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Zuletzt aktualisiert am 10.02.2025

Curriculumsplanung und Lehrkoordination mit Künstlicher Intelligenz

Projektname des bereits eingereichten Projekts:

Ars Docendi Kategorie

Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit

Gruppengröße

< 20

Kurzzusammenfassung des Projekts

Das beschriebene Projekt beschäftigt sich mit der strukturierten Ablage von vermittelbarem Wissen und der Erstellung einer darauf aufbauenden Infrastruktur, um mit Hilfe dieses Wissens konsistente und verständliche Curricula zu erstellen. Das System wird derzeit am Institut Informatik der Fachhochschule Wiener Neustadt erprobt, wobei erste Schritte erfolgreich umgesetzt wurden (strukturierte Erfassung des Wissens für die Disziplin Informatik, Softwarekomponenten für die Künstliche Intelligenz, Online-Tool für die Bearbeitung von Curricula). Das System ermöglicht (a) die Verwaltung des zu vermittelnden Wissens, (b) das Erstellen von Curricula und deren Lehrveranstaltungen (unterstützt durch eine Künstliche Intelligenz), und (c) die Kommunikation der Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Lehrveranstaltungen und deren Inhalten an die Studierenden. Die Künstliche Intelligenz ist dabei nicht nur in der Lage, bereits erstellte Curricula auf Korrektheit zu überprüfen, sondern auch neue Curricula basierend auf den von Fachexperten vorgeschlagenen Lehrveranstaltungen automatisiert zu erstellen. Die so erstellten Curricula respektieren dabei die logische Abfolge von aufeinander aufbauenden Lehrveranstaltungsinhalten sowie andere inhaltiche und organisatorische Rahmenbedingungen (z.B. die maximalen Gesamt-ECTS pro Semester). Bei erfolgreicher Fertigstellung des Projekts ist angedacht, Teile des Systems öffentlich zur Verfügung zu stellen.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The goal of the described project is the systematic management of knowledge that is teached to students, as well as the setup of a corresponding infrastructure to create consistent and comprehensible curricula based on the captured knowledge. A first version of the resulting system is currently tested at the Institute of Computer Science at the University of Applied Sciences Wiener Neustadt (it captures knowledge of the Computer Science discipline, includes the artificial intelligence component and provides an online tool for editing curricula). The system allows to (a) create and edit knowledge topics of a certain discipline, (b) create curricula and their courses (supported by the artificial intelligence component), and (c) communicate the dependencies between courses and their topics to the students. The artificial intelligence component is not only able to check existing curricula for correctness, but also to automatically generate new curricula based on the courses that were suggested by domain experts. The generated curricula ensure the logical flow of dependent topics throughout the semesters and also respect other domain-related and organizational constraints (e.g., the maximum amount of ECTS per semester). In case of a successful completion of the project, we plan to publish key components of the resulting software system.

Nähere Beschreibung des Projekts

Die Erstellung eines neuen bzw. die Anpassung eines existierenden Curriculums ist ein komplexer Vorgang, da hier mehrere aufeinander aufbauende Aufgaben bewältigt werden müssen. Dazu gehören unter anderem die Selektion relevanter Studieninhalte, das Gruppieren von Studieninhalten zu Lehrveranstaltungen, die Bestimmung der chronologischen Abfolge von Lehrinhalten, die Auswahl geeigneter didaktischer Methoden, die Definition der notwendigen Voraussetzungen für das Studium, die Beschreibung eines Absolventenprofils, sowie die Abstimmung des Curriculums mit anderen Studiengängen. Leider basieren die genannten Aktivitäten häufig auf subjektiven Einschätzungen einzelner Personen anstatt auf einer kollaborativen, objektiven Faktenbasis.

 

So wird z.B. die Selektion relevanter Studieninhalte häufig von Fachexperten basierend auf deren Fachgebiete in Isolation durchgeführt. Die Integration der selektierten Inhalte in ein konsistentes Curriculum gestaltet sich dann umso schwieriger, denn es erfordert eine koordinierende Person, welche zumindest grundlegendes Wissen in allen beteiligten Fachgebieten besitzt. Vor allem in technischen Studiengängen ist diese Tätigkeit aufgrund der komplexen Teilgebiete jedoch alleine kaum zu bewerkstelligen, wodurch Entscheidungen wiederum eher ad-hoc anstatt fundamentiert getroffen werden. Da die grundlegende Konstruktion des Curriculums damit bereits großteils auf informeller Ebene stattfindet, ist es umso schwerer, interessierten Studierenden eine strukturierte, übergeordnete Idee des Studiums näher zu bringen. Das Resultat des informellen Prozesses ist ein Curriculum mit schwer abzustimmenden Inhalten ohne ganzheitlicher Idee und roten Faden, wodurch die Studierbarkeit unnötigerweise leidet.

 

Das Problem lässt sich auch auf die anderen oben genannten Aufgaben übertragen: Die fehlende formale Basis des Curriculums ergibt eine fehlende Abstimmung von didaktischen Methoden, eine unscharfe Beschreibung der Voraussetzungen für das Studium, sowie ein unscharfes Absolventenprofil. Darüber hinaus ist die Abstimmung mit anderen Studiengängen durch die fehlende Strukturierung des vermittelten Wissens erschwert, z.B. wenn Lehrveranstaltungen studiengangsübergreifend angeboten werden sollen. Das vorgestellte Projekt stellt eine Erleichterung für alle genannten Aufgaben dar. Der Kern des Projekts sind (a) die strukturierte Organisation von vermittelbarem Wissen, (b) die Zusammenführung von konzipierten Lehrveranstaltungen zu einem abgestimmten Curriculum mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz, sowie (c) die explizite Kennzeichnung von Abhängigkeiten zwischen den Lehrveranstaltungen und deren Inhalten. In den folgenden Absätzen wird näher auf die einzelnen Punkte eingegangen.

 

(a) Organisation des vermittelbaren Wissens

 

Die Dokumentation einer Lehrveranstaltung und deren Inhalte erfolgt in der Regel unstrukturiert, d.h. in Form von Word-Dokumenten ("Freitext") oder ähnlichen Formaten, welche durch Textverarbeitungsprogramme erstellt werden. Solche Lehrveranstaltungsbeschreibungen werden üblicherweise von mehreren Personen isoliert verfasst, wodurch Inkonsistenzen zwischen diesen auftreten können, z.B. durch die Verwendung von Synonymen für identische Inhalte oder durch fehlende Referenzen zwischen aufbauenden Inhalten. Solche Inkonsistenzen können - falls überhaupt - nur durch sehr viel Aufwand manuell behoben werden. Die fehlende Strukturierung stellt im Zeitalter der Digitalisierung ein generelles Problem dar, da erfasste Daten (z.B. die einzelnen Themen einer Lehrveranstaltung) nicht ohne weitere Aufbereitung automatisiert verarbeitet werden können.

 

Das vorgestellte Projekt beschreitet hier einen moderneren Weg: Beim Erstellen einer Lehrveranstaltung werden deren Inhalte nicht als Freitext erfasst, sondern mit Hilfe eines Online-Tools aus einer vorgegebenen Hierarchie von Themenblöcken selektiert. Diese Hierarchie bildet das gesamte vermittelbare Wissen einer Disziplin (z.B.: Informatik) ab und wird kollaborativ verwaltet, d.h. sie unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung basierend auf dem derzeitigen Stand der Technik. Im Zuge des Projekts wurden stellvertretend für die Disziplin Informatik die "ACM & IEEE Curriculum Guidelines for Undergraduate Degree Programs in Computer Science" [1] hierarchisch abgebildet und dienen als Grundlage für die Erstellung neuer Lehrveranstaltungen und die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems. Eine analoge Vorgehensweise für beliebige andere Fachgebiete ist möglich, sofern eine initiale Hierarchie importiert oder inkrementell erstellt wird.

 

Die Selektion vorgegebener Themenblöcke forciert die Vereinheitlichung von Lehrveranstaltungsbeschreibungen und hat auch einen positiven Effekt auf deren automatische Weiterverarbeitung. Es ist z.B. im zukünftigen Ausbau des Systems angedacht, Lehrunterlagen und andere Artefakte direkt mit Kategorien und Themenblöcke digital zu verlinken. Dadurch können z.B. Studierende automatisch auf die empfohlene Literatur und andere wichtige Informationen pro Themenblock hingewiesen werden. Mit einer unstrukturierten Erfassung der Lehrinhalte würde dieser Aufwand manuell jedes Semester erneut anfallen.

 

(b) Curriculumserstellung mit Künstlicher Intelligenz

 

Basierend auf den erfassten Kategorien und Themenblöcken können Fachexperten im Online-Tool Lehrveranstaltungen erstellen bzw. editieren und gegebenenfalls um eine Ergänzung fehlender Elemente in der Wissenshierarchie ansuchen, wodurch diese im Laufe der Zeit inkrementell verbessert wird. Die Eingabe der Lehrveranstaltungsdetails folgt dabei einer service-orientierten Idee: Neben allgemeinen Daten (z.B. Anzahl der ECTS) wird zunächst selektiert, welche Themenblöcke die Voraussetzungen für die konzipierte Lehrveranstaltung darstellen (d.h. welches Vorwissen benötigt wird). Danach wird selektiert, welche Themenblöcke ein Kursteilnehmer nach erfolgreichem Abschluss der Lehrveranstaltung beherrscht (d.h. welches neue Wissen vermittelt wird). Eine Lehrveranstaltung ist somit keine Ansammlung von unstrukturiertem Text, sondern wird formal als Wissenstransformation angesehen, die aus einem bestimmten Eingangswissen (notwendiges Vorwissen als "Service-Consumer") ein bestimmtes Zielwissen (vermittelte Themen als "Service-Provider") generiert.

 

Darüber hinaus erlaubt das System, die selektierten Themenblöcke einer Lehrveranstaltung zusätzlich mit dem benötigten bzw. vermittelten Niveau zu annotieren. Das Niveau wird dabei mit Hilfe einer vereinfachte Bloom Taxonomie [2] angegeben und unterteilt sich grob in "Wissen" (der Studierende kann Informationen wiedergeben), "Analysieren" (der Studierende kann Sachverhalte untersuchen und das Verständnis vertiefen) und "Erschaffen" (der Studierende kann das Wissen auf neue, unbekannte Situationen anwenden). So kann z.B. bei der Konzeption einer Statistik-Lehrveranstaltung genauer definiert werden, dass ein spezieller Themenblock der zugrundeliegenden Mathematik als Voraussetzung verstanden werden muss (z.B. Niveau "Wissen" für gewisse Formeln), eine tiefere Kenntnis jedoch nicht notwendig ist (z.B. das Herleiten oder Beweisen jener Formeln, was dem Niveau "Analysieren" entsprechen würde). Durch die Definition des Niveaus kann das System automatisch einen Vorschlag für gewisse Didaktik-Methoden bereitstellen: So lässt z.B. das Niveau "Wissen" auf eine Vorlesung und den damit verbundenen Didaktik-Methoden schließen, während "Analysieren" und "Erschaffen" auf unterstützte Übungen hindeuten.

 

Durch die Formalisierung von Vor- und Nachbedingungen einer Lehrveranstaltung können im nächsten Schritt Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz darauf angewandt werden. Eine koordinierende Person kann die durch die Fachexperten vorgeschlagenen Lehrveranstaltungen in einem Curriculum-Editor grafisch den jeweiligen Semestern zuordnen, wobei das System auf etwaige Inkonsistenzen automatisch hindeutet (z.B. wenn ein benötigtes Vorwissen einer Lehrveranstaltung chronologisch erst in einem späteren Semester vermittelt wird). Die dahinter liegende Künstliche Intelligenz geht jedoch noch einen Schritt weiter: Diese kann eine gegebene Menge von Lehrveranstaltungen komplett selbstständig den jeweiligen Semestern zuordnen und respektiert dabei nicht nur die logische Abfolge der Lehrinhalte, sondern auch andere Rahmenbedingungen wie z.B. die maximalen ECTS pro Semester (diese Rahmenbedingungen können separat konfiguriert werden). Die Künstliche Intelligenz kann dabei auch transitive Wissensabhängigkeiten (d.h. wenn Lehrinhalt A auf Lehrinhalt B aufbaut, welcher wiederum auf Lehrinhalt C aufbaut, usw.) richtig auflösen und erlaubt auch eine Mischung aus manuellen Eingaben und automatischen Zuordnungen (d.h. gewisse Lehrveranstaltungen werden durch die koordinierende Person manuell zugeordnet, der Rest automatisch verplant).

 

Im beschriebenen Prozess können auch Themenblöcke von Wissenshierarchien anderer Disziplinen selektiert sowie bereits erstellte Lehrveranstaltungen anderer Fachrichtungen in die Planung aufgenommen werden, wodurch studiengangsübergreifende Synergieeffekte genutzt werden können (z.B. einheitliche Grundlagenvorlesungen über mehrere Studiengänge hinweg). Die Künstliche Intelligenz achtet dabei stets darauf, dass das resultierende Curriculum konsistent und widerspruchsfrei ist, und es deutet auch auf gültige, aber suboptimale Lehrbedingungen hin (z.B. wenn identische Lehrinhalte auf dem gleichen Niveau in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen vermittelt werden). Zusammefassend bietet das System der koordinierenden Person eine wertvolle Hilfe bei der Curriculumserstellung an und kann Teile der Planung bei Bedarf auch komplett selbstständig übernehmen.

 

(c) Kennzeichnung von Abhängigkeiten zwischen den Lehrveranstaltungsinhalten

 

Das System bietet nicht nur Fachexperten und koordinierenden Personen eine Erleichterung an, sondern bietet auch für die Studierenden sehr viele Vorteile. Durch die explizite Erfassung der Abhängigkeiten zwischen den Lehrinhalten ist sofort ersichtlich, inwiefern sich das Wissen in bestimmten Themengebieten positiv oder negativ auf den weiteren Verlauf des Studiums auswirkt (und das detailliert bis auf die Inhaltsebene, nicht wie bisher lediglich informell auf Lehrveranstaltungsebene). Dadurch wird die Struktur und die allgemeine Zielsetzung eines Studienplans transparenter und einfacher zu kommunizieren. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Motivation der Studierenden gesteigert wird, sich mit grundlegender Materie zu beschäftigen, auf die nachweislich in höheren Semestern aufgebaut wird.

 

Neben den genannten Vorteilen bietet das System auch eine automatische Auflistung der Studiumsvoraussetzungen sowie eine automatische Erstellung eines Absolventenprofils: Mit den vorgestellten Techniken ergeben sich die Studiumsvoraussetzungen nämlich aus all jenen Inhalten, welche von Lehrveranstaltungen als Voraussetzung deklariert werden, jedoch von keiner anderen Lehrveranstaltung als vermitteltes Wissen angeboten wird. Gleichzeitig ergibt sich das Absolventenprofil aus all jenen Inhalten, welche von Lehrveranstaltungen als Zielwissen festgelegt wurden. Diese Informationen sind per Knopfdruck verfügbar und können dazu verwendet werden, um aufbauende Studien (z.B. Bachelor -> Master) effektiver und abgestimmter zu planen. Einen Schritt weiter gedacht sind diese Daten jedoch auch für die Beschaffung von Lehrpersonal sehr attraktiv, denn durch die explizite Erfassung des Wissens ist sofort erkennbar, welche Fertigkeiten ein potentieller Referent besitzen muss, wenn dieser die Leitung einer Lehrveranstaltung übernehmen soll.

 

Auch wissenschaftlich gesehen ist das System als untersuchbares Objekt sehr interessant. So könnte z.B. untersucht werden, wie stark sich Defizite in bestimmten Grundlagen auf das Verständnis von aufbauender Materie in höheren Semestern niederschlagen (anonymisiert messbar durch die Noten). Darüber hinaus könnte man mit Algorithmen aus dem Machine Learning-Bereich untersuchen, ob bisher verborgen gebliebene Abhängigkeiten zwischen Inhalten automatisch detektiert werden können. Diese Ideen wurden bisher noch nicht umgesetzt, stellen aber technisch gesehen keine Hürde dar.

 

Ganzheitlich gesehen verfolgt das vorgestellte Projekt somit einen ambitionierten Plan: Die Transformation eines traditionellen, unstrukturierten Curriculums hin zu einer digitalisierten Roadmap durch ein Studium, welches für Lehrpersonal und Studierende gleichermaßen Vorteile bietet, Transparenz schafft, die Lehre verbessert und IT-gestützt stetig weiterentwickelt werden kann.

 

Literaturverzeichnis:

[1] dl.acm.org/doi/book/10.1145/2534860

[2] teaching.uncc.edu/services-programs/teaching-guides/course-design/blooms-educational-objectives

Akzeptanz und Resonanz

Für die Disziplin Informatik wurde erfolgreich eine Wissensbasis erstellt und die Algorithmen der künstlichen Intelligenz getestet. Studienpläne aus dem Bereich der Informatik (Bachelor & Master) lassen sich somit mit dem abgebildeten Wissen generieren bzw. unterstützt erstellen. Teile des Systems befinden sich derzeit noch in Entwicklung, eine Akzeptanzanalyse seitens der Studierenden ist für die finale Version des Systems angedacht.

Nutzen und Mehrwert

- Zeitersparnis in der Lehrkoordination
- Forcierte Kompetenzorientierung in Lehrveranstaltungsbeschreibungen
- Bessere Abstimmung der Lehrinhalte
- Erhöhte Qualität der Lehrpläne
- Verbesserte Transparenz für Studierende
- Kontinuierliche Verbesserung der Curricula