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Zuletzt aktualisiert am 07.02.2025

Heterogenität als Ressource: Aktives Lernen im Erweiterungscurriculum Soziologie

Projektname des bereits eingereichten Projekts:

Ars Docendi Kategorie

Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit

Gruppengröße

< 20

Kurzzusammenfassung des Projekts

In diesem Lehrprojekt wird unter Nutzung didaktischer Angebote, durch die Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und auf der Basis des Austausches mit Studierenden die Lehre im Erweiterungscurriculum (EC) „Soziologische Gesellschaftsanalysen“ interaktiv und kompetenzorientiert weiterentwickelt. Berücksichtigt werden die unterschiedlichen Bildungsbiografien ebenso wie Lern- und Studienbedingungen, die sich aus den verschiedenen fachlichen Hintergründen und Lebensrealitäten der Studierenden ergeben. Durch die Entwicklung von erfahrungsbasierten Lern- und Lehrmethoden, die die „Facetten der Heterogenität“ (Interdisziplinarität und sozialstrukturelle Zusammensetzung der Studierendenschaft) wird diese Heterogenität als Lernressource mobilisiert. Dabei wird zum Abbau individueller und struktureller Lernbarrieren der Raum für Reflexion und Auseinandersetzung geschaffen. Der wissenschaftliche Zugang zu den Inhalten wird auf unterschiedlichen Ebenen ermöglicht und eine Sensibilisierung für gesellschaftliche Herausforderungen wie etwa soziale Ungleichheit oder ökologische Nachhaltigkeit findet statt. Ein besonderes Anliegen ist es, den nicht-prüfungsimmanenten und von hohen Teilnahmezahlen gekennzeichneten Lehrveranstaltungstyp „Vorlesung“ zeitgemäß zu gestalten. Das bedeutet, den Studierenden Kompetenzen kritischen und analytischen Denkens zu vermitteln in einem Kontext, wo Internet und digitale Technologien ein hohes Volumen an Informationen allseits verfügbar machen.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

This teaching project utilises the opportunities for professional development, cooperation between teaching staff and exchanges with students to enhance the quality of learning in the elective module (Erweiterungscurriculum) "Sociological Analyses of Society" in an interactive and competence-oriented way. Taking into account both the diversity of degree programmes the students hail from as well as the different social, cultural and economic backgrounds that they have, experience-based learning and teaching methods are developed that mobilise these "facets of heterogeneity", notably student interdisciplinarity and the social composition of the student body, as a learning resource. In order to reduce individual and structural barriers to learning, emphasis is placed on creating the space for reflection and discussion. Academic course content is made accessible at different levels and contemporary societal challenges such as social inequality or ecological sustainability are addressed. The project develops new methods for enhancing student learning in lectures where the circumstances of high student numbers and no continuous assessment call for creative ways to stimulate student engagement. Moreover, in a context where the Internet and digital technologies make information universally available, the task of provide students with critical and analytical thinking skills becomes even more central.

Nähere Beschreibung des Projekts

Lehr- und Lernformate für heterogene Studierendengruppen

Die Vorlesung „Struktur und Entwicklung der Gegenwartsgesellschaft“ nimmt Analysen und Erklärungen gesellschaftlicher Entwicklungen im globalen Kontext unter die Lupe. Ziel ist die Untersuchung und Einordnung von Wandlungsprozessen wie Globalisierung, Digitalisierung, demographischer Wandel, Migration oder Klimawandel. Studierende erwerben Grundkenntnisse eines soziologischen Instrumentariums zur Analyse von gesellschaftlichen Strukturen und wenden diese im Laufe der Vorlesung auf verschiedene aktuelle Themen an. In Anlehnung an didaktische Methoden, die beim Erfahrungswissen von Lernenden ansetzen, habe ich eine Lern- und Lehrmethode entwickelt, die die Heterogenität der Studierenden als Ressource didaktisch einbindet. Zu Beginn thematisiere ich die diversen fachlichen Hintergründe der Studierendenschaft und erschließe mit ihnen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Perspektiven. Im Laufe der Vorlesungseinheiten gebe ich den Studierenden Möglichkeiten, über ihre beruflichen und Lebenserfahrungen zu reflektieren und diese in die Diskussion einzubringen.

 

Didaktische Methoden

Zum Einstieg verwende ich einen Film („Der Mensch im Ding“ von Tom Tykwer, 2008), der Studierende dafür sensibilisieren soll, welche gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse die vielen Alltagsobjekte, die uns umgeben, hervorbringen. Zudem gibt es in den Vorlesungseinheiten regelmäßig Kleingruppendiskussionen („Breakout Sessions“) und Austausch im Plenum, wo Studierende eingeladen werden ihre Erfahrungen und ihr Vorwissen mit den Lerninhalten zu verknüpfen. Meine Rolle ist dabei eine vermittelnde. Ich rege die Studierenden an, darüber zu reflektieren, was die jeweilige(n) Denkweise(n), d.h. epistemologischen, ontologischen und methodologischen Zugänge in ihren Disziplinen ist/sind und wie sich diese zur soziologischen Denkweise verhält. Durch den Austausch untereinander lernen Studierende zudem voneinander. Auch werden auf der interaktiven Lernplattform alle Lehrmaterialien zur Verfügung gestellt und es werden laufend die weiterführenden Materialien, d.h. wissenschaftliche Literatur, graue Literatur, Filme, Podcasts, Radiobeiträge aktualisiert. Diese Methoden habe ich mit Blick auf die Heterogenität der Studierendenschaft im Rahmen dieses Lehrprojekts entwickelt und vertieft.

 

Nutzung didaktischer Angebote

Ich absolvierte einen zwei-semestrigen Zertifikatskurs „Teaching Competence Plus“, in dem ich Kurse besuchte und eine Begleitung meines Lehrprojekts erhielt. Im Kurs zu diversitätsgerechter Lehre konnte ich mein Wissen über die Facetten der Heterogenität der Studierendenschaft vertiefen und Bewältigungsstrategien mit Kolleg:innen diskutieren. Ich bildete mich in der Gestaltung von Gruppenarbeiten weiter und erlernte neue Methoden, um studentische Lernprozesse in Erfahrung zu bringen und verschiedene Formen von „Peer- und Self-Assessement“ in die Vorlesungseinheit einzuflechten (z.B. „Murmelrunden“, einem „Minute-Paper“ oder auch „Quiz“-Elemente). Des Weiteren besuchte ich einen Kurs zur Entwicklung von Multiple-Choice (MC) Prüfungen. Zur Bewältigung von Heterogenität gehört ebenso die diskriminierungs- und barrierefreie Lehre. In mündlichen Prüfungssituationen wurde mir bewusst, dass Deutsch nicht die erste Sprache aller Studierenden ist. Um eine faire und inklusive MC-Prüfung zu konzipieren, ersetzte ich in der Neu-Konzipierung der Prüfung jegliche „Distraktoren“, die auf knifflige sprachliche Differenzen basierten, da diese für Personen mit Deutsch als Fremdsprache schwer zu erkennen sind. Schließlich konnte ich im Kurs zu Vorlesungsrhetorik mein Wissen über die Wirkungsbedingungen von Vorlesungen vertiefen. Seitdem versuche ich die Höhen und Tiefen der Konzentration der Zuhörenden in der Vorlesung zu respektieren und pausiere kurz nach ca. 20 Minuten oder wechsle den Modus, indem ich z.B. eine kurze Frage- oder Murmelrunde einbaue oder einen Kurzfilm o.Ä. zeige. Schließlich bildete ich mich in der digitalen Lehre weiter, da die Vorlesung in den Hochphasen der Pandemie online abgehalten wurde.

 

Austausch und Zusammenarbeit zwischen Lehrenden

Im Rahmen des Zertifikatskurses führte ich mit einer Kolleg:in, die ebenfalls im EC lehrt und mit meiner Studienassistenz Interviews. Ich hielt mehrere kollegiale Lehrbesuche ab und lud Kolleg:innen in meine Vorlesung ein. Ich informierte Kolleg:innen im Vorfeld, dass ich mich mit der Heterogenität der Studierendenschaft beschäftige und bat sie ihr Feedback darauf auszurichten. Eine Philosophie-Kollegin war der Auffassung, dass ich in meinem Bestreben nach Inklusivität und Komplexitätsreduktion, an einigen Stellen inhaltlich zu allgemein blieb. Gleichzeitig verweilte ich wiederum zu lange auf manchen Inhalten, die Studierende vermutlich schon kannten. Aus diesem Feedback entwickelte ich drei Vorgehensweisen. Erstens setzte ich Methoden zur Feststellung des bestehenden Wissens/des Gelernten ein und begann Vorlesungen mit Einstiegsfragen, um Reflexion anzuregen oder um Feedback zum Wissensstand zu erhalten. Zweitens überarbeitete ich einige Inhalte. Anstelle des einfachen Nennens von einschlägigen Publikationen oder theoretischen Ansätzen, werden diese nun vertieft kontextualisiert und ich diskutiere die Entstehungsbedingungen. Dieser wissenssoziologische Ansatz ist besonders ertragreich wo „fachfremde“ Studierende ein Verständnis für den spezifischen „soziologischen Blick“ entwickeln sollen. Diese vertiefende fachliche Rückbindung ist gerade deshalb wichtig, um über das mitgebrachte Allgemeinwissen Studierender hinauszugehen. Diese Herangehensweise ist nun fester Bestandteil der Vorlesung. Drittens binde ich die disziplinären Perspektiven der Studierenden auf einer inhaltlichen Ebene ein.

 

Einbindung disziplinärer Perspektiven am Beispiel Klimawandel

Die gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels eignen sich dazu besonders gut. Die Einbindung findet auf zwei Ebenen statt. Erstens tauschen sich Studierende darüber aus, aus welcher Disziplin sie kommen und wie der Klimawandel in ihrer Fachrichtung thematisiert wird. Im Plenum fassen wir dann die Ergebnisse zusammen, diskutieren die verschiedenen Zugänge und loten aus, welchen Beitrag die jeweiligen Disziplinen zur Bewältigung der Klimakrise beitragen können, so entsteht eine sehr lebendige und inklusive Diskussion über Potenziale, Kollaborationen und Limitationen. Soziologie-Studierende werden angeregt, ihr Soziologie-Vorwissen einzubringen. Im folgenden Semester erweitere ich die Lerninhalte um diese Diskussionen und Beiträge, sodass die Einsichten der Studierenden aus dem vorherigen Semester miteinbezogen werden. Zweitens halte ich eine Vorlesung zur Verschränkung eines zentralen Untersuchungsgegenstands der Soziologie, nämlich die soziale Ungleichheit in ihrer Verschränkung mit Klimawandel, z.B. in Bezug auf den ökologischen Fußabdruck, Ungleichheiten zwischen Ländern des „globalen Nordens“ und „globalen Südens“ sowie den ungleichen Auswirkungen von Mitigations- und Adaptionsstrategien. Darüber hinaus stellte ich im letzten Semester den praktischen Bezug darüber her, dass ich eine der Moderator:innen des im Jahr 2022 stattgefundenen österreichischen Klimarats in die Vorlesung einlud und wir einen Film über den Klimarat ansahen, um im Anschluss mit unserem Gast über die Rolle von Bürger:innenbeteiligung bei der Bewältigung der Klimakrise zu diskutieren. Im Zukunft möchte ich diese Herangehensweise auf die anderen Vorlesungseinheiten ausweiten und auf Anregung einer Kolleg:in auch auf unterschiedliche methodologische Zugänge eingehen sowie weitere Gäste aus der Praxis einladen. Zudem überlege ich, nachdem ich die Vorlesung einer Kolleg:in besuchte, von Woche zu Woche, gemeinsam mit den Studierenden, ein Mind-Map zu generieren, um Begriffszusammenhänge zu visualisieren.

 

Austausch im Sinne einer lebendigen Feedbackkultur

Die genannten Methoden tragen zu einer lebendigen Feedbackkultur bei. Zudem entwickelte ich in Auseinandersetzung mit den Facetten der Heterogenität drei konkrete Vorgehen, um diese Feedbackkultur weiter zu fördern. Erstens organisierte ich ein Fokusgruppengespräch mit Studierenden. Wo ich mich zuvor darauf konzentrierte, die fachliche Interdisziplinarität der Studierendenschaft zu berücksichtigen, lernte ich dadurch, wie heterogen andere Hintergründe der Studierenden sind. Das bezieht sich nicht nur auf soziale Herkunft oder Migrationserfahrung, sondern auch auf verschiedene Altersstufen und dazugehöriger Lebens- bzw. Berufserfahrung. Dies versuche ich, genauso wie die fachliche Heterogenität, als Peer-Austausch in die Vorlesung einzuflechten. Zweitens überlegte ich im Kontext des Pandemie-bedingten Wechsels auf digitale Lehre, wie ich Fragen und Kommentare von Studierenden in die laufende Vorlesung einbinden könnte. Ich ermutigte Studierende, die Chat-Funktion der digitalen Plattform aktiv zu nutzen. Während der laufenden Vorlesung konnten Studierende so Fragen stellen, Inhalte kommentieren oder auch auf meine Fragen antworten. Viele Studierende nutzten die Chat-Funktion regelmäßig. Mir wurde bewusst, dass die Chat-Funktion eine niederschwellige Möglichkeit bietet, sich an der Vorlesung zu beteiligen ohne sich – im Vergleich zur Präsenzveranstaltung – zu sehr zu exponieren. Im kommenden Semester habe ich vor, diese Chat-Funktion in der Präsenz-Vorlesung zu verwenden, indem ich Studierenden anbiete, sich in die digitale Plattform einzuloggen und dort zusätzlich zur Wortmeldung im Raum, weitere Fragen und Kommentare zu posten. Diese werden zusammen mit den Powerpoint-Folien projiziert, damit sie von allen gelesen werden können. Drittens aktualisiere ich laufend die weiterführende Literatur auf Basis der in der Vorlesung aufkommenden Diskussionen und recherchiere offene Fragen von Studierenden, um dann Antworten und Informationen auf die Lernplattform Moodle zu stellen. Somit möchte ich einen weiteren Beitrag zum Angebot eines flexiblen Lehrangebots für eine heterogene Studierendenschaft leisten.

Nutzen und Mehrwert

Bei der Nutzung von Heterogenität als Ressource geht es nicht nur darum, die persönlichen Umstände der Studierenden zu berücksichtigen, sondern durch die Haltung als Lehrende Inklusivität zu signalisieren und das Wissen und ihre Erfahrungen in die Lehre mit aufzunehmen. Durch die interaktive und kompetenzorientierte Weiterentwicklung der Lehre wird den Studierenden der Zugang zu den soziologischen Inhalten der Vorlesung auf unterschiedlichen Ebenen ermöglicht. Studierende werden dort „abgeholt“ wo sie sich mit ihren Lebens- und Berufserfahrungen befinden und die Lehre wird aktiv auf ihr Vorwissen abgestimmt. Studierenden wird einerseits ermöglicht, sich die Relevanz des Erweiterungscurriculums „soziologische Gesellschaftsanalysen“ für ihr jeweiliges Studium zu erschließen; andererseits wird Studierenden ermöglicht ihre bereits bestehende fachliche Expertise in die EC-Vorlesung einzubringen und mit soziologischen Perspektiven zu verknüpfen. Durch die vergleichende Auseinandersetzung zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der jeweiligen Fächer in Bezug auf die Soziologie, erweitern Studierende ihren Horizont und erhalten neue Denk- und Lernanstöße. Außerdem wird ihnen ermöglicht, Synergien zu erkennen. Durch den Bezug zu aktuellen Debatten und gesellschaftlichen Herausforderungen wird Studierenden der Blick über den eigenen Tellerrand ermöglicht und sie erhalten zudem Wissen und Kompetenzen, die sie zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Durch die Förderung des aktiven Austauschs unter den Teilnehmenden der Lehrveranstaltung werden Verbindungen und Unterstützungsmöglichkeiten zwischen den Studierenden gestärkt. Durch die aktive Einbindung werden sie zu aktiven Lernenden und durch den Abbau von Lernbarrieren werden sowohl Qualität der Lehre als auch Studierbarkeit verbessert.

Institutionelle Unterstützung

Die Lehrveranstaltung wird von Studienassistentin Julia Heger unterstützt. Zudem habe ich das breite Angebot der didaktischen Weiterbildung der Universität Wien wahrnehmen können, um mein Lehrprojekt zu entwickeln, umzusetzen und auszuwerten. Ich habe sowohl den zwei-semestrigen Zertifikatskurs Teaching Competence Plus belegt sowie im Rahmen der Umstellung auf digitale Lehre im Zuge der Pandemie, das weitere Kursangebot zur digitalen Lehre nutzen können.