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Zuletzt aktualisiert am 07.02.2025

Greifbares sichtbar machen - Sonographie in der Physiotherapie

Projektname des bereits eingereichten Projekts:

Ars Docendi Kategorie

Lehre und Digitale Transformation

Gruppengröße

< 20

Kurzzusammenfassung des Projekts

Im Sommer 2021 wurden von den Vortragenden Lehrinhalte aus der bestehenden Lehrveranstaltung Oberer Quadranten Unterricht identifiziert, die sich in der Vergangenheit als schwierig in der praktischen Umsetzung erwiesen hatten und von der sonographischen Bildgebung profitieren würden. Die als am relevantesten erachteten Inhalte betrafen drei Dozentinnen aus den Bereichen manuelle Mobilisation, Neurodynamik und neuromuskuläre Kontrolle. Während des Sommers wurde ein Konzept zur Integration der Sonographie in die Lehrveranstaltung entwickelt. Ziel war es, den Studierenden durch diese innovative Methode die Auswirkungen ihres manuellen Einwirkens bildlich darzustellen. Darüber hinaus sollten die Studierenden die Möglichkeit erhalten, Techniken unter Supervision und bildgebender Kontrolle zu erproben, um ihre palpatorischen Fähigkeiten und manuellen Techniken zu optimieren. Neben der Bildgebung und dem Einsatz als Biofeedback, sollte der Ultraschall auch als mögliches Forschungsinstrument vorgestellt werden.

Die erste Umsetzung dieses Projekts erfolgte im Wintersemester 2021/22. Es wurden manuelle, physiotherapeutische Untersuchungs- und Behandlungstechniken am Thorax, periphere neurodynamische Mobilisationstechniken sowie die Ansteuerung der tiefen abdominalen Stabilisierungsmuskulatur dargestellt. Vor allem die Mobilisation der Wirbelsäule und der wirbelsäulennahen Gelenke in allen Graden wurde von den Studierenden unter bildgebender Kontrolle erprobt.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

In summer 2021, lecturers identified teaching content from the existing course Upper Quadrant that had proved difficulties in their practical implementation in the past and would benefit from sonographic imaging. The content deemed most relevant involved three lecturers on manual mobilisation, neurodynamics and neuromuscular control. During the summer, a concept was developed for integrating ultrasound imaging into the course within the mentioned topics. The aim was to teach students physiological processes and the effects of their manual input through this innovative method. In addition, students should be given the opportunity to try out techniques under supervision and real-time imaging in order to optimise their palpatory and manual techniques. In addition to imaging and use as biofeedback, ultrasound was also to been presented as a research tool.

The first implementation took place in the winter semester 2021/22. Manual techniques on the thorax, peripheral neurodynamic techniques as well as the control of deep abdominal stabilising muscles were presented using sonography. Above all, the mobilisation of the spine and spine-related joints in all degrees was tried out by the students under imaging control.

Nähere Beschreibung des Projekts

Nähere Beschreibung des Projekts

Hintergrund

Der Fokus dieses Projekts liegt in der Optimierung didaktischer Vermittlung komplexer Prozesse. Durch den Einsatz dieser in der Physiotherapie im westeuropäischen Raum innovativen Technik erweitern die Studierenden ihre Kompetenzen und führen diese auf Basis eines evidenzbasierten Ansatzes durch. Durch die bisherigen Lehrmethoden mussten sich die Studierenden auf ihre palpatorischen Fähigkeiten verlassen und konnten die Gewebsauswirkungen ihres praktischen Handelns nicht verifizieren. Im amerikanischen, australischen und angelsächsischen Raum findet die Bildgebung mittels Ultraschall schon seit Jahren berechtigten Einsatz in der Physiotherapie. Während sich im DACH-Raum die Anwendung von Ultraschall für Physiotherapeut:innen auf die Verwendung als Biofeedback, zur Verlaufskontrolle und –dokumentation beschränkt, wird bildgebender Ultraschall in den genannten Ländern aufgrund unterschiedlicher curricularer Schwerpunkte und rechtlicher Möglichkeiten auch zur physiotherapeutischen Diagnostik eingesetzt.

 

Inhalt und Struktur

Die Studierenden erhielten eine kurze Einführung in die Darstellung von neuromuskuloskelettaler Strukturen mittels Ultraschall. Besprochen wurden die unterschiedliche optische Darstellung unterschiedlicher bindegewebiger Strukturen wie Knochen, Muskeln, ligamentärer Strukturen und Nerven sowie relevante Schnittebenen und mögliche Artefakte. Die Integration des Ultraschalls in den Kurs gliederte sich in drei Schwerpunkte.

Die Darstellung neurodynamischer Techniken peripherer Nerven

An der oberen Extremität wurden der Nervus ulnaris, der Nervus radialis und der Nervus medianus an unterschiedlichen Positionen dargestellt. Durch Bewegungen des gesamten Armes oder einzelner Gelenke des Armes und der Halswirbelsäule konnte die Bewegung der neuronalen Struktur gegenüber dem umliegenden Gewebe dargestellt werden. Als besonders eindrucksvoll erachteten die Studierenden die weitreichende Bewegung eines Nervs in der Peripherie bei geringgradiger proximaler Bewegung.

 

Die Darstellung der Ansteuerbarkeit tiefliegender, abdominaler Stabilisationsmuskulatur

Bei der Anleitung zur Aktivierung tiefliegender, nicht palpabler muskulärer Strukturen müssen wir uns in der Physiotherapie auf ein Zusammenspiel aus zielgerichteter verbaler Anleitung und einem guten Körpergefühl der Patient:innen verlassen. Nachdem nicht die Bewegungsgenerierung, sondern die Stabilisation im Vordergrund steht, ist die Ansteuerung dieser muskulären Strukturen nach außen hin nicht sichtbar. Oberflächlicher liegende Muskelgruppen verhindern ein reliables Palpieren der relevanten Struktur während der Anspannungsphase. Der Ultraschall ermöglicht die dynamische Darstellung dieser Strukturen in Echtzeit. Dies bietet dem:der Physiotherapeut:in die Möglichkeit sicherzustellen, dass die gewünschten Strukturen aktiviert werden und dem:der Patient:in die Möglichkeit simultan zur Ansteuerung zu sehen, ob die richtige Muskulatur angespannt wurde. Im Zuge dieses Projekts wurde der Fokus auf die laterale Bauchmuskulatur mit dem Musculus Transversus abdominalis, dem Musculus obliqus internus und dem Musculus obliqus externus sowie auf die Beckenbodenmuskultur gelegt. In der praktischen Umsetzung mit den Studierenden wurde die eigene Fähigkeit zur Ansteuerung der genannten Muskeln eingeschätzt und im Anschluss von Kolleg:innen beurteilt. Es wurden verbale Hilfestellungen von den Studierenden gegeben um eine Verbesserung der eigenen Ansteuerung zu erzielen. Zum technischen Einsatz kam sowohl der lineare Schallkopf zur klassischen Darstellung oberflächlich gelegener muskuloskelettaler Strukturen als auch ein konvexer Schallkopf zur Darstellung tiefliegender Strukturen, wie in diesem Fall die Beckenbodenmuskulatur.

 

Die Darstellung von Bewegungen in Gelenken der Wirbelsäule und wirbelsäulennaher Gelenke

Die Mobilisation von Gelenken in vier unterschiedlichen Graden (nach Maitland) stellt für Studierende, aber auch für Physiotherapeut:innen im Berufsleben eine Herausforderung dar. Bei der Durchführung unterschiedlich intensiver Techniken stehen jeweils unterschiedliche Ziele im Vordergrund. Eine Mobilisation Grad I stellt sich als Mobilisation mit kleiner Amplitude am Beginn des Bewegungsausmaßes ohne Widerstand dar und dient der Schmerzlinderung. Ebenso dient Grad II der Schmerzreduktion und bietet eine große Amplitude im widerstandsfreien Bewegungsausmaß. Grad III zur Steigerung der Beweglichkeit wird am Ende des aktuellen Bewegungsausmaßes mit einer großen Amplitude in den Widerstand und wieder aus dem Widerstand hinaus ausgeführt. Mobilisation im Grad IV zeichnet sich durch eine kleine Amplitude im Widerstand am Ende des Bewegungsausmaßes ebenfalls zur Optimierung der Beweglichkeit aus. Die Studierenden haben die unterschiedlichen Mobilisationsgrad zu Beginn ohne bildgebender Kontrolle an einander durchgeführt und geübt. Später erhielten sie die Möglichkeit dieselben Mobilisationstechniken unter bildgebender Kontrolle durchzuführen. Wie stark die Auswirkung bzw. die Bewegung im Gewebe bzw. im Gelenk bereits bei Mobilisationsgrad I war, überraschte die Studierenden sehr. Durch den Ultraschall hatten sie die Möglichkeit die Intensität der Druckausübung besser zu dosieren und konnten durch das Biofeedback noch gezielter auf die zu beeinflussende Struktur einwirken. Darüber hinaus konnten weiterlaufende Bewegungen einer Wirbel- oder Rippenmobilisation dargestellt werden. Damit wurde die Sonographie auch als Möglichkeit zur Anwendung in Forschungsprojekten dargelegt und vorgestellt.

 

Durch die Vernetzung der Dozentinnen in dieser Lehrveranstaltung konnte der Ultraschall direkt und sehr interaktiv in den Unterricht integriert werden. Durch das Ausprobieren unterschiedlicher Darstellungsmöglichkeiten während der Durchführung physiotherapeutischer Untersuchungs- und Behandlungstechniken entstand eine Peer-Teaching Atmosphäre unter Berücksichtigung individueller Lernfortschritte.

 

Durch dieses Projekt wurden den Studierenden grundlegende Kompetenzen in der Anwendung von bildgebenden Verfahren in der Physiotherapie vermittelt. Darüber hinaus werden die Fertigkeiten in der Anwendung des bildgebenden Ultraschalls im 6. Semester vertieft.

Nutzen und Mehrwert

Aus der Kombination von theoretischer und praktischer Wissensvermittlung mit der Integration innovativer Techniken wie dem bildgebenden Ultraschallverfahren ergeben sich zahlreiche Vorteile im Unterricht:

• Über den Anatomie-Unterricht hinausgehend können topografisch-anatomische Verhältnisse im Unterricht bildlich dargestellt werden

• Bewegungen und Zusammenhänge des neuromuskuloskelettalen Systems werden veranschaulicht und für Studierende begreifbarer gemacht

• Durch die Darstellung der Auswirkung der gesetzten Interventionen auf das Gewebe erfolgt eine Bewusstseinsschaffung für das eigene Handeln

• Das visuelle Feedback in Echtzeit ermöglicht eine Adaptierung der gesetzten Druckausübung während der Durchführung einer physiotherapeutischen Technik

• Durch den Einsatz des Ultraschalls als Biofeedback lernen Studierende selbst, Muskelgruppen selektiv anzuspannen, was die Voraussetzung für das verständliche Anleiten von Bewegungen darstellt

• Die Studierenden lernen Bewegungsaufträge anzuleiten, während ihnen selbst eine bildgebende Kontrolle des Outputs zur Verfügung steht

• Die Studierenden erhalten Einblick in die bildgebende Sonografie als wertvolles Tool in der physiotherapeutischen Praxis, sowie in der Forschung

• Supervision kann zielgerichteter erfolgen und ist durch die bildliche Darstellung besser erklärbar

• Die Lehrenden stimmen sich inhaltlich noch besser ab und profitieren ebenfalls von den vermittelten Inhalten und der didaktischen Umsetzung der Co-Teachers

• Die didaktische Vermittlung der strukturspezifischen Palpation (Anatomie in vivo) kann durch bildgebende Sonografie veranschaulicht werden

• Durch die Kontrolle am Bildschirm können Studierende ihre palpatorischen Fertigkeiten besser trainieren und ausbauen

• Der Einsatz von innovativer Technik im Unterricht belebt den Unterricht und weckt Interesse bei Studierenden und trägt dazu bei, Unterrichtsinhalte mit dem Finger am Puls der Zeit aufzubereiten