Kunst, Kultur und Identität im zweisprachigen Raum Kärntens (Seminar mit Exkursion)

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ziel dieser seit 2017 an der Pädagogischen Hochschule Kärnten (PHK) angebotenen LV ist es, Studierende des Studiums Primarstufe mit der besonderen Situation bezogen auf Kärntens Zweisprachigkeit als auch der Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im grenznahen Alpen-Adria-Bereich zu sensibilisieren. Dies erfolgt durch wissenschaftsbezogene Auseinandersetzung mit themenbezogenen Aspekten aus den Geistes- und Kulturwissenschaften und Sozialwissenschaften (Geschichtswissenschaft, Sozialpsychologie, Erziehungswissenschaft, Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft, Soziologie) als auch mit der diskursiven Bearbeitung von Beispielen aus Kunst, Literatur und Film zu diesem Thema. Die historisch gewachsene Zweisprachigkeit Kärntens im Spiegel der historisch gewachsenen Mehrsprachigkeit und Multikulturalität des Alpen-Adria-Raumes zu beleuchten, bietet einen vielfachen Mehrwert – wenn dies strukturiert, von aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen forschungsgeleitet und explizit inter- und multidisziplinär geschieht. Dabei kann die Gegenwart sowohl mittels Literatur, Kunst und Kultur als auch über die Wissenschaft gewissermaßen neu betrachtet werden, was dazu beitragen kann, dass junge Menschen ihre eigene regionale Umgebung auf neue Art und Weise erfahren.

Die Themenbreite rund um Kärntens historisch gewachsene Zweisprachigkeit fand im vergangenen Jahrhundert vielfach ihren Ausdruck in Konflikten, wie etwa dem Volksgruppenkonflikt allgemein, dem Ortstafelstreit ab 1972 und später erneut ab 2001, dem Schulstreit um das Minderheitenschulwesen in den 1980er Jahren.

Auch die zwangsweise Aussiedelung von annähernd 1000 Kärntner slowenischen Familien im Nationalsozialismus und die Verschleppung von etwa 200 KärntnerInnen, die von den Partisanen der Kollaboration bezichtigt wurden, haben psychische und traumatische Spuren hinterlassen.

Jungen Studierenden sind diese Themen – sofern nicht innerhalb der Minderheit der Kärntner SlowenInnen sozialisiert – vielfach bereits schwer zugänglich und unverständlich. Dennoch sind die konfliktreichen und unbearbeiteten Themen auf unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaft präsent. An der PHK, die auch für die Ausbildung von zukünftigen Lehrpersonen für den zweisprachigen Unterricht und nicht Slowenisch sprechenden „TeamlehrerInnen“ gemäß dem Kärntner Minderheitenschulwesen verantwortlich ist, zeigt sich die Emotionalität der Themen u.a. nicht selten anhand von Vorurteilen, Stereotypen und gegenseitigem Unverständnis. Dies führt dazu, dass auch die migrationsbedingte Heterogenität und Vielfalt in Kärnten eher kritisch gesehen werden. Die LV setzt genau hier an und bearbeitet diese Themen sensibel und diskursiv aus unterschiedlichen Zugängen und Blickwinkeln. Die Emotionalität der Thematik wird genutzt, um den TeilnehmerInnen zu individuellen Erkenntnissen zu verhelfen. Die heterogene Gruppenzusammensetzung (Kärntner SlowenInnen, „Mehrheitsbevölkerung“, Studierende mit Migrationshintergrund) trägt ihres dazu bei.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Im Zentrum der Lehrveranstaltung — und so ist es auch in den Bildungszielen definiert — steht die Auseinandersetzung mit Fragen der Zwei- und Mehrsprachigkeit und der damit einhergehenden Multi- oder Transkulturalität und Heterogenität (sowie Mehrheiten- und Minderheitenverhältnisse) in gegenwärtigen Gesellschaften am praktischen Beispiel Kärntens und des grenznahen Alpen-Adria Raums. Die für diesen Preis eingereichte Lehrveranstaltung sticht durch ihre explizite forschungsgeleitete und emotional-diskursive Herangehensweise, durch die angeleitete themenzentrierte Partizipation der Studierenden, durch eine ganztägige Exkursion in den grenznahen Bereich und die Kooperationen mit AkteurInnen aus Kunst, Kultur, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft als auch der expliziten Bearbeitung von themeneinschlägiger Literatur und Medienprodukte heraus. Dieser abwechslungsreiche Methodenmix scheint geeignet, um der Vielschichtigkeit und Tiefe der Thematik gerecht zu werden. Ein besonderer Fokus der LV liegt in der Schnittmenge der zu bearbeitenden Themen bis hin zur gegenwärtigen, migrationsbedingten Vielfalt – die historisch gegebene Diversität autochthoner Volksgruppen in Österreich wird im Spiegel der migrationsbedingten Diversität betrachtet (und umgekehrt).

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The main topic of the seminar is the examination of questions of bilingualism and multilingualism and the associated multi- or transculturality and heterogeneity (as well as majority and minority relations) in contemporary societies using the practical example of Carinthia and the Alps-Adriatic region close to the border (what is also defined in the educational objectives of the curriculum). The submitted course stands out through its explicit research-led and emotional-discursive approach, through the guided topic-centred participation of the students, through a full-day excursion to the border area and the cooperation with actors from art, culture, society, politics and science as well as the explicit processing of literature and media products relevant to the topic. This varied mix of methods seems suitable to do justice to the complexity and depth of the topic. The special focus of the course lies in the intersection of the topics dealt with and the current migration-related diversity - the historically given diversity of autochthonous ethnic groups in Austria is viewed in the mirror of migration-related diversity (and vice versa).

Nähere Beschreibung des Projekts

Im Rahmen der Lehrveranstaltung sollen sich Studierende laut Curriculum (wie auch in der LV-Beschreibung angegeben) mit unterschiedlichen Aspekten von Identitäten am Beispiel von Kunst, Kultur und Kommunikation im zweisprachigen Raum Kärntens, regionalen, sozialen und kulturellen Ausdrucks- bzw. Lebensformen und literarischen, bildnerischen, musikalischen, historischen, kulturellen Besonderheiten und deren Auswirkung auf die Identitätsbildung von Menschen auseinandersetzen. Mit im Fokus stehen dabei die historischen Bedingungen und gegenwärtigen Entwicklungen im zweisprachigen Kärnten und dem mehrsprachigen, multikulturellen Alpen-Adria-Raum, sowie kulturelle Einflüsse auf zwei- und mehrsprachige Erziehung und Bildung und der Begriff der kulturellen Hegemonie und deren Wirkungen. Damit verbunden sind auch Themen migrationsbedingter Mehrsprachigkeit.

Absolventinnen und Absolventen der Lehrveranstaltung sollten in der Lage sein, sich mit Fakten und historischen Daten, die mit dem Thema „Zweisprachigkeit und Identität“ in Verbindung stehen, reflektierend und vergleichend auseinanderzusetzen. Sie sollten erkennen, welche destruktiven Auswirkungen eine Politik der kulturellen Hegemonie und eine Politik der gesellschaftlichen Homogenisierung in historisch gewachsenen multikulturellen Räumen mit sich führen kann. Die Auseinandersetzung mit (mehrsprachigen) Texten, Musik und Kunst sind folglich bedeutender Bestandteil der Lehrveranstaltung. Die offene Konzeption der LV erlaubt es ausdrücklich, auch aktuelle Themen aufzugreifen und zu bearbeiten, wie z.B. im Sommersemester 2022 der 80. Jahrestag der zwangsweisen Aussiedlung Kärntner slowenischer Familien von ihren Heimathöfen im April 1942.

Die im Sommersemester 2022 abgehaltene Lehrveranstaltung wurde auf Basis der curricularen Inhalte wie folgt geplant und konzipiert:

  • Klärung des Rahmens der Lehrveranstaltung.
  • Die StudentInnen wurden zunächst mittels Diskussionen, Reflexionen und konkreten Fragestellungen mit dem Thema konfrontiert, wodurch für die Lehrveranstaltungsleitungen ein klares Bild entstand, auf welcher Wissensbasis bzw. Grundlage von Seiten der Studierenden weitergearbeitet werden konnte.
  • Die Studierenden wurden in das literarische Werk „Engel des Vergessens“ von Maja Haderlap und dessen Bedeutung im historischen, bildungspolitischen und pädagogischen Kontext eingeführt (mit Klärung der eindeutigen Prüfungsrelevanz dieser Lektüre).
  • Filmvorführung „Immer noch Koroška“ (Kurzfilm/2021/30min/AT, Regie und Drehbuch: Katharina Brunner, Nils Kaltschmidt) und anschließende vertiefende Diskussion mit der Regisseurin Katharina Brunner. Der Film thematisiert laut Eigenangaben des Produktionshauses die vielen Arten, heute „kärntner-slowenisch“ zu sein, den Verlust von Sprache und Diversität und den Kampf, sie nicht gänzlich zu verlieren und Konflikte rund um die Wertschätzung und das Prestige der Zweisprachigkeit in Kärnten/Koroška. Die Diskussion mit der Regisseurin, die dafür eigens aus Wien angereist war, bot den Studierenden der LV eine zusätzliche Möglichkeit, die komplexe und vielschichtige Thematik historisch und gegenwärtig besser zu verstehen.
  • Es folgten literarische Inputs. Die StudentInnen wurden mittels ausgewählter Beispiele in das Schaffen der Kärntner (slowenischen) LiteratInnen Andrej Kokot, Anton Kuchling und Milka Hartman eingeführt. Auch weitere Texte der Bachmannpreisgewinnerin Maja Haderlap wurden vorgestellt. Eine persönliche literarische Begegnung gab es in der Lehrveranstaltung mit der Live-Lesung und einer anschließenden vertiefenden Diskussion mit dem zwei- und mehrsprachigen Kärntner Literaten Stefan Feinig. Eigens gleichzeitig anwesend als Diskutant war der Literaturwissenschafter und Literat Dominik Srienc vom Klagenfurter Musilinstitut, der eine kritische Metaperspektive bot. In der Diskussion mit den Studierenden boten die beiden Autoren auch persönliche Reflexionen zu den Themen zwei- und mehrsprachige Erziehung und Bildung. Diese Einheit fand hybrid – in verpflichtender Präsenz für die Studierenden und mit Zoom-Teilnahme für die externen Gäste – statt.
  • Zum Thema Umgang mit Erinnerungskultur(en) in Kärnten/Koroška fand in der Lehrveranstaltung auf Basis einer wissenschaftlichen Lektüre eine Analyse der medialen Berichterstattung zum 80. Jahrestag der Deportation von Kärntner SlowenInnen im April 1942 statt (siehe eine Auswahl der analysierten Medienberichte im Anhang). Dieser LV-Termin war bewusst für Ende April 2022 angesetzt. Die Studierenden befassten sich im Detail mit der Genese unterschiedlicher Erinnerungskulturen im grenznahen Alpen-Adria-Raum. Auch eingeschränktere Möglichkeiten und Zugänge von Minderheiten zum „kulturellen Gedächtnis“ einer Nation wurden dabei thematisiert, im Vergleich zu dominant hegemonialen Erinnerungskulturen im Alpen-Adria-Raum. Es folgte zu diesem thematischen Bereich eine (aktive) Teilnahme aller LehrveranstaltungsteilnehmerInnen an einer Diskussion an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU) zum Thema „Zivile Konfliktbearbeitung am Beispiel von Mikro- und Makrogeschichte/n im Alpen-Adria-Raum“. In Kooperation der beiden LehrveranstaltungsleiterInnen mit Lehrenden der Universität Klagenfurt/Celovec wurde die Zusammenführung von Studierenden der AAU und der PHK in eine Diskussion mit externen Gästen aus den Bereichen Gesellschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft zu aktuellen Themen der kulturellen Vielfalt im Alpen-Adria-Raum als interessante Bereicherung erfahren.
  • Es folgten geführte Kurzexkursionen zu Klagenfurter Institutionen der Zweisprachigkeit: Verlag und Institution Mohorjeva/Hermagoras, Zweisprachiger StudentInnenklub KSŠŠK, Posojilnica Bank, Buchladen Haček (mit freiwilligem Abschluss im zweisprachigen "Paulus Café"). Alle Exkursionen fanden in Zusammenarbeit mit Verantwortlichen der genannten Institutionen statt, die auch zur vertiefenden Diskussion zur Verfügung standen. (Anmerkung: Für die Mehrheit der Studierenden waren die Institutionen zuvor unbekannt.)
  • Ein besonderer Höhepunkt der Lehrveranstaltung war die ganztätige Exkursion in den zweisprachigen Süden Kärntens mit folgenden Programmpunkten: Besuch und Kooperation mit dem Kulturhaus "Pri Cingelcu na Trati" bei Ferlach/Borovlje, Besuch zweisprachiger Bildungsinstitutionen in Ferlach/Borovlje: zweisprachige Musikschule, Kindergarten und Hort "Jaz in Ti / Du und Ich", Hospitation in der zweisprachigen Montessori Kindertagesstätte für 1- bis 3-Jährige in Ferlach/Borovlje und anschließende kritische Diskussion mit der Leiterin der Einrichtung. Weiters gab es eine geführte Exkursion am Gelände des ehemaligen KZ am Loibl/Ljubelj auf österreichischer und slowenischer Seite sowie einen Besuch des ehemaligen Gestapo-Gefängnisses und heutigen "Geiselmuseums" – "Muzej Talcev" in Begunje bei Tržič in Slowenien.
  • Die ganztägig geführte Exkursion diente einerseits der Erweiterung des Wissens über pädagogische und kulturelle Konzeptionen im zweisprachigen Bereich sowie über Hintergründe und historische Begebenheiten. Als Lehrveranstaltungsprinzip dienten Diskussionen, Erörterung von Fragen, Reflexionen und die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Texten sowie deren Bedeutung für die Gegenwart.
  • Die gesamte Lehrveranstaltung wurde mit einer kritischen Reflexion zur Lektüre „Engel des Vergessens“ von Maja Haderlap (das Lesen des Romans war Teil der Leistungserfordernisse) in einem eigenen Lehrveranstaltungstermin abgerundet. Diesem inhaltlichen Aspekt galt auch ein besonderer Teil bei der abschließenden Prüfung zur LV.

Zusammenfassung:

In alle genannten bearbeiteten Themen flossen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse ein, worunter beispielsweise zu nennen ist, dass der Lehrveranstaltungsleiter durch sein wissenschaftliches Netzwerk im Alpen-Adria-Raum im Bereich der ethnischen Thematiken und Erinnerungskulturen viele aktuelle Erkenntnisse mit den Studierenden in der Lehrveranstaltung kritisch reflektieren konnte. Die Lehrveranstaltungsleiterin ist durch ihr ehrenamtliches Engagement und ihr Interesse im Bereich der Kunst und Kultur in Kärnten/Koroška, sowie durch ihre jahrelange Tätigkeit als Sekundarstufenlehrende in den Bereichen der zwei- und mehrsprachigen Literatur und Kultur sehr fundiert, was ebenfalls zur Qualität der LV beitrug. Durch den deutlichen Fokus auf Literatur, Kunst und Kultur und damit einhergehende Metaperspektiven ist zu nennen, dass die Lehrveranstaltung eindeutig als forschungsbasierte und forschungsorientierte, auf die Erschließung der Künste, ausgerichtete Lehre zu sehen ist. Die AbsolventInnen der LV wurden forschungsorientiert detailliert zu den komplexen, vielschichtigen und emotional mitunter herausfordernden Thematiken der LV hingeführt, etwa durch die Vermittlung von Forschungsmethoden im Bereich der Erinnerungskulturen, durch die Diskussionen mit AkteurInnen aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Film, Politik, Gesellschaft und durch die Lektüre von themenbezogenen literarischen Texten. Durch die genannten Aktivitäten in der Lehrveranstaltung, in die die Studierenden auch stets aktiv eingebunden waren, partizipierten die AbsolventInnen der LV an den jeweiligen Diskursen und konnten ihre Partizipation anschließend, angeleitet von den LV-LeiterInnen, kritisch reflektieren. Wie in den Diskussionen der LV auch deutlich wurde, haben nicht wenige StudentInnen das in der LV Erfahrene auch dazu genutzt, Diskussionen und Reflexionsprozesse in ihren Herkunftsfamilien in Gang zu setzen. Ein Student berichtete, dass er erst im Rahmen einer solchen Diskussion erfuhr, dass sein leiblicher Großvater bis zu seinem 10. Lebensjahr überhaupt nur Slowenisch sprach – ein Faktum, das ihm bisher offenbar völlig unbekannt war und auch weitere TeilnehmerInnen in der Lehrveranstaltung berührte. Resümierend kann zusammengefasst werden, dass der für dieses besondere Lehrveranstaltungsformat verwendete interdisziplinäre Methodenmix geeignet scheint, das laut Curriculum vorgegebene Thema tiefgehend und nachhaltig zu bearbeiten und die LV-Ziele laut Vorgaben zu erfüllen.

Literaturliste (Auswahl):

  • Brousek, Jan, Grafenauer, Danijel, Wintersteiner Werner & Wutti, Daniel (2020): Slovenija – Österreich. Befreiendes Erinnern – Osvobajajoče spominjanje. Dialoško obravnavanje zgodovine – Dialogische Aufarbeitung der Vergangenheit. Klagenfurt/Celovec: Drava.
  • Haderlap, Maja (2011): Engel des Vergessens. Göttingen: Wallstein.
  • Wutti, D., Hartmann, E., Lurz, E., Mersits, J. Gabriel, H. (2022): Inter- bzw. Transkulturelle Lebenswelten von Jugendlichen in Kärnten und im Burgenland. In: Erziehung und Unterricht 7-8/172
  • Wutti, D. (2022): Trauma, Sprache und Emotion. In: Magdalena Angerer-Pitschko & Vladimir Wakounig (Hg.), Mehrsprachigkeit als Chance - Mehrsprachigkeit, Identität und Bildung. Leipzig, Leipziger Universitätsverlag
  • Wutti, D., Hartmann, E., Danglmaier, N. (2021): Minority Topics, Ethnic Questions and Their Potential for Memory Work in Schools. In: Treatises and Documents. Journal for Ethnic Studies, 86
  • Hartmann, E., Lurz, E., Wutti, D. (2021): Lebenswelten 2020 - Fokus Mehrsprachigkeit in Kärnten. In: Forschungszeitung der Pädagogischen Hochschule Kärnten, 12, 2020-2021
  • Wutti, D. (2020): Trauma und Mehrsprachigkeit in Gesellschaft und Literatur. In: Colloquium: New Philologies, 5, 2/2020
  • Ott, M., Gabriel, H., Resinger, P., Wutti, D. (2021): Politik, Demokratie und Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern. In: Jugendforschung Pädagogische Hochschulen Österreichs (Hg.) Lebenswelten 2020. Werthaltungen junger Menschen in Österreich. Innsbruck & Wien, Studienverlag.

