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Zuletzt aktualisiert am 07.02.2025

Die (Selbst-)Reflexionsspirale – ein Instrument zur Erweiterung und Vertiefung von Kompetenzen

Projektname des bereits eingereichten Projekts:

Ars Docendi Kategorie

Persönlichkeitsorientierte und/oder kreativitätsfördernde Ansätze in Lehrveranstaltungen und Studierendenbetreuung

Gruppengröße

< 20

Kurzzusammenfassung des Projekts

Im Bachelorstudium Logopädie gibt es zahlreiche Lehrveranstaltungen, in denen theoretische Inhalte mit praktischen Übungsanteilen verknüpft werden, um die Studierenden auf den späteren Berufseinstieg bestmöglich vorzubereiten und um sie auf ihrem Entwicklungsweg von NovizInnen zu ExpertInnen zu unterstützen. In diesen Lehrveranstaltungen sowie in der etablierten Lehr- und Forschungspraxis werden von Studierenden therapeutische Übungen durchgeführt und im Anschluss systematisch reflektiert. Dieses Vorgehen ermöglicht eine eigenverantwortliche, wiederholte kritische Rückschau und Auseinandersetzung mit den jeweiligen Prozessen im Sinne einer „Reflexion der Reflexion“. Audio- und Videoaufnahmen sowie elektronische Lerntagebücher unterstützen die Verbindlichkeit zur (Selbst-)Reflexion der StudentInnen, mit der Erwartung einer anhaltenden Effektivität.

Wesentlich bei diesem intensiven, dialogischen Vorgehen ist, dass neben einer persönlichen Rückschau auf das eigene Handeln Lehrende und StudienkollegInnen ebenfalls ein kritisches Feedback zur absolvierten Handlung abgeben und diese Ergebnisse im weiteren praktischen Agieren aufgegriffen werden. Dieser intensive Rückblick in Form einer (Selbst-)Reflexionsspirale soll gewährleisten, dass das eigene therapeutische Vorgehen bewusst gemacht wird und daraus gewonnene Erkenntnisse durch veränderte Handlungsstrategien mit einer zunehmenden selbstorganisierten Eigenverantwortung zu einem laufenden Kompetenzgewinn beitragen.

Nähere Beschreibung des Projekts

Die FH-MTD-Ausbildungsverordnung fordert, dass im Bachelorstudium Logopädie der Erwerb in vorgegebenen Kompetenzbereichen ermöglicht wird. Weitere zentrale Elemente in der logopädischen Therapie sind eigenverantwortliches Planen und Handeln.

Neben Lehrveranstaltungen mit praktischen Inhalten, stellt die logopädische Lehr- und Forschungspraxis an der Fachhochschule Wiener Neustadt eine Möglichkeit dar, die Vernetzung theoretischen Wissens mit praktischen therapeutischen Tätigkeiten zu fördern und die Entwicklung der Studierenden von NovizInnen zu (reflektierten) ExpertInnen zu begleiten. In dieser wird das Aneignen und Anwenden logopädischer Therapietechniken, anhand ausgewählter Szenarien oder an Trainingsmodellen unter möglichst realen Bedingungen, praktiziert.

In der Lehr- und Forschungspraxis diagnostizieren, beraten und behandeln Studierende unter fachlicher Supervision freiwillige ProbandInnen mit ausgewählten Störungsbildern. Im Zuge der darauffolgenden Behandlungen erstellen die Studierenden für alle ProbandInnen individuelle Behandlungspläne mit klar vordefinierten Zielen. Zu diesen schriftlichen Plänen erfolgt im Vorfeld durch die Supervisorinnen schriftliches und/oder mündliches Feedback, mit eventuellen Anmerkungen zur geplanten Durchführung. Während der Behandlungen sind die SupervisorInnen und StudienkollegInnen hinter einer Einwegscheibe anwesend und machen sich laufend Notizen zu den Beobachtungen. Diese Vorbereitungen werden im Übungssetting praktisch umgesetzt und laufend adaptiert. Jede Behandlungseinheit wird im Anschluss von den Studierenden und den SupervisorInnen sowie anwesenden StudienkollegInnen gemeinsam verbal analysiert sowie die weiteren Schritte geplant. Als zusätzliches Feedback für die Studierenden werden Videosequenzen und Audioaufnahmen der praktischen Durchführung ausgewertet. Zudem verfassen die Studierenden schriftliche Reflexionen und Aufzeichnungen in Form von elektronischen Lerntagebüchern. Während schriftliche Reflexionen u.a. einer erhöhten Verbindlichkeit zur (Selbst-)Reflexion dienen, ermöglichen Audio- und Videoaufnahmen den Studierenden den eigenen Blick auf das Handlungsgeschehen. Die Aufzeichnungen ermöglichen eine wiederholte kritische Rückschau und Auseinandersetzung mit den jeweiligen Prozessen im Sinne einer „Reflexion der Reflexion“ (Wyss & Ammann, 2015).

Diese (selbst-)reflektierende Vorgehensweise orientiert sich am Reflexionsmodell von Korthagen et al. (2001), das auch unter dem Terminus ALACT Modell (Korthagen & Vasalos, 2005; Korthagen & Kessels, 1999) bekannt ist und sich in fünf Phasen untergliedert.

Das Modell beginnt mit der Phase der Handlung („Action“), also der logopädischen Behandlung, unter zentralen Zielformulierungen, die punktuell mitgefilmt wird. In der darauffolgenden zweiten Phase erfolgt der Blick zurück auf diese Aktion („Looking back on the action“) sowohl gedanklich, im Sinne von „ich überdenke mein Tun“ als auch von außen durch StudienkollegInnen und SupervisorIn bzw. durch Betrachtung der Videoaufnahme. Dieser Rückblick bezieht sich dabei auf konkrete Fragestellungen, in der die Rolle der Studierenden explizit beleuchtet wird. In der dritten Phase erfolgt die Bewusstmachung essentieller Aspekte der therapeutischen Vorgehensweise („Awareness of essential aspects“), in der eventuelle Probleme aber auch positive Erfahrungen thematisiert werden. Die vierte Phase konzentriert sich auf die Entwicklung alternativer Handlungsformen („Creating alternative methods of action“) und dem Finden alternativer Lösungswege. Hier werden die Vor- bzw. Nachteile jeder Möglichkeit eingehend beleuchtet und Änderungsvorschläge überlegt. Im Versuch („Trial“), der fünften und letzten Phase, sollen die neuen Handlungspläne umgesetzt werden. Gleichzeitig stellt diese Ebene wiederum die erste Phase der darauffolgenden Spiralebene dar.

Eine kombinierte Anwendung des NovizInnen-ExpertInnen-Modells von Dreyfus & Dreyfus (1987) mit dem Reflexionsmodell nach Korthagen et al. (2001) ermöglicht einen zielgerichteten und reflektierten Entwicklungsweg. Plausibel begründetes Handeln ist nur im Zusammenhang mit (Selbst-)Reflektion erreichbar. Die Reflexion erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun und stellt die geplante Durchführung dem Ist-Zustand gegenüber. Durch den veränderten Blickwinkel auf die Situation können Schlüsse für weitere optimierte bzw. adaptierte Schritte gezogen werden (Honegger, Hermann & Ammann, 2015). Ein bloßes Ansammeln von Berufsjahren bedeutet nicht automatisch eine Steigerung der Kompetenzen. Es ist vielmehr die aktive Auseinandersetzung mit dem eigenen Prozess, um Performanz im Handlungsfeld entwickeln zu können (Reischmann, 2004).

Die Vorteile dieser Vorgehensweise der (Selbst-)Reflexion sind einerseits das jeweils individuelle Begleiten jeder/s einzelnen Studierenden über das gesamte Studium sowie die ständige aktive Beteiligung der Studierenden in der Erweiterung der jeweiligen Kompetenzbereiche.

Folgendes Beispiel einer schriftlichen Reflexion über die „fachlich-methodische Kompetenzen“ einer Logopädiestudierenden in Bezug auf die logopädische Lehr- und Forschungspraxis an der Fachhochschule Wiener Neustadt soll einen Einblick in das Reflexionsvorgehen geben:

„In den Vorlesungen haben wir viel gelernt und auch gemeinsam besprochen, jedoch gestaltet sich die theoretische Umsetzung in die Therapien immer etwas schwierig. Ich merke selbst immer wieder, dass es nicht möglich ist, eine erlernte Methode 1:1 auf PatientInnen zu übertragen. […] Gerade in der Lehrpraxis habe ich durch das Anpassen und Umstrukturieren erlernter Methoden viel an Flexibilität und auch Kreativität gewonnen […].“ (Studentin, 4. Semester)

Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, dass die Studierende sowohl kritisch auf Aspekte des therapeutischen Geschehens zurückblicken kann als auch bereits über ein Bewusstsein für alternative Handlungsschritte verfügt.