"Werkstatt zur Psychotherapieforschung" - Angewandte Forschung in der Psychosomatik

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Mit der Lehrveranstaltung "Werkstatt zur Psychotherapieforschung", geleitet von Mag. Birgitta Schiller und Eva Wimmer MA, soll mit dem neuen Lehrinhalt und -design den Studierenden die praktische Durchführung eines eigenen Forschungsprojekts in der Kleingruppe nähergebracht werden. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der Psychosomatik und empirischen Forschungsmethoden.

Die Problematik, die sich längere Zeit im Magisterstudium der Psychotherapiewissenschaft stellte, war, wie es möglich gemacht werden konnte, einer großen Anzahl (ca. 70-80 pro Jahrgang) von Studierenden praktische und wissenschaftlich anschlussfähige Forschungsarbeit zu vermitteln. Zusätzlich sind viele der Studierenden nebenbei berufstätig, weshalb zeitliche Flexibilität in der Durchführung der Lehrveranstaltung notwendig ist. Auch der Arbeitsaufwand muss realistisch kalkuliert und individuell an die Möglichkeiten der Studierenden angepasst werden.

Besonders in der noch jungen Disziplin der Psychotherapiewissenschaft ist eine solide und fundierte wissenschaftliche Ausbildung wichtig, die gewährleisten kann, dass die Absolvent*innen ein aktives Interesse an Forschung und Wissenschaft aufweisen und so dazu beitragen, die Profession der Psychotherapie weiter zu entwickeln und/oder sich im Feld der Wissenschaft zu etablieren. Am Institut für Qualitative Psychotherapieforschung wird intensiv an Forschungsprojekten und der Weiterentwicklung der qualitativen Methodologie und Methoden für die Psychotherapiewissenschaft gearbeitet – meist mit einem Schwerpunkt im Kontext der Psychosomatik; das dadurch erworbene und erweiterte Wissen wird in der Lehrveranstaltung den Studierenden zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig tragen deren Projekte zur Erweiterung der Möglichkeiten und Entwicklung des Gegenstandes bei. Die „Werkstatt zur Psychotherapieforschung“ ist also gleichzeitig forschungsbezogene Lehre wie auch Motivation für die Studierenden, sich stärker mit Wissenschaft und Forschung auseinander zu setzen.

Mit dem neuen Design der Lehrveranstaltung ist es den Leiterinnen außerdem gelungen, für eine so große Anzahl von Studierenden qualitätsvolle Inhalte zu Forschungsdesign und –methoden für die anstehenden Abschlussarbeiten zu vermitteln, sowie die für eine wissenschaftliche Karriere wertvolle Form der Posterpräsentation näher zu bringen. Bisher ist die Lehrveranstaltung in diesem Format sehr gut aufgenommen worden und die Poster werden meist auch noch längere Zeit an der SFU ausgestellt.

Kurzzusammenfassung des Projekts

In der „Werksatt zur Psychotherapieforschung“ geben die Lehrenden in der ersten Einheit ein Thema aus der Psychosomatik vor, für das die Studierenden selbstständig Forschungsdesigns entwickeln und eine empirische Forschungsarbeit durchführen. Die Forschungsarbeit geschieht in der Kleingruppe, das Ziel ist die Erstellung eines wissenschaftlichen Posters und eines Endberichts. Bisherige Themen waren: Chronische Krankheiten (2019), Pandemie / digitale Körperlichkeit (2020), Schlaf (2021) und Zähne (2022). Qualitative und quantitative Methoden können zum Einsatz kommen, die Lehrenden unterstützen durch flexible Coachings im Forschungsprozess. Wenn möglich, werden für die Lehrveranstaltungen interne und fakultätsübergreifende Kooperationen von den Lehrenden organisiert. Im Wintersemester 2022/23 gab es beispielsweise eine Zusammenarbeit mit der Zahnklinik der SFU Wien, sodass die Studierenden das Thema „Zähne“ vor Ort beforschen konnten.

Die am Ende der Forschungsarbeit erstellten Poster werden von einer Jury aus internen und externen Expert*innen, der auch die Lehrenden angehören, bewertet. Dieses Jahr stand z.B. eine Zahnmedizinerin als Jurymitglied zur Verfügung, Herausgeber*innen von Fachzeitschriften waren bereits in der Jury vertreten ebenso wie die Leiterin des Instituts für Psychosomatik. Die Poster werden in einer abschließenden öffentlichen Veranstaltung präsentiert, in der ein kleines Rahmenprogramm geboten wird und die Prämierung des besten Posters stattfindet.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

In the first unit of the course "Workshop on Psychotherapy Research", the teachers present a topic from psychosomatic medicine, for which the students independently develop research designs and carry out empirical research. The research is done in small groups, the aim is to create a scientific poster and a final report. Previous topics have included: Chronic Diseases (2019), Pandemic/Digital Physicality (2020), Sleep (2021), and Teeth (2022). Qualitative and quantitative methods can be applied, and the teachers support the research process with flexible coaching. If possible, internal and cross-faculty cooperation is organized by the lecturers for the courses. In the winter semester 2022/23, for example, there was a collaboration with the dental clinic of the SFU Vienna, so that the students could research the topic "teeth" on site.

The posters created at the end of the research work are evaluated by a jury of internal and external experts, which also includes the teachers. This year, for example, a dentist was available as a jury member, publishers of specialist journals have already been part of the jury, as was the head of the Institute for Psychosomatic Medicine. The posters are presented in a final public event, in which a small supporting program is organised and the best poster receives an award.

Nähere Beschreibung des Projekts

Flexibilität, Effizienz und gute Forschung sind das Ziel der Lehrveranstaltung, das sich auch im Design und in der Durchführung zeigt. Anstatt – wie früher üblich – die Lehrveranstaltung als Blockveranstaltung an einem Wochenende abzuhalten, wird im neuen Design eine Einheit (2 Stunden) zu Beginn des Semesters und eine Einheit (3 Stunden) am Ende des Semesters abgehalten. In der Zeit dazwischen sind die Studierenden in ihren Forschungsgruppen selbständig tätig und holen sich Unterstützung von den Lehrenden, wenn sie sie benötigen. Selbständigkeit und eigenverantwortlicher Umgang mit Ressourcen – wie es im Forschungskontext besonders wichtig ist – werden so gelehrt.

Zusätzlich zur persönlichen Unterstützung mittels Coaching-Angeboten im Forschungsprozess gibt es eine Lehrplattform (Moodle), in der sich ausführliche Anleitungen und umfangreiche Literatur finden, die die Studierenden selbständig für ihre Forschungsarbeit nutzen können. Auch für die Erstellung der wissenschaftlichen Poster werden Links und Ressourcen aus dem Internet zur Verfügung gestellt, die sich die Studierenden ansehen und downloaden können, da die meisten von ihnen mit dieser Form der Ergebnispräsentation nicht vertraut sind. Grundsätzlich dürfen für die Lehrveranstaltung auch Poster abgegeben werden, die kreativer gestaltet sind, als bei einer Konferenz sonst üblich, wenn sie inhaltlich den Vorgaben entsprechen.

Der zeitliche Ablauf der Lehrveranstaltung gestaltet sich wie folgt:

  • 1. Einheit – Einführung in das Thema, Gruppenbildung
  • Zwei Wochen später – Abgabe eines Forschungsdesigns, schriftliches Feedback oder Forschungs-Coaching (bei Bedarf)
  • Vier Wochen später – Abgabe eines Zwischenberichts, schriftliches Feedback
  • In den Wochen darauf findet pro Gruppe ein verpflichtender Coaching-Termin statt, in dem der Fortschritt und der Status der praktischen Umsetzung des Projekts besprochen wird und Probleme thematisiert werden können. Auch die Gruppenprozesse und die Zusammenarbeit werden hier reflektiert.
  • Kurz nach den Weihnachtsferien werden die Poster erstellt und abgegeben, die Jury hat dann 1-2 Wochen Zeit, sich die Poster anzusehen und anhand vorgegebener Kriterien zu bewerten: Relevanz für die Weiterentwicklung von Theorie und Praxis der Psychotherapiewissenschaft, Design des Posters (Wissenschaftlicher Anspruch und Kreativität in der Umsetzung), Aktualität der Forschung, Forschungsdesign /-methoden
  • Danach werden die Poster gedruckt (bezahlt von der Universität) und in der Abschlussveranstaltung präsentiert. Dazu gibt es ein kleines Rahmenprogramm, die Veranstaltung wird Uni-weit angekündigt. Die Prämierung des besten Posters findet bei dieser Veranstaltung statt. Die Preisträger*innen bekommen die Möglichkeit, ihre Arbeit mit Unterstützung der Lehrenden zu überarbeiten, um sie als Artikel für eine Zeitschrift einzureichen.
  • Die Posterpräsentation dauert ca. 3 Stunden, die Studierenden und Besucher*innen besichtigen die Poster, die auf Stellwänden aufgehängt sind und diskutieren die Inhalte mit den Forschenden, die vor ihren Postern stehen. So wird bewusst eine Atmosphäre geschaffen, die einer Posterpräsentation auf einem wissenschaftlichen Kongress ähnelt. Außerdem erhalten die Studierenden von den Lehrenden finales Feedback für ihre Forschungsarbeit, die sie dann in den Endbericht aufnehmen können.

Für das Verfassen des Endberichts sind nach der Posterpräsentation noch zwei Wochen vorgesehen.

Das Lernen in diesem Prozess erfolgt durch das praktische, forscherische Handeln der Studierenden. Im Semester davor stehen die Lehrveranstaltungen zu Forschungsmethoden auf dem Lehrplan, die „Werkstatt zur Psychotherapieforschung“ ermöglicht es, die gelernten Inhalte in einem selbst entwickelten Projekt umzusetzen.

Als besonders sinnvoll und zielführend hat sich erwiesen, dass die Themen einerseits als grober Rahmen vorgegeben werden, die Studierenden innerhalb dieses Rahmens jedoch so frei wie möglich eigenständige Projekte entwickeln können. Die Lehrenden unterstützen so gut es geht, in diesem Entwicklungsprozess – wobei natürlich darauf geachtet wird, dass die Projekte realistisch und umsetzbar sind. Bei Schwierigkeiten mit dem Forschungsdesign oder mit der Umsetzbarkeit kann jederzeit adjustiert werden, ohne die grundsätzliche Erfahrung der eigenständigen Forschungsarbeit zu gefährden: Auch das Meistern von Hürden gehört zu einem Projekt.

Schwierigkeiten in der Gruppenzusammenarbeit und der Zeiteinteilung, der eventuell fehlenden Erfahrung mit der Anwendung von Methoden oder Problemen beim Zugang ins gewünschte Forschungsfeld werden als Lernerfahrungen genutzt und von den Leiterinnen im Coaching besprochen. Lösungen konnten bisher immer so gefunden werden, dass die Projekte erfolgreich abgeschlossen wurden – wenn auch nicht immer genau mit dem ursprünglich gewünschten Thema.

Die Lehrveranstaltung zeichnet sich durch einen hohen Grad an selbständig zu erarbeitenden Inhalten und Erfahrungslernen aus, auch wenn schriftliche Anleitungen für die einzelnen Arbeitsschritte, Literatur und persönliche Unterstützung gegeben sind. Der größte Teil der Forschungsarbeit findet individuell in der Kleingruppe statt und muss von den Studierenden organisiert werden. Die Abgaben und Coachings bilden nur einen groben Orientierungsrahmen, der allerdings notwendig für das gelingende Zeitmanagement der Kleingruppen ist. Für die – meistens – bald danach folgende Magisterarbeit machen die Studierenden so eine nicht zu unterschätzende Erfahrung.

Besonderen Wert legt die Lehrveranstaltung auf die Auswahl und die Anwendung von der Forschungsfrage entsprechenden Methoden der Datenerhebung und –analyse. Wissen über die entsprechenden Forschungsmethoden zeigt sich meist auf der theoretischen Ebene, da die empirische Forschung sonst im Studium nur in wenigen Lehrveranstaltungen im Zentrum steht.

Die zentrale Lernerfahrung in der „Werkstatt zur Psychotherapieforschung“ besteht hier darin, sich auch über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus zu wagen und neue Methoden und Herangehensweisen in einem sicheren Rahmen ausprobieren zu können. Methoden, von deren Existenz die Studierenden bisher zwar gehört hatten, die sie aber nur im Rahmen von Präsentationen oder Prüfungen wiedergeben mussten, können jetzt angewendet und ausprobiert werden. Für die Passung von Forschungsfrage, forschungspraradigmatischer Ausrichtung und gewählten Methoden von Datenerhebung und –analyse leiten die Lehrenden im Rahmen der Forschungscoachings und den schriftlichen Feedbacks an. Vor allem die Erkenntnis, dass es für die eigene Forschungsfrage eine Möglichkeit gibt, sie methodisch umzusetzen und dabei auch noch gute wissenschaftliche Arbeit zu leisten, motiviert die Studierenden immens und sorgt dafür, dass sie sich intensiv mit ihrer Aufgabenstellung befassen. Der Lerneffekt durch die aktive Anwendung neuer Methoden kann nicht unterschätzt werden. Da die Umsetzung der Forschungsarbeit in der Kleingruppe erfolgt, erarbeiten die Studierenden auch die Methodenpraxis selbständig, können sich aber jederzeit Unterstützung durch die LV-Leiterinnen holen. Für Fragestellungen, die komplexe statistische Verfahren erfordern, wird bei Bedarf Kontakt zu Expert*innen hergestellt, die besser unterstützen können.

Die Lehrveranstaltung begleitet jedes Jahr 15 bis 20 Kleingruppen durch den Forschungsprozess, eine Herausforderung auch für das Zeitmanagement der Lehrenden. Doch durch die flexible Einteilung und den Fokus auf das selbständige Arbeiten kann auch mit der großen Zahl an Studierenden eine qualitätsvolle wissenschaftliche Arbeit gewährleistet werden, die trotzdem den Anspruch an praxisorientiertes Lernen erfüllt.

Die Leiterinnen der „Werkstatt“ lernen gemeinsam mit den Studierenden immer wieder neue Kontexte und Fragestellungen der psychosomatischen Forschung kennen und zu beforschen. Sich auf immer neue und unerwartete Forschungsfragen einlassen zu müssen, die Studierenden dabei zu unterstützen, ihre eigenen Interessen bestmöglich verfolgen zu können und dabei darauf zu achten, dass die Qualität der Forschung gewährleistet bleibt, ist eine Herausforderung, die großen Nutzen auch für die eigene wissenschaftliche Arbeit bringt. Die Kreativität, mit der die Studierenden bisher die Projekte umgesetzt haben – auch während der Pandemie, als die Poster online präsentiert wurden – und die Qualität der Ergebnisse, bereichern sowohl das Methodenspektrum der Psychotherapieforschung wie auch die Forschungsarbeit der Lehrenden. Auf dieser Basis wird die Lehrveranstaltung jedes Jahr weiterentwickelt.

Nutzen und Mehrwert

Der Mehrwert ergibt sich vor allem daraus, dass für eine große Zahl von Studierenden eine qualitativ hochwertige Lehre mit starkem (Forschungs-)Praxisbezug geboten werden kann. Für die Lehrenden bedeutet die freie Zeiteinteilung der Coachings eine bessere Vereinbarkeit mit anderen Verpflichtungen und auch die Studierenden können so ihre Gruppenarbeiten besser mit anderen Bereichen des Lebens koordinieren.

Auch die Kooperation mit anderen Fakultäten oder Instituten der SFU (heuer der Zahnmedizin) stellt für die Universität einen großen Mehrwert dar, da sich so Synergien im Lehr- und Forschungsbetrieb ergeben können, die über die Lehrveranstaltung hinaus gehen.

Nachhaltigkeit

Das Projekt hat sich aus der bereits zuvor etablierten Verleihung des "Waltraud Wiesinger Forschungsförderpreises" an der SFU entwickelt, der seit 2016 vergeben wurde. Nach dem Tod von Waltraud Wiesinger wollten wir ein ähnliches Projekt weiterführen und haben uns entschieden, die Lehre in der "Werkstatt zur Psychotherapieforschung" dahingehend zu adaptieren. Auch ein Weiterbestehen der Lehre in der derzeitigen Form ist derzeit gesichert. Auch während der Pandemie hat sich die Umstellung auf online als gut möglich erwiesen - das Projekt ist also krisenerprobt und kann an sich verändernde Umstände angepasst werden.

Dissemination/Transfer

Ja, ein ähnliches Konzept wird auch in der Lehrveranstaltung "Forschungspraktikum II" umgesetzt. Allerdings handelt es sich bei den Studierenden im Forschungspraktikum um Bachelor-Studierende, die Anforderungen an die Umsetzung der Forschungsarbeiten sind daher an das Niveau angepasst. Die selbständige Arbeit und die Flexibilität bewähren sich auch dort - vor allem in Anbetracht steigender Studierendenzahlen eine wertvolle Möglichkeit, die Lehre weiterzuentwickeln.

Institutionelle Unterstützung

Die Druckkosten für die Poster werden von der Hochschulleitung übernommen, ebenso die Kosten für Bewirtung bei der Posterpräsentation. Die Hochschule stellt einen großen Hörsaal für die Abschlusspräsentation zur Verfügung und es finden sich immer wieder genügend Freiwillige, die als Expert*innen in der Jury fungieren. Besonders freut uns die Bereitschaft der Dekanin (Prof. Jutta Fiegl), sich zu beteiligen.

Positionierung des Lehrangebots

Masterstudium, 3. Jahr

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Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Eva Wimmer MA
Institut für Psychosomatik, Insitut für qualitative Psychotherapieforschung
+4369910707240
Nominierte Person(en)
Eva Wimmer MA
Institut für Psychosomatik, Insitut für qualitative Psychotherapieforschung
Mag. Birgitta Schiller
Institut für Psychosomatik, Insitut für qualitative Psychotherapieforschung
Themenfelder
  • Erfahrungslernen
  • Flexibel Studieren
  • Forschung/EEK geleitete Lehre
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Wissenschaftliche (Abschluss)Arbeiten
  • Wissenschaftsvermittlung
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften