Geteilte Lebenswelten (Proseminare Qualitative Methoden & Übungen Sozialpsychologie)

Würdigung der Jury

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

„Geteilte Lebenswelten“ hat sowohl auf didaktischer Ebene als auch in der Forschung je ein Hauptziel:

 

(1) Didaktisch: Studierende können ein empirisches Forschungsprojekt methodisch und formal planen und durchführen sowie verschriftlichen und ihre Ergebnisse fundiert und kritisch in den Stand der Forschung und in gesamtgesellschaftliche Debatten einordnen.

(2) Forschung: „Geteilte Lebenswelten“ leistet mit einem länderübergreifenden und langfristigen Lehrforschungsprojekt einen Beitrag zur Erforschung aktueller europäischer Konflikte und Krisen und lotet friedenspädagogische und -politische Implikationen aus. Dazu erhebt und interpretiert „Geteilte Lebenswelten“ in einer Längsschnittuntersuchung jährlich Daten über aktuelle gesellschaftliche Konflikt- und Vergemeinschaftungsprozesse.

 

Auf didaktischer und gesamtcurricularer Ebene entspringt die Motivation für das Lehrforschungsprojekt aus dem übergreifenden curricularem Ziel des BSc.-Studiengangs Psychologie, Studierenden die notwendigen Kompetenzen zur Durchführung eigenständiger wissenschaftlicher Arbeiten zu vermitteln. Als Problemstellung haben sowohl Fakultätsleitung als auch die beteiligten Lehrenden formuliert, dass viele Studierende die in einzelnen Lehrveranstaltungen bzw. Fächern vermittelten Inhalte und Kompetenzen nur schwer auf andere Fächer und schließlich insbesondere auf ihre erste Qualifikationsarbeit (BSc.-Arbeit) übertragen können. Nicht zuletzt gilt dieser mangelnde Transfer für die Verbindungen zwischen inhaltlichen Fächern und methodischen Fächern und er hat besonders weitreichende Konsequenzen dann, wenn Studierende bei ihren BSc.-Arbeiten nur unzureichende Vermittlungsleistungen zwischen ihren empirischen Forschungsergebnissen und dem Stand der Forschung erbringen können. Aus diesem Grund setzt das zweijährige Lehrforschungsprojekt „Geteilte Lebenswelten“ gesamtcurricular an und koppelt methodische LVs aus dem Bereich der Qualitativen Methoden und inhaltliche LVs aus dem Fachbereich Sozialpsychologie sowohl vorbereitend (Qualitative Methoden; Jahr 1) als auch parallel (Sozialpsychologie; Jahr 2) zu den BSc.-Arbeiten der Studierenden.

 

Die Studierenden werden thematisch in den Forschungsschwerpunkt der eng kooperierenden Fachbereiche Sozialpsychologie an der SFU Wien und der SFU Berlin integriert: Die Erforschung der psychischen Bedingungen und Auswirkungen sozialer Ungleichheiten sowie insbesondere die sozialpsychologische Konflikt- und Friedensforschung. Erwünscht ist daher, dass Studierende ihre in den LVs zu Qualitativen Methoden begonnenen Forschungsprojekte in ihren BSc. Arbeiten vertiefen, von Mitgliedern des Projektteams betreut werden und die LVs der Sozialpsychologie nutzen können, um ihre BSc.-Arbeiten einzubringen und zu diskutieren.

 

Auf Forschungsebene ist „Geteilte Lebenswelten“ durch die Problemstellung motiviert, dass es derzeit nicht an Zeitdiagnosen über Konflikte, Spaltungen oder Krisen in Europa und den europäischen Nationalstaaten mangelt. Ulrike Guerot spricht sogar von einem ‚Neuen Bürgerkrieg‘, der die ‚klassischen Trennlinien‘ sozialer Konflikte abgelöst habe. „Geteilte Lebenswelten“ will aus Perspektive kritischer Konflikt- und Friedensforschung klären, wie gesellschaftliche Konfliktlinien von den beteiligten Individuen und sozialen Gruppen alltagspraktisch hergestellt werden. Zugleich macht gerade die Friedensforschung darauf aufmerksam, dass Konfliktdynamiken unmittelbar mit der zweiten Frage verbunden sind, wie Zusammengehörigkeit und gesellschaftliche Solidarität prozesshaft hergestellt werden? Bisher sind die SFU Standorte Wien und Berlin an der Datenerhebung beteiligt; langfristig ist die Einbeziehung der Standorte Mailand, Ljubljana und Paris geplant. Gerade die langfristige Einbindung in die Lehre an mehreren europäischen SFU-Standorten soll gewährleisten, dass das geplante Längsschnittdesign nachhaltig umgesetzt werden kann.

 

Um den friedenspädagogischen und -politischen Impact der Forschungsergebnisse ausloten zu können, kooperiert „Geteilte Lebenswelten“ mit dem Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) an der Friedensburg Schlaining. Das ÖSFK organisiert nicht nur jährlich Workshops mit den Studierenden und Lehrenden sondern ist als ständiger Kooperationspartner des Fachbereichs Sozialpsychologie der SFU ein wesentliches Bindeglied zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Dieses zweijährige fachbereichs- und länderübergreifende Lehrforschungsprojekt der Fachbereiche Qualitative Methoden und Sozialpsychologie an der Sigmund Freud Universität Wien und Berlin leistet einen Beitrag zur Erforschung und Veränderung aktueller europäischer Konflikte und Krisen. Im ersten Jahr erheben Studierende in Proseminaren „Qualitative Methoden“ unter enger Supervision durch Lehrveranstaltungsleiter/innen Gruppendiskussionen, Interviews und Leitfadeninterviews zu konkreten Alltagserfahrungen sozialer Konflikte und Zugehörigkeit in unterschiedlichen lokalen Kontexten in Wien und Berlin (Studierendenheime, Flüchtlingsunterkünfte, Frauenwohnprojekte, soziale Wohnbauten, Senior/innenheime; WiSe 2017/18). Diese Daten werden anhand qualitativer Methoden der Dateninterpretation ausgewertet (SoSe 2018) und im zweiten Jahr von derselben Studierendenkohorte mit den Lehrenden der Übungen „Sozialpsychologie“ anhand sozialpsychologischer Theorien und Studien in den Stand der Forschung eingeordnet (WiSe 2018/19 & SoSe 2019). Die Auswertungsergebnisse werden von Studierenden und Lehrenden der SFU Wien und Berlin im Rahmen von zwei zweitägigen Workshops im Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung an der Friedensburg Schlaining diskutiert und friedenspädagogische und -politische Implikationen der Forschungsergebnisse erarbeitet (Juli 2018 und 2019).

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

This two-year international research-based teaching project is a cooperation between the study areas qualitative methods and social psychology at the Sigmund Freud Universities Vienna and Berlin. It aims to contribute to research on and transformation of contemporary European conflicts and crises. In the first year and in their seminars on qualitative methods 1, students conduct group discussions, interviews, and guided interviews in order to collect data on people’s everyday experiences of social conflict and belonging in different Viennese and Berliner local contexts (student houses, refugee shelters, women’s housing projects, social housing projects, retirement homes; winter term 2017/18). These data are interpreted by means of qualitative methods of data interpretation (seminar qualitative methods 2; summer term 2018). In the second year, the results of students’ qualitative research are discussed and reflected against the backdrop of state-of-the-art research and theories in social psychology in two consecutive seminars on social psychology (seminar social psychology 1 and 2; winter term 2018/19 and summer term 2019). Results are further discussed and reflected on by all participating students and teachers in the course of two two-day workshops at the Austrian Study Centre for Peace and Conflict Resolution at the Peace Castle Schlaining in order to explore peace pedagogical and peace political implications of our research (July 2018 and July 2019).

Nähere Beschreibung des Projekts

- ZEITLICHER UND ORGANISATORISCHER ABLAUF

 

Der zeitliche Ablauf und die Arbeitspakete (AP) der unterschiedlichen Lehrveranstaltungen und Lehrenden gestaltet sich wie folgt:

 

- AP 1 Datenerhebung: Proseminar Qualitative Methoden I (WiSe 2017/18); 2 Parallelgruppen je 18 bzw. 23 Studierende SFU Wien (Hametner, Wrbouschek) & 1 Gruppe mit 26 Studierenden SFU Berlin (Brixel)

- AP 2 Datenauswertung: Proseminar Qualitative Methoden II (SoSe 2018); vsl. 2 Parallelgruppen je 25 Studierende SFU Wien (Hametner, Wrbouschek) & 1 Gruppe mit 25 Studierenden SFU Berlin (Brixel)

- AP 3 Einordnung der Ergebnisse in Stand der Forschung Sozialpsychologie: Übungen Sozialpsychologie I und II (WiSe 2018/19 und SoSe 2019); vsl. 2 Parallelgruppen vsl. je 25 Studierende SFU Wien (Brunner, Ruck) & 1 Gruppe mit 25 Studierenden SFU Berlin (Becker)

- AP 4 Wissenstransfer und Impact: 2 Workshops am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung ÖSFK an der Friedensburg Schlaining für alle beteiligten Lehrenden und Studierenden im Juli 2018 und 2019 (Gudrun Kramer und Wilfried Graf)

- AP 5 Koordination: Lehrende der Fachbereiche Qualitative Methoden und Sozialpsychologie treffen sich wöchentlich zu einem Jourfix (Wien: Do 12:00-13:00; Berlin Freitag 11:00-12:00); alle beteiligten Lehrenden aus Wien und Berlin treffen sich zweimal jährlich zu einem Jourfix (15.12.2018 in Wien; 20.7.2019 in Berlin); Lehrende der SFU und Angehörige des ÖSFK treffen sich einmal jährlich für Jourfix und Workshop (Anfang Juli 2018 und 2019); alle Teammitglieder koordinieren sich laufend bzw. anlassbezogen per E-mail, Skype und durch eine geteilte OwnCloud mit allen Arbeitsmaterialien und Jourfixprotokollen (Koordination: Ayazi).

- AP Evaluation: Studierende geben viermal nach klaren Kriterienkatalogen zu verfassende schriftliche Abschlussleistungen ab: (1) Portfolio mit allen nach Feedback überarbeiteten bisherigen Aufgaben der Erhebung (Literaturliste, Problemstellung/Fragestellung, Forschungsdesign/Erhebungsplan; Beobachtungsprotokoll der Erhebungssituation; Transkript des Interviews oder der Gruppendiskussion) für PS Qualitative Methoden I; (2) ausformulierte Interpretation eines Interviews oder einer Gruppendiskussion für PS Qualitative Methoden II; sowie (3) und (4) zwei Seminararbeiten, die anhand sozialpsychologischer Theorien je ein konkretes empirisches Ergebnis aus Jahr 1 diskutieren und reflektieren für Übungen Sozialpsychologie I und II. Beim Jourfix im Juli 2019 evaluieren alle beteiligten Lehrenden gemeinsam mit Dr. Ayazi (Bildungswissenschaftlerin) die Abschlussarbeiten sowie eventuelle BSc.-Arbeiten und überprüfen, ob die Lernziele erfüllt worden sind und ob Änderungen für den zweiten Durchgang notwendig sind.

 

- LERNERGEBNISORIENTIERUNG

 

„Geteilte Lebenswelten“ hat ein klar formuliertes didaktisches Hauptziel und zwei Nebenziele: Studierende können ein empirisches Forschungsprojekt methodisch und formal planen und durchführen sowie verschriftlichen und ihre Ergebnisse fundiert und kritisch in den Stand der Forschung einordnen (Hauptziel). Sie können kritisch die gesellschaftspolitischen Implikationen ihrer Forschung diskutieren und ihren Arbeitsstil sowie ihre Schwächen und Stärken einschätzen (Nebenziel).

Diese Ziele werden (1) gesamtcurricular unter Beteiligung mehrerer SFU Standorte, Fachbereiche, Lehrveranstaltungen und Lehrender, (2) unter Bestimmung klar umrissener Arbeitspakete und einer fachbereichsspezifischen und personellen Arbeitsteilung sowie (3) unter erfahrungsbasierter und theoretisch untermauerter didaktischer Überlegungen und Methoden umgesetzt.

 

- EIN GERÜST FÜR SELBSTSTÄNDIGES LERNEN

 

Hauptaufgabe der Lehrenden ist es, das Umfeld bzw. Gerüst (Scaffolding) zu bereiten, in dem die Studierenden zu selbstständigem Lernen kommen können. Das Prinzip des „Scaffolding“ geht davon aus, dass es in jedem Lernprozess eine „Zone der nächsthöheren Entwicklung“ gibt, d.h. Aufgaben und Probleme, die der/die Lernende noch nicht selbst bewältigen kann, und für deren Lösung es Hilfestellungen, Denkanstöße und/oder Vorgaben durch Lehrende und/oder Peers braucht. Ziel ist es, von externer Regulierung (Vorgaben der Lehrenden, konkrete Tools) zu interner Regulierung zu gelangen.

In jedem wissenschaftlichen Lernprozess stellt nach den Einführungen in die Grundlagen der Disziplin das Durchführen eines eigenen Forschungsprojekts eine solche „Zone nächsthöherer Entwicklung“ dar. Nach Unterrichtserfahrung des Lehrteams ist es für die erste empirische Forschungsarbeit der Studierenden sinnvoll, Studierende eigenständige Sub-Fragestellungen innerhalb eines groben inhaltlichen und formalen Gerüsts entwickeln zu lassen, da vollständige inhaltliche Freiheit in dieser Lernphase bei den meisten Studierenden über der Zone der nächsthöheren Entwicklung liegt. Die Komplexität des Forschungsprojekts wird reduziert, indem das Projekt in kleinere, für die Studierenden selbstständig bewältigbare Teilschritte geteilt wird, damit der Lernprozess für die Studierenden strukturierter erfolgen kann. Innerhalb dieses Rahmens können die Freiheits- und Hilfestellungsgrade je nach wissenschaftlichem Entwicklungsstand der Studierenden variieren.

 

- KOLLABORATIVES LERNEN UND DIALOGORIENTIERUNG

 

Kollaborativem Lernen kommt eine besondere Bedeutung zu, da Studierende einander in einem dialogischen Prozess dabei unterstützen können, in die nächsthöhere Zone der Entwicklung zu gelangen. Dafür erweisen sich Aspekte des kooperativen Lernens, d.h. der didaktischen Umsetzung der kollaborativen Lerntheorie, als hilfreich. Dieses zielt darauf ab, dass alle Studierenden möglichst gleichermaßen am Lernprozess Anteil nehmen. Aufgabe der Lehrenden ist es, eine Lernumwelt für positive Interdependenz zu schaffen, in der Studierende zwar arbeitsteilig, aber doch kooperativ lernen, individuelle Verantwortung für die eigenen Aufgaben wie auch für den Lern- und Arbeitsprozess der Gruppe übernehmen und sich in einem gemeinsamen Ziel verbunden fühlen.

Diese Prinzipien werden umgesetzt, indem Studierende ihre Forschungsarbeiten in Kleingruppen durchführen, für die Zwischen- und Hauptziele definiert werden, und indem innerhalb der Kleingruppen jede/r Studierende/r auch Einzelaufgaben erfüllt. So muss beispielsweise im Arbeitspaket „Erhebung“ jede/r Student/in eine Erhebung (Interview oder Gruppendiskussion) durchgeführt haben und die Reflexion der Erhebung in der Abschlusspräsentation beitragen.

 

- FÄCHERÜBERGREIFENDE KOMPETENZORIENTIERUNG

 

- Forschungsplanung und -umsetzung:

 

Zu jeder Forschung gehören fächerübergreifend die Kompetenzen, (1) eine Problemstellung zu erkennen, (2) daraus eine bearbeitbare Fragestellung abzuleiten, welche (3) anhand geeigneter Methoden erhoben und (4) ausgewertet wird sowie (5) anhand Theorien und Untersuchungen aus dem Stand der Forschung interpretiert und diskutiert wird. Diese Kompetenzen und ihr geplanter Erwerb anhand konkreter Arbeitsschritte sowie in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen werden allen Studierenden zu Beginn des Lehrforschungsprojekts (d.h. in der 1. Einheit der Proseminare Qualitative Methoden I) gemeinsam mit den je individuellen LV-Konzepten mündlich und schriftlich präsentiert und ausgehändigt.

