Universität Wien
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Vorlesung Verfassungsgeschichte

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Wie kann man 2.500 StudienanfängerInnen, die von der Jurisprudenz noch nichts verstehen und über das geltende Recht nur allgemeine Vorstellungen besitzen, etwas über die Geschichte des Rechts und der Verfassung beibringen und was hat das mit ihrer künftigen Qualifikation als JuristInnen zu tun?

In meiner Vorlesung Verfassungsgeschichte versuche ich, den Studierenden den Wandel der Grundbegriffe von Recht, Staat und Verfassung in den vergangenen rund 1.000 Jahren deutlich zu machen. Um zur eigenständigen Beschäftigung mit dem Thema anzuregen, werden im Dialog die Regelungsprobleme, denen sich jede Rechtsordnung stellen muss, genauso erarbeitet, wie die Lösungsangebote kritisch hinterfragt, die das Recht aus seiner historischen Genese heraus hervorbringt. Zugleich sollen die Studierenden die Einbettung dieser Rechtsfragen in konkrete historische Kontexte begreifen, etwa im Josephinischen aufgeklärten Absolutismus, im Konstitutionalismus des Vormärz und „1848“, im Nationalsozialismus und in anderen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts.

Ich sehe die Rechtsgeschichte dabei als Grundlagenfach des Rechts, das einerseits mit anderen Grundlagenfächern in enger Verbindung steht, also der Rechtsphilosophie, der Rechtstheorie und der Rechtssoziologie, andererseits sich auch mit allen Disziplinen des geltenden Rechts im Austausch befindet. Da diese Fächer im Curriculum zu Beginn des Studiums vorgesehen sind, ist es ein besonderes Anliegen, das Vokabular und die Kategorien für eine eigenständige kritische Auseinandersetzung mit dem Recht zu vermitteln, wie es die Studierenden im Laufe ihres Studium benötigen werden.

„Meine“ Rechtsgeschichte soll insoweit Teil der in der Präambel zum Curriculum vorgesehenen, universaljuristischen Bildung sein. Darüber hinaus möchte ich in der fachlichen Orientierung so viel Inter- und Transdisziplinarität als möglich praktizieren: Viele HörerInnen kommen frisch aus der Schule und sind dankbar, wenn ihnen auch größere Kontexte fächerübergreifend erläutert werden.

Für die perspektivische Ausrichtung der Verfassungsgeschichte ist es mir wichtig, dass entsprechend dem Curriculum die österreichische Rechts- und Verfassungsgeschichte im Zentrum steht. Gleichzeitig möchte ich aber auch europäische und globale Sichtweisen einbringen, da sich viele historische Ereignisse und Prozesse anders und besser verstehen lassen, wenn man größere Kontexte anbietet und vergleicht. So ist mir besonders an den internationalen und transnationalen Aspekten der österreichischen Rechts- und Verfassungsgeschichte gelegen. Wo stand und steht Österreich im Austausch mit anderen Akteuren, welche Kooperationen, Konflikte und Konkurrenzen gab es? Welche Entwicklungen ordnen sich in die Erzählung europäischer und globaler Umbrüche und Kontinuitäten ein und lassen sich in ähnlicher Weise auch anderswo beobachten? Nationenbildung, Verfassungskämpfe, Wahlrechtsreformen gab es ja bekanntlich nicht nur hierzulande, sondern sind universelle Phänomene des 19. und 20. Jahrhunderts. Ebenso „1968“ oder der Kampf um die Gleichstellung von Mann und Frau. Und sie setzen sich im globalen 21. Jahrhundert überall dort fort, wo Menschen jene Grund- und Freiheitsrechte einfordern oder verteidigen, die der europäische Konstitutionalismus in einem langen Prozess zu geltendem Recht werden ließ. Das wahrzunehmen hilft, historische Eigenheiten der österreichischen Entwicklung besser zu verstehen.

Schließlich sollen Studierende die Universität auch als lebendigen Ort wahrnehmen: als einen Ort, an dem kritisch hinterfragt wird, an dem diskutiert wird, an dem Neues gedacht wird. Sie sollen erleben, dass ihre Ideen, Meinungen und Kritik zählen und sie nicht nur mit Wissen befüllt werden. Sie sollen erfahren, dass sich (meine) Lehre aus Forschungen speist, regelmäßig aktualisiert wird und neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse berücksichtigt. Neue Fragen und Erkenntnisse werden einbezogen, die Lehrmeinungen als jene Momentaufnahmen und Durchgangspunkte ausgewiesen, die sie stets immer nur sein können. Umso dankbarer bin ich, wenn dies auch in der lebendigen Interaktion mit Studierenden deutlich wird, da sich darin auch die Begeisterung am selbstständigen Weiterdenken abbildet. Den großen Andrang der Studierenden an meinen vertiefenden Kurs Völkerrechtsgeschichte und den weiterführenden Seminaren deute ich so, dass die Förderung eigenständiger Aktivität, zu der ich die Studierenden in meiner Vorlesung besonders anrege, sehr geschätzt wird. Die Studierende sollen das Lehrangebot, und zwar besonders da, wo keine Anwesenheitspflicht vorgesehen ist, als etwas Positives auffassen und den Besuch von Vorlesungen, Kursen und Seminaren als gewinnbringend wahrnehmen.

Gerade deswegen versuche ich, auch die Großlehrveranstaltungen so gut es geht interaktiv zu gestalten und die Studierenden kommunikativ einzubinden. Die Universität ist ein Ort, an dem Spannendes passiert und keine bloße Wiedergabe von Lehrbüchern und Unterrichtsbehelfen (oder gar der Besuch von kommerziellen Rechtskursen) kann das ersetzen. Die Begeisterung, Perspektiven und Kontextualisierung für die selbstständige Auseinandersetzung mit dem Lernstoff kann meiner Ansicht nach nur eine interaktive und forschungsnahe Universitätslehre leisten. Daher lautet meine Botschaft: Wer nicht hingeht, verpasst etwas.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Meine Vorlesung Verfassungsgeschichte steht am Beginn des Jus-Studiums. Ich habe sie als interaktive, interdisziplinäre Einführungsveranstaltung konzipiert, die durch vielfältige innovative Elemente auf dem Prinzip des angstfreien Lernens beruht. Ich beziehe die Studierenden ein, führe sie im Dialog in Grundfragen der Rechtsgeschichte ein und diskutiere zugleich Grundprobleme der Rechtswissenschaft, aber auch von benachbarten Disziplinen. Die Studierenden sollen die österreichische Rechtsgeschichte in ihren Grundzügen begreifen, optimal auf Prüfungen vorbereitet werden und die Universität als Ort kritischer Impulse erleben. Dabei praktiziere ich meine Lehrveranstaltungen als eine Anleitung zum kritischen Selbststudium. Besonders wichtig sind mir dabei die internationalen Bezüge der österreichischen Rechtsgeschichte. Denn die Studierenden kommen aus einer Lebenswelt, in der Internationales und der Blick über staatliche Grenzen hinaus selbstverständlicher sind als für jede Generation zuvor. Auch ist das Jus-Studium in Wien jenes Fach, das absolut und relativ den höchsten Anteil an Studierenden mit „Migrationshintergrund“ besitzt. Den Blick des Rechts und seiner Geschichte über (heutige) Landesgrenzen hinaus zu erweitern, bedeutet daher auch die Studierenden da anzusprechen, wo sie sich ohnehin selbst sehen: als Teil einer vielfach verflochtenen Weltgesellschaft mit all ihren Chancen und Risiken.

Nähere Beschreibung des Projekts

Als Lehrender der Rechts- und Verfassungsgeschichte treffe ich in meiner Vorlesung Verfassungsgeschichte auf Studienanfängerinnen und Studienanfänger, die gerade ihre ersten Erfahrungen mit dem Recht als praktizierter Wissenschaft sammeln und die sich unter „Rechtsgeschichte“ eine vermeintlich vergangene und abgeschlossene Materie vorstellen. So lassen sich verfassungsrechtliche Fragen über den grundsätzlichen Aufbaus des Staats mit aktuellen Ereignissen wie den Bundespräsidentenwahlen oder verstärkten Grundrechtseingriffen thematisieren. Situationen aus dem alltäglichen Leben oder Berichte aus den Medien sind auch leicht anschlussfähige Vorlagen, um Fragen des Zivil- und Strafrechts zu besprechen. Die Rechts- und Verfassungsgeschichte eines Landes erscheint hingegen für die StudienbeginnerInnen, zumal für jene mit Migrationshintergrund, schon abstrakter und schwieriger zu fassen, obwohl natürlich jedes dieser Beispiele seine historische Dimension hat. Umso wichtiger ist es, den Studierenden zu zeigen, welche Fragen man an die Vergangenheit stellen kann und auf welch interessante und teilweise aktuelle Antworten man dabei stößt. Meine Aufgabe sehe ich daher weniger im Ausgießen von Wissen über die Köpfe der Studierenden, sondern vor allem in ihrer lernergebnisorientierten Sensibilisierung für grundlegende Fragen meiner Disziplin und darin, sie auf das kritische Selbststudium des Lehrstoffs vorzubereiten, das gerade im Jusstudium einen großen Teil der Prüfungsvorbereitung ausmacht.

Auch aufgrund des beträchtlichen Stoffumfangs, der später in der Modulprüfung abgefragt wird, kann die Vorlesung nicht wie ein gedrucktes Lehrbuch den gesamten Prüfungsstoff enthalten. Vielmehr beschränke ich mich bei der Wissens- und Faktenvermittlung auf die wesentlichen, markanten Dinge und strukturiere meine Lehre stark. Meinen Beitrag zur Prüfungsvorbereitung und Inhaltsvermittlung sehe ich darin, den Studierenden eine Struktur und ein Grundverständnis nahezubringen und die Begeisterung für das Fach zu wecken.

Dabei verwende ich Power-Point-Folien, die inhaltlich und visuell (auch) ein Gerüst vorgeben. Auf ihnen zeige ich stets zu Anfang die Gliederung der Stunde und dann in den folgenden Folien die aktuell besprochenen Punkte. Zur erleichterten Orientierung sind am Ende die Zusammenfassung der laufenden Stunde und der Ausblick auf das Programm der nächsten (mit Vor- und Nachbereitungshinweisen) stichwortartig notiert. Dazwischen visualisiere ich die für die Studierenden neuen Begriffe der rechtshistorischen Fachsprache. All das hilft gerade den Studierenden mit Deutsch als Zweitsprache oder Fremdsprache, da sie – wenn sie vorübergehend ein Detail nicht verstanden haben – jederzeit zurück ins Hauptthema finden und dem Aufbau des Arguments folgen können. Die Folien enthalten ferner Ereignisse und Jahreszahlen, aber auch ausgewählte Bilder und Fotografien, Landkarten, Urkunden oder andere Quellen sowie die juristischen und historischen Zentralbegriffe, um die es geht.

Zugleich motiviere ich die Studierenden intensiv nicht nur zum Mitschreiben, sondern auch zum Mitmachen. Denn trotz der Größe der Vorlesung versuche ich immer, interaktive Elemente einzubauen. Ich frage die Anwesenden nach ihren Einschätzungen, Beobachtungen und Meinungen. Ich gehe dafür mit dem Mikro in den Hörsaal hinein, animiere zum Kommentieren und Diskutieren und signalisiere durch die Struktur meiner Fragen und die Reaktion auf Antworten, dass es nicht um Wissensabfrage geht und dass niemand bloßgestellt wird (angstfreies Lernen durch positive Fehlerkultur).

Die herausfordernde Umstellung von Schule auf Universität, die viele StudienanfängerInnen meistern müssen, zu berücksichtigen, ihnen aber gleichzeitig klar zu zeigen, wohin ich mit ihnen kommen möchte, verstehe ich als meine Form der Studierendenzentrierung. Ich stelle den Studierenden zu Beginn der Veranstaltung mein didaktisches Konzept vor. Im Sinne einer konsequenten Kompetenzorientierung und Vorbereitung auf künftige Berufstätigkeit, erläutere ich, dass sie als JuristInnen in der Lage sein müssen, (frei) zu reden, und zwar gerade auch vor vielen anderen Menschen und es gegebenenfalls auch nötig ist, auf unangenehme Fragen spontan und unvorbereitet reagieren zu können, wenn es um die Einschätzung von Rechtsfragen geht. Durch die Interaktion sehe ich meinerseits, inwieweit die Studierenden der Stoffvermittlung gefolgt sind, welche Vorkenntnisse bestehen und wo ihre Grundannahmen liegen.

Ich stelle oft exemplarische Fragen in den Vordergrund, um an einem anschaulichen Beispiel grundsätzliche Probleme zu diskutieren. Um diese didaktische Vorgehensweise an einem konkreten Beispiel zu veranschaulichen, möchte ich nun beispielhaft meine Vermittlung der Frage von Regelungsdichte des Rechts vorstellen. Den Ausgangspunkt setze ich hier bei vormodernen Gesellschaften und zeige den Auszug einer Kleiderordnung von 1688 (ein sog. Policeygesetz). Sie veranschaulicht, dass historische Gesellschaften Fragen vergesetzlicht haben, aus denen sich das moderne Recht zurückgezogen hat. Ich frage die Studierenden, warum Kleider so intensiv und detailliert geregelt wurden und welche verschiedenen Zwecke damit verfolgt wurden. So kommt man auf theologische, ständische, volks- und individualwirtschaftliche Zwecke von so genannter Aufwands- oder Luxusgesetzgebung.

Damit zusammenhängend diskutiere ich Probleme der Normvermittlung und Normdurchsetzung: Welche gesetzlichen Vorschriften gab es wohl früher in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand? Wie wurden diese Vorschriften seitens der Obrigkeit im Fürstenstaat den Untertanen bekanntgemacht und wie war die Chance ihrer Durchsetzung, etwa bei Kleiderordnungen? Dabei sieht man, dass der vormoderne Staat, aus der Perspektive eines entwickelten Rechtsstaats betrachtet, ein Staat im Werden, ein lernender Staat war. Er kämpfte mit zeitbedingten Vermittlungs- und Implementationsproblemen seiner Rechtsordnung, zugleich ist er ein im Aufbau begriffenes Herrschaftsgebilde, das seine Macht wie ein moderner Staat auch inszenieren und wirksam durchsetzen möchte.

Um Studierende zu unterstützen, die Gegenwartsrelevanz zu erkennen und die Transferleistung von einem historischen Kontext in ihre heutige Lebenswelt zu schaffen, frage ich sie später, wo es heute im geltenden Recht noch Normen für Kleidung gibt. Häufige Antworten sind dann Amtstracht, Sicherheitskleidung, Berufsuniformen, aber auch Schuluniformen. Da interveniert das Recht noch oder schon wieder, angesichts der heutigen pluralen Konsumgesellschaft aber in anderer Form. Diese hat in den vergangenen Jahrzehnten einen Prozess der Entnormativierung durchlaufen, der Blick auf die verschieden und bunt gekleideten KommilitonInnen im Hörsaal zeigt es. Eine Nebenfolge sind aber jene Kollateralschäden, die entstehen, wo Mode in der Weltwirtschaft billig und schnell produziert wird. Auch das ist eine Regelungsherausforderung für das Recht: Für Arbeitsrecht, Umweltrecht und internationales Recht, mit denen ich den Ausblick schließe.

Inhaltlich bemühe ich mich dabei, die Vorlesung dadurch interessant zu machen, dass die Stunden forschungsnah, tagesaktuell und mit weitem Horizont ausgerichtet sind. Infolge meiner Prägung durch die vielen Jahre am Max-Planck-Institut, die Arbeit am DFG-Exzellenzcluster „Formation of Normative Orders“, die öffentlichkeitswirksamen Verpflichtungen seit meiner 2016 erfolgten Berufung zum Permanent Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) und als langjähriger Journalist für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist mir die Aufbereitung von Forschungsfragen auch für populäre Foren ein besonderes Anliegen. Ich beziehe aktuelle Diskussionen aus den Rechtswissenschaften und anderen Fächern in die Vorlesung ein, ebenso das Tagesgeschehen der österreichischen und internationalen (Rechts-)Politik. Ich empfehle Bücher wie die 2014 auf der Leipziger Buchmesse zum besten Sachbuch prämierte Studie Helmut Lethens „Der Schatten des Fotografen“, wo sich der Verfasser Gedanken über den Wahrheitsgehalt von Bildern macht. Auch dieses Problem der Quellen habe ich mit einem aus Lethens Buch entnommenen Beispiel (das berühmte Coverfoto „Minenprobe 1942“) mit den Studierenden exemplarisch diskutiert. Ich zeige Dorothea Langes 1936 entstandene Schwarz-Weiß-Aufnahme der „Madonna des New Deal“, die in ihrer würdevollen Armut nach „Vater Staat“ ruft und diskutiere Staatsintervention als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise der 1920er und 1930er Jahre im internationalen Vergleich. Wie wurde reguliert, wie erhoffte man sich Abhilfe?

Eine Horizonterweiterung auch um internationale und transnationale Aspekte geschieht aus Rücksicht auf aktuelle Trends der Rechts- und Geschichtswissenschaften und auf die Europäisierung der Rechtsordnung, die die Studierenden später als praktizierende JuristInnen handhaben müssen. Aber auch die Studierenden selbst haben in ihrem Lese-, Medien-, Reise- und Konsumverhalten und ihren Biografien längst keine abgeschlossen nationalstaatliche Perspektive mehr. Nicht wenige haben einen Migrationshintergrund, viele liebäugeln mit einem Auslandsaufenthalt während des Studiums oder träumen von einer internationalen Karriere. Globale Perspektiven und globale normative Standards sind ihnen nicht fremd. Ich erinnere sie daran, dass ihre Äpfel nicht nur aus der Steiermark und Tirol oder Südtirol kommen, sondern auch aus Neuseeland; ihre Smartphones wurden in Kalifornien designt und in China gebaut, über web-basierte Dienste kommunizieren sie intensiver als jede andere Generation zuvor über große geografische Räume und auch über politische und kulturelle Grenzen hinweg. Mit diesen Menschen verbindet sie aber nicht nur eine Konsumgemeinschaft, sondern wir sind zunehmend auch in einer globalen und 2017 zugleich brüchig scheinenden Welt-Rechtsgemeinschaft. Neben dem (an sich sehr sehr alten) Völkerrecht und teilweise sehr neuem transnationalen Recht gibt es auch hochmoderne nicht-juristische Standards, die uns verbinden, man denke etwa an die technischen Standards des Internets.

Umso wichtiger und naheliegender erscheint es mir, daran bei der rechts- und verfassungsgeschichtlichen Stoffvermittlung anzuknüpfen, den Studierenden fallweise über außereuropäische Rechtsordnungen zu berichten, über verschwundene und vergessene Imperien und ihre normativen Vorstellungen zu erzählen, sie an die große Bedeutung scheinbar unwichtiger technischer Normen zu erinnern, die aber unsere heutige Weltgesellschaft mehr prägen als manches parlamentarische Gesetz.

Durch die regelmäßige, auch freiwillige Evaluierung meiner Lehrveranstaltungen und dem daraus gewonnenen Feedback kann auf Anregungen und Wünsche der Studierenden eingegangen werden. Ich habe viel dabei gelernt!

Meine Ziele für die Lehre bestehen mithin darin, Stoffvermittlung in erheblichem Umfang in der Rechts- und Verfassungsgeschichte zu leisten und Studierende womöglich für ein Fach zu begeistern, welches später von ihren praktischen Tätigkeitsfeldern relativ weit entfernt sein wird. Umso wichtiger ist es aber, dass sie die Chance erhalten, sich die Historizität und Alterität des Rechts zu vergegenwärtigen. Es weitet ihren Horizont, lässt sie zu besseren JuristInnen werden und ein kritisches Rechtsbewusstsein entwickeln. Im Idealfall wirkt es demnach über die berufliche Perspektive hinaus.

Schließlich geht es auch darum, den Jus-Studierenden eine bestimmte Haltung beizubringen, Fragen auf eine bestimmte juristische Weise stellen und abhandeln zu können. Denn es kommt letztlich oft nicht auf die Antworten an, die als Ergebnis am Ende stehen und oft im geltenden Recht im Modus „rechtmäßig/rechtswidrig“ gesehen werden. Jurisprudenz besteht vielmehr in großen Teilen in einer spezifischen Denk-, Argumentations- und Ausdrucksfähigkeit im Umgang mit Rechtsfragen (so auch die Präambel des Studienplans). Ich möchte zur Verwirklichung dieses Leitbilds der JuristInnenausbildung, über das ich auch selbst wissenschaftlich gearbeitet und publiziert habe, in meinen Veranstaltungen so gut wie möglich beitragen und so viele Studierende der Universität Wien wie nur möglich auf ihren ersten Schritten dieses Wegs begleiten und ihnen Orientierung geben.

Positionierung des Lehrangebots

Die VO gehört laut Curriculum des Diplomstudiums der Rechtswissenschaften zum Modul „Europäische und internationale Grundlagen“ im 1. Studienabschnitt. Sie wird jedes Semester für alle StudienanfängerInnen angeboten und steht ERASMUS-Studierenden offen.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
2017
Kategorie: Innovative Lehrmodelle bei hohen Studierendenzahlen und großen Gruppengrößen
Ansprechperson
Univ.-Prof. Dr. iur. Miloš Vec
Rechtswissenschaftliche Fakultät, Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte
+43-1-4277-34579
Nominierte Person(en)
Univ.-Prof. Dr. iur. Miloš Vec
Rechtswissenschaftliche Fakultät, Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Vor dem Studium/Beginn des Studiums
Fachbereiche
  • Wirtschaft und Recht