Nutzen und Mehrwert

  1. Mehrwert aus der Kooperation mit PartnerInnen aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft. Für die Zielgruppe der LV, Studierende des Bachelorstudiums Primarstufe, ergaben sich so wertvolle Einblicke in verschiedene Bereiche der Gesellschaft, um die Themen gesellschaftlicher Zwei- und Mehrsprachigkeit, Inter-, Trans- und Multikulturalität, Identitätsbildung und -dekonstruktion und auch unterschiedliche Erinnerungskulturen (und ihre gesellschaftlichen Manifestationen) kennenzulernen. Umgekehrt zeigten sich auch die AkteurInnen, die mit den Studierenden in Kontakt kamen, sehr angetan über die Möglichkeit, Anliegen und Interessen im direkten Austausch mit Studierenden zu besprechen.
  2. Mehrwert aus der forschungsgeleiteten Lehre: Indem die beiden LehrveranstaltungsleiterInnen wissenschaftlich forschend in der Region sind (Erinnerungskulturen im Grenzraum, transgenerationale Traumatisierung der Kärntner SlowenInnen, Zweisprachigkeitsdidaktik, zwei- und mehrsprachige Erziehung und Bildung), selbst in der Schule tätig sind (die LV-Leiterin ist zugleich Sekundarstufenlehrerin an einer zweisprachigen Schule im Süden Kärntens) und in diversen (zweisprachigen) Kulturinitiativen, Chören, Vereinen und Organisationen aktiv tätig. So konnte bei der Konzipierung der LV auf wertvolle Kontakte zurückgegriffen werden. Da der LV-Leiter auch externer Dozent an der Alpen-Adria-Universität ist, ergaben sich wertvolle Synergien mit einer LV an eben dieser Institution. Den Austausch zwischen Studierenden der Pädagogischen Hochschule und Studierenden der Alpen-Adria-Universität, gemeinsam mit VertreterInnen und AkteurInnen aus Politik und Zivilgesellschaft empfanden die Beteiligten als deutlichen Mehrwert.
  3. Ebenso ergab sich auch in der intensiven Auseinandersetzung mit literarischer Werke: Aus Südkärnten stammt eine Reihe für Österreich und den deutschsprachigen Raum bedeutender AutorInnen, die auch den grenznahen und zweisprachigen Bereich thematisieren.

Nachhaltigkeit

Die Lehrveranstaltung wird inhaltlich jährlich weiterentwickelt. Ein Resultat der inhaltlichen Weiterentwicklungen war die vorliegende LV beim „PH Kärnten Lehrepreis“ 2022 – die Einreichung erhielt den ersten Platz unter allen Einreichungen.

Das Lehrprojekt wirkt unmittelbar in die Familien der Studierenden und die Kärntner Gesellschaft: Studierende erwähnten, besondere Diskussionen in ihren Herkunftsfamilien geführt zu haben. Die Lehrveranstaltung rüttelt auch an Tabus – etwa den Widerstand der Kärntner PartisanInnen, die Kärntner „Windischen“, kritische Aspekte von Großgruppenidentitäten, Traumabearbeitung – wie aus den Reflexionen der Studierenden gut ersichtlich ist, wirkt die sensible und emotional-positive Bearbeitung dieser Themen deutlich nachhaltig. Indem die Studierenden diese Themen für den eigenen Lehrbetrieb mitnehmen möchten, werden auch ihre SchülerInnen davon profitieren.

Nachhaltig ist die Verknüpfung zwischen Themen der „alten Vielfalt“ – den autochthonen Volksgruppen – mit der migrationsbedingten. Nachhaltig sind ebenso die emotional-affektiven Erfahrungen im grenznahen Bereich.

Die Begegnungen mit den KooperationspartnerInnen werden den Studierenden nachhaltig in Erinnerung bleiben, die Institutionen stehen den Studierenden auch in ihrer zukünftigen Tätigkeit als Lehrpersonen als Ansprechpartner für eigene Schulprojekte zur Verfügung. Bedeutende literarische Werke bleiben den Studierenden nachhaltig im Gedächtnis, ebenso die AutorInnen.

Dissemination/Transfer

Aus den angeführten Zitaten der Studierenden ist ersichtlich, dass ein beträchtlicher Anteil sich vorstellen kann, die erfahrenen Inhalte auch in die eigene Unterrichtstätigkeit (altersgerecht aufbereitet) einfließen zu lassen:

  • Als besonders wichtig empfinde ich es, Bewusstsein zu schaffen. Ich denke, es ist wichtig, dies auch den Kindern zu vermitteln. Es ist ein dunkles Kapitel der Geschichte, unserer Geschichte, und dieses sollte nicht verschwiegen werden.“
  • „Als Lehrperson kann man dafür sorgen, dass diese Verbrechen nicht vergessen werden.“
  • „Da mir Bildung sehr wichtig ist und auch der Faktor Interkulturalität mehr zu fördern wäre, würde ich auf jeden Fall die mangelnden Angebote im Bildungsbereich auffassen.“
  • „Ich persönlich denke, dass vielen nicht bewusst ist, dass die slowenische Sprache ein Teil Kärntens ist und die Erfahrung, in den Alltag anderer Gleichaltriger einzutauchen, ist für mich ein guter Weg, das Klarmachen der aktuellen Situation zu initiieren.“
  • „Ich möchte den SchülerInnen signalisieren, dass Mehrsprachigkeit etwas Wertvolles und Schönes ist.”

Das Konzept der LV aus dem SoSe 2022 wird auch in den kommenden Studienjahren weitergeführt. Der Erfolg dieses Konzepts wirkt sich nicht zuletzt auf eine Reihe weiterer Lehrveranstaltungen an der Pädagogischen Hochschule aus, etwa „Autochthone Sprachen im österreichischen Schulsystem“, „Umgang mit Heterogenität“, „Schwerpunkt Mehrsprachigkeit“ und „Grundlagen Interkultureller Bildung“. Die LV wirkt inhaltlich auch auf die Fortbildungsangebote der PHK im thematisch einschlägigen Bereich ein. In den Pädagogisch Praktischen Studien der PHK wird ab dem Studienjahr 2023/24 explizit die Zusammenarbeit mit NGOs im Migrationsbereich angestrebt. Auch Lehrveranstaltungen an der Alpen-Adria-Universität, die der LV-Leiter anbietet, etwa „Lebenswelten (autochthoner) Minderheitenangehöriger – Minderheitensprachen in Bildungssystemen“ wurden nach dem Vorbild der hiermit eingereichten LV angepasst.

Institutionelle Unterstützung

Der Aufwand in der Vorbereitung und Durchführung der Lehrveranstaltung durch die LV-Leitung hat sich hinsichtlich der Kompetenzerweiterung der Studierenden besonders gelohnt. Die Lehrveranstaltung hatte keine nennenswerten Kosten zur Folge; die Kosten für die ganztägige Exkursion wurden von den Studierenden selbst getragen und hielten sich mit etwa 10€ pro Person – wenn von der notwendigen Verpflegung (Mittagessen) abgesehen wird – im unterdurchschnittlichen Bereich. Auch alle weiteren Aktivitäten, worunter die zahlreichen Gespräche und Treffen mit Partnerinstitutionen zu nennen sind, waren monetär kein Faktor.

Die Hochschule unterstützte die Lehrveranstaltung vollinhaltlich und trägt zu qualitätssichernden Maßnahmen bei. (Vergleich dazu Evaluationsbericht,: CB-MIK (ph-kaernten.ac.at); S. 79-83

Die vorliegende Lehrveranstaltung erhielt beim „Lehrepreis der Pädagogischen Hochschule Kärnten“ im Jahr 2022 unter einer Vielzahl an Einreichungen den ersten Platz und erhielt so besondere Aufmerksamkeit auch in medialen Aussendungen der Institution, wobei insbesondere die thematische und methodische Vielfalt sowie das bedeutende Thema der Lehrveranstaltung im Vordergrund stand.

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorstudium Primarstufe

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Magdalena Angerer-Pitschko, Mag. Prof.
Institut für Mehrsprachigkeit und Transkulturelle Bildung
0463 508 508 500
Nominierte Person(en)
Mag.a Sonja Koschier
Institut für Mehrsprachigkeit und Transkulturelle Bildung
MMag. Dr. Daniel Wutti, MSc
Institut für Mehrsprachigkeit und Transkulturelle Bildung
Themenfelder
  • Diversität und Soziales
  • Kooperationen in der Lehre
  • Sonstiges
  • Erfahrungslernen
  • Forschung/EEK geleitete Lehre
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften