson, ihr persönlicher Einsatz und auch ihr Zugehen auf die Kinder. Es zeugt von einer Zuwendung, die Kinder so sehr brauchen, wenn man ihnen mit einem gezielt gesetzten Thema das Interesse an ihnen, ihren Sprachen und Identitäten zeigt. Sie reagieren darauf mit Dankbarkeit und (!) mit großem Arbeitseinsatz. Aber es sei auch festgehalten, dass die Begeisterung und der Arbeitseinsatz der Kinder sich in jenen Bildungsprojekten gleichermaßen zeigten, in denen andere, z.B. grammatische Themen, behandelt wurden. Hier überzeugten die jungen Lehrerinnen die Klassen mit ihrem Willen, den Kindern ein sie bewegendes Thema, z.B. den schwer durchschaubaren Gebrauch der Kasus, verständlich zu erklären (s. „Akzeptanz …“).
Insgesamt haben die Seminare den Studierenden gezeigt, dass sie Trägerinnen der sprachlichen Bildung sind und ebendiese an Kinder souverän, mit dem Einsatz ihrer ganzen Persönlichkeit weitergeben und auch begeistern können.
Übertragbarkeit und Langlebigkeit
Das Projekt läuft seit 2019
Die hier vorgestellten Seminare finden laufend statt. Die bisherigen Ergebnisse ermutigen mich, sie inhaltlich weiter auszubauen und mit meinen Masterstudierenden weitere linguistische wie sprachenvergleichende Themen für Bildungsprojekte aufzubereiten. Themen gibt es genug. Die Lehransätze der hier vorgestellten Seminare werden von mir schon seit geraumer Zeit und grundsätzlich in allen Lehrveranstaltungen angewandt. Viele Ideen für einen sprachenvergleichenden Unterricht enthält auch meine Monographie „Linguistik im Deutschunterricht. Unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Deutsch, des Deutschen als Zweitsprache sowie von Migrantensprachen“, Wien, Praesens, 2020. Sprachliche Heterogenität, Mehrsprachigkeit und Sprachenvergleiche sind aus der heutigen Schule inhaltlich nicht wegzudenken. Es bleibt nur noch, unsere Studierenden der Ausbildung mit entsprechenden, griffigen und praktikablen Ansätzen zur Berücksichtigung dieser Themen auszustatten. Dies ist mir ein großes Anliegen grundsätzlich in allen Seminaren, vor allem aber im Seminar „Grundlagen des Faches Deutsch als Zweitsprache“ (4. Semester des Bachelorstudiums) wie auch in den Seminaren des Schwerpunktes „Sprachliche Bildung: Deutsch und Deutsch als Zweitsprache“ (ab dem 6. Semester des Bachelorstudiums), wo das Curriculum der KPH Wien/NÖ für diese Themen mehr inhaltliche Räume bietet.
Institutionelle Unterstützung
Jenen Masterstudierenden, die noch nicht an einer Schule arbeiten, wird ermöglicht, ihr Bildungsprojekt an einer der Praxisschulen der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/NÖ durchzuführen. Dort erfahren sie auch eine beratende Unterstützung von den Mentor/innen, den Lehrer/innen der Praxisschule, bei der Durchführung ihres Bildungsprojektes.