Zuletzt aktualisiert am 30.05.2025
Das Einfamilienhaus
Bei dem Projekt handelt es sich um ein neues Projekt / eine wiederholte Einreichung
Barbara Steinbrunner
Lehrende und Studierende bei der Ausstellungseröffnung im AzW
Ars Docendi Kategorie
Gesellschafts- und Nachhaltigkeitsorientierte Lehre
Ars Docendi Kriterien
- Innovative Hochschuldidaktik
- Studierenden- und Kompetenzorientierung
- Partizipation und Mitgestaltung
Gruppengröße
20-49
Anreißer (Teaser)
In der Lehrveranstaltung “Das Einfamilienhaus” setzten sich Raumplanungs- und Architekturstudierende inter- und transdisziplinär mit dem Einfamilienhaus als gebautes Objekt und allseits präsenten Wohnwunsch kritisch und selbstreflexiv auseinander.
Kurzzusammenfassung des Projekts
Die Lehrveranstaltung „Das Einfamilienhaus“ wurde an der TU Wien von Barbara Steinbrunner, Isabel Stumfol und Lena Schartmüller für Masterstudierende aus den beiden Studienrichtungen Raumplanung und Architektur angeboten (= eine Fakultät mit zwei Studienrichtungen). Ziel der Lehrveranstaltung war es, sich dem Einfamilienhaus als gebautes Objekt und nach wie vor allseits präsenten Wohnwunsch anzunähern und anhand von Zahlen, Daten und Fakten fachlich kritisch einzuordnen. Mithilfe von leitfadengestützten Interviews mit Personen, die in einem Einfamilienhaus wohnen, eines besitzen oder bauen, setzten sich die Studierenden intensiv mit Motiven, Wohnwünschen, Gründen für die Wahl dieser Wohnform und Zukunftsplänen auseinander. Die Studierenden sollten damit als künftige Planer:innen auf die ihnen gestellten Herausforderungen in der Planungspraxis vorbereitet werden. Sie sind elementarer Baustein eines dringend nötigen Bewusstseinswandels, um schlussendlich auch einen Wandel in der Be- bzw. Verbauung Österreichs zu erlangen.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
The course 'The single-family house' was organised by Barbara Steinbrunner, Isabel Stumfol and Lena Schartmüller at TU Wien for Master's students of both spatial planning and architecture (= one faculty with two degree programmes). The aim of the course was to increase the understanding of the single-family house as a built object and still popular form of housing, and to critically reflect upon it using figures, data and facts. Through guided interviews with people who live in, own or are building a single-family house, the students explored motivations, housing needs, reasons for choosing this form of housing and future plans. The aim was to prepare the students for the challenges they will face in planning practice. They are - as future planners - an integral part of a much-needed change in awareness to ultimately attain a transformation in the way Austria is built on.
Nähere Beschreibung des Projekts
Hinweis:
Die Lehrveranstaltung wurde seit 2021 mehrfach unter unterschiedlichen Titeln durchgeführt und kontinuierlich weiterentwickelt. Dieser Text bezieht sich auf die letzte Durchführung im Wintersemester 2023 unter dem Titel “Das Einfamilienhaus”, wobei die Learnings und Weiterentwicklungen aus den vergangenen Jahren ebenfalls einfließen, da eine klare Trennung nicht sinnvoll möglich ist.
Ausgangslage und Ziele
Im Architektur- und Raumplanungsstudium wird vermittelt, dass uns der Boden "ausgeht" und freistehende Einfamilienhäuser im Sinne einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung ein Auslaufmodell sind. Der Fokus liegt häufig auf den negativen Auswirkungen dieser Siedlungsform und auf alternativen Wohnmodellen. Das Einfamilienhaus selbst – sowohl als gebautes Objekt als auch als Wohnwunsch – bleibt dabei oft unberücksichtigt, obwohl es nach wie vor die beliebteste Wohnform darstellt und ein großer Bestand in Österreich existiert. Diese Diskrepanz zwischen der akademischen Welt und der gelebten Realität stellt eine Herausforderung dar, die es im universitären Kontext aufzugreifen gilt.
Universitäre Lehre muss zukunftsgewandt sein, darf aber nicht die Augen vor der aktuellen Wohnrealität verschließen. Dieser Schritt sollte nicht übersprungen werden, obwohl es verlockend wäre, weit in die Zukunft zu denken (z.B. in eine, in der wir die Bestandsfrage gelöst haben, oder das Bauen von neuen Einfamilienhäusern rechtlich nicht mehr möglich ist) Ein nachhaltiger Wandel kann nur gelingen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse, gesellschaftliche Wohnwünsche, raumplanerische Steuerung und architektonische Lösungen miteinander in Einklang gebracht werden. Die Lehrveranstaltung schließt diese Lücke, indem sie wissenschaftliche Analysen mit praktischer Erfahrung verknüpft. Ziel ist es, Studierenden eine fundierte Auseinandersetzung mit der Thematik zu ermöglichen, interdisziplinäres Arbeiten zu fördern und sie auf zukünftige Herausforderungen in der Planungspraxis vorzubereiten.
Eckpunkte der Lehrveranstaltung
Ein Stimmungsbild im Rahmen der Lehrveranstaltung zeigt, dass die Mehrheit der Studierenden in Einfamilienhäusern aufgewachsen ist. In der universitären Lehre entwickelt sich jedoch oft eine ablehnende Haltung gegenüber dieser Wohnform. Um sachliche Diskussionen zu ermöglichen, war es essenziell, einen sicheren Raum für Reflexion und Austausch zu schaffen, in dem sowohl die Herausforderungen als auch die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren des Einfamilienhauses thematisiert werden.
Die Lehrveranstaltung basiert demnach auf einem didaktischen Ansatz, der Reflexion, Forschung und Praxis miteinander verbindet. Wir, drei Lehrende aus der Raumplanung, haben diese Lehrveranstaltung entwickelt und uns bewusst für einen interaktiven, kollaborativen Lernraum mit flachen Hierarchien entschieden.
Die Lehrveranstaltung schafft einen offenen und sicheren Diskussionsraum, in dem Studierende sich auf Augenhöhe untereinander austauschen, Wohnbiografien (ihre eigene sowie jene der Interviewpartner:innen) reflektieren und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen in Verbindung bringen. Eingesetzt werden Methoden der aktiven Beteiligung, um Studierende nicht nur als Lernende, sondern auch als Forschende und Vermittler:innen von Wissen zu verstehen. So werden Fähigkeiten wissenschaftlichen Arbeitens vertieft, kritisches Denken gefördert und raumplanerische Herausforderungen im gesellschaftlichen Kontext eingeordnet.
Besonders wichtig war Inter- und Transdisziplinarität: Die Zusammenarbeit mit Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen (Raumplanung, Architektur, Soziologie etc.) bereicherte den Diskurs und ermöglichte eine breite Perspektive auf das Thema. Durch die aktive Einbindung externer Expert:innen konnten Studierende nicht nur theoretische Konzepte kennenlernen, sondern auch aus realen Projekten lernen.
Methoden und Ergebnisse
Die Lehrveranstaltung wurde im Zeitraum 2021-2023 mehrfach in unterschiedlichen Formaten an der TU Wien für Masterstudierende der Raumplanung und Architektur angeboten. Sie konnte als Wahlfach im Modul "Raumplanen in ländlichen und alpinen Räumen" oder "Raumordnungsrecht und Bodenpolitik" besucht werden.
Die inhaltliche Struktur der Lehrveranstaltung “Das Einfamilienhaus” folgte einem dreistufigen Modell, das mit dem Bild eines Hauses veranschaulicht wurde:
1. Fundament: Vermittlung von Zahlen, Daten und Fakten zur Geschichte, Verbreitung und raumplanerischen bzw. gesellschaftlichen Einordnung des Einfamilienhauses. Die Studierenden erarbeiteten in Gruppen vertiefende Themenschwerpunkte wie Planungsinstrumente, Typologien, Ländervergleiche oder soziale Aspekte.
2. Geschoß: Durchführung leitfadengestützter Interviews mit Einfamilienhausbesitzer:innen, -bewohner:innen oder -bauer:innen aus dem Bekanntenkreis der Studierenden. Die Fragen wurden in einem interaktiven Workshop entwickelt und umfassten neben strukturellen Aspekten auch persönliche Wohnwünsche, Motive und Zukunftspläne. Durch die Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden erhielten die Studierenden einen umfassenden Einblick in die Entscheidungsprozesse und Herausforderungen im individuellen Wohnverhalten.
3. Dach: Präsentation der Ergebnisse in einer Abschlussveranstaltung. Die Interviews wurden in Form von Zitaten auf Postkarten verdichtet, um zentrale Erkenntnisse auf den Punkt zu bringen. Dies führte zu intensiven Diskussionen, die künftige Herausforderungen in der Planungspraxis widerspiegeln.
Die hohe Nachfrage bei allen vier angebotenen Lehrveranstaltungen zum Einfamilienhaus zeigte, dass die Thematik für Studierende eine große Relevanz hat. Um den Praxisbezug weiter zu verstärken, entwickelten Studierende in zwei der anderen Lehrveranstaltungen zum Einfamilienhaus raumplanerische Vorschläge für reale Szenarien.
Weiterführende Auseinandersetzung und Wirkung
Die Ergebnisse der Lehrveranstaltung haben die Universität bereits mehrfach verlassen und sind in wissenschaftlichen sowie öffentlichen Diskursen präsent. Wir versuchen, Studierende aktiv zu motivieren, am öffentlichen Diskurs teilzunehmen und sich in Wissenschaftskommunikation zu probieren. Es ist uns als Lehrendenteam ein großes Anliegen, dass sich Studierende noch im geschützten universitären Rahmen ausprobieren können und die Relevanz des außeruniversitären Austauschs zu verstehen lernen. Raumplanung, Architektur sowie generell Forschung bedürfen qualitätsvoller Vermittlungsarbeit in Schrift, Sprache und Bildern - in einer praxisbezogenen. realitätsnahen und zukunftsorientierten universitären Ausbildung müssen wir dies angesichts herausfordernder Zeiten in unsere Lehre integrieren.
- Teilnahme an der Leerstandskonferenz 2022 mit dem Vortrag während der Busfahrt zu Best Practice Beispielen "Jemand daheim? Ideen für das halbleere Einfamilienhaus".
- AESOP Excellence in Teaching Prize 2023 für herausragende Hochschullehre.
- Radiosendung auf Ö1 sowie ein Beitrag auf ORF Topos über das Einfamilienhaus als raumplanerische Herausforderung.
- Podcast "Geschichten vom Einfamilienhaus" mit Studierenden und Lehrenden im Rahmen der Architekturtage 2024.
- Ausstellung "Suburbia. Leben im amerikanischen Traum" (2025) im Architekturzentrum Wien mit Beiträgen aus der Lehrveranstaltung.
Die interdisziplinäre Herangehensweise, die Berücksichtigung gesellschaftlicher Realitäten und die innovative Didaktik machen die Lehrveranstaltung unserer Meinung nach zu einem Modell für realitätsnahe und zukunftsorientierte Hochschullehre. Die Studierenden werden nicht nur in raumplanerischen Instrumenten geschult, sondern entwickeln auch Future Skills wie Wissenschaftskommunikation, Medienkompetenz, Selbstorganisation und Diversitätskompetenz – essenziell für ihre künftige Berufspraxis. Durch den kritischen, aber offenen Diskurs über das Einfamilienhaus werden sie befähigt, nachhaltige, sozialverträgliche und zukunftsfähige Lösungen für den Wohnbau mitzugestalten. Sie lernen Techniken und Methoden, um sich mit schwierigen und emotionalen Themen auseinanderzusetzen, anstatt sie “einfach” abzulehnen. Dies erfordert Mut und dazu wollen wir Studierende - neben der Vermittlung des ebenso wichtigen fachlichen Wissens - ermächtigen.
Wir würden uns sehr freuen, wenn unsere Lehrveranstaltung in der Auswahl für den Ars Docendi Staatspreis berücksichtigt wird. Sehr viele Stunden an Arbeit stecken in diesen Lehrveranstaltungen und das positive Feedback in vielen Gesprächen mit Studierenden (einige sind mittlerweile mit dem Studium bereits fertig und stehen in der Berufswelt) haben uns ermutigt, die Lehrveranstaltungen hier einzureichen. Wir haben mit (womöglich simpel erscheinenden) Thema Einfamilienhaus zu einer Zeit begonnen, in der es noch nicht so ein großes Thema wie heute (u. a. Medienpräsenz) war.. Einige Kolleg:innen haben uns auch belächelt und wir hatten das Gefühl, dass unsere kritische, aber bewusst offene Herangehensweise sowie die Verknüpfung von Fachwissen und individuellen Geschichten hinter dieser so verbreiteten Wohnform - die wir als so wichtig erachten - nicht als ernstzunehmendes didaktisches Lehrkonzept betrachtet wurde. Ebenso ist uns damals ein großer Förderantrag zu diesem Thema nicht zugesprochen worden mit dem Hinweis, dass das Einfamilienhaus und alle Folgen, die diese Wohnform für die Umwelt und die Gesellschaft nach sich ziehen, nicht schwerwiegend genug sind - beispielsweise im Vergleich zur Energiekrise. Wir sind dennoch dran geblieben an dem Thema, weil wir der festen Überzeugung sind, dass eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Einfamilienhaus Teil der universitären Ausbildung in Architektur und Raumplanung sein muss. Die Lehrveranstaltungen hatten einen hohen Zulauf an Studierenden und heute vergeht kaum eine Woche, in der das Einfamilienhaus nicht medial besprochen wird. Wir forschen weiter - auch mittels unserer Lehrveranstaltungen, um abseits geförderter Forschungsprojekte wertvolle Einblicke beispielsweise in die Motive, Wünsche und Bedürfnisse, die hinter der Wahl des Einfamilienhauses als Wohnform stehen, zu bekommen.
Wir sind der Meinung, dass die Lehrveranstaltung einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen und nachhaltigen Entwicklung im Bereich des Wohnens und der Raumplanung darstellt. Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Überlegung!
Akzeptanz und Resonanz
Die Lehrveranstaltung wurde mit unterschiedlichen Titel mehrfach durchgeführt. Jedes Mal gab es reges Interesse vonseiten der Studierenden. Bei der hier im Vordergrund stehenden letzten Durchführung im Wintersemester 2023 wurden - ob der hohen Voranmeldungen - mehr Studierende zugelassen als ursprünglich vorgesehen. Einige Studierende haben zudem mehrere Varianten der Lehrveranstaltung besucht.
Als besonders interessant wurden die didaktischen Methoden, Aufgabenstellungen und der intensive Austausch untereinander genannt - dies geht auch aus Bewertungen via TISS (TU Wien interne LVA-Bewertung) hervor:
2023:
- “Die Erstellung der Postkarten, da diese Form der Präsentation etwas Neues war. Auch die Statistik per Menti, die wir erstellt haben fand ich sehr spannend und hätte noch um die fehlenden Studierenden ergänzt werden können.”
- “Das Format und der Umgang mit der eigentlich sehr individuell bezogenen Thematik wurden auf die in der LVA praktizierte Art und Weise wirklich sehr gut vermittelt, durch den diskursiven Ansatz haben sowohl Studierende als auch Lehrende profitiert!!”
Ein Studierender der Fachschaft Raumplanung, der die Lehrveranstaltung selbst besuchte, hat uns auf die Anfrage für die Unterstützung für die vorliegende Einreichung folgendes Feedback mitgeschickt:
- “Gerne unterstützen wir euren Antrag. Ich habe selbst die LVA im Wintersemester 2023/2024 absolviert und war sowohl von den Inhalten als auch den gewählten Methoden überzeugt. Der Betrachtung des Themas "Einfamilienhaus", oftmals emotional aufgeladen und in Österreich sehr präsent, aus verschiedenen Sichtweisen kommt in Hinblick auf gesellschafts- und nachhaltigkeitsorientierte Lehre unserer Ansicht nach jedenfalls eine hohe Relevanz zu. Insbesondere das kollektive Arbeiten sowie den Umgang zwischen Lehrenden und Studierenden in der LVA möchte ich an dieser Stelle aus Studierendensicht auch nochmal positiv hervorheben. Die Präsentation der Ergebnisse in der AzW-Ausstellung bestätigen das gelungene Format.”
Im Rahmen einer Variante der Lehrveranstaltung im Sommersemester 2022 wurden am Ende die Learnings der Studierenden zum Thema Einfamilienhaus abgefragt - hier ein Auszug:
- “Das EFH weitergedacht bedeutet für mich, dass ich den Traum ein EFH zu bauen (weil es ja jeder macht), in Zukunft aus vielen Gründen hinterfragen sollte und mich mit Alternativen wie dem Umbau bestehender Häuser oder anderen Wohnformen auseinandersetzen werde.”
- “Das Weiterdenken der Einfamilienhäuser bedeutet für mich, sich vor Allem mit der auf dem Land lebenden Bevölkerung und dessen Strukturen auseinander zu setzen.”
- “Ich habe durch die Lehrveranstaltung eine erweiterte Sichtweise auf das weitergedacht(e) Einfamilienhaus bekommen - sowohl Faktoren zur Entscheidungsfindung, als auch mögliche Lösungsansätze sind dabei zum tragen gekommen.”
- “Das Einfamilienhaus: Einmal gebaut steht es da! Ich muss weiterdenken: Wie gehen wir damit um?”
- “Das Einfamilienhaus weitergedacht ist keine einfache Aufgabe, da viele emotionale Aspekte mitspielen, die ich teilweise nachvollziehen kann, als Stadtplanerin jedoch auch das “Große Ganze” im Blick haben muss.”
- “Ich hoffe, dass das Einfamilienhaus in Zukunft von den Häusel-Bauern, Architekten und Baumeistern weitergedacht wird.”
- “Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich im Gespräch über das Einfamilienhaus rasch in einer emotionalen, persönlichen und vielschichtig Diskussion wiederfinden und daher ist es wichtig bei diesem Thema über den eigenen Tellerrand zu blicken und weiterzudenken.”
- “Das Einfamilienhaus weitergedacht bedeutet für mich, patriarchale Strukturen aufbrechen.”
Während die Stimmen zu Beginn unserer Lehre aus dem Kolleg:innen-Kreis zum Einfamilienhaus eher nicht wohlwollend waren, so erhalten wir seit einiger Zeit laufend positive Rückmeldungen und Nachfragen, wann die Lehrveranstaltung wieder stattfindet. Die Abbildung der Lehrveranstaltung in diversen Medien, Konferenzen und Ausstellungen unterstreicht die Relevanz des Themas und einer Auseinandersetzung in der universitären Lehre.
Nutzen und Mehrwert
Besonders an der Lehrveranstaltung ist die didaktische Herangehensweise an ein herausforderndes Thema. Wir bzw. die Studierenden brachten Neugier für Phänomene, Praktiken und Prozesse des scheinbar Alltäglichen mit und stellten im zweiten Teil der Lehrveranstaltung die individuelle Ebene in den Fokus. Denn ein Haus ist nicht nur Objekt, sondern repräsentiert individuelle, persönliche Erfahrungen jener Menschen, die es erbauten, umgestalteten und/oder darin wohnen. Fachlich eingeordnet wird dies durch einen bewusst kritischer Blick auf das Einfamilienhaus, untermauert durch eine Auseinandersetzung mit Zahlen, Daten, Fakten und raumplanerischen Instrumenten, die wenig Spielraum für eine positive Bewertung dieser flächenintensiven Wohnform zulassen.
Die Lehrveranstaltung ermöglichte es, dass sich die Studierenden intensiv mit einem Einfamilienhaus und den Bewohner:innen, Erbauer:innen bzw. Besitzer:innen beschäftigen und somit einen umfangreichen Einblick in subjektive Motive für diese Wohnform bekommen. Bewusst wurden Studierende ermutigt, Personen aus dem Bekanntenkreis für die Interviews heranzuziehen. Dies unterstützte die sehr persönliche Auseinandersetzung mit Wohnen, Wohnbiografien und deren Rolle in der Planung. Wir sind davon überzeugt, dass ein Bewusstseinswandel beim Thema Einfamilienhaus nur über persönliche Betroffenheit und Reflexion beginnen kann. Diesem individuellen Reflexionsprozess wurde in dieser Lehrveranstaltung sehr viel Zeit eingeräumt, da dies ansonsten in der Lehre oft zu kurz kommt und wir ihn als elementar erachten, dass Studierende eine gefestigte Position zu einem so komplexen Thema wie dem Einfamilienhaus erarbeiten können.
Der Innovationsgrad der Lehrveranstaltung zeigt sich auch in der Vielzahl an gewählten Formaten und Methoden (bspw. Einsatz digitaler Tools, Postkarten als Abgabeformat anstatt klassischer Präsentationen oder Seminararbeiten). Zudem folgten aus der Lehrveranstaltung vielfältigste Aktivitäten, wie die Podcastfolge, Konferenzteilnahmen, Interviews und ganz besonders die Präsentation der Studierendenarbeiten in der Ausstellung im Architekturzentrum Wien. Dies ist eine Würdigung der Arbeit der Studierenden, da diese nicht nur lediglich für eine Benotung erfolgte.
Übertragbarkeit und Langlebigkeit
Das Projekt läuft seit 2021
Das Format wurde bereits wiederholt und dabei wurde auf das Feedback der Studierenden Rücksicht genommen. So wurden beispielsweise die inhaltlichen Inputs laufend angepasst und ergänzt (z. B. Input zur Geschichte des Einfamilienhauses). Aufgrund der hohen Nachfrage und erfolgreichen Umsetzung ist die Lehrveranstaltung ein fixer Bestandteil der Ergänzungsfächer im Raumplanungsstudium.
Das Format lässt sich gut auf andere Planungsdisziplinen übertragen, denn auch andere Fachbereiche sind mit dem Thema Einfamilienhaus in der Praxis konfrontiert (Architektur, Geographie, Immobilienwirtschaft, Banken, Umweltingenieurwesen, etc.). Der Kern ist die Auseinandersetzung von subjektiven Wünschen in Anbetracht von objektiv gesehenen klaren Planungsaufträgen.
Zudem ist eine Übersetzung in andere Disziplinen, die sich mit emotional aufgeladenen gesellschaftlichen Phänomenen beschäftigen, möglich. Die Verknüpfung von einer Auseinandersetzung mit individuellen Wünschen und Bedürfnissen aus einer forschenden Perspektive mit fachlichem Hintergrundwissen lässt sich mit Anpassungen an jeweilige Vorkenntnisse der Studierenden sowie gängige Formate in der jeweiligen Disziplin übertragen. Interviews stellen in unserer Ausführung eine zentrale Herangehensweise an die Annäherung dar - dafür könnten aber auch andere Methoden gewählt werden.
Wir als Lehrendenteam haben uns laufend dafür eingesetzt und - unter Einbindung der Studierenden - über die Lehrveranstaltung hinausgehende Aktivitäten angestoßen. Damit wollten wir nicht nur die Ergebnisse der Lehrveranstaltung als Teil des öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurses platzieren, sondern den Studierenden vermitteln, das ihre Arbeiten im Rahmen des Studiums bereits hohen Mehrwert haben.
Institutionelle Unterstützung
Die Lehrräume sind gut ausgestattet und es wurden uns alle notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt. Während Corona musste der erste von uns zum Einfamilienhaus durchgeführte Kurs auf Distance Learning umgestellt werden. Dafür standen alle notwendigen Tools zur Verfügung. Die didaktischen Methoden wurden dementsprechend adaptiert - beispielsweise fanden digitale Rollenspiele statt und es wurden Tools wie Miro verwendet. Unser Ziel war es, die Workshopatmosphäre und die Gruppenarbeiten so reibungslos und angenehm, wie möglich zu gestalten.
Unterstützung erfolgte auch durch Aktivitäten, die sich aus der Lehrveranstaltung heraus entwickelt haben. So wurde die Folge des Podcasts ZUKUNFT STADT von Kolleg:innen der Fakultät für Architektur und Raumplanung produziert. Zudem wurden Reisen (z. B. Teilnahme an Konferenzen) und Exkursionen, die im Rahmen mancher Lehrveranstaltungen zum Einfamilienhaus durchgeführt wurden, finanziell und organisatorisch unterstützt.
Die Zusammenarbeit zwischen den Forschungsbereichen sowie inter- und transdisziplinäre Lehre sind institutionell erwünscht und werden unterstützt. Das ermöglichte, die Lehrveranstaltung für Studierende aus Architektur und Raumplanung anzubieten. Außerdem wurden externe Lehrende, die Fachwissen aus der Praxis einbrachten, finanziert.
Bei der erstmaligen Durchführung der Lehrveranstaltung wurde uns drei jungen Mitarbeiterinnen, trotz anfänglicher Skepsis von Kolleg:innen, von Seiten der Institutsleitung das Vertrauen entgegengebracht und wir konnten selbstständig eine Lehrveranstaltung konzipieren.
Neben den Rückmeldungen, die in der Lehrveranstaltung erhoben werden, sind die im Rahmen der Lehrveranstaltungsbewertung des Qualitätsmanagements für Lehre an der TU Wien abgegebenen Beurteilungen ein sehr gutes Feedback zur Einschätzung und Verbesserung der Lehrveranstaltung. Hier wird nicht nur die Lehrveranstaltung insgesamt bewertet, sondern auch individuelles – selbstverständlich anonymes – Feedback gegeben. Anregungen zu Arbeitsumfang und insbesondere auch Terminen bzw. Zeiträumen für die Erarbeitungen von Teilleistungen durch die Studierenden werden aufgenommen und die Lehrveranstaltung, wo sinnvoll bzw. notwendig ist, adaptiert.