Medizinische Universität Graz
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Lehre für Junglehrende: Qualität, die allen hilft

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ausgangslage: Sehr variierende unterschiedliche Lehrqualität der studentischen Lehrenden am Institut für Anatomie, dokumentiert in den Evaluierungsergebnissen

Motive: Verbesserung der Lehrqualität der studentischen Lehrenden und auch jungakademischen Lehrenden

Ziel: optimierte Supervision und hochqualitative Lehroutput.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Der enorme Lehraufwand des Institutes für Makroskopische und Klinischer Anatomie wird sowohl durch akademische wie auch studentische Lehrende, und damit unterschiedlicher Lehrqualität, abgedeckt. Junge studentische TutorINNen haben einen sehr hohen Aufwand, fehlendes Wissen und besonders Manual skills aufholen zu müssen. Dies schlägt sich in nicht zufriedenstellenden Evaluierungen nieder.

Das Schulungssystem soll zeigen, wie man die studentische Lehrqualität durch ein spezielles Supervisionskonzept verbessern kann. Das System wurde in Modulen oder Pflichttracks angewendet, welche einen hohen Übungsanteil beinhalten.

Das System teilt sich in folgende Bereiche:

1) Live-Sezieranleitung via Videoprojektion für alle TutorINNen durch einen erfahrenen habilitierten Lehrenden. Dabei wird das Sezierprogramm vor den stattfindenden Übungen durchgenommen und ermöglicht rechtzeitige Reflexion. Zudem wird zusätzliches Übungsmaterial bereitgestellt.

2) Bereitstellung von Videosezieranleitungen online für eine zusätzliche Reflexion. Diese Videos sind ebenso für alle Studierende zugängig.

3) Spezielles Supervisionssystem bei den Übungen: mehrere junge unerfahrene TutorINNen bekommen erfahrenere TutorINNen als Supervisior. Alle werden wiederum von akademischen Lehrpersonal betreut um übergeordnet das fachärztliche oder habilitierte Personal zur Betreuung zu haben.

Seit der Einführung dieses System im WS 2015/16 haben sich die Evaluierungsergebnisse des gesamten Lehrpersonals signifikant verbes

Nähere Beschreibung des Projekts

Lehre für Junglehrende: Qualität, die allen hilft

Ein innovatives Lehrkonzept des Institutes für makroskopische und klinische Anatomie zur Lehrbetreuung von Studierendengroßgruppen

Hintergrund:

Jahrelang wurden wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Tutorinnen und Tutoren) des Instituts für makroskopische und klinische Anatomie (IfA) sehr unterschiedlich von den in den Praktika teilnehmenden Studierenden bewertet. Praktika in der Anatomie bedeuten einen hohen Anteil an Sezieren, wo die TutorINNen besonders Manual skills im Bereich der Seziertechnik verbunden mit den notwendigen anatomischen Kenntnissen aufweisen müssen. Teilweise entsprach die Beurteilung nicht den von der Leitung des Institutes zur Aufrechterhaltung der Lehrqualität gewünschten Anforderungen. Insgesamt sind seit Jahren 44 TutorINNen am Institut beschäftigt, um das akademische Lehrpersonal während der Sezierübungen des Pflichtmoduls (PM) IV, PM V im zweiten Studiensemester sowie Pflichttracks (PT) Anatomie im dritten Studiensemester zu entlasten sowie zu unterstützen. Die TutorINNen selbst sind dabei im dritten bis sechsten Studienjahr, daher zwischen 1 und 4 Jahre am IfA tätig, nach Abhängigkeit des Eintritts in die Dienste der Universität bzw. des Institutes. Vereinzelt sind TutorINNen länger am Institut, wenn die Absolvierung ihres Studiums in 12 Semestern Regelstudienzeit nicht vorrangig ist. TutorINNen tragen einen sehr gewichtigen Anteil der Lehre am IfA. Am Institut selber beträgt die Anzahl der akademischen Lehrpersonen insgesamt 9 für eine Abdeckung der Lehre von mittlerweile 480 Studierenden pro Kurs. Daher ist die Ausbildung der Studierenden auch indirekt abhängig vom Wissensstand der TutorINNen, welche im Rahmen der Kleingruppeneinteilung ein bis 8 Gruppen zu betreuen haben.

Um eine relativ gleichmäßig gute Supervision der Studierenden durch das gesamten Lehrpersonals, also besonders der TutorINNen, zu gewährleisten, hat das Institut in vergangener Zeit auch sehr viel Vorwissen von den TutorINNen vorausgesetzt, um einen schnellen und effizienten Einsatz in den Praktika zu ermöglichen. Ein wesentliches Kriterium war das Rigorosen Studium mit der Fach- oder Rigorosumsprüfung „Anatomie“. In dieser wurde die gesamte Anatomie des Körpers abgefragt. Mit einer ansprechenden Leistung konnte man als Studierende/r des Rigorosenstudiums als studentische Lehrperson am IfA angestellt werden und hatte somit die gesamten für die Praktika gebrauchten Stoffbereiche zumindest schon vor Einsatz als TutorIn erlernen müssen. Somit war eine gute Basis gelegt. Nach Auslaufen des Rigorosums durch Implementierung des Diplomstudiums Humanmedizin und der Einführung des optionalen Sezierkurses sowie der im Curriculum festgeschriebenen anatomischen Module dienten die dort erreichten Noten als Kriterium für eine Aufnahme in den Lehrpersonalkreis. Eine Abdeckung des notwendigen Lernstoffes war nur mehr in Teilbereichen gegeben. Den fehlenden Wissensbereich mussten sich die Studierenden erst mühsam im Laufe der Arbeitstätigkeit als TutorIN aneignen. Dies führte zu Unsicherheiten, schlechter Supervisionsleistung und konsekutiver schlechter Evaluierung. Bemerkenswert und deutlich erkennbar war jedoch, dass mit Dauer der Anstellung und damit ansteigender Erfahrung der TutorIN auch die Performance sich subjektiv und objektiv verbesserte und sich diese auch in den Evaluierungen widerspiegelte. Somit wurde seitens des IfA eine Strategie entwickelt, das studentische und jungakademische Lehrpersonal vom ersten Tag der Anstellung auf sämtliche Pflichtmodule adäquat vorzubereiten.

Die Leitung dieses Schulungssystems liegt bei Sen. Scient. Priv.-Doz. FA Dr. med. univ. Georg Feigl (GF), der mit Genehmigung und Unterstützung durch den Institutsleiter o.Univ.-Prof. Dr. med. univ. Dr. hc. Friedrich Anderhuber, dieses System für folgende Module oder Tracks anwendet: Pflichtmodul IV (Bewegungsapparat) und Pflichttrack Topographische Anatomie. Beide zeichnen sich dadurch aus, dass es einen Übungsteil mit langen Sezierzeiten gibt. So sind es in PM IV 20 Seziertage und im PT Anatomie sogar 36 Tage. Beim Pflichttrack wird den Studierenden die Anatomie fast aller Körperregionen nähergebracht.

 

 

Dieses Schulungs- und Supervisionssystem beinhaltet folgende Punkte:

PM IV (2. Semester):

Vorsezieren der in den Praktika zu bearbeitenden anatomischen Gelenke und Muskelextremitäten. Die Schulungsleitung (GF) präpariert dabei je zwei Gelenke pro Schulungstag (gesamt 3 Schulungstage für Gelenke; es werden die großen Gelenke der beiden Extremitäten seziert) vor. Dabei wird es allen TuorINNen mittels Videoprojektion ermöglicht, diesen Anleitungen unter Visualisierung folgen zu können. Die Anleitungen erfolgen im offenen Diskussionsforum, Fragen können direkt gestellt und in der Gruppe diskutiert werden. Die Schulungstage sind dabei in einem Mindestabstand von 4 Tagen voneinander gelegt, damit die TutroINNen eine Selbstreflexion durchführen und auch in Informationsaustauch mit den anderen KollegINNen gehen können. Zudem besteht jederzeit die Möglichkeit, zu einem Informationsaustausch mit dem akademischen Personal. Die beiden Muskelextremitäten werden entweder noch vor oder zu Beginn des Pflichtmoduls, also mindestens 2 Wochen vor dem praktischen Teil der Myologie, dem studentischen Lehrpersonal demonstriert. Bei der Myologie werden besonders die Techniken der Schichtpräparation, erste Übungen zur genauen anatomischen Dissektion von Nerven und Gefäßen sowie spezielle Techniken zur exakten Präparation der Muskelindividuen und deren akzessorischen Einrichtungen gewichtet demonstriert.

Den erstjährigen TutorINNen wird im Anschluss dieser Sezierschulungstage auch die Möglichkeit gegeben, Gelenke selber in 2er Gruppen zu sezieren. Für den Bereich Myologie werden den TutorINNen 2 Muskelextremitäten (je eine obere und untere Extremität) als „Trainingspräparate“ zur Verfügung gestellt. Die Supervision erfolgt durch GF oder andere Fachärztinnen/Fachärzte oder Assistentinnen und Assistenten des IfA.

Seziervideos im Moodle: diese Seziervideos enthalten Kurzanleitungen zu allen in den Praktika zu sezierenden Gelenken sowie eine Kurzanleitung mit Tipps und Tricks für die Präparation der Muskelextremitäten. Sie sind für alle Studierenden, aber auch für die TutorINNen, zugänglich und dienen als additive Fortbildungs-und Repetitionsmöglichkeit.

PT Topographische Anatomie (3. Semester):

Die Übungen dieses Pflichttracks dauern von Mitte Oktober bis Weihnachten, erstrecken sich somit über 2 Monate, gesamt 36 Seziertage. 2 Gruppen sezieren jeweils 2 Tage pro Woche (Gruppe 1 Dienstag und Donnerstag, Gruppe 2 Mittwoch und Freitag) mit Begleitvorlesungen. Für das studentische Lehrpersonal bedeutet das aber 4 Tage Praktikum mit Abdeckung eines sehr großen Anteils der anatomischen Körperregionen. Aus diesem Grund wurde hier das Schulungssystem wie folgt aufgebaut:

Vorsezieren des jeweiligen Wochenprogramms am Montag ab 17h abends durch die Schulungsleitung (GF): Die Uhrzeit wurde deswegen abends festgelegt, damit möglichst alle TutorINNen keine Überschneidungen mit ihren Pflichtpraktika haben und beiwohnen können. Eine Videoprojektion ermöglicht auch hier direkte Visualisierung und offene Diskussion im Forum. Erstellung von PDF- Files der Anleitungen, die dann an alle TutorINNen geschickt werden, damit auch eventuell verhindertes studentisches Personal ebenfalls voll informiert wird.

Kurzvorbesprechungen des Kursprogrammes (das Programm ist Studierenden und TutorINNen selbstverständlich vorweg zugängig) durch die jeweilige Kursleitung am selben Tag.

Die TutorINNen können sich zusätzlich auch die von Prof. Thiel (ehemaliger Leiter des IfA) erstellten Sezieranleitungen (die ungefähr dem jetzigen Kursprogramm entsprechen) abspielen und sich gleich wie bei PM IV additiv repetitiv vorbereiten.

Geplanter Wechsel: Seit Herausgabe der 2. Ausgabe der Sezieranleitung für den PT Topographische Anatomie (Editor: Prof. Anderhuber) werden die Sezieranleitungen ebenfalls dem aktuellen Kursprogramm durch die Schulungsleitung (GF) angeglichen. Diese Videos werden derzeit neu angefertigt (GF) und voraussichtlich im kommenden Wintersemester 2017/18 oder spätestens 2018/19 für die TutorINNen und Studierenden im Moodle zugängig gemacht.

 

Supervisionssystem im Praktikum selbst:

Für beide anatomischen Übungen wird dabei folgendes Supervisionsprinzip verwendet:

TutorINNen des ersten oder zweiten Dienstjahres sind im PT für eine oder zwei Studierendengruppen (bis 5 Studierende pro Tag) und im PM IV für maximal bis zu vier Gruppen (bis 5 Studierende) zuständig. Diese TutorINNen werden von KollegINNen des zweiten, dritten oder höheren Dienstjahres betreut (Betreuung von maximal 6 Gruppen). Das gesamte studentische Lehrpersonal wird dann vom akademischen Personal supervidiert. Hier ist akademisches Personal ohne Facharzt für die Betreuung von je einem Viertel der Studierendengruppen zuständig. (Im Jahr 2016/17 gab es im PT 44 Gruppen, daher waren 11 Gruppen und somit durchschnittlich 8-10 TutorINNen zu betreuen). Nicht örtlich zugeteilt war das akademische Personal mit zumindest einer Qualifikation zur Fachärztin/zum Facharzt (FachärztINNen oder Habilitierte). Dieses versuchte den ganzen Saal stets flexibel abzudecken. Zusätzlich besteht hier eine jederzeit mögliche Reflexion mit dem fachärztlichen oder habilitierten Lehrpersonal.

Vorteile dieses System liegen in der hohen Flexibilität im Falle von Ausfällen durch Krankheiten oder durch Kollision mit Pflichtpraktika der TutorINNen.

Zusätzliches Angebot: Das gesamte jungakademische und studentische Lehrpersonal hat selbstverständlich die Möglichkeit, die Begleitvorlesungen des Pflichtmoduls und Pflichttracks zu besuchen. Aufgrund der parallel ablaufenden Lehrveranstaltungen ist dieser Besuch für die TutorINNen nicht verpflichtend. Das jungakademische Lehrpersonal ist aber sehr wohl dazu aufgefordert, allen Vorlesungen beizuwohnen (als Vorlesungsassistenz), um somit erste Lehrmethoden und auch didaktische Ansätze gezeigt zu bekommen. Unter der Führung des fachärztlichen sowie habilitierten Lehrpersonals wird dann der/die Jungakademiker/in mit der Lehrmethode vertraut und kann dann in Form erster selbst durchgeführter Lehrveranstaltungen in die Ars docendi eingeführt werden, welche aber auch durch den/die habilitierten/e Akademiker/in supervidiert wird, um im Anschluss auch ein Feedback geben beziehungsweise auch gemeinsam reflektieren zu können.

 

Erste Ergebnisse:

Das obig vorgestellte System ist seit dem Wintersemester 2015/16 eingeführt. Es zeigt in den Evaluierungen der Studierenden im Vergleich nach Implementierung dieses Systems eine signifikant positive Wirkung. Die Ergebnisse stammen von den online durchgeführten Evaluierungen der Studierenden. So konnten bei PM IV im Bereich der Betreuung durch das Lehrpersonal die Werte verbessert werden. Dieser Trend konnte auch im Bereich des Pflichttracks dokumentiert werden.

PMIV:

Betreuung durch Übungsleiter war gut: 1,92 (SS 2012); 2,25 (SS 2014); 2,19 (SS 2015); 1,45 (SS 2016)

Wurde von der „Station“ gut aufgenommen und beim Lernen unterstützt:

2,33 (SS 2012); 2,31 (SS 2014); 1,83 (SS 2015); 1,45 (SS 2016)

Meine betreuende Lehrperson war an meinem Lernerfolg interessiert:

2,53 (SS 2012); 2,61(SS 2014); 2,57 (SS 2015); 1,66 (SS 2016)

Ich wurde von meinem Tutor optimal unterstützt: 2,03 (SS 2012); 1,93(SS 2014); 1,7 (SS 2015); 1,6 (SS 2016)Persönliche Evaluierung: positive/negative Meldungen 20/15(SS 2014); 25/18(SS 2015); 150/8 (SS 2016)

 

Pflichttrack:

Betreuung durch Übungsleiter war gut: 1,89 (WS 14/15); 1,71(WS 15/16); 1,6 (WS 16/17)

Wurde von der „Station“ gut aufgenommen und beim Lernen unterstützt:

1,93 (WS 14/15); 1,76 (WS 15/16); 1,4 (WS 16/17)

Meine betreuende Lehrperson war an meinem Lernerfolg interessiert:

2,1 (WS 14/15); 1,78 (WS 15/16); 1,78 (WS 16/17)

Ich wurde von meinem Tutor optimal unterstützt: 1,88 (WS 14/15); 1,76(WS 15/16); 1,68 (WS 16/17)2016)

Persönliche Evaluierung: positive/negative Meldungen 120/- (SS 2016)

 

Zusätzlich sei hier erwähnt, dass auch in den persönlichen Kommentaren der Studierenden ein signifikanter Anstieg von positiven Rückmeldungen hinsichtlich des Lehrpersonals dokumentiert wurde.

Zusammenfassung:

Das hier vorgestellte Supervisionsmodell ist ein für alle beteiligten Personen mit enormem Aufwand verbunden, benötigt ein hohes Maß an Idealismus und beruht, ob der Freiwilligkeit des Systems, stark auf der Motivation aller Beteiligten. Doch genau dadurch lassen sich diese Punkte steigern und mit geeigneter kritischer (positiv wie negativ) Führung ein hoher Level der Lehrqualität erreichen. Zudem ist es für die Teambildung und das soziale Reifen des Personals förderlich. Mehr noch wird durch die positive Atmosphäre des Lehrteams dieses motivierende Gefühl auf die Studierenden übertragen und auch diese zu Best- und Höchstleistungen gebracht.

Positionierung des Lehrangebots

1. Studienabschnitt, 2. und 3. Semester Studium Humanmedizin

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
2017
Kategorie: Innovative Lehrmodelle bei hohen Studierendenzahlen und großen Gruppengrößen
Ansprechperson
Georg Feigl, Sen. Scient. Priv. Doz. FA Dr. med. univ.
Institut für makroskopische und klinische Anatomie
004369911112460
Nominierte Person(en)
Georg Feigl, Sen. Scient. Priv. Doz. FA Dr. med. univ.
Institut für makroskopische und klinische Anatomie
Themenfelder
  • Digitalisierung
  • Weiterbildung Lehrende
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften