CEU - Central European University Private University
Quellenstraße 51, 1100 Wien

Invisible University for Ukraine - Winter School

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Das Programm „Invisible University for Ukraine“ (IUFU) wurde im März 2022 von der Central European University als internationale akademische Notinitiative ins Leben gerufen und vom Open Society University Network finanziell unterstützt, es versteht sich als Ausdruck der Solidarität mit ukrainischen Wissenschafter*innen und Studierenden (die sich noch in der Ukraine aufhalten oder geflüchtet sind). Als Zertifikatsprogramm bietet es seither BA-, MA- und PhD-Studierenden aus der Ukraine ECTS-Punkte im Rahmen einer intensiven Lernerfahrung, zu der auch Vorlesungen und Mentoring gehören und die für ukrainische Studierende relevante Fragen aus einer transnationalen vergleichenden Perspektive behandelt.

Hauptziel des Programms ist es, die Studierenden näher an die internationale akademische Welt heranzuführen und sie mit der breit angelegten Diskussion über die Rolle der Ukraine im sich verändernden europäischen und globalen Kontext vertraut zu machen. Das Programm soll den bestehenden Online-Lehrbetrieb an ukrainischen Universitäten nicht ersetzen oder duplizieren, sondern unterstützen und in der bestehenden Notsituation dabei helfen, jene Lücken zu schließen, die durch die russische Militärinvasion entstanden sind.

Vor allem geht es um die Entwicklung von Mechanismen zur Schaffung institutioneller Synergien, die dem Brain Drain entgegenwirken und die Diaspora der Studierenden und Vertreter*innen des akademischen Lebens nicht nur noch weiter verstärken. Das Programm ist in hybridem Format konzipiert und besteht aus drei Komponenten: 1) thematische Vorlesungen (in den Geistes- und Sozialwissenschaften); 2) Gruppen- Mentoring (in Englisch und Ukrainisch); 3) Ausbau von Fertigkeiten (akademisches Englisch, akademisches Schreiben) und Unterstützung bei der Karriereplanung für die zukünftige Ausbildung. Derzeit sind 125 ukrainische Studierende als Programmteilnehmer registriert. (Weitere Informationen über die laufenden Programme finden Sie unter www.ceu.edu/non-degree/Invisible-University.

Hauptziel dieses Antrags ist es, die Initiative „Invisible University for Ukraine“ angesichts des anhaltenden Krieges für die kommenden Semester zu stabilisieren.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Das Programm „Invisible University for Ukraine“ (IUFU) wurde von der Central European University als internationale akademische Notinitiative der Solidarität mit ukrainischen Wissenschafter*innen und Studierenden (unabhängig davon, ob sie noch in der Ukraine leben oder geflüchtet sind) ins Leben gerufen, es wird seit März 2022 vom Open Society University Network finanziell unterstützt. Als Zertifikatsprogramm (mit ECTS-Punkten) für BA-Studierende und Graduierte (MA und PhD) aus der Ukraine bietet es seitdem (auch durch Vorlesungen und Mentoring) intensive Lernerfahrungen und stellt für ukrainische Studierende relevante Fragen in eine transnational vergleichende Perspektive.

Das Hauptziel des Programms ist es, die Studierenden auf eine tiefere Integration in die internationale Wissenschaft vorzubereiten und sie in die breite laufende Diskussion über die Rolle der Ukraine in sich verändernden europäischen und globalen Kontexten einzuführen. Das Programm soll die bestehende Online-Bildung an ukrainischen Universitäten nicht ersetzen oder duplizieren, sondern sie unterstützen und Nothilfe leisten, um die Lücken zu schließen, die durch die russische Militärinvasion entstanden sind.

Wichtig ist, dass es versucht, Mechanismen institutioneller Synergien zu entwickeln, die der Abwanderung von Fachkräften entgegenwirken und die ukrainische Studenten- und Akademikergemeinschaft lediglich noch weiter zerstreuen würden. Es ist in einem hybriden Format konzipiert.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The name of the project “Invisible University for Ukraine “ evokes the various nineteenth and twentieth-century underground and exile educational initiatives in Eastern Europe, as well as the tradition of Invisible Colleges formed after 1989 in the region. It is based on the experience gained through the on-going international initiative of academic solidarity with Ukrainian students and scholars that was initiated in March, 2022, at the Central European University. At the next stage, in the Fall semester of 2022/2023, the project will be developed through the intensive collaboration of Ukrainian scholars (both displaced and remaining in Ukraine) and German experts in East European and Ukrainian studies, with significant participation of several internationally prominent scholars. It will create a dynamic international academic space, and will offer four on-line courses dealing with the key problems of humanities and social studies on Ukraine in European and global contexts (in such fields as history, culture and heritage studies, political sciences and sociology) to Ukrainian students. It shall result in new approaches to teaching about Ukraine and Eastern Europe in transnational and comparative perspectives, and to further develop the emerging network of German, Ukrainian and international scholars working and teaching together on the key issue in humanities and social studies that will contribute to the sustainable reconstruction of university education in Ukraine.

 

Nähere Beschreibung des Projekts

Die IUFU Winter School wurde als Ergänzung zu den sieben Kursen der Invisible University in den Bereichen Geschichte, kulturelles Erbe, Gesellschaft, Recht und Politik konzipiert.

Die Winter School fand in Budapest statt, an einem Standort der CEU; es handelte sich Lehrveranstaltungen in Präsenz, was dazu beitrug, eine Gemeinschaft für die beteiligten Studierenden aus verschiedenen Regionen und Institutionen zu schaffen. Sie sollte auch einen Beitrag zu den Diskussionen darüber leisten, wie die Kriegserfahrungen aufgearbeitet und für einen erfolgreichen Wiederaufbau von Kultur und Gesellschaft nach dem Krieg genutzt werden können. Ein weiteres Ziel war es, auch jenseits der Kriegsberichterstattung einen Beitrag zur internationalen Sichtbarmachung der ukrainischen Sache zu leisten und der jungen Generation in diesem Zusammenhang eine Stimme zu verleihen.

Die Teilnehmer*innen stammten aus der Gruppe der IUFU-Studierenden. Die Kosten ihrer Reise, Unterkunft und Lebenshaltung wurden durch das Programm übernommen.

Aktueller thematischer Schwerpunkt der IUFU Winter School: Beweis und Wahrheit - Nachdenken über den Krieg in der Ukraine in einem globalen Kontext

Die Winter School befasste sich mit den zentralen intellektuellen Problemen, die durch den fortdauernden Krieg aufgeworfen werden, und mit den besonderen Herausforderungen, vor denen Studierende und Wissenschafter*innen in dem Bestreben stehen, in "Echtzeit" ablaufende Prozesse zu reflektieren, bei denen es sehr schwierig ist, kritische Distanz zu gewinnen, sei es existenziell oder historisch.

Wir gingen davon aus, dass es notwendig ist, Beweise zu sammeln und auszuwerten und Strategien zu entwickeln, um die Wahrheit auf mehreren Ebenen zu überprüfen und zu belegen - angesichts der Zerstörung des kulturellen Erbes, der Kriegsverbrechen, der russischen Propagandakampagnen, der anhaltenden gesellschaftlichen Prozesse wie Migration und Vertreibung, und auch angesichts der Komplexität nationaler und lokaler Identität. Diese Herausforderungen stellten eine enorme Belastung für alle Studierenden und Wissenschafter*innen dar, da sie unter extremem Zeitdruck standen und oft unter extrem schwierigen existenziellen Bedingungen litten. All dies wird durch den jüngsten technologischen Wandel mit seiner massenhaften Verbreitung digitaler Bilder und deren inhärenter Manipulierbarkeit, durch den Vormarsch von Big Data, die systematische Verbreitung von Fake News, die Fragmentierung des öffentlichen Raums und die Destabilisierung traditioneller demokratischer Institutionen zu einer noch brennenderen Problematik. Während es in den letzten Jahrzehnten eine Tendenz zur Relativierung der Wahrheit ebenso gab wie stetige Hinweise auf die unvermeidliche Situiertheit und Subjektivität der jeweiligen Sprecher*in und der jeweiligen Behauptung, wirft der fortdauernde Krieg notwendigerweise wieder Fragen auf, die mit der Überprüfung von Wahrheitsbehauptungen sowie der Vorlage und Bewertung von Beweisen zu tun haben, was uns dazu zwingt, mehr als nur die Unvereinbarkeit von Perspektiven zu registrieren.

In diesem Sinne luden wir Studierende und Lehrende ein, über diese Themen nicht nur zu debattieren, sondern aktive und innovative Strategien dazu zu entwickeln, wie ukrainische Kultur, Identität und institutionelle Praktiken angesichts dieser Herausforderungen studiert und aufgewertet werden können, und wie es gelingen kann, belastbare zivile und akademische Organisationen im Kontext des Krieges und des Wiederaufbaus nach dem Krieg zu schaffen und zu erhalten.

Unterrichtsmethodik

Der Kurs dauert sieben Tage und besteht aus fünf Hauptkomponenten:

  1. Thematische Vorlesungen und Diskussionen mit prominenten ukrainischen und europäischen Intellektuellen (darunter Volodymyr Paniotto, Tatiana Zhurzhenko, Oksana Mikheieva, Sonya Koshkina, Pablo de Greiff, Jane Rogayska, Ivars Ijabs).
  2. Studierendenworkshops.
  3. Besuche bei Institutionen und Gruppen, die eine wichtige Rolle in der Verteidigung der Menschenrechte und in der Erhaltung einer alternativen Öffentlichkeit unter dem Druck des autoritären Regimes in Ungarn und in andern Ländern spielen.
  4. Kurzexkursionen zu politischen Gedenkstätten zur Diskussion darüber, wie die Vergangenheit in Denkmälern gespiegelt wird, welche konkurrierenden Narrative entstanden sind usw.
  5. Filmvorführungen und Diskussionen zur Literatur.

Organisator*innen:

  • Lucija Balikić, Doktorandin, Central European University, Fachbereich Geschichte, Koordinatorin der Winter School;
  • Ostap Sereda, außerordentlicher Professor, Institut für Geschichte der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw und oftmaliger Gastprofessor CEU, Leiter der IUFU;
  • Vladimir Petrović, Lektor, Boston University, und Forscher, Institut für Zeitgeschichte, Belgrad;
  • Nazar Stetsyk, außerordentlicher Professor, Institut für Rechtstheorie und - philosophie, Nationale Iwan-Franko-Universität Lwiw;
  • Balázs Trencsényi, Professor der CEU, Fachbereich Geschichte, leitender Forscher Geschichte WG, CEU Democracy Institute;
  • Renáta Uitz, Professorin der CEU, Fachbereich Rechtswissenschaft, stellvertretende Leiterin des CEU Democracy Institute.

Nutzen und Mehrwert

Philanthropische Partner und Gastgeberuniversitäten sind auf den Plan getreten, um vertriebene Studierende zu unterstützen.

Dennoch können solche Aktionen angesichts beschränkter Kapazitäten und Ressourcen nur einer begrenzten Zahl von Personen helfen.

Darüber hinaus ist es für manche Studierende und Lehrende nicht möglich, anderswo hinzuziehen, weil sie persönliche, familiäre oder militärische Pflichten haben.

Angesichts der dringenden Bedürfnisse aller ukrainischen Studierenden hat die CEU zusammen mit ihren ukrainischen Partnern die „Invisible University for Ukraine“ ins Leben gerufen. Die IUFU bringt den Menschen, die zukünftig im Land an der Spitze stehen werden, die Möglichkeit, ihre tertiäre Ausbildung fortsetzen zu können —wo auch immer sie sich aufhalten — zu einem Zeitpunkt, da sie es am nötigsten brauchen.

Nachhaltigkeit

Nachhaltige Auswirkungen und Zukunftsaussichten

Das Projekt ist einerseits als dringende und „klinische“ Intervention gedacht, mit der den vom russischen Angriff betroffenen ukrainischen Bildungsinstitutionen, Wissenschafter*innen und Studierenden zumindest ein Teil der Belastung abgenommen werden soll, die auf ihnen liegt, andererseits soll auch eine pädagogische und infrastrukturelle Basis geschaffen werden, mit der in Zukunft auf gleichgelagerte Herausforderungen reagiert werden kann. Wir hoffen sehr, dass der Krieg bald zu Ende ist und die Studierenden in ihre Städte und an ihre Universitäten zurückkehren können, wir glauben aber auch, dass dieses Format während des Wiederaufbaus von Nutzen sein könnte und die institutionellen Netzwerke um die ukrainischen Einrichtungen, mit denen wir derzeit zusammenarbeiten, bereichern kann. Wir hoffen, in Zusammenarbeit mit anderen Fördereinrichtungen, darunter auch dem Open Society University Network, auch in Zukunft diese institutionellen Synergien nutzen zu können, um ähnliche Lehrgänge auch für andere Studierendengruppen zu entwickeln, die den Zwängen autoritärer Staaten ausgesetzt sind.

Ein potenzielles Risiko, vor dem alle solchen Initiativen nicht gefeit sind, ist die allgemeine Übersättigung mit Online-Kursen, die gegen Ende der COVID-Lockdowns spürbar war. Wir planen daher, hybride Modelle wie die IUFU Winter School fortzusetzen, anstatt auf reinen Onlineunterricht zu setzen; das ermöglicht den Studierenden und Lehrenden ein Begegnen und auch intensive gemeinsame Präsenzveranstaltungen.

Dissemination/Transfer

Die IUFU ist keine neue Universität, sondern ein neues universitäres Programm, das bestehende Infrastruktur nützt, um ukrainischen Studierenden Zugang zu tertiärer Bildung und einer Gemeinschaft von Kolleg*innen zu bieten. Über die IUFU setzen die Studierenden ihre Studien fort und schließen an ihren Heimatuniversitäten ab oder sammeln ECTS-Punkte, durch die sie in Zukunft auf den Wechsel an eine Universität außerhalb der Ukraine vorbereitet sind, wenn sie das in der Zukunft anstreben. Das Curriculum der IUFU ist nach einem Bottom-up-Ansatz gestaltet, der den Bedürfnissen und Ambitionen der jungen Ukrainer*innen entspricht.

Das Programm ist wird gemeinsam mit Vertreter*innen der ukrainischen akademischen Welt gelehrt und begründet eine Gemeinschaft des Peer Learning.

Die IUFU ist in den Traditionen der Bildung im Exil des 19. und 20. Jahrhunderts in Mittel- und Osteuropa verwurzelt. Der Name geht auf die „Invisible Colleges“ der 1980er und 1990er zurück, aus denen junge Führungspersönlichkeiten für eine neue, demokratische Ära hervorgingen.

Institutionelle Unterstützung

Finanzierung

Das Programm der IUFU wird von der CEU in Kooperation mit Partneruniversitäten in der Ukraine (Nationale Iwan-Franko-Universität Lwiw und Ukrainische Katholische Universität) und der EU (Imre Kertész Kolleg an der Universität Jena) umgesetzt. Sie wird seit ihrer Gründung vom Open Society University Network (OSUN) unterstützt, Ko-Finanzierung gab es im Herbst 2022 seitens des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Die Winter School wird von der John D. and Catherine T. MacArthur Foundation finanziell unterstützt.

Positionierung des Lehrangebots

Die Invisible University for Ukraine (IUFU) ist ein Zertifikatsprogramm, das ECTS-Punkte für BA-, MA- und PhD-Studierende aus der Ukraine anbietet. Die Initiative richtet sich an Ukrainer*innen deren Studium vom Krieg betroffen ist, unabhängig davon, ob sie in der Ukraine oder an einem Zufluchtsort leben. Der Name dieses transnationalen Solidaritätsprogramms erinnert an die verschiedenen Bildungsinitiativen des 19. und 20. Jahrhunderts im Untergrund und im Exil (wie die „fliegenden Universitäten“) in Osteuropa sowie an die Tradition der nach 1989 in der Region gegründeten Invisible Colleges.

Der in diesem Antrag näher ausgeführte Kurs ist die kürzlich abgehaltene IUFU Winter School, die vom 21.-28. Jänner 2023 aus organisatorischen Gründen in den Budapester Gebäuden der Central European University abgehalten wurde.

Links zu Social Media-Kanälen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
Susanne Hofmarcher
Central European University
+43 125230 7414
Nominierte Person(en)
Balázs Trencsényi
Central European University
Themenfelder
  • Diversität und Soziales
  • Kooperationen in der Lehre
  • Digitalisierung
  • Lehr- und Lernkonzepte
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften