Zuletzt aktualisiert am 30.05.2025
poemmusic - Die Welt in 20 Jahren (LV Ensemble/EU; Praktikum Musikvermittlung/PK)
Bei dem Projekt handelt es sich um ein neues Projekt / eine wiederholte Einreichung
Reinhard Winkler

Anja Burghardt und Ivan Zachatko: ich - du - wir (21.11.2024)
Ars Docendi Kategorie
Gesellschafts- und Nachhaltigkeitsorientierte Lehre
Ars Docendi Kriterien
- Perspektivenerweiterung und Internationalisierung
- Partizipation und Mitgestaltung
Gruppengröße
< 20
Anreißer (Teaser)
Gebärdensprachpoesie und Musik haben als Kunstformen mehr gemeinsam als man vermuten würde. Als gleichberechtigte Kunstformen fasziniert diese Kombination junge Menschen und Erwachsene gleichermaßen und eröffnet Musikstudierenden neue Perspektiven.
Kurzzusammenfassung des Projekts
Die Kombination von Gebärdensprachpoesie und Musik als gleichberechtigte Kunstformen kann eine faszinierende Wirkung auf beteiligte Künstler*innen, Workshopteilnehmer*innen und Publikum haben. Deshalb wird Studierenden in den Bereichen Instrumentalmusik, Instrumentalpädagogik und Musikvermittlung mit poemmusic ein mehrteiliges Projekt bereitgestellt. Es umfasst eine Veranstaltung mit künstlerischen Performances, Workshops mit Kindern und Jugendlichen, die Ausstellung bildender Kunst und die qualitative Evaluierung. Die Studierenden erleben die inter- bzw. transdisziplinäre Zusammenarbeit mit Gebärdensprach-Natives in Konzert- und Workshopsettings mit unterschiedlichen Dialoggruppen. Dabei können sie Gebärdensprachpoesie als Kunstform umfassend kennenlernen, etwaige innere Barrieren abbauen und kommunikative Kompetenzen vertiefen. Sie gestalten im Team künstlerische sowie künstlerisch-pädagogische Entwicklungsprozesse weitgehend autonom. Diese aktiven, selbstgesteuerten Lernprozesse tragen zu hoher Eigenmotivation bei und ermöglichen Erfahrungen hinsichtlich Selbstwirksamkeit und Selbstermächtigung. Die Studierenden sammeln Erfahrung in der Entwicklung innovativer und inklusiver Veranstaltungs- und Workshopformate im Rahmen von Kooperationsprojekten. Damit erweitern sie den eigenen Erfahrungshorizont und erschließen sich neue Arbeitsfelder. Begleitet werden sie lehrendenseitig innerhalb von Blocktermine in der Anfangs- und Endphase sowie durch individuelles Coaching.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
Intertwining sign language poetry and music as equal art forms takes all participating artists, workshop participants and audiences on a fascinating journey. This unique opportunity is the motivation to offer students in the fields of instrumental music, instrumental pedagogy and music mediation a multi-part project with poemmusic. It includes artistic performances, workshops with children and young people, an exhibition of visual art and a qualitative evaluation. Students experience interdisciplinary and transdisciplinary collaboration with native signers in concert and workshop settings with different dialogue groups. Thus they get to know sign language poetry as an art form, learn how to break down internal barriers or even bias, and deepen their communication skills. In collaborative settings, they develop artistic and artistic-educational processes largely autonomously. These active, self-directed learning processes enhance the students’ level of self-motivation while enabling experiences of self-efficacy and self-empowerment. Students gain experience in the development of innovative and inclusive concert and workshop formats, while broadening their own horizons and opening up new fields of work. They are supported by lecturers in blocked group sessions in the initial and final phases as well as through individual coaching.
Nähere Beschreibung des Projekts
Die Kombination von Gebärdensprachpoesie und Musik als gleichberechtigte Kunstformen hat eine faszinierende Wirkung auf beteiligte Künstler*innen, Workshopteilnehmer*innen und Publikum. Deshalb wird Studierenden in den Bereichen Instrumentalmusik, Instrumentalpädagogik und Musikvermittlung mit poemmusic ein mehrteiliges Projekt bereitgestellt, bei dem sich gehörlose, hörbeeinträchtigte, mehrfachbeeinträchtigte und hörende Menschen unterschiedlichen Alters in verschiedenen künstlerischen und pädagogischen Formaten mit Gebärdensprachpoesie und Musik auseinandersetzen. Projektbeteiligte sind Gebärdensprachpoet*innen, Instrumentalpädagogik-Studierende im Bachelorstudium, Musikvermittlungsstudierenden (MA), Schüler*innen, Hortpädagog*innen, Musikvermittler*innen, gehörlose, bildende Kunstschaffende und Gebärdendolmetscher*innen. Das Format poemmusic umfasst konkret:
- Workshops mit hörbeeinträchtigten, gehörlosen, hörenden und mehrfachbeeinträchtigten Schüler*innen am Kompetenzzentrum für Hör- und Sehbildung in Linz (ZHSB) der Caritas OÖ
- Konzert-Performances mit gehörlosen Gebärdensprachpoet*innen und Musikstudierenden sowie breit gefächertem Publikum (insbes. Zusammenarbeit mit Gehörlosen-Communities) an der Anton Bruckner Privatuniversität (ABPU)
- Ausstellung mit Werken von gehörlosen, bildenden Kunstschaffenden im Foyer der ABPU
- Wissenschaftliche Begleitung in der Nachbereitung durch Bachelor- und Masterstudierende
Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Bruckneruniversität wurde dieses Projekt erstmalig im Herbst 2024 zum Thema „Die Welt in 20 Jahren“ umgesetzt. Es fand in Kooperation zwischen der ABPU, dem Bruckner Alumni Netzwerk und dem ZHSB, sowie finanziell unterstützt von Licht ins Dunkel und dem Verein CMHF Infinitus statt.
In die Lehre ist das Projekt in mehrerlei Hinsicht eingebunden: Instrumentalpädagogik-Studierende absolvieren durch die Mitwirkung bei den Konzert-Performances die Lehrveranstaltung „Ensemble“. Die Mitwirkung bei den Workshops zählt als Praktikum. In der Nachbereitung evaluieren Masterstudierende mittels Leitfadeninterviews und qualitativer Inhaltsanalyse die Workshops und Konzertperformances. Dies erfolgt im Rahmen von Kolloquium, Bachelor- oder Masterarbeit. Dagmar Schinnerl ist als Lehrende im Institut für Musikpädagogik (IMP), Leitungsteammitglied des Universitätslehrgangs Musikvermittlung-Musik im Kontext (und Mitglied des Bruckner Alumni Netzwerks) im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit die Initiatorin und Projektleiterin. Eine weitere Alumna der ABPU, Magdalena Mülleder, zeichnet freiberuflich für die künstlerische Leitung verantwortlich.
Ziele
Es geht bei der Verbindung von Gebärdensprachpoesie und Musik nicht um „Übersetzungen“ von Musik für gehörlose Menschen oder um „Übersetzungen“ von Gebärdensprache in Musik, sondern um die Anerkennung beider Kunstformen – der Gebärdensprachpoesie und der Musik. Sowohl Gebärdensprachpoesie als auch Musik dienen der Kommunikation und der künstlerischen Auseinandersetzung. Darüber hinaus verbinden Gebärdensprachpoesie und Musik auch ganz konkrete Parameter wie beispielsweise Rhythmik, Melodik, Dynamik/Lautstärken(veränderung) und Agogik/Tempo(veränderung).
Darüber hinaus geht es bei poemmusic um Begegnungsmöglichkeiten…
• zwischen gehörlosen, hörbeeinträchtigten, hörenden und mehrfachbeeinträchtigten Menschen allen
Alters,
• zwischen Universitätsangehörigen (Studierenden wie Lehrenden) und Dialoggruppen mit Inklusionshintergrund, die bislang nur marginal an Musikuniversitäten sichtbar sind
• und insbesondere um den kulturellen Austausch mit Blick auf die Gehörlosenkultur.
Methoden
Bei den Konzert-Performances arbeiten gehörlose Gebärdensprachpoet*innen als Künstler*innen gemeinsam mit hörenden Musikstudierenden künstlerisch als gleichberechtigte Partner*innen in Duos. Die Duos werden ausgehend von den musikalischen Präferenzen der gehörlosen Gebärdensprachpoet*innen und den zur Verfügung stehenden Musikstudierenden gebildet. In einem gemeinsamen Startworkshop lernen die drei Duos (je eine studierende Person und ein*e Poet*in) einander kennen, befassen sich mit dem Thema, klären Organisatorisches und planen die weitere Zusammenarbeit. Die organisatorischen und thematischen Vorgaben sind auf ein Minimum reduziert, die Studierenden arbeiten mit ihren Projektpartner*innen autonom und entwickeln in den nachfolgenden Wochen die Performances. Sie beteiligen sich damit aktiv an der (Mit-)Gestaltung und Realisierung eines Projekts und bringen eigene Perspektiven, Interessen und Bedürfnisse ein. Bei Bedarf durch Dolmetscher*innen begleitet finden sie ihre gemeinsame Arbeitssprache und treten in intensiven, kreativen Austausch. Sie treffen gemeinsam alle Entscheidungen hinsichtlich künstlerischer Gestaltung (z.B. transdisziplinärer Dialog auf der Bühne, Umgang mit Textbausteinen, Bewegung im Raum, Improvisationen, Kompositionen, Stilistik, Licht- und Raumdesign, etc.). Bei Bedarf wenden sie sich an die Projektleitung und erhalten je nach Fragestellung individuelles Coaching, um in weiterer Folge erneut im Duo weiterzuarbeiten. Im Vorfeld der Generalprobe dient die Hauptprobe der Orientierung im Veranstaltungssaal, dem Proben mit Licht-, Ton- und Medientechnik. Für etwaige Herausforderungen werden gemeinsam Lösungen entwickelt.
Bei den Workshops mit Schüler*innen ergänzen die Gebärdensprachpoet*innen und Musikstudierenden einander in künstlerisch-pädagogischer Hinsicht. Sie können mitunter sogar Role-Models für die Schüler*innen sein. Gerade die Bedeutung, die die Gebärdensprache durch den Einsatz als Kunstform bekommt, kann zum Selbstverständnis und zur Stärkung des Selbstbewusstseins insbesondere jener Schüler*innen beitragen, deren Erstsprache die Gebärdensprache ist. In den über mehrere Wochen hinweg stattfindenden Block-Workshops mit den Schüler*innen erfolgt zunächst die Auseinandersetzung mit dem vorgegebenen Thema. Daran anschließend werden Acrylbilder auf Leinwänden im A2 Format erstellt und in der darauffolgenden Workshopeinheit reflektiert. Kurze Kennenlernspiele fördern eine vertrauensvolle Atmosphäre. Musikalische Aufwärmspiele wie z.B. wandernde Duos sollen auflockern, den niederschwelligen Einsatz von Musikinstrumenten und Bodypercussion ermöglichen und dazu beitragen, dass die Workshopleiter*innen die individuellen Stärken und Herausforderungen der Schüler*innen rasch einschätzen können. Ausgehend von den Acrylbildern wird mit Gebärdensprachpoesie und Musik experimentiert und improvisiert, im Plenum ebenso wie individuell. In kooperativer Kleingruppenarbeit arbeiten die Schüler*innen gemeinsam an der Entwicklung kurzer Sequenzen unter Einbindung von Musik und Gebärdensprachpoesie. Sie werden dabei von der Gebärdensprachpoetin, den Musikstudierenden und den Musikvermittlerinnen unterstützt. Die Ergebnisse werden mittels Video- und Bildaufnahmen dokumentiert. Die Aufnahmen werden dem Hort bzw. den Schüler*innen im Nachklang der Workshopphase zur Verfügung gestellt. Auf Wunsch der Schüler*innen werden etwaige Workshopergebnisse live präsentiert oder via Video- und Bildaufnahmen sichtbar gemacht.
Als dritter Projektbaustein des Formats poemmusic werden gehörlose Kunstschaffende angefragt, Ihre Werke im Foyer der ABPU auszustellen. Im Vorfeld findet eine Besprechung über die thematische Ausrichtung der Ausstellung statt, bestehende Werke können ebenso ausgestellt werden wie neue, auf das jeweilige Projektthema ausgerichtete Kunstwerke. In einer Vernissage mit Sektempfang wird die Ausstellung feierlich eröffnet, diese verweilt an der ABPU über einen mehrwöchigen Zeitraum hinweg.
Ausgangslage und Motive
Die Idee zum Projekt „poemmusic“ existiert bereits seit 15 Jahren. Angeregt durch die Live-Performance eines Gebärdensprachpoeten bei einer Tagung in Graz, entwickelte Dagmar Schinnerl die Idee für das Veranstaltungsformat von poemmusic mit Gebärdensprachpoesie-Musik-Duos. Im Austausch mit Petra Pühretmair entstand schließlich die Idee, dieses Veranstaltungsformat um Schulworkshops und ein Ausstellungsformat zu erweitern. Dabei sollte die Verknüpfung von Gebärdensprachpoesie und Musik neue Perspektiven künstlerischer Zusammenarbeit und transdisziplinärer Projekte eröffnen und Gebärdensprache als Kunstform durch die Verknüpfung mit Musik einem breiteren Publikum zugänglicher machen. Dies wiederum sollte einen Beitrag dazu leisten, die Gehörlosenkultur als Teil der österreichischen Kultur sichtbarer zu machen.
Umsetzung Pilotprojekt im Herbst 2024
Beim Pilotprojekt von September bis November 2024 setzten sich in den Workshops am ZHSB 32 Schüler*innen musikalisch und poetisch mit dem Thema „Die Welt in 20 Jahren“ auseinander. Im Dialog mit Gebärdensprachpoet*innen, Musikstudierenden und Musikvermittlerinnen erlebten sie wie Gebärdensprachpoesie und Musik einander ergänzen und inspirieren können. Gebärdensprachpoesie und Musik standen nicht formlos nebeneinander, sondern unterstützten einander auf lebendige Weise. Es wurden Video- und Bildaufnahmen sowie eine PowerPoint-Präsentation erstellt, die bei der Veranstaltung am 21. November 2025 an der ABPU auf zwei großformatigen Bildschirmen im Foyer präsentiert wurden. Ein Schüler war dabei persönlich anwesend, ebenso wie einige der mitwirkenden Hortpädagog*innen, die Hortleitung und Familienmitglieder beteiligter Schüler*innen.
Bei der Entwicklung der Konzert-Performances waren Musikstudierende mit den Instrumenten Klavier, Schlagwerk und Saxophon sowie drei gehörlose bzw. hörbeeinträchtigte Gebärdensprachpoet*innen beteiligt. Die Vorgabe war, eine ca. 15-20-minütige Performance im Duo zu entwickeln. Einem einstündigen Online-Treffen folgte ein dreistündiges Kick-off-Meeting. Daran anschließend startete die Probenphase, in der die Duos autonom die Performances entwickelten, nur punktuell holten sie sich Unterstützung von den beiden Leitungsverantwortlichen. Ein Duo benötigte Dolmetscher*innen, zwei Duos verzichteten auf diese Unterstützung. Am 21. November 2024 fand die Veranstaltung im Großen Saal der ABPU statt, drei stilistisch und dramaturgisch sehr unterschiedliche 15-minütige Performances waren zu hören und zu sehen. Der Saal war mit über 300 Personen voll besetzt, mit Standing Ovations, geklatschtem Applaus sowie Applaus in Gebärdensprache bedachte das Publikum die Bühnenpremiere. Im Foyer wartete in einladender Atmosphäre ein Buffet auf Künstler*innen und Publikum, damit alle Beteiligten informell in Austausch treten konnten. Von dieser Möglichkeit machten weit über 50% der Anwesenden Gebrauch. Insgesamt standen vier Dolmetscher*innen zur Verfügung, um die Kommunikation zwischen gehörlosen und hörenden Personen zu unterstützen.
Während der Veranstaltung am 21. November 2024 wurde auch der bildende Künstler Peter Langer interviewt, im Foyer wurden einige seiner Werke gezeigt. Für die Ausstellung von „poemmusic“ war er vom Bruckner Alumni Netzwerk beauftragt worden, sich mit dem Thema „Die Welt in 20 Jahren“ künstlerisch auseinanderzusetzen. Ergebnis seiner Auseinandersetzung, bei der er auch die Themen Inklusion und Diversität miteinbezog, ist eine Bildserie, die mit markanter Formensprache, in abstrakt-eindringlicher Weise Linz in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in den Blick rückt, dementsprechend lautet der Titel der Ausstellung „Linz: gestern – heute – morgen“. Die Vernissage am 07. Februar 2025 stand im Zeichen zweier Jubiläen: des 20-Jahr-Jubiläums der ABPU und des 20-jährigen Jubiläums der Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) als eigenständige Sprache in der Bundesverfassung. Verbindender Dialog, Sichtbarmachung und Bewusstseinsschaffung sind für Peter Langer seit jeher wichtige Anliegen. Diese verfolgt er neben seiner künstlerischen Tätigkeit auch im beruflichen Kontext als Werkzeugmacher, Sozialbetreuer, Gebärdensprachlehrer und Schulassistent auf vielfältigen Ebenen. Charakteristisch für seine Arbeit sind bunte und kräftige Farben. Neben Kinderbuchillustrationen arbeitet Langer an großflächigen Acrylbildern.
Akzeptanz und Resonanz
Nach Abschluss des Projekts fand online eine Nachbesprechung mit den Musikstudierenden und den Gebärdensprachpoet*innen statt, bei der verbales Feedback gesammelt wurde. Da zwei Poet*innen in Wien wohnen wurde das Online-Format gewählt, um Reisewege zu reduzieren und allen die Teilnahme zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit in den Duos wurde als sehr positiv beschrieben, insbesondere auch das persönliche wie künstlerische Kennenlernen, ebenso die gemeinsame Kommunikation und der gemeinsame Aushandlungsprozess. Das Kick-off-Meeting wurde als sehr positiv und motivierend wahrgenommen. Die Bühnenerfahrung auf großer Bühne in professionellem Rahmen inklusive Umgang mit Licht- und Tontechnik wurde als positiv hervorgehoben, auch die Barrierefreiheit in mehrerlei Hinsicht. Dass ohne Absprache die drei Performances so unterschiedlich wurden und trotzdem einander so treffend ergänzten, überraschte und erfreute die Künstler*innen gleichermaßen. Organisatorisches wie weite Anreise, Probenterminkoordination etc. wurde von drei Personen (teils Gebärdensprachpoet*innen, teils Musiker*innen) als herausfordernd wahrgenommen. Bei den Ergebnissen der Feedbackrunde muss allerdings erwähnt werden, dass sie im Team in Anwesenheit der Projektleiterin und der künstlerischen Leitung durchgeführt wurde. Deshalb ist das Feedback auch angesichts der positiven Atmosphäre zwischen den Beteiligten möglicherweise nur eingeschränkt aussagekräftig.
Im Februar 2025 fanden Leitfadeninterviews mit allen Projektbeteiligten (Studierende, Gebärdensprachpoet*innen, Hortpädagog*innen, Dolmetscher*innen) statt, durchgeführt von Masterstudierenden. Diese werden im Sommersemester 2025 von den Studierenden anonymisiert ausgewertet. Die Auswertung wird weitere Erkenntnisse in Bezug auf die involvierten Studierenden und für Folgeprojekte bringen.
Die ausgesprochen kleine Studierendenkohorte von drei künstlerisch aktiven und insgesamt sechs involvierten Studierenden erschwert die anonymisierte Evaluierung. Bei künftigen Projekten ist geplant, insbesondere in den Schulworkshops mehr Studierende zu involvieren, damit mehr Studierende mit diesem Projekt aktiv in Berührung kommen können. Dies wird auch Evaluierungen erleichtern und zu aussagekräftigeren Ergebnissen führen.
Akzeptanz und Resonanz im Publikum
Die Gehörlosenkultur als Teil der österreichischen Kultur an der ABPU sichtbar zu machen, ist eines der Ziele dieses Formats. Die Gehörlosen-Community ist an der Anton Bruckner Privatuniversität bislang kaum vertreten. Dieses Format soll dazu beitragen, dass sich gehörlose und hörbeeinträchtigte Menschen von der ABPU angesprochen eingeladen fühlen. Bei dieser inklusiven Veranstaltung, die sowohl für Gehörlose als auch Hörende neu ist, wird ein sehr breites Publikum angesprochen: Bei der erstmaligen Durchführung im November 2024 bestand das Publikum aus mehr als 300 internen und externen Gästen, die sich jeweils zu etwa 50% aus gehörlosen bzw. hörbeeinträchtigten und hörenden Menschen zusammensetzten. Der gemischte Applaus, der sowohl Gebärdensprachenapplaus als auch Klatschen umfasste, spiegelte dies wider. Dies legt nahe, dass sich gehörlose und hörende Personen gleichermaßen von diesem Veranstaltungsformat angesprochen fühlten, wenngleich dies nicht evaluiert wurde. Die Begegnung zwischen hörenden und gehörlosen bzw. hörbeeinträchtigten Menschen im Publikum fand nicht nur während den Performances im Saal statt, sondern auch danach beim informellen Austausch am Buffet im Foyer.
Veranstaltungsevaluierung
Vor der Veranstaltung am 21. November 2025 wurden A6-formatige Kärtchen ausgeteilt, auf denen das Publikum Erwartungen notieren und in eine Feedbackbox werfen konnte. Nach der Veranstaltung wiederum lagen Kärtchen mit zwei offenen Fragen auf („Das gefällt mir an poemmusic…“ und „Wünsche, Tipps, Ideen“). Diese Möglichkeit des Feedback-Gebens wurde ausgesprochen gut angenommen, für die Veranstaltung konnte dadurch sehr klar abgeleitet werden was zum Gelingen der Veranstaltung beiträgt und dass große Nachfrage nach dieserart Veranstaltungsformat unter den Anwesenden besteht. Viele der positiven Rückmeldungen können in folgenden Kategorien gebündelt werden: Verbindung der Künste, das Ansprechen mehrerer Sinne, die künstlerisch vielfältige Gestaltung der Performances, die Professionalität der beteiligten Künstler*innen und das für gehörloses und hörendes Publikum gleichermaßen ansprechende Programm sowie Komplimente bzw. „mehr davon“. Wünsche, Tipps und Ideen beziehen sich vorrangig auf die Forderung nach Fortsetzung. Es finden sich ein paar wenige Anregungen wie z.B. Gebärdensprachkurse an der ABPU, der Wunsch nach einer Beschreibung des Performance-Entwicklungs-Prozesses in der Veranstaltungsmoderation und Barrierefreiheit im Großen Saal in Hinblick auf Personen mit Rollstuhl.
Nutzen und Mehrwert
Die Musikstudierenden können bei diesem Projekt Praxiserfahrungen sammeln, die mit Blick auf mögliche spätere Arbeitsfelder hilfreich sind und sie abseits der künstlerisch-pädagogischen auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung stärken. Sie erhalten die Möglichkeit, sich mit dem Thema Gehörlosigkeit auseinanderzusetzen, Gebärdensprachpoesie als Kunstform kennenzulernen, und als angehende Musikpädagog*innen transdisziplinär zu arbeiten. Dadurch können die Studierenden etwaige vorhandene Barrieren abbauen sowie innovative und inklusive Veranstaltungs- und Workshopsettings kennenlernen und mitgestalten.
Die Studierenden lernen Stärken und Herausforderungen in der Kommunikation mit Gebärdensprach-Natives („Native Signer“) kennen und können dabei kommunikative Kompetenzen erweitern. Sie erleben einen künstlerischen Entwicklungsprozess, bei dem sie in Zusammenarbeit mit freiberuflichen Künstler*innen einer anderen Disziplin in einem begrenzten Zeitraum bühnenreife Performances entwickeln. Ausgehend von minimalen thematischen und organisatorischen Vorgaben entwickeln sie ein künstlerisches Projekt weitgehend autonom. Sie erleben dabei das Zutrauen seitens Lehrender, die als Coaches bei Bedarf zur Verfügung stehen und machen dabei Erfahrungen hinsichtlich Selbstwirksamkeit und Selbstermächtigung. Durch die Zusammenarbeit entstehen persönliche Beziehungen, die im besten Falle auch bei Folgeprojekten Fortsetzung finden. Über die Zusammenarbeit mit den Gebärdensprachpoet*innen hinaus kommen die Studierenden mit der Gehörlosenkultur in Kontakt, indem sie in Dialog mit dem vielfältigen Publikum treten.
Die Studierenden können in den Hort-Workshops das Potenzial künstlerisch-pädagogischer Projekte erkennen. Dabei bekommen sie Einblicke in ein mögliches, späteres Arbeitsfeld. Die Landesmusikschule Leonding hat beispielsweise am ZHSB eine dislozierte Klasse und darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, als freiberuflich tätige Musiker*innen bzw. Musikpädagog*innen bei Projekten von und mit gehörlosen Menschen mitzuwirken. Dies eröffnet wiederum eine Erweiterung der fachlichen und beruflichen Möglichkeiten. Außerdem sammeln sie Erfahrungen in einem Kooperationsprojekt zwischen einer Bildungsinstitution im Bereich der Primar- und Sekundarstufe bzw. Sonderschule, einer Universität und einem Verein (Bruckner Alumni Netzwerk).
Übertragbarkeit und Langlebigkeit
Das Projekt läuft seit 2024
Das Projekt fand erstmalig im Wintersemester 2024 statt, die erbrachten Studierendenleistungen wurden je nach Projektbeteiligung innerhalb der Lehrveranstaltungen „Ensemble“, „Praktikum Musikvermittlung“ und „Kolloquium“ abgebildet. Das Projekt ist derzeit noch nicht als Lehrveranstaltung im Curriuculum verankert. Die Finanzierung eines Folgeprojekts in Kooperation mit dem Landesschulzentrum für Hör- und Sehbildung ist durch das Förderprogramm „Kunst ist Klasse!“ von BMBWF und BMKÖS bereits gesichert, es wird im Herbst 2025 durchgeführt. Der Fokus liegt dabei auf Schulworkshops mit 10-14-jährigen Schüler*innen. Teilnehmen können neben den Instrumentalpädagogik- und Musikvermittlungsstudierenden erstmalig auch Musikerziehungsstudierende.
Die Förderanträge zur Finanzierung des unmittelbaren Fortsetzungsprojekts mit allen vier Projektteilen finden sich aktuell in der Bearbeitungsphase, die Entscheidungen werden im Frühsommer 2025 erwartet.
Mittelfristig soll das Projekt innerhalb einer neuen Wahllehrveranstaltung in den Curricula der Musikstudien verankert werden. Das Konzept ist auch auf andere Lehrveranstaltungen an Kunstuniversitäten übertragbar, in denen die disziplinenübergreifende, künstlerische Projektentwicklung und die Durchführung von Workshops im Vordergrund stehen. Auch für die Zusammenarbeit mit diversen Dialoggruppen anderer Kooperationspartner*innen außerhalb der Hochschule kann das Konzept adaptiert werden.
Institutionelle Unterstützung
Der Call des Vizerektorats anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums der ABPU, bei dem insbesondere die Aspekte Diversität und Third Mission adressiert wurden und die Unterstützung des Bruckner Alumni Netzwerks als Veranstaltungspartner gaben den Anstoß für die Projektumsetzung. Die ABPU finanziert das Projekt maßgeblich durch die Deckung der Personalkosten in Lehre und Administration, und insbesondere auch durch In-Kind-Leistungen wie beispielsweise Nutzung repräsentativer Räumlichkeiten, Licht-/Tonanlage, Konzertflügel inkl. Stimmung, Bühnen-, Medien- und Haustechnik, Grafik und Drucksorten, Pressearbeit sowie Foto- und Videodokumentation.
Die ABPU befürwortet die Fortsetzung dieses Projektformats und ist bereit, auch künftig Ressourcen in ähnlich großem Umfang zur Verfügung zu stellen. Auch das Bruckner Alumni Netzwerk ist von dem Projekt überzeugt und wird es weiterhin unterstützen. Dadurch, dass die Gebärdensprachpoet*innen und die Dolmetscher*innen fair bezahlt werden sollten, waren zusätzliche finanzielle Mittel erforderlich, die vom Verein Licht ins Dunkel und dem Verein CMHF Infinitus zur Verfügung gestellt wurden.
Die Konzertveranstaltung am 21. November 2025 wurde mittels Feedbackkärtchen evaluiert, auf denen das Publikum Positives und Wünsche/Tipps äußern konnte. Die Erfahrungen der mitwirkenden Studierenden, Gebärdensprachpoet*innen, Hortpädagog*innen und Dolmetscher*innen wurden im Rahmen einer Online-Feedbackrunde besprochen. Außerdem fanden Leitfadeninterviews mit allen Projektbeteiligten, durchgeführt von Masterstudierenden statt, die im Sommersemester 2025 ausgewertet werden.
Bei künftigen Projekten ist geplant, insbesondere in den Schulworkshops mehr Studierende zu involvieren. So kommen mehr Studierende mit diesem Projekt aktiv in Berührung und die Evaluierungen führen zu aussagekräftigeren Ergebnissen. Bei diesen Folgeprojekten wird die Abteilung Qualitätsmanagement verstärkt in die Evaluierung eingebunden, mit dem Ziel, das Konzept konsequent zu reflektieren und weiterzuentwickeln.