 

„Geteilte Lebenswelten“ leitet Studierende dabei an, sich diese Kompetenzen forschungspraktisch, in Kleingruppen und unter enger Supervision durch die Lehrenden anzueignen:

(1) Die übergeordnete Problemstellung wird bereitgestellt: „In Europa und in vielen Nationalstaaten zeigen sich derzeit gegenläufige Tendenzen: Zusammenhalt und Solidarität auf der einen Seite, Spaltungen, Konflikte und nationalistische Tendenzen auf der anderen Seite“. In Kleingruppen von 4-5 Personen formulieren Studierende als 1. Aufgabe eine konkretisierte Problemstellung für einen lokalen Kontext. Eine Kleingruppe in Wien hat etwa folgende Problemstellung formuliert: „Der Gemeindebau stellt sich als mehrfach politisierter Ort dar. […] Bei den Gemeinderatswahlen 2010 wurde er gar als Ort erklärt, an dem der ‚Kampf um Wien‘ zwischen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und der freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ausgetragen wurde“.

(2) Auch die übergeordnete Fragestellung wird bereitgestellt: „Wie werden soziale Konflikt- und Vergemeinschaftungslinien in lebensweltlichen, lokalen Kontexten handlungspraktisch und affektiv hergestellt?“. Innerhalb dieses Rahmens erarbeiten die Studierenden für ihren lokalen Kontext eine eigenständige Fragestellung. Oben erwähnte Kleingruppe hat für ihr Teilprojekt als Fragestellung etwa formuliert: „Wie stellen sich Zugehörigkeits- und Grenzziehungsprozesse bei jungen Erwachsenen im Gemeindebau her und wie (er-)leben diese politische Partizipation?“

(3) Um diese Fragestellungen zu untersuchen, führt jede Kleingruppe ein narratives Interview, eine Gruppendiskussion und ein Leitfadeninterview. Bei der erwähnten Kleingruppe handelt es sich dabei um ein narratives Interview mit einem/einer 20-30-jährigen Wiener Gemeindebaubewohner/in, eine Gruppendiskussion mit mehreren Personen, die dieselben Kriterien erfüllen, sowie um ein Leitfadeninterview mit einer Person, die über Expertise über dieses Feld verfügt (z.B. eine Gebietsbetreuerin).

(4) Die erhobenen Daten werden von den Studierenden mit regelmäßigen Feedbacks durch die Lehrenden anhand Dokumentarischer Methode oder Tiefenhermeneutik ausgewertet. Am ersten Tag des zweitätigen Workshops am ÖSFK im Juli 2018 werden die Ergebnisse der unterschiedlichen Erhebungsmethoden diskutiert und verglichen, wodurch die Studierenden die Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen der jeweiligen Methoden abschätzen lernen.

(5) Die konkreten Themenstellungen der empirischen Untersuchungen (aktuell: Studierendenheime, Flüchtlingsunterkünfte, Frauenwohnprojekte, soziale Wohnbauten, Senior/innenheime) werden in je unterschiedlichen Parallelgruppen der Übungen Sozialpsychologie aufgegriffen. Die dafür notwendige Forschungsliteratur wird je anhand der Themen, Ergebnisse und Interpretationen der studentischen Forschungsprojekte ausgewählt. Studierende lernen abzuschätzen, was ihre Ergebnisse zur bestehenden wissenschaftlichen Literatur beitragen können, und verstehen, dass unterschiedliche Theorien und Studien an den je eigenen Ergebnissen unterschiedliche Aspekte beleuchten, hervorheben und erklären, während andere Aspekte im Dunkeln bleiben.

 

- Zeit- und Arbeitsplanung

 

Das Gerüst für die zeitliche Planung der Studierenden wird durch einen strukturierten Arbeitsplan mit Deadlines und Checklisten bereitet. Innerhalb dessen liegt es in der Eigenverantwortung der Studierenden, einen auf ihr Forschungsdesign zugeschnittenen Zeit- und Arbeitsplan zu erstellen. Im Proseminar Qualitative Methoden I (WiSe 2018/19) wurden etwa für den Arbeitsschritt der Datenerhebung von allen beteiligten LV-Leiter/innen folgende Deadlines kommuniziert:

20.11.2017: Abgabe ausformulierter Problem- und Fragestellung anhand klar beschriebener Punkte und Vorgaben; zeitnahes Feedback durch LV-Leiter/innen

18.12.2017: Abgabe Erhebungsplan anhand klar beschriebener Punkte und Vorgaben; zeitnahes Feedback durch LV-Leiter/innen.

22.1.: Gruppenpräsentation inclusive Feedback durch LV-Leiter/innen.

27.2.2018: Abgabe der schriftlichen Abschlussleistungen.

Analog werden für die Proseminare Qualitative Methoden II (SoSe 2018) sowie für die Übungen Sozialpsychologie I (WiSe 2018/19) und II (SoSe 2019) Deadlines gesetzt, die den Studierenden eine eigenständige Zeitplanung der jeweils konkreten Arbeitsschritte ermöglicht.

 

- Selbstreflexion

 

Um von externer Regulierung zu interner Regulierung zu gelangen, ist es unumgänglich, die eigenen Arbeitsweisen sowie eigene Stärken und Schwächen einschätzen zu können. Sowohl mit den Lehrveranstaltungsleiter/innen als auch in Kleingruppen tauschen sich die Studierenden über ihre Arbeitsweisen und -präferenzen aus. Insofern für die erfolgreiche Durchführung eines Forschungsprojekts so viele unterschiedliche Kompetenzen erforderlich sind, sollen die Studierenden einschätzen lernen, über welche Kompetenzen sie schon in welchem Ausmaß verfügen, welche sie noch mit welchem Ziel und anhand welcher Maßnahmen erwerben können, und wer welche Stärken in die Teamarbeit einbringt und welche Schwächen in der Gruppe wie ausgeglichen werden können.

 

 

- Kritisches Denken und Wissenstransfer

 

Die beiden Workshops am ÖSFK sollen besonders das kritische Denken der Studierenden anregen. Dazu gehören durch die Friedens- und Konfliktforscher/innen und -trainer/innen Gudrun Kramer und Wilfried Graf angeleitete Reflexionen sowie Gruppenübungen zu folgenden Fragen: In welchem Verhältnis stehen Wissenschaft und Gesellschaft? In welchem Verhältnis stehen Konflikt- und Friedensforschung einerseits und Konflikt- und Friedenspädagogik anderseits? Wie kann wissenschaftliches Wissen zur Friedenssicherung und zur Konflikttransformation beitragen? Welche Stakeholder gibt es für wissenschaftliches Wissen und wer hat welches Interesse daran?

Positionierung des Lehrangebots

Die beteiligten Lehrveranstaltungen sind im 3. (Proseminar Qualitative Methoden I), 4. (Proseminar Qualitative Methoden II); 5. (Übung Sozialpsychologie I) und 6. und letzten (Übung Sozialpsychologie II) Semester des dreijährigen BSc. Studiums Psychologie an der SFU Wien und Berlin positioniert. Im 3. BSc. Jahr arbeiten die Studierenden parallel zu den Übungen Sozialpsychologie I und II an ihren Bachelorarbeiten. „Geteilte Lebenswelten“ bereitet die Studierenden durch den Dreischritt „Datenerhebung – Datenauswertung – Diskussion der Ergebnisse anhand sozialpsychologischer Theorien“ auf ihre Bachelorarbeiten vor und begleitet sie während dieser.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2018 nominiert.
Ars Docendi
Nominiert 2018
Kategorie: Forschungs- und kunstgeleitete Lehre, insbesondere die Förderung von kritischem Denken, Dialogorientierung, Methodenkompetenz
Ansprechperson
Katharina Hametner, Ass.Prof.Dr.
Fakultät für Psychologie (Wien)
+4369911668990
Nominierte Person(en)
Katharina Hametner, Dr.
Fakultät für Psychologie
Markus Brunner, Dr.
Fakultät für Psychologie (Wien)
Markus Wrbouschek, Mag.
Fakultät für Psychologie (Wien)
David Becker, Univ.Prof.Dr.
Institut für Psychologie der SFU Berlin
Leonard Brixel, M.A.
Institut für Psychologie der SFU Berlin
Christina Ayazi, M.A.
Institut für Psychologie der SFU Berlin
Christina Ayazi, M.A.
Institut für Psychologie der SFU Berlin
Nora Ruck, Ass.Prof.
Fakultät für Psychologie (Wien)
Themenfelder
  • Internationalisation@home
  • Wissenschaftliche (Abschluss)Arbeiten
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften