Zuletzt aktualisiert am 30.05.2025
Inklusive Hochschuldidaktik – Barrieren abbauen & Diversität leben
Bei dem Projekt handelt es sich um ein neues Projekt / eine wiederholte Einreichung
Ars Docendi Kategorie
Gesellschafts- und Nachhaltigkeitsorientierte Lehre
Ars Docendi Kriterien
- Innovative Hochschuldidaktik
- Studierenden- und Kompetenzorientierung
- Perspektivenerweiterung und Internationalisierung
- Partizipation und Mitgestaltung
Gruppengröße
20-49
Anreißer (Teaser)
Barrieren abbauen - Diversität leben
Die Pädagogische Hochschule OÖ hat damit begonnen, diversitätsgerechte Lehrveranstaltungsformate einzurichten, die von einem „Experten in eigener Sache“ mitgestaltet und umgesetzt werden.
Kurzzusammenfassung des Projekts
Inklusive Hochschulpraktiken erfordern strukturelle, didaktische und kulturelle Maßnahmen, die Barrieren abbauen und Diversität aktiv nutzen. Eine diversitätsgerechte Hochschuldidaktik erkennt die Unterschiede zwischen Studierenden an und berücksichtigt diese bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen. Um die Vielfalt der Lernenden zu adressieren, aber auch, um die Vielfalt der Lehrenden bzw. die gesellschaftliche Heterogenität deutlich zu machen, hat die Pädagogische Hochschule OÖ damit begonnen, diversitätsgerechte Lehrveranstaltungsformate einzurichten, die diese Vielfalt zum Ausdruck bringen sollen. So werden ausgewählte Seminare Übungen mit einem „Experten in eigener Sache“ – Christian Krendl – gestaltet. Er ist Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule, benutzt einen Rollstuhl und verbrachte seine Schulzeit in einer Sonderschule. Christian Krendl bietet auf Basis dieser Erfahrungen, aber auch deren theoretischer Reflexion etwa in Publikationen, ein breites Oeuvre an theoretischen als auch praxisorientierten Inputs, Diskussionen und Team-Teaching Einheiten mit (Inklusions-)Pädagog:innen. Die Studierenden haben in diesen Lehrveranstaltungen unter Anleitung von Herrn Krendl die Möglichkeit, gesellschaftliche und letztlich auch ihre eigenen Vorstellungen und ableistischen Stereotypen zu Behinderung, den Fähigkeiten behinderter Personen als auch Anforderungen an gelingende, inklusive Bildungsprozesse zu reflektieren.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
Inclusive higher education practices require structural, didactic and cultural measures that break down barriers and actively utilise diversity. Diversity-oriented higher education didactics recognises the differences between students and takes these into account when designing teaching and learning processes. In order to address the diversity of learners, but also to highlight the diversity of teachers and social heterogeneity, the University College of Teacher Education Upper Austria has begun to establish diversity-appropriate course formats that are intended to express this diversity. For example, selected seminars are organised with an ‘expert in his own right’ - Christian Krendl. He works at the University College of Teacher Education, uses a wheelchair and spent his school years in a special school. Christian Krendl offers a broad oeuvre of theoretical and practice-oriented inputs, discussions and team-teaching units with (inclusion) educators based on these experiences, but also their theoretical reflection, for example in publications. In these courses, under the guidance of Mr. Krendl, students have the opportunity to reflect on social and ultimately their own ideas and ableist stereotypes about disability, the abilities of people with disabilities and the requirements for successful, inclusive educational processes.
Nähere Beschreibung des Projekts
Zu Beginn der Projektbeschreibung möchten wir kurz festhalten, dass die Verschriftlichungen dieses Antrags in gemeinsamer Abstimmung mit dem gesamten Projektteam entstanden sind.
Hochschulen und Universitäten stehen vor der Herausforderung, Diversität in ihrer Organisations- und Lehrentwicklung nachhaltig zu integrieren. Dies betrifft nicht nur die Studierenden, sondern auch die Lehrenden selbst. Die Implementierung von Diversitätsstrategien an tertiären Bildungseinrichtungen ist ein komplexer Prozess und zielt auf den Aufbau einer inklusiven Hochschulkultur ab. Um, neben anderen Maßnahmen, diesen Prozess an der Pädagogischen Hochschule weiter voranzutreiben, werden ausgewählte Lehrveranstaltungen der Primarstufe, Sekundarstufe sowie Berufspädagogik in unterschiedlichen Semestern des Bachelor- sowie Masterstudiums partizipativ mit dem bereits erwähnten Christian Krendl gestaltet. Hierzu werden vielfältige Lernmöglichkeiten zum Erkennen und Überwinden von Lernbarrieren geboten.
Aktuell werden beispielsweise Seminare im Bereich Körpersprache, Schule und Gesellschaft, digitale Mediennutzung, Lehrveranstaltungen im Schwerpunkt „Inklusion“ sowie Übungen zum Abbau von Barrieren (im Workshop-Format) in inklusiven Teams abgehalten.
Um ein anschauliches Bild dieses Projekts zu zeichnen, werden nachfolgend exemplarisch konkrete Lehrformate beschrieben, in denen Herr Krendl als "Experte in eigener Sache" mit dabei ist:
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- Ein Beispiel ist ein Seminar im 6. Semester der Primarstufe im Bereich „Schule im gesellschaftlichen Kontext“. Hier geht es u.a. um die Themen Macht in der Schule, Inklusion und die daraus resultierenden Spannungsverhältnissen. Ein wesentlicher Aspekt inklusiver Bildung ist die Reflexion von Diversität und die Sensibilisierung für Ableismus. Ableismus, verstanden als Diskriminierung aufgrund von Fähigkeitserwartungen und damit einhergehenden Machtverhältnissen, wird in diesem Kontext kritisch hinterfragt. Die Studierenden lernen, ihre eigenen Vorstellungen von Fähigkeit und Behinderung zu reflektieren und entwickeln eine differenz-reflexive Haltung. Dies trägt dazu bei, irrationale und verletzende Konzeptionen von Fähigkeiten zu problematisieren und stattdessen eine inklusive Perspektive einzunehmen.
- Ein weiteres Beispiel sind Workshops zum Abbau von Zugangs-, Nutzungs- sowie sozialen Barrieren unter Einsatz von Rollstühlen. Bei diesen Workshops werden zuerst technische Fragen geklärt, wie etwa: Wie treibe ich den Rollstuhl richtig an? Danach wird dies in Form von spielerischen Aufgaben geübt (Überwinden eines Parcours, richtig bremsen, richtige Sitzposition etc.). Die Lernenden erkunden anschließend mit dem Rollstuhl das Gebäude und absolvieren dabei Aufgaben, die von Herrn Krendl erstellt werden (etwas aus einem Regal holen, etwas kopieren, Türen aufmachen etc.). Der letzte Teil des Workshops besteht aus einer Reflexion, dabei können sich die Lernenden über das Erlebte austauschen und dem Experten Fragen stellen. In weiteren reflexiven Vertiefungen wird sichergestellt, dass dieses Format nicht bloß als temporäres ‚Erleben‘ von Barrieren von Studierenden dient, sondern ein vertiefender Austausch anhand der Erfahrungen von Personen mit Behinderungen und einer Reflexion der in Räume eingeschriebene, fähigkeitsbezogenen Privilegien und deren Reflexion stattfindet.
- In der Primar- und Sekundarstufe findet im 1. Semester des Bachelorstudiums das Seminar Körpersprache statt. Dabei werden vom Referenten theoretische Inputs zu den Themen Behinderung, Inklusion und Barrierefreiheit aufgezeigt. Zudem wird auch diesbezüglich von persönlichen Erfahrungen berichtet und darüber diskutiert.
- In der Sekundarstufe II werden in Vorträgen persönliche und berufliche Situationen im Kontext inklusiver Medienunterstützung geschildert. Es wird darüber berichtet, wie es Herrn Krendl in seiner schulischen und beruflichen Laufbahn damit ergangen ist. Ziel der Lehrveranstaltung ist es, die Lernenden auf mediale Unterstützungsmöglichkeiten hinzuweisen. Wichtig ist auch der fachliche Austausch zwischen den Studierenden und den Referent:innen.
Die Lehrformate fördern insgesamt biografisches Lernen, indem diese die persönlichen Erfahrungen und Lebensgeschichten der Studierenden einbeziehen. Durch den Austausch und die gemeinsame Arbeit an konkreten Projekten werden nicht nur fachliche Kompetenzen entwickelt, sondern auch die Persönlichkeitsentwicklung und das Empowerment aller Beteiligten gefördert. Die Studierenden lernen, ihre eigenen Fähigkeiten und die der anderen wertzuschätzen und einzusetzen. Durch das Lernen auf Augenhöhe lernen alle Beteiligten, die Unterschiede und Vielfalt innerhalb der Gruppe bzw. der Gesellschaft als wechselseitige Chancen zu sehen. Ein selbstverständlicher Umgang miteinander wird gefördert, sodass Berührungsängste erst gar nicht entstehen.
Das Projekt befindet sich aktuell in Erweiterung. Die Kooperation mit „Experten in eigener Sache“ soll am Institut für Inklusive Pädagogik an der PH OÖ noch intensiviert werden. Die Vielfalt und Heterogenität der Gesellschaft soll nicht nur theoretisch in der Lehre vermittelt werden, sondern praktisch gelebt und an der Hochschule deutlich(er) sichtbar werden. Ein wesentliches Ziel, im Rahmen der Öffnung der Hochschule, ist das Vorantreiben einer partizipatorischen Inklusion unter Einbeziehung des Wissens von marginalisierten Personengruppen.
Akzeptanz und Resonanz
Alle Lehrveranstaltungen der PH OÖ werden lt. Hochschulevaluierungsgesetz (HEV i.d.g.F.) regelmäßig evaluiert. Eine spezifische Evaluierung dieser Lehrformate ist in Entwicklung. Am Ende der konkreten Lehrveranstaltungseinheiten erfolgen jedoch mündliche Reflexions- und Feedbackrunden. Die Rückmeldungen (in Form von mündlichen Feedbacks) der Studierenden sind äußerst positiv und fließen (im Sinne einer lernenden Organisation) in die Weiterentwicklung dieser Formate ein.
Nutzen und Mehrwert
Dieses Projekt stellt auf unterschiedlichen Ebenen einen Mehrwert für alle Beteiligten sowie das Gesamtsystem (Institution) dar:
- Förderung inklusiver Hochschulpraktiken - Durch strukturelle, didaktische und kulturelle Maßnahmen werden Barrieren abgebaut und Diversität aktiv genutzt;
- Praxisnahe Erfahrungen - Einblick in andere Lebenssituationen, Empowerment für alle Beteiligten und ihre berufliche Praxis
- Reflexion von Stereotypen - Die Lehrveranstaltungen ermöglichen es den Studierenden, ihre eigenen Vorstellungen und ableistische Stereotypen zu Behinderung kritisch zu hinterfragen;
- Sensibilisierung für Diversität - Das Projekt trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Vielfalt in der Gesellschaft und im Bildungsbereich zu schärfen;
- Vorbildfunktion - Die Einbindung eines "Experten in eigener Sache" demonstriert praktisch gelebte Inklusion an der Hochschule;
- Interdisziplinärer Ansatz - Durch die Kombination von theoretischen und praxisorientierten Inputs sowie Team-Teaching-Einheiten wird ein ganzheitlicher Lernansatz gefördert;
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Übertragbarkeit und Langlebigkeit
Das Projekt läuft seit 2019
Das Konzept wird derzeit in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen innerhalb der Hochschule angewendet. Das Projekt "Inklusive Hochschuldidaktik - Barrieren abbauen, Diversität leben" befindet sich aktuell in Erweiterung. Die Kooperation mit „Experten in eigener Sache“ soll am Institut für Inklusive Pädagogik an der PH OÖ noch intensiviert werden. Die Vielfalt und Heterogenität der Gesellschaft soll nicht nur theoretisch in der Lehre vermittelt werden, sondern praktisch gelebt und an der Hochschule etabliert werden.
Institutionelle Unterstützung
Das Institut für Inklusive Pädagogik sowie weitere Organisationseinheiten an der PH OÖ ermöglichen die Umsetzung in der derzeitigen Form. Inklusive Teams arbeiten im Austausch mit allen Beteiligten an diesem Projekt mit. Nachdem eine Weiterentwicklung und ein Ausbau dieses Projekts geplant sind, sind im Bereich "Ressourcen" noch weitere Abstimmungen notwendig.
Für dieses Projekt gibt es noch keine verschriftlichten Prozessbeschreibungen im Sinne des Qualitätsmanagements. Das Feedback (der Beteiligten) fließt selbstverständlich in die Weiterentwicklung der Lehrformate ein.