Fachhochschule Joanneum GmbH
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Aufbau Interkultureller Kommunikationskompetenzen als strategische Intelligenz für das 21. Jahrhundert

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Warum Interkulturelle Kommunikation und Presentations, Meetings and Negotiations in einem postgradualen Masterlehrgang getrennt unterrichten? Die punktuelle Zusammenführung von zwei Lehrveranstaltungen im zweiten Semester bei Public Communciation an der FH JOANNEUM bringt mehrfachen Gewinn: Gemeinsam entwickelte Übungen und Deskriptoren ermöglichen die Entwicklung interkultureller Kommunikationskompetenz bei gleichzeitiger Praxis internationaler (englischsprachiger) Verhandlungsführung in Meetings – und deren Szenarien motivieren die Studierenden zu kreativer Problembewältigung und Herangehensweise.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Vor dem Hintergrund eines hohen internen und externen Erwartungsdrucks wurden die Konzeption und Durchführung zweier Lehrveranstaltungen optimiert: ,Inter- und intrakulturelle Kommunikation’ sowie ,Presentations, Meetings and Negotiations’, zwei in den Präsenzzeiten sehr limitierte Seminare, wurden punktuell zusammengeführt, insbesondere was gemeinsame Aufgabenstellungen und Übungen sowie den eigens entwickelten interdisziplinären Kompetenzraster und die Bewertungskriterien betrifft.

COM bietet den idealen Rahmen zur Umsetzung des von den Lehrenden formulierten Lehr- und Lernzieles: der Entwicklung von Interkulturellen Kommunikationskompetenzen als strategische Intelligenz für das 21. Jahrhundert. Der Begriff basiert auf der Idee der multiplen Intelligenz, die unter anderem Intrapersonale sowie Interpersonale Intelligenz (emotionale und kulturelle Intelligenz) subsumiert. Unsere Lehransätze verbinden Interkulturelle Theorien (z.B. von William B. Gudykunst, Edward T. Hall, Geert Hofstede u.a.), Verhandlungsstrategien und -kompetenz nach dem Harvard-Konzept sowie Sprachlehre. Blended Learning Didaktik, unter Einbindung modernster Social-Media-Kanäle, verfolgt das Ziel, interkulturelle Handlungskompetenz durch antizipierte Kollaboration mit Vertretern anderer Kulturen und durch berufsfeldorientierte, persönliche und virtuelle Meetings und Verhandlungssimulationen zu vermitteln.

Nähere Beschreibung des Projekts

Die zwei Lehrveranstaltungen ,Inter- und Intrakulturelle Kommunikation’ (IIK) sowie ,Presentations, Meetings and Negotiations’ (PMN) bieten sich dazu an, inhaltlich und organisatorisch gemeinsam gestaltet zu werden. Der berufsbegleitende Charakter des postgradualen Lehrgangs Public Communication (COM) stellt die Kursleiterinnen vor die Herausforderung, mit der knappen Präsenzzeit haushalten zu müssen und dennoch maximalen Output zu erzielen. Der durch die Überwindung der Kursgrenzen generierte Mehrwert besteht im realitätsnahen Erleben der Ausbildungsthemen. Interdisziplinarität ermöglicht die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen wie die aktive Teilnahme an und Organisation von englischsprachigen Meetings in interkulturellem Setting. Die folgende Projektbeschreibung bezieht sich auf

• Organisation,

• Kursablauf,

• gemeinsame Aufgabenstellungen und Meeting-Simulationen (Übungen und Prüfung)

im Rahmen einer erfolgreichen fächerübergreifenden Lehre, von der Konzeptionsphase bis zur Durchführung im SS 2016. Einen Schwerpunkt bildet die Entwicklung des Kompetenzrasters, der die konsolidierten Lernziele interkulturelle Kommunikationskompetenz und internationale Verhandlungsfähigkeit in Meetings transparent macht. Den im Lern-Kollektiv entwickelten Meeting Szenarien liegen realistische Fallbeispiele zugrunde, die die Studierenden aufgrund ihres Berufsfeldbezugs zu kreativer Problembewältigung und Herangehensweise motivierten. Das Gelingen der Lehrveranstaltungen fußt nicht zuletzt auf der Schaffung einer Lernumgebung unter sinnvoller Verteilung des Inputs, der Aufgabenstellungen und Übungen auf Präsenz sowie virtuelle synchrone und asynchrone Komponenten.

 

Die integrierte Lehrveranstaltung IIK bietet eine Einführung in interkulturelle Theorien auf Masterebene. Lehrziele sind die intensive Auseinandersetzung mit verschiedensten kulturellen Gegebenheiten, die Reflexion theoretischer Modelle sowie der Aufbau eigener Handlungskompetenz für interkulturelle Kommunikationsanlässe. Der intrakulturelle Teil bezieht sich auf die Kommunikation innerhalb internationaler Unternehmen und Organisationen im Sinne dessen, dass die Kommunikationsfunktion für Organisationen auf den Ausgleich mit der Umwelt abzielt. Intranet-Lösungen wurden dabei bewusst in den Zusammenhang mit interkultureller Kommunikation gestellt.

Im Online-Raum war von den Studierenden die vertiefte Beschäftigung mit interkulturellen Fragestellungen, reflektiert an den theoretischen Modellen, gefordert: Von März bis Juli mussten sie ihre Gedanken und Reflexionen in insgesamt vier Blogposts publizieren und vier der Posts von Kolleginnen oder Kollegen kommentieren.

Der für diesen Diskurs geeignete Raum wurde auf Slack zur Verfügung gestellt: Jeder Blogpost musste dort verlinkt werden, konnte entweder zum eigenen Blog weisen, auf einen öffentlichen Blog wie Medium oder es konnte auch direkt auf Slack publiziert werden. Diese Vielfalt der Möglichkeiten entspricht der Vielfalt der Studierenden, die in sozialen Netzwerken unterschiedlich präsent sein wollen. Slack als Kommunikationsplattform für Teams erwies sich als sehr gut geeignet.

Eingeleitet wurde der starke Diskursteil von zwei Hangouts, in denen die Modelle der interkulturellen Kommunikation vorgestellt wurden. Besonderer Wert lag dabei auf William B. Gudykunst, Edward T. Hall, Geert Hofstede und dem Modell der Wissensspirale von Ikujiro Nonaka und Hirotaka Takeuchi. Die Studierenden wurden ermutigt, zusätzlich andere Modelle interkultureller Kommunikation einzubringen. Ein Anliegen, das stark genutzt wurde. Die Vorträge in Verbindung mit klar definierten Aufgabenstellungen für die eigene Reflexion und die Verpflichtung, das Ergebnis solcher Überlegungen zu publizieren, hat die lebendige Interaktion mit den Inhalten gefördert und die direkte Anwendung in den auf Englisch zu haltenden Meetings und Verhandlungen ermöglicht.

 

Lehr- und Lernziel des Seminars PMN ist professionelle Handlungskompetenz in der Fremdsprache, um in englischsprachigen Meetings zu bestehen. Die Einhaltung von Tagesordnung und Protokollführung zählen da ebenso dazu wie die Verwendung von verschiedenen sprachlichen Strategien und wirkungsvoller Sprachgebrauch (Leitung eines Meetings, Zustimmung und höfliches Widersprechen, Unterbrechen etc.). Darüber hinaus werden die Studierenden in die Kunst der internationalen Verhandlung eingeführt, wofür kulturspezifische Verhandlungsweisen sowie Diplomatie im Brennpunkt stehen.

Die eingebundene Online-Lernumgebung sieht den Einsatz ausgewählter Open-Source-Werkzeuge vor, die Struktur des Kurses belief sich in

-3 Präsenzblöcke mit anschließenden Online Assignments (Kollaboratives Dokument, Meetingcase, interkulturelles Konfliktszenario) und begleitendes virtuelles Lerntagebuch (Study Journal)

-Synchrones E-Learning (Video-Streaming mit Aufzeichnung, 1: Coaching, 2: Prüfungsvorbereitung)

-Hybrides Szenario (in Präsenz)

Die hybride Kursstruktur und Moodle als Klammer, Dreh- und Angelpunkt sowie eine gut verlinkte Online-Lernumgebung ermöglichen Planbarkeit und Transparenz. (Peer)Feedback, Aufzeichnungen und Online-Teamarbeit sind motivationsfördernd aufgrund der Möglichkeit, sich zeit- und ortsunabhängig im eigenen Tempo tiefgehend mit den Aufgabenstellungen und Lehrinhalten auseinanderzusetzen.

Durch virtuell ausgelagerte und betreute Elemente ist die Begleitung jeder Gruppe und eine kontinuierliche Dokumentation der Lernfortschritte jedes einzelnen möglich.

 

Die Aufgabenstellung für das Konflikt-Szenario wurde von beiden Lehrenden gemeinsam mit den Studierenden unter Verwendung von google.docs entwickelt. Von Seiten des PMN Kurses wurde via Hangout ein Briefing zum Gelingen von Videokonferenzen in der Fremdsprache gehalten, die Aufgabenstellung wurde über Moodle kommuniziert: Im Zuge der Verhandlungen mit einem Partner aus dem Balkanraum sollte eine solche einberufen und durchgeführt werden. Der Konflikt muss dazu von den Studierenden im Vorfeld erläutert und durch die österreichische und die Balkan-Delegation deeskaliert werden. Die Vorbereitungen dafür beinhalten auch die Formulierung von Konferenz-Etiquette und Agenda sowie Klärung und Rollenverteilung.

Während der gemeinsam abgehaltenen LV befanden sich die Verhandlungsteams abwechselnd in verschiedenen Räumen zur Abhaltung der Videokonferenz über Google+ Hangouts. Die Lehrenden und die jeweils inaktive Gruppe versammelten sich zum ,Public Viewing’ in einem weiteren Raum und füllten (Peer-) Feedbackbögen aus, die den aktiven Gruppen danach zur Verfügung gestellt wurden.

 

Die Abschluss-Simulation als Prüfung für beide Lehrveranstaltungen bestand in der erfolgreichen Bewältigung jeweils einer von drei interkulturellen Meetings-/Verhandlungssituationen. Zu diesem Zwecke wurden in einem Hangout zunächst jedoch nur der Prüfungsablauf und die Ausgangslage für die 3 Meetings erläutert, die Studierenden konnten sich den Fall (Case 1, 2, 3) und ihre Rolle zur Prüfungsvorbereitung aussuchen. Die konkrete Agenda wurde ihnen erst zu Beginn der Vorbereitungszeit am Tag der Prüfung übergeben.

Case 1 beschäftigte sich mit den Herausforderungen einer Firmenzusammenlegung (Übernahme einer türkischen Firma durch einen deutschen Konzern); in Case 2 ging es um die Entwicklung von Kommunikationsstrategie und Werbekampagnen rund um einen Markenlaunch in zwei Märkten: Österreich und China. Dreh- und Angelpunkt für Case 3 war die Zusammenstellung eines interkulturellen Kommunikationsteams für die nach eigenen Angaben und gemäß globaler Rankings weltweit größte unabhängige PR-Agentur Edelman mit dem Ziel einer Kampagne zur Förderung des föderalistischen Konzepts eines Europa der Regionen.

Das oben erwähnte Hangout zur Prüfungsvorbereitung widmete sich vor allem auch den Kriterien zur Leistungsfeststellung auf Basis der für die zwei LVen gemeinsam entwickelten Deskriptoren.

Genese der Deskriptorenentwicklung

Die Entwicklung von Interkulturellen Kommunikationskompetenzen als strategische Intelligenz für das 21. Jahrhundert bedarf lernerzentrierten, sinnvollen und punktgenauen, individuellen Feedbacks unter Einbringung von Expertise mittels kommentierter, kompetenzorientierter Deskriptoren (Kompetenzraster). Diese wurden in ein Design gegossen, das für die zwei LVen vergleichbar ist. So sind Transparenz, Einheit und Kontinuität in der Beratung von Lernenden während sowie in der Evaluierung ihrer Lernprozesse am Ende des Semesters gewährleistet.

 

Schlüsselqualifikationen für Interkulturelle Kompetenz betreffen sowohl die Persönlichkeit (im Lernkontext: die Persönlichkeitsentwicklung) wie auch kognitive Kompetenzen, also das Wissen über kulturelle Gegebenheiten, Traditionen, Einstellungen (Hofmann, Mau-Endres et al., 2005). Kompetenzen im Kommunikationsmanagement auf Masterebene bedeuten den Nachweis, kritisch und strategisch denken zu können sowie die Notwendigkeit, ethisch fundierte Entscheidungen zu verstehen und zu respektieren (Complexity, 2012).

Für IIK können diese Anforderungen, was strategisches Denken und Führungskompetenzen betrifft, auf die folgenden Schlüsselqualifikationen heruntergebrochen werden:

1. In welchem Ausmaß werden theoretische Modelle in der Simulation angewandt und eingesetzt?

2. Wie wird mit kulturellen Stereotypen umgegangen?

3. Zeigen die Handlungen der Kandidatinnen und Kandidaten interkulturelle Kompetenz im Sinne von Einfühlungsvermögen?

4. Verstehen es die Kandidatinnen und Kandidaten, kulturelle Konzepte und Argumente in überzeugende Argumente zu kleiden?

5. Arbeiten die Kandidatinnen und Kandidaten daran, kulturelle Unterschiede zu überwinden?

6. Sind sie in der Lage, Übereinstimmung im Sinne von Pacing mit ihrem Gegenüber herzustellen?

7. Agieren die Kandidatinnen und Kandidaten als interkulturelle Führungspersönlichkeiten?

 

Die kompetenzorientierten Deskriptoren für die Bereiche Sprache und Verhandlungskompetenz beziehen sich weitgehend auf auf Business English umgemünzte Kompetenzen, wie sie im gemeinsamen Referenzrahmen für Sprachen der Europäischen Union festgeschrieben sind (CEFR-Common European Framework of Reference, 2011). Für die aktive Teilnahme an Meetings und Verhandlungen sollte ein Teilnehmer Englischkompetenzen auf dem Niveau B2, C1 haben, d.h. zumindest auf der Skala unter Selbständige Sprachverwendung (Independent User) einlevelbar sein. Erst auf diesem Niveau ist es einem Sprecher möglich sprachlich flüssig zu interagieren und geeignete Strategien zur Bewältigung eines komplexen Sprechakts zur Verfügung zu haben. Kurz zusammengefasst, korrelieren die folgenden Übersetzungen mit der Reihenfolge der Deskriptoren im Feedbackbogen. Für die volle Erreichung des jeweiligen Lernziels wurden zwischen 4-8 Punkte vergeben. Gemäß der Vermittlung von Verhandlungskompetenz als zentrales Lernziel wiegen die Meeting- und Verhandlungsstrategien schwerer als Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit.

8. Es müssen dem Sprecher eine Reihe sprachlicher Varianten zur Verfügung stehen, um sich diplomatisch auszudrücken. (z.B. Verwendung von Fragen um Vorschläge zu machen - perfekte Umsetzung 8/50 Punkte)

9. Eine Vielzahl an Phrasen im Englischen helfen beiden Verhandlungspartnern das Gesicht zu wahren, wenn es z.B. darum geht, widersprechen zu müssen, auf Probleme hinzuweisen, zu unterbrechen etc. (Perfekte Umsetzung 8/50 Punkte)

10. Längere Redebeiträge können in angemessenem Tempo ohne größere Pausen spontan produziert werden. (Perfekte Umsetzung 5/50 Punkte)

11. Grammatikalische Korrektheit besteht insofern, als keine Fehler gemacht werden, die zu Missverständnissen führen. (z.B. Zeitenverwendung etc. - perfekte Umsetzung 5/50 Punkte)

12. Es gibt keine groben Abweichungen von der Standardaussprache (Britisches oder Amerikanisches Englisch), die das Zuhören erschweren. (Perfekte Umsetzung 4/50 Punkte)

13. Es steht dem Sprecher ein Wortschatz zur Verfügung, der gezielte und prägnante Diskussionsbeiträge zu spezifischen Themen erlaubt. (Perfekte Umsetzung 4/50 Punkte)

Die Deskriptoren 14 und 15 (Active Participation/Active Listening) orientieren sich am Harvard Konzept, d.h. dem Prinzip des sachbezogenen Verhandelns anstelle positionsbezogenen Handelns. Beiden kommt hohe Wichtigkeit und somit jeweils 8/50 Punkte bei perfekter Umsetzung zu. Es gilt, nach Vorteilen für beide Seiten zu suchen, gemeinsame Interessen auszuloten und zu verschmelzen bzw. die Hauptanliegen der Gegenseite zu erkunden, nach Problemlösungen mit unterschiedlichem Wirkungsgrad zu streben. Das funktioniert nur mit aktivem, von Fisher und Ury als aufmerksam bezeichnetem Zuhören, das ebenfalls geübt werden muss um als Werkzeug und als ein Merkmal strategischer Intelligenz eingesetzt werden zu können. Die Kompetenzen sind Ausdruck von nachhaltigem, interdisziplinären Denken, Lehren und Lernen, sie fördern Inklusion, Pluralität, und ein Miteinander sowie eine Mentalität und Strategie, die von aktuellem Nutzen ist und am Puls der Zeit agiert. Solches Handeln ist von unmittelbarer gesellschaftlicher Relevanz.

Positionierung des Lehrangebots

Postgradualer Masterlehrgang

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
2017
Kategorie: Persönlichkeitsorientierte und/oder kreativitätsfördernde Ansätze in Lehrveranstaltungen und Studierendenbetreuung
Ansprechperson
Mag. Ulrike Pölzl-Hobusch
Institute of International Management
+43 (0)316 5453 6825
Nominierte Person(en)
Mag. Ulrike Pölzl-Hobusch
Institute of International Management
Mag. Gudrun Reimerth, MA
Institut für Journalismus und PR
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Infrastruktur/Lehrmaterialien
  • Rund ums Prüfen
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften