Fachhochschule Joanneum GmbH
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Simulation in der Pflegeausbildung

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ziel des Simulationstrainings ist es, den Studierenden einen sanften Übergang von Theorie zur Praxis zu ermöglichen, um ein sicheres Ankommen im praktischen Feld zu gewährleisten. Es ist nötig, den Fokus in der Ausbildung weg von klassischen Unterrichtsformen hin zu einem aktivierenden und studentenzentrierten Lernprozess voranzutreiben.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die steigende Komplexität im Gesundheitswesen erfordert ein erhöhtes Maß an Kompetenzen aller Pflegepersonen, um in Pflegesituationen Lösungsansätze auf Basis kritischen und reflektierten Denkens zu entwickeln. Das Simulationstraining wird dem gerecht und ermöglicht den Studierenden einen sanften Übergang von Theorie zur Praxis.

Die Umsetzung erfolgte am Institut Gesundheits- und Krankenpflege der FH JOANNEUM mit der Errichtung eines Skills-Lab ("high fidelity patient simulation").

 

Alle Lehrveranstaltungen der Gesundheits- und Krankenpflege werden in Anlehnung an das Modell des „Circle of Learning“ und dem didaktischen Konzept des Cognitive Apprenticeship aufgebaut. Die Vermittlung der Inhalte findet in Vorlesungen und Skills-Trainings anhand der Nursing Anne statt, welche dann in Simulationsszenarien vertieft werden. Die Komplexität der Lernszenarien steigt mit der Kompetenzentwicklung der Studierenden stetig an.

 

Der Einsatz und die Arbeit mit dem computerbasierten Equipment im Rahmen der Simulation trägt maßgeblich zu einer für die Pflege unverzichtbaren technischen Kompetenzentwicklung bei. Zukunftsperspektiven am Institut liegen in der Erweiterung von Simulationsräumlichkeiten und Integration anderer Disziplinen aus dem Gesundheitswesen in die Lernszenarien.

 

Mit der Entwicklung und Umsetzung des Schwerpunktes Simulation in der pflegerischen Ausbildung werden erste Bestrebungen gesetzt, um den internationalen Standards gerecht zu werden.

Nähere Beschreibung des Projekts

1. Definition und Hintergrund von Simulation

Die steigende Komplexität im Gesundheitswesen erfordert ein erhöhtes Maß an Kompetenzen aller Pflegepersonen, um in Pflegesituationen Lösungsansätze auf Basis kritischen und reflektierten Denkens zu entwickeln (Adib-Hajbaghery and Sharifi, 2017). Um diesen Herausforderungen adäquat begegnen zu können, kommt es zu vermehrtem Einsatz neuer Lehrmethoden.

Der Einsatz von lebensgroßen Simulationspuppen begann ab dem Jahr 1911 und gewann in den 1950er-Jahren in vielen Ländern an Popularität. Zu dieser Zeit wurden erste Belege dafür gefunden, dass diese Lehr- und Lernmethode einen optimalen Theorie-Praxis-Transfer der Auszubildenden ermöglichen kann (Roberts and Greene, 2011).

 

Die Implementierung der Simulation als Lehr- und Lernmethode vermag die Studierenden zu aktivem Lernen und kreativem Denken anzuregen sowie ein hohes Maß an Problemlösungskompetenz für die Praxis zu entwickeln (Bland et al., 2011; Roberts and Greene, 2011). Immer häufiger wird in der Literatur die Relevanz von aktivem Beobachten und Zuhören in Zusammenhang mit reflektiertem Denken genannt (Roberts and Greene, 2011). In der systematischen Literaturarbeit von Adib-Hajbaghery und Sharifi (2017) wurde festgestellt, dass Simulationstraining im Gesundheitswesen die Analyse- und Synthesefähigkeit von Studierenden der Gesundheits- und Krankenpflege positiv beeinflusst. Das von Benner (1984) entwickelte Kompetenzmodell spricht im dritten Stadium von einem Übergang vom Beobachter zum Praktiker. Der Übergang wird durch diese Lehr- und Lernform unterstützt, indem die Studierenden Skills in der Theorie erwerben und diese anschließend im geschützten Rahmen anhand von praxisnahen Lernszenarien umsetzen (Roberts and Greene, 2011; Thomseth et al., 2008). Obwohl Simulation den tatsächlichen Patientenkontakt nicht ersetzt, ermöglicht es den Studierenden, praktisches und theoretisches Wissen vor dem klinischen Einsatz zu festigen (Miller and Bull, 2013).

 

Das Modell der simulationsbasierenden Lehre gliedert sich laut Nyström et al. (2016) in drei Phasen – diese sind Briefing, Durchführung und Debriefing. In der Phase des Briefings erhalten die Lernenden Informationen zum simulierten Szenario und dem technischen Equipment. Die zweite Phase stellt die eigentliche Simulation dar, bei der die Studierenden das Szenario praktisch bearbeiten. Das Debriefing stellt die dritten Phase dar und beinhaltet die Reflexion und Nachbesprechung des zuvor stattgefundenen Szenarios (Nyström et al., 2016).

 

Ziel des Simulationstrainings ist es, den Studierenden einen sanften Übergang von Theorie zur Praxis zu ermöglichen, um ein sicheres Ankommen im praktischen Feld zu gewährleisten. Es ist nötig, den Fokus in der Ausbildung weg von klassischen Unterrichtsformen hin zu einem aktivierenden und studentenzentrierten Lernprozess voranzutreiben.

 

2. Simulation als Lehr- und Lernmethode

Miller und Bull (2011) führten in ihrer qualitativen Studie Interviews mit akademischen Pflegepädagoginnen und Pflegepädagogen durch, um Faktoren zu identifizieren, welche die Umsetzung der Simulation in der Lehre beeinflussen. Laut den beiden Autoren ist die Überzeugung der Lehrenden entscheidend, um Simulation auf einer Hochschule umzusetzen. Ebenso wichtig ist eine fundierte Schulung des Lehrpersonals. Unter anderem erschwert die steigende Anzahl an Studierenden die Umsetzung von praktischen Lernsequenzen, da sowohl die passenden Räumlichkeiten als auch das geschulte Personal häufig fehlen (Wickers, 2010).

Simulationstraining kann mit einer Theatervorstellung verglichen werden: Traditionell gibt es einen Ort, an dem die Simulation selbst stattfindet – die Bühne – einen Raum, von dem aus die Zuseher beobachten und einen dritten Ort, an dem die Lehrperson die Technik bedient und die Eckpunkte aufgezeichnet werden. Die Lehrperson hat dabei die Aufgabe im Vorfeld eine der Realität entsprechende Kulisse zu gestalten, dies ist essenziell, um den tatsächlichen Lernerfolg zu erreichen (Roberts and Green, 2011).

Besondere Bedeutung für den Lernprozess muss der Phase des Debriefing zugemessen werden (Nyström et al., 2016). Das Debriefing stellt ein kritisch reflektierendes Gespräch dar, welches ermöglichen soll, Einblicke in die Denk- und Sichtweisen aller mitwirkenden Personen zu gewinnen (Cheng et al., 2014). Es gibt allen Beteiligten die Möglichkeit, die gesamte Situation zu reflektieren und aktiv zu lernen. Dabei wird nicht nur die Fach- und Methodenkompetenz vertieft, sondern auch die soziale Kompetenz erweitert (Wickers, 2010).

 

Nyström et al. (2016) und LeFlore et al. (2016) sehen es als unabdingbar, Debriefing gemeinsam mit anderen Professionen im Gesundheitswesen durchzuführen, nicht zuletzt, um den komplexen Anforderungen in der Zusammenarbeit im Klinikalltags gerecht zu werden. Des Weiteren verbessern sich Problemlösungsstrategien und die beteiligten Berufsgruppen werden sich im Rahmen der Simulation ihrer Tätigkeitsbereiche bewusst (Nyström et al., 2016).

 

Wickers et al. (2010) definieren Schlüsselpunkte für ein Debriefing:

• Die Lehrenden fungieren als Vermittler und müssen eine anregende Lernumgebung schaffen.

• Die Lernenden sollen sich frei fühlen hinsichtlich der Möglichkeit Gedanken, Kommentare, Emotionen und Unklarheiten ausdrücken zu können und darüber zu diskutieren.

• Debriefing analysiert die vorangegangene Situation in der Simulation sorgfältig und ermittelt im Kollektiven den besten Weg, wie dabei gehandelt werden soll.

Debriefing als Teil des simulationsgestützten Lernszenarios erhöht das Vertrauen von Studierenden der Gesundheits- und Krankenpflege in Bezug auf ihre Arbeit am „echten“ Patienten. Es bietet ein Forum, ihre eigenen Erfahrungen zu reflektieren und aus ihren Fehlern zu lernen (Dufrene and Young, 2014).

 

Besonderer Wert muss auf eine möglichst realistische Simulationsumgebung gelegt werden, ansonsten kann sich der Lernerfolg stark reduzieren. Studierende können sich nicht auf die Situation einlassen und die Situation bleibt irreal (Roberts and Greene, 2011; Bland et al. 2014). Eine weitere Grundvoraussetzung zur Gewährleistung des Erfolges ist ein technisch reibungsloser Ablauf, sodass das pflegerische Handeln im Mittelpunkt steht und nicht durch technische Probleme überlagert wird (Roberts and Greene, 2011). Der Simulationspatient soll als lebensechter Patient angesehen werden, eine dementsprechende Interaktion und Kommunikation aller Beteiligten ist unerlässlich (Roberts and Greene, 2011).

 

3. Umsetzung am Institut Gesundheits- und Krankenpflege in Graz

Die Errichtung eines Skill-Labs mit der Möglichkeit der Simulation an der FH JOANNEUM Studiengang „Gesundheits- und Krankenpflege“ erfolgte zeitgleich mit dem Start des Studiums im September 2016. Die Lehrenden am Studiengang wurden mit dem Handling der Nursing Anne vertraut gemacht und erwarben in mehrtägigen Modulen die Kompetenzen zum gezielten Einsatz von Skills-Trainings und Simulation in der Lehre. Die Fort- und Weiterbildung des Hochschulpersonals in diesem Kontext stellt neben der Implementierung einen stetig fortlaufenden Prozess dar. Schon im Wintersemester 2016 wurden erste Lernszenarien in Form der Simulation mit den Studierenden umgesetzt. Der Schwierigkeitsgrad und die Komplexität der Lernszenarien steigen mit der Kompetenzentwicklung der Studierenden stetig an. Das Simulationstraining stellt somit einen fixen Bestandteil in der theoretischen und praktischen Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege dar.

 

Didaktischer Hintergrund

Am Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege der FH JOANNEUM werden alle Lehrveranstaltungen aus dem Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege in Anlehnung

an das Modell des „Circle of Learning“ aufgebaut. Dabei werden die Inhalte in Form von Vorlesungen vermittelt und durch anschließendes Skills-Training anhand der Nursing Anne vertieft. Das erworbene Wissen und die praktischen Skills werden in der nächsten Stufe im Rahmen von Simulationsszenarien umgesetzt.

Die Studierenden können sich mithilfe der Simulation auf die klinischen Praktika vorbereiten, in dem sie auf reale pflegerische Situationen treffen. In der Pflegepraxis gesammelte Erfahrungen werden wiederum in das fortlaufende Training eingebracht und reflektiert. Somit findet eine ständige Optimierung der Handlungskompetenzen der Studierenden im Kreislauf des Lernens mit Hilfe der Simulation statt.

Als beeinflussend für die Implementierung der Simulation vor Ort erweist sich auch das didaktische Konzept des Cognitive Apprenticeship, beruhend auf dem Konstruktivismus. Im Sinne dieses Konzepts werden berufsbezogene Lernsituationen gestaltet, die vom Hochschulpersonal bewusst geplant und umgesetzt werden, um Verknüpfungen von kognitiven, praktischen und affektiven Lernvorgängen zu gewährleisten. Im Rahmen der Lehrveranstaltungen der Gesundheits- und Krankenpflege wurden die sechs Schritte Modeling, Coaching, Scaffolding und Fading, Articulation, Reflection, Exploration eingeführt.

Die praktische Umsetzung erfolgt am Studiengang in den oben genannten Schritten, wobei Reflection und Exploration in die letzte Phase der Simulation, dem Debriefing, zugeordnet werden. Die Studierenden erwerben nachhaltig ein bestimmtes Handlungsrepertoire, indem sie ihre Reflexions- und Transferfähigkeit verbessern und trainieren. Sie sind in der Lage, kognitive, psychomotorische und affektiv-motivationale Verknüpfungsleistungen herzustellen, zu verbalisieren und zu begründen (Schewior-Popp, 2014).

 

Ziele für Studierende

Die Studierenden führen einfache pflegerische Tätigkeiten anhand der Simulationspuppen durch und festigen diese. Am Ende des 6-semestrigen Studiums sind sie in der Lage, mit Hilfe von entsprechenden Lernszenarien komplexe Fallbeispiele zu lösen. Neben der Stärkung der beruflichen Handlungskompetenz wird vor allem die Reflexionsfähigkeit durch das anschließende Debriefing erweitert. Der Einsatz und die Arbeit mit dem computerbasierten Equipment im Rahmen der Simulation trägt maßgeblich zu einer für die Zukunft der Pflege unverzichtbaren technischen Kompetenzentwicklung bei (Roberts and Greene, 2011).

 

Ziele für Lehrende

Die Lehrenden des Studienganges erstellen zu unterschiedlichen Themen der Gesundheits- und Krankenpflege adäquate Lernszenarien, setzen diese mit den Studierenden praktisch um und führen ein Debriefing durch. Prüfungen werden zukünftig in Form von Simulationen abgehalten und das multiprofessionelle Versorgungsteam in die Lernszenarien integriert, um das Lernen in multidisziplinären und interprofessionellen Teams zu verbessern (LeFlore and Thomas, 2016).

Die Utstein Formel (2013) beinhaltet die Faktoren „Medical Sience“ „Educational Efficiency“ und “Local Implementation“, welche sich auch in der Umsetzung der Simulation wiederfinden. Sie stellt eine Kombination aus medizinischer Wissenschaft und hochwertiger Bildung dar. Die Utstein Formel sagt aus, dass eine Anwendung der oben genannten Faktoren eine Erhöhung der Überlebensrate bei Reanimationen zur Folge hat.

Die Überlebensrate kann jedoch nicht als einzig messbares Outcome im Kontext des pflegerischen Handelns verstanden werden. Aufgrund der Komplexität des pflegerischen Handlungsfeldes und des sozioökonomischen Hintergrundes ist es unabdingbar, Parameter zu entwickeln, um den Benefit von Simulation in der Ausbildung der Gesundheit- und Krankenpflege messbar zu machen. Neben einer erfolgreichen Implementierung von Simulation wird es auch Ziel sein, die entsprechenden Parameter zu deduzieren (Søreide et al., 2013).

 

Ausblick

Zukunftsperspektiven liegen in der Errichtung eines Simulationszentrums mit weiteren adäquaten Räumlichkeiten und entsprechender Erweiterung medialer Vernetzung. Das Angebot der Simulation soll zukünftig als Teil des Transferzentrums ausgebaut und zur Verfügung gestellt werden. Die geplante Integration anderer Disziplinen aus dem Gesundheitswesen in die Lernszenarien sowie in das Transferzentrum bedeutet eine Förderung der multidisziplinären Zusammenarbeit.

Wie in der Einleitung beschrieben, leistet die Implementierung des Skills Training und der Simulation einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssteigerung in der Ausbildung Gesundheits- und Krankenpflege im tertiären Bereich.

Der Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege, eingebettet in die FH JOANNEUM, zeigt mit der Entwicklung und Umsetzung des Schwerpunktes Simulation in die pflegerische Ausbildung erste Bestrebungen, den internationalen Standards gerecht zu werden.

 

Die Literatur ist bei den Autorinnen am Institut für Gesundheits- und Krankenpflege der FH JOANNEUM einsehbar.

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorstudium 1.- 6. Semester

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
2017
Kategorie: Digitale Lehr- und Lernelemente in Verbindung mit traditionellen Vermittlungsformen
Ansprechperson
Eva Mircic BSc MSc
Institut Gesundheits- und Krankenpflege FH Joanneum
+43 (0)664-80 453-8750
Nominierte Person(en)
Eva Mircic BSc MSc
Institut Gesundheits- und Krankenpflege FH Joanneum
Romana Eichelsberger BSc MEd
Institut Gesundheits- und Krankenpflege FH Joanneum
Mag. Kathrin Wiesner BScN
Institut Gesundheits- und Krankenpflege FH Joanneum
Lisa Groppenberger BSc MSc
Institut Gesundheits- und Krankenpflege FH Joanneum
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Infrastruktur/Lehrmaterialien
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften