Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Innrain 52, 6020 Innsbruck
Weitere Beispiele der Hochschule

Kurs „Betriebliche Entscheidungen“

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Das Konzept dieses Kurses folgt mehrerer Motivationsstränge: Erstens der Einsicht, dass Studierende in ihrem Wirtschaftsstudium häufig kein individuelles Feedback bekommen, das über die reine Notengebung hinausgeht. Damit fehlt den Studierenden jedoch oft die nötige Information darüber, wo angesetzt werden kann um sich zu verbessern. Der zweite Motivationsstrang ist, dass Lernen dann einen besseren „Aha“-Effekt bietet, wenn anhand der eigenen, aktiven Entscheidungen etwas erlernt wird. Gerade die Methode ökonomischer Experimente, also die Untersuchung von Verhalten anhand einfacher Entscheidungssituationen bietet eine pädagogische Möglichkeit, die bisher weitgehend ungenutzt bleibt. Und drittens, fehlt in Kursen oft das Zusammenspiel aus verschiedenen Lehrformen und –konzepten, sodass verschiedene Lerntypen gleichzeitig angesprochen werden können.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Aufgrund der oben genannten Motivation und Einsichten, wird in diesem Kurs versucht eine Vielzahl von Lehrkonzepten auf innovative Weise zusammenzufügen: Fachlicher Input, Diskussionsrunden, Präsentationen und digitalisierte Entscheidungsspiele. Jede Seminareinheit steht unter einem Motto bzw. einer konkreten Forschungsfrage und verbindet die verschiedenen Lehrkonzepte: Das eigene Verhalten der Studierenden wird in (online) Entscheidungsspielen offensichtlich gemacht und im fachlichen Input in ein Gesamtkonzept eingebettet, sodass der „Aha“-Effekt im eigenen Verhalten im Rahmen eines theoretischen Ganzen erklärt wird. Die Entscheidungsspiele sind so programmiert, dass sie am Handy oder Computer durchgeführt werden können, gleichzeitig aber (anonymisierte) Teamentscheidungen ermöglichen.

Auf den theoretischen Input bauen Diskussionsrunden auf, deren Ziel es ist, sich mit konträren Sichtweisen auf ein Thema auseinanderzusetzen. Daher erfolgt die Zuteilung zur Pro- oder Contra-Position erst unmittelbar vor der Diskussion zufällig. Abschließend thematisieren Studierenden-präsentationen konkrete, angewandte Probleme im Rahmen der jeweiligen thematischen Einheit. Die Studierenden erhalten direkt nach den Diskussionsrunden und nach den Präsentationen jeweils individuelles Feedback zu Inhalt und Präsentationsstil.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Given the above-mentioned motivation and insights, this course tries to combine a variety of different teaching methods: lecture, discussion rounds, presentations and decision games. The different methods are integrated under a common theme. Each seminar unit has a research question that merges the different teaching concepts: results of students’ own behavior in (online) decision games are interpreted in the lecture, so that there is an “aha” experience concerning one’s own behavior which can be understood in the context of a general theoretical framework. The decision games are programmed in a way that they can be played on the mobile phone or computer and at the same time allow for (anonymous) team decision making. The discussion rounds build on the content learned in the lecture part. The aim of the discussion rounds is to learn different perspectives on a topic. Thus, the assignment to pro- and contra-positions is made randomly and only directly before the discussion. Finally, students’ presentations are about practically relevant issues of the common topic of a unit. The students receive individual feedback on the presentation style and content directly after the discussions and presentations.

Nähere Beschreibung des Projekts

Das vorliegende Projekt beschreibt ein Lehrekonzept, das in einem bestehenden Proseminar an der BWL-Fakultät umgesetzt wird. Dieses Konzept basiert auf drei grundlegenden Pfeilern: Erstens, der Kombination aus einer Vielzahl an Lehrtypen auf eine Weise, dass sie ein Umfassendes Ganzes ergeben. Zweitens, der Integration einer innovativen und digitalen pädagogischen Methode, die Inhalte auf Basis eigener Entscheidungen der Studierenden vermittelt. Drittens, der Implementierung einer individualisierten Feedback-Kultur über reine Notengebung hinausgehend. Diese drei Pfeiler werden im beschriebenen Kurs folgendermaßen umgesetzt:

Die Lehrveranstaltung zum Thema „betriebliche Entscheidungen“ besteht aus mehreren Einheiten, die jeweils unter einem thematischen Leitfaden stehen. Diese Leitfäden geben eine inhaltliche Klammer für die Integration der verschiedenen Lehrtypen. Am Anfang einer jeden Einheit steht dabei bereits die innovativste Form, nämlich die Verwendung der Methode ökonomischer Experimente als didaktisches Instrument. Der für die Didaktik relevante Teil ökonomischer Experimente ist, dass diese reale Entscheidungen in vereinfachter Weise abbilden. Dieser Punkt wird in der vorliegenden Lehrveranstaltung insofern umgesetzt, als dass die Studierenden einfache Entscheidungen in programmierten Spielen treffen können. Damit werden bestimmte Verhaltensmuster sichtbar, die ökonomisch relevant sind und gemeinsam in der Lehrveranstaltung besprochen werden können. Der didaktisch wertvollste Teil ist, dass die Wissensvermittlung nicht nur spielerisch, sondern aktiv an der eigenen getroffenen Entscheidung erfolgt. Mit anderen Worten, die Studierenden lernen gewisse Verhaltensmuster nicht als theoretische Konstrukte kennen, sondern anhand ihrer individuellen Entscheidungen. Der daraus folgende Aha-Effekt soll eine nachhaltige Erinnerung an die erlernten Inhalte ermöglichen. Die Experimente sind dabei so programmiert, dass sie online zur Verfügung stehen und somit einfach an den vorhandenen PCs bzw. Handys „erlebt“ werden können. Die Tatsache, dass die Handynutzung auch anschließend kein offensichtliches Problem in der Lehrveranstaltung darstellt, kann als gesteigertes Interesse der Studierenden an den Lehrinhalten interpretiert werden.

Auf das Entscheidungsspiel folgt eine klassische Vorlesungseinheit, in der auf die in den Entscheidungsspielen beobachteten Verhaltensmuster Bezug genommen wird. Die Entscheidungs-spiele sind dabei so programmiert, dass die „Daten“ über die Entscheidungen in anonymisierter Form gezeigt und besprochen werden können. Damit können die theoretischen Inhalte der Vorlesungs-einheit beispielhaft erläutert und umgekehrt das eigene Verhalten in einen theoretischen Hintergrund eingebettet werden. In der Vorlesungseinheit wird auch immer wieder auf aktuelle Forschungsresultate eingegangen. So sollen die Studierenden auch interessante Einblicke in aktuelle Forschung an der Fakultät erhalten.

Anschließend an die Vorlesungseinheit folgt eine Diskussionsrunde, in der eine kontroverse Frage zum Thema diskutiert wird. In einer zunehmend digitalisierten Welt, fällt es immer leichter sich nicht mit Gegenpositionen auseinanderzusetzen (Stichwort „Informations-Bubbles“). Umso wichtiger ist es daher gerade bei einer universitären Ausbildung, dass das Einnehmen und Verstehen von verschiedenen gegensätzlichen Argumenten erlernt wird. Daher werden Studierende im Kurs einem Diskussionsthema zugeteilt, in dem es zwei gegensätzliche Standpunkte gibt (z.B. zu Anreizsystemen, Wirtschaftswachstum, Steuerfragen, etc.). Die Studierenden können sich vorbereiten, ziehen ihre zugeteilte Position aber erst unmittelbar vor der Diskussion zufällig. Das heißt, sie wissen nicht, welche Standpunkte sie in der Diskussion einnehmen werden, und müssen sich daher in der Vorbereitung mit beiden Positionen auseinandersetzen.

Eine Einheit wird mit zwei Studierendenpräsentationen abgeschlossen. Studierende werden gemäß ihren Präferenzen zu Themen zugeteilt und können selbst eine für sie interessante Forschungsfrage wählen. Ziel dieser Präsentationen ist es, angewandte und praxisrelevante Fragen im Rahmen der thematischen Einheit zu erläutern. Erfahrungsgemäß sind Studierende am motiviertesten, wenn sie das Thema für ihre Arbeit selber wählen können.

Ein wesentlicher Teil der Lehrveranstaltung ist die Feedback-Kultur zwischen Studierenden und Lehrveranstaltungsleiter. Üblicherweise sind Noten der universitäre Feedback-Standard, was insofern problematisch ist, dass aus Noten nicht ausgelesen werden kann, was konkret zu ändern ist oder besser gemacht werden kann um sich zu verbessern. Daher wird in dieser Lehrveranstaltung der Weg einer engmaschigen und individuellen Feedback-Kultur gegangen. Zunächst melden die Studierenden ihre Forschungsfragen und erhalten zügig Rückmeldung dazu, ob diese innerhalb einer Präsentation behandelt werden können. Dann werden die fertigen Präsentationen bei individuellen Terminen besprochen und Verbesserungsvorschläge gegeben. Im Kurs gibt es nach den Diskussionsrunden und Präsentationen außerdem individuelles Feedback über den Inhalt und den Stil der Präsentationen, wobei Verbesserungsvorschläge und Lob eine ausgeglichene Rolle spielen sollen.

 

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorkurs im Studium Wirtschaftswissenschaften

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2019 nominiert.
Ars Docendi
2019
Kategorie: Lernergebnisorientierte Prüfungskultur und deren Verankerung in der Lehrveranstaltung
Ansprechperson
Matthias Stefan, PhD
Institut für Banken und Finanzen
0512 507 73013
Nominierte Person(en)
Matthias Stefan, PhD
Institut für Banken und Finanzen
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Erfahrungslernen
  • Digitalisierung
  • Rund ums Prüfen
Fachbereiche
  • Wirtschaft und Recht