Empirisches Praktikum: Kritische Psychologie

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Das Lehrveranstaltungsformat an sich soll laut Studienplan Studierenden helfen, jene vor allem methodische Fähigkeiten zu vertiefen und zu erproben, die für die Durchführung einer eigenen kleinen empirischen Studie erforderlich sind.

Mit der konkreten Lehrveranstaltung „empirische Praktikum: Kritische Psychologie“ wurde erstmals ein Kurs angeboten, der einen Zugang zu empirischen Forschungsprojekten über die Kritische Psychologie wählt. Dies kann als logischer nächster Schritt nach einer Reihe von Lehrveranstaltungen gesehen werden, in denen durch Studierende selbst organisiert Kritische Psychologie in einem theoretischen Zugang erarbeitet wurde. Ziel der Lehrveranstaltung war es, die fundierte Methodenkritik der Theorie mit einer Vielfalt kritischer Methodenpraxis zu vereinen und Studierenden somit zu ermöglichen, den Versuch zu wagen, „vom Standpunkt des Subjektes zu forschen“, also das was in theoretischer und epistemologischer Auseinandersetzung mit der Literatur als Kritik resultierte, empirische umsetzbar zu machen. Der Schwerpunkt lag dabei auch auf der Vermittlung und eigenständigen Anwendung von explizit qualitativen und partizipativen Zugängen. Das fundamentale Ziel der gesamten Lehrveranstaltung war es, kritische, partizipative Forschungsmethoden mit demokratischer und partizipativer Lehre zu verknüpfen und in diesem Sinne auch institutionell zu etablieren.

Der gesamte Ablauf der Lehrveranstaltung von der Konzeption bis zur Durchführung, dem Abschluss und der zusätzlichen Angebote wurde vorrangig von einer Gruppe von Studierenden (namentlich angeführt siehe oben unter „Team“) als Teamteaching selbst organisiert. Von dieser Gruppe wurde auch früh die Entscheidung getroffen, im Rahmen des Formates „empirisches Praktikum“ eine Wissenschafterin (Dr.in Strasser) als Co-Teacher einzubeziehen.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Lehrveranstaltung wurde im Sommer 2017 von Studierenden des AK Kritische Psychologie vorbereitet und im WS 17/18 durchgeführt.

Von der Vorbereitungsgruppe wurden Erfahrungen der vorhergehenden studentisch durchgeführten „partizipativen Lehre“ gesammelt und hinsichtlich der Rahmenbedingungen eines „Empirischen Praktikums“ beurteilt.

Die Studierenden fungierten als Leitende und Tutor_innen der LV. Im Zuge der Vorbereitungen wurde von der Gruppe entschieden, eine Wissenschafterin als Co-Lehrende hinzuzuziehen, um die empirische Forschung gemeinsam mit jemandem mit Erfahrung begleiten zu können. Außerdem wurden noch zusätzliche Expert_innen als Input-Gebende herangezogen, so etwa im Rahmen einer Skype-Konferenz, sowie als Begleitangebot in Form eines Symposiums zu Partizipativer Forschung, das aus der Idee entstand, den Teilnehmer_innen der LV eine zusätzliche Plattform zur Diskussion der Forschungsprojekte zu bieten.

Im Rahmen der LV wurden von den Teilnehmenden Forschungsprojekte entwickelt, die jeweils durch die Tutor_innen begleitet wurden. Am Ende des Semesters wurde eine gemeinsame Posterkonferenz aller „Empirischen Praktika“ am Institut für Psychologie organisiert, an der andere Studierende sowie Lehrende als Publikum teilnahmen.

Auf diese Weise waren Methoden und Zugänge einer kritischen Psychologie nicht nur in theoretischen Lernprozessen abgebildet, sondern Teil eines unabhängigen und selbstorganisierten learning-by-doing-Prozesses der teilnehmenden Studierenden.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The seminar has been organized during the summer term 2017, held (winter term 17/18) by students of the study-group critical psychology (Arbeitskreis Kritische Psychologie).

 

Experiences gained in former courses organized by the students were evaluated by the group regarding the different conditions of a „research lab“.

Students of the group have had the chance to serve as co-teachers and tutors in this course. During the planning of the course, the group decided to invite a researcher of the department that is experienced in supervision of research projects, to be a co-teacher in the course.

 

It was considered to be important to provide the chance of meeting with external experts, via skype. Another opportunity has been the symposium on participatory research with the chance of discussing the research projects with other experts and colleagues.

 

The participants themselves developed their research projects and put it into practice. Each project was supervised by one or two tutors. Concluding, the projects were part of an undergraduates’ poster conference.

 

In that way, methods and approaches of the critical psychological science of the subject weren’t only part of theoretical learning process, but part of independent learning-by-doing work of the participating students.

 

In addition to the course, a symposium on qualitative, participatory research methods was organized, which served as a platform for discussions and an opportunity to deepen knowledge within the field.

Nähere Beschreibung des Projekts

Zur Ausgangslage ist zu erwähnen, dass das Empirische Praktikum im WS 2017/18 bereits das fünfte studentisch organisierte Seminar des „Arbeitskreises Kritische Psychologie Klagenfurt/Celovec“ war, wobei es sich in diesem Semester um das erste „Forschungsseminar“ handelte. Ein Überblick über die vorherigen Seminare kann der Website des Arbeitskreises Kritische Psychologie entnommen werden (http://kritischepsychologie.blogsport.at/lehrveranstaltungen/).

 

Die Lehrveranstaltung wurde von Beginn an von der studentischen Vorbereitungsgruppe, die sich aus Studierenden des Arbeitskreises zusammensetzte (namentlich weiter oben als Lehrenden-Team der LV erwähnt) im Rahmen „partizipativer Lehre“ konzipiert, anschließend umgesetzt und durchgeführt. Im Zuge der Vorbereitungen wurde entschieden, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin als Co-Lehrende einzubeziehen, um die Forschungsprojekte mit jemandem gemeinsam zu supervidieren, die darin Erfahrung mitbringt.

 

Als Teil forschungsgeleiteter Lehre hat das Empirische Praktikum im Curriculum den Stellenwert einer Fokussierung gelernter Inhalte und Methoden, auf die Untersuchung eines Gegenstandes anhand empirischer Forschungsmethoden.

 

Die konkreten intendierten Lehrziele der geplanten und durchgeführten Lehrveranstaltung waren:

* das Erlangen eines Einblicks in Grundkategorien und Methodologie der Kritischen Psychologie

* gemeinsames Erarbeiten von fundierten Fähigkeiten in der Durchführung von qualitativen Forschungsmethoden mit subjektwissenschaftlichem Schwerpunkt

* die Erweiterung methodischer Kenntnisse mit dem Schwerpunkt auf qualitativen und partizipativen Ansätzen

* das Erlangen eines erfahrungsbasierten, fundierten Überblicks über die Prozessschritte eines empirischen Forschungsprojekts

* das selbständige Erarbeiten der Studienplanung, -durchführung, -auswertung und -präsentation in Teams unter Supervision

 

Entlang der Prinzipien und Ideen studentischer selbstorganisierter Lehre sowie eines subjektwissenschaftlichen Zugangs der Kritischen Psychologie war es eine selbstverständliche Konsequenz, dass die Seminarteilnehmer_innen bei den Themen, Methoden und Inhalten in größtmöglichem Umfang partizipieren und so die Lehrveranstaltung selber mitgestalten können.

 

Eine der größten Herausforderungen im Laufe der Planung war es, die Lehrveranstaltung so zu organisieren, dass in einem sehr knappen Zeitraum (1 Semester) mit den Teilnehmer_innen zunächst sowohl fundiert ein theoretischer Zugang erarbeitet werden konnte, bevor dann ein Forschungsvorhaben nicht nur geplant, sondern auch umgesetzt werden sollte sowie dieses dokumentiert, in Form eines wissenschaftlichen Posters. Im Folgenden sollen die Phasen der Lehrveranstaltung näher beschrieben werden.

 

Phasen des Seminars:

1 Einführung Kritische Psychologie

2 Methodologie und Methodik, Gegenstand der Forschung, Methodeninput zu Handlungsforschung, Partizipativer Forschung, Feldforschung, Case Studies

3 Gruppenfindung und erste Schritte in Richtung Forschungsfrage und Forschungsdesign

4 Symposium: Das Subjekt im Fokus der Forschung

5 Ausarbeitung der Forschungsprojekte und Plenumstreffen

6 Reflexion und Feedback, Feedback zu Postererstellung

7 Öffentliche Posterpräsentation

 

Phase 1: Einführung Kritische Psychologie

Zu Beginn wurden gemeinsam mit den Teilnehmer_innen die Grundkonzepte der Kritischen Psychologie erarbeitet, wobei neben Inputs der studentischen Tutor_innen auch gemeinsame Lektüre und deren Diskussion in Kleingruppen auf dem Programm standen. Den Seminarteilnehmer_innen wurde dabei stets die Möglichkeit geboten, Themen, Methoden und Inhalte selbst mitzugestalten. Insbesondere in den Diskussionsrunden konnten die Teilnehmer_innen ihr Verständnis erproben, die Teilnehmenden miteinander und voneinander lernen. Neben einer Einführung in die Grundkategorien der Kritischen Psychologie wurden diese auch anhand von Beispielen kritisch-psychologischer, subjektwissenschaftlicher Forschung vertieft.

 

Phase 2: Methodologie und Methodik, Gegenstand der Forschung, Methodeninput zu Handlungsforschung, Partizipativer Forschung, Feldforschung, Case Studies

Die Teilnehmer_innen waren von Beginn an motiviert, sich mit der eigenen Lebenswelt auseinanderzusetzen, um ihre Forschungspraxis mit der eigenen konkreten Lebenswelt in Beziehung zu bringen. Dabei sollte auch das Bewusstsein über die eigene Stellung im universitären Betrieb im Kontext der jeweiligen Lebensführung beleuchtet werden, so etwa Fragen die die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit oder Kinder und Studium betreffen, die Wahrnehmung von Hürden und Einschränkungen im Studium, der Umgang mit dem Lern- und Lebensraum Universität allgemein. Das jeweilige Forschungsthema war frei wählbar, gleichzeitig wurde eine engmaschige Begleitung bei der Umsetzung gewährleistet.

Zusätzlich erfolgte in dieser Phase eine Skypezuschaltung von Frigga Haug in die LV. Frigga Haug hat ihrerseits eine kritisch-psychologische Methode entwickelt, die der Erinnerungsarbeit. Diese wurde von ihr nochmals in ihren Eckpunkten kurz zusammengefasst und vor allem ihre Erfahrungen damit und Umsetzungsideen und Vorschläge diskutiert. Eindrucksvoll war Frau Haugs mitreißende Art, die Teilnehmer_innen der LV dazu zu motivieren etwas auszuprobieren und sich auf Methoden auch einzulassen.

 

Phase 3: Gruppenfindung und erste Schritte in Richtung Forschungsfrage und Forschungsdesign

In weiterer Folge bildeten sich Kleingruppen für die Arbeit an den zu planenden Forschungsprojekten. Für jede Kleingruppe sollten zugeteilte Tutor_innen als individuelle Ansprechpartner_innen zur Verfügung stehen. Das Mitforscher_innenprinzip aus der Kritischen Psychologie als Leitlinie eines intersubjektiven Zugangs, sollte gewährleisten, dass die am Forschungsprojekt Beteiligten als Subjekte ernst genommen werden und nicht zu Versuchsobjekten degradiert werden. Entsprechend lag der methodische Schwerpunkt der LV auf der Erweiterung der Kenntnisse in partizipativen und qualitativen Ansätzen. In diesem Rahmen wurde auch eine stets begleitende kritische Reflexion von Machtverhältnissen in der Lehre und Forschungsprozessen angeregt.

 

Phase 4: Symposium Das Subjekt im Fokus der Forschung

Im Rahmen der Lehrveranstaltungsvorbereitung entstand die Idee, Workshops anzubieten, um den Teilnehmer_innen auch außerhalb des Kreises von Tutor_innen und der Co-Lehrenden kompetente Ansprechpartner_innen zur Verfügung zu stellen, mit denen sie die Forschungsprojekte besprechen und so weiter entwickeln können. Schließlich wurde in der Planung das Symposium doch größer konzipiert, sodass neben den LV-Teilnehmer_innen auch weitere Teilnehmer_innen innerhalb und außerhalb der AAU die Chance hatten, dieses zu besuchen. Den LV-Teilnehmenden bot sich somit die Chance, ein international besuchtes Symposium mit regem Austausch über die Segretation in Lehrende und Lernende hinweg kennenzulernen und zu nutzen.

Das Symposium wurde von der Vorbereitungsgruppe gemeinsam mit Ass.Prof.in Dr.in Irene Strasser, sowie Dr. Martin Dege (Universität Potsdam) und Paul Sebastian Ruppel (Ruhr-Universität Bochum) veranstaltet und resultierte darüber hinaus in einer eingereichten Publikation sowie der Fortsetzung im November 2018 mit einem 2. Teil der Veranstaltung.

 

Phase 5: Ausarbeitung der Forschungsprojekte und Plenumstreffen

Im Rahmen der LV entwickelten die Teilnehmer_innen Forschungsprojekte, von der Wahl eines Themas, der Spezifizierung der Fragestellung, dem Festlegen des Studiendesigns, der Durchführung der Studie, bis hin zur Erstellung eines wissenschaftlichen Posters zur Dokumentation der Studie. Inputs an verschiedenen Stellen (Auswertungsmethoden je nach Bedarf, Postererstellung, etc.) erfolgten im Plenum und wurden von der Co-Lehrenden sowie von den Mitgliedern der Vorbereitungsgruppe je nach Expertise gestaltet.

 

Phase 6: Reflexion und Feedback, Feedback zu Postererstellungen

Während all der unter 5) beschriebenen Schritte wurden die Kleingruppen durch Tutor_innen begleitet, wichtig erschien jedoch auch, den Teilnehmer_innen sowohl Feedbackmöglichkeit in der Kleingruppe als auch im großen Plenum zu bieten, um so einen möglichst großen Lernfortschritt für alle zu ermöglichen, also auch anhand der gemeinsamen Diskussion der jeweils anderen Forschungsprojekte einen Erkenntnisgewinn zu erlangen. Die von Beginn an offene Atmosphäre und eine kommunizierte und erarbeitete Haltung des gemeinsamen Lernens und Lehrens führte dazu, dass Feedback von Seiten der Teilnehmer_innen gerne gegeben und dankbar angenommen und umgesetzt wurde und sich die Teilnehmer_innen auch gegenseitig herausforderten, mit ihren Studien selbstkritisch und reflexiv umzugehen.

Die erstellten Poster wurden in einer Feedbackrunde im Plenum besprochen, etwaige Änderungsvorschläge eingearbeitet und die Poster im Originalformat in Druck geschickt.

 

Phase 7: Öffentliche Posterpräsentation

Als Abschluss der Lehrveranstaltung fungierte eine gemeinsames Posterpräsentation aller Empirischer Praktika am Ende des Semesters, die von der Vorbereitungsgruppe organisiert wurde (entsprechende Räumlichkeit, Getränke und Snacks, Einladungen an die Studierenden außerhalb der LV, sowie an das Kollegium des Instituts für Psychologie). Die Poster wurden von den Kleingruppen in Kurzpräsentationen (4 Min.) vorgestellt, anschließend erfolgte ein Austausch direkt bei den jeweiligen Postern. An der Präsentation nahmen auch Studierende sowie Lehrende des Instituts für Psychologie als Besucher_innen teil.

 

Während aller Phasen erfolgte ein enger Austausch sowohl zwischen der Co-Lehrenden und der Vorbereitungsgruppe, als auch innerhalb der studentischen Vorbereitungsgruppe, die sich nach jeder Einheit zur Nach- und Vorbereitung der nächsten Einheit traf. Diese Reflexionsrunden erlaubten ein stetiges Anpassen der Inhalte, didaktischen Methoden und Abläufe, sodass sie den Bedürfnissen der Teilnehmer_innen bestmöglich gerecht werden konnten.

Positionierung des Lehrangebots

Das Lehrangebot ist im Curriculum verankert und eine Pflichtlehrveranstaltung im Bachelorstudium für Psychologiestudierende. Die Lehrveranstaltung ist formal im Bereich des Moduls Forschungsmethoden angesiedelt. In der exemplarischen Studienverlaufsempfehlung des Curriculums ist angedacht, dass Studierende diese Lehrveranstaltung dann besuchen, wenn Sie zuvor in ausreichendem Umfang sich mit Einführungen, vertiefenden Inhalten der Psychologie sowie Forschungsmethodik auseinandersetzte haben. Ziel der Lehrveranstaltung ist in jedem Fall die Durchführung eines kleinen Forschungsprojektes im Team.

 

Die Lehrveranstaltung wird in der Regel mit einer Teilnehmer_innenanzahl von 25 beschränkt.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2018 nominiert.
Ars Docendi
2018
Kategorie: Forschungs- und kunstgeleitete Lehre, insbesondere die Förderung von kritischem Denken, Dialogorientierung, Methodenkompetenz
Ansprechperson
Marlene Märker, BSc
Institut für Psychologie
+43 680 225 9805
Nominierte Person(en)
Marlene Märker, BSc
Institut für Psychologie
Bradley Fix, BSc
Nora Christenhuß, BSc
Sona Johanna Gazer, BSc
Till Manderbach, BSc
Clara Schneidewendt, BSc
Daniel Schnur, BSc
Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Irene Strasser
Institut für Psychologie
Stephan Trautner, BSc
Felicitas Wilke, BSc
Theresa Zimmermann, BSc MSc
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Prozess der Curriculagestaltung
  • Lehr- und Lernkonzepte
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften