Systematische Schreibförderung in der Primarstufe: Evidenzbasierte Methoden und praxisorientierte Schreibaufgaben

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Das Verfassen von Texten ist einer der vier Kompetenzbereiche aus dem Lerngegenstand Deutsch / Primarstufe. Einen Text zu verfassen, ist eine anspruchsvolle Tätigkeit und stellt für viele Schüler*innen eine große Herausforderung dar. Angehende Lehrpersonen (Lehramtsstudium Primarstufe) sollten daher wissen, wie eine systematische Schreibförderung, welche Schüler*innen bestmöglich unterstützt, gelingen kann.

Da Selbstbilder und eigene Schulerfahrungen der Studierenden sich auf das unterrichtliche Handeln auswirken können, empfiehlt Philipp (2018), dass Studierende in der Aus- und Weiterbildung die Möglichkeit erhalten, selbst Texte in positiver Atmosphäre zu verfassen. Auch um negative Selbstbilder zumindest ansatzweise korrigieren zu können.

Die didaktischen Konzepte der Lehrpersonen beeinflussen das Schreiben der Schüler*innen wesentlich. Subjektive, auf Einzelerfahrungen beruhende Theorien der Lehrenden lassen sich nicht immer mit aktuellen Forschungsergebnissen in Einklang bringen. Daher wird in der Lehrveranstaltung auf evidenzbasierte methodische Ansätze Wert gelegt, die nachweislich effektiv in Bezug auf die Textqualität sind. Wesentlich dabei ist es, für die Studierenden die theoretischen Konzepte mit tatsächlich erprobten praktischen Umsetzungsmöglichkeiten im Unterricht zu verknüpfen: Auf diese Weise werden Bezüge zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Einsatz in der Berufspraxis hergestellt.

Die Vermittlung der theoretischen Hintergründe wird so mit didaktischen Möglichkeiten werden, dass Studierende modellhaft erleben können, wie sie mit einer Lerngruppe umgehen können und dabei niemanden beschämen, angstfreie Lernsituationen schaffen sowie ermutigend rückmelden. Darüber werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie „Merkmale guten Unterrichts“ nach Hattie (2017) umgesetzt werden können. Wesentlich ist hierbei die Notwendigkeit Inhalte zu wiederholen, Gelegenheiten zum Üben zu schaffen, die Inhalte und Aufgabenstellungen klar und strukturiert darzustellen und transparente Leistungserwartungen zu formulieren.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Grundlage für die Konzeption der Lehrveranstaltung ist die Frage, wie eigentlich Lernen funktioniert: jenes von Kindern, aber auch das von Studierenden. In die Gestaltung der Lehrveranstaltung werden Erkenntnisse aus der hochschuldidaktischen Forschung einbezogen. Thematisiert werden unter anderem kognitive und metakognitive Prozesse, die Rolle von Motivation und die Bedeutung emotionalen Lernens.

Im Zentrum des Vorhabens steht die Bewusstmachung über die Wirksamkeit von Lehr- und Lernprozesse. Ziel ist es, die Studierenden, ausgehend von eigenen positiven Erfahrungen, zur Entwicklung von Lernumgebungen für Schülerinnen und Schüler zu befähigen.

Der inhaltliche Aufbau dieser Lehrveranstaltung nimmt insbesondere Bezug auf kognitive Prozesse. Thematisiert werden unter anderem die Speicherung und Verknüpfung von Wissen, die Bedeutung regelmäßiger Wiederholungen, kognitiv aktivierende Aufgabenstellungen und die Fähigkeit, Modellierungen vornehmen zu können. Mindestens ebenso wichtig ist aber die Beleuchtung von motivationale und emotionale Faktoren. Dazu zählen die Themen- und Sozialformwahl sowie das Schaffen einer angstfreien Atmosphäre, in der niemanden beschämt wird, sondern das ermutigende Rückmelden im Vordergrund steht.

Da sich eigene Schreiberfahrungen der künftigen Lehrpersonen auf das unterrichtliche Handeln auswirken können, erhalten die Studierenden in der Lehrveranstaltung die Möglichkeit, selbst Texte in positiver Atmosphäre zu verfassen.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The basis for the conception of the course is the question of how learning actually works and thus also the learning of students. Findings from research in higher education didactics (cognitive and metacognitive processes, motivation, emotion) are included in the design of this course.

Thus, it is less a "project" than an attempt to effectively design teaching and learning processes in courses. On the one hand, the design of this course takes into account cognitive processes in the sense of storing knowledge (regular repetition in an anxiety-free atmosphere, cognitively activating tasks, modeling), and on the other hand, motivational (choice of topics and social forms) and emotional factors (not shaming anyone, encouraging), which are essential in learning.

Since future teachers' own writing experiences can affect their teaching actions, students are given the opportunity in the course to write texts themselves in a positive atmosphere in order to be able to correct negative self-images, at least to some extent.

Teachers' didactic concepts also influence students' writing - therefore, it is important for teachers to learn about evidence-based approaches to systematic writing support and to be able to link theoretical concepts with practical implementation possibilities in the classroom.

 

Nähere Beschreibung des Projekts

Die Lehrveranstaltung „Sprachdidaktik im Kompetenzbereich Verfassen von Texten“ in Form einer Übung fördert den auf praktisch-berufliche Ziele ausgerichteten Kompetenzerwerb. Sie wird im Lehramtsstudium aus dem Bereich Primastufendidaktik Deutsch angeboten und umfasst 2 ECTS-Punkte. Die Lehrveranstaltung findet einmal wöchentlich an rund 14 Terminen in einem Semester statt.

Diese Regelmäßigkeit wird genutzt, um die Einheiten jeweils ähnlich aufzubauen:

  • regelmäßige Wiederholungen in angstfreier Atmosphäre zu Beginn
  • neue theoretische Aspekte zur systematischen Schreibförderung verknüpft mit tatsächlich erprobten praktischen Umsetzungsmöglichkeiten für den Unterricht in der Primarstufe
  • Ausprobieren der Schreibaufträge
  • didaktische Reflexion.

Aus den erläuterten Punkten zur Konzipierung der Lehrveranstaltung ergeben sich auch die Anforderungen an die Studierenden: In nahezu jeder Einheit verfassen diese einen eigenen Text und führen über das Semester hinweg ein Texte-Heft. Die von den Studierenden zu verfassenden Texte orientieren sich an exemplarisch vorgestellten, praxisorientierten Schreibaufträgen. Wesentlich ist dabei, dass die Studierenden über ihr eigenes Schreiben didaktisch angeleitet reflektieren und die an Schüler*innen gestellten Schreibaufträge auch selbst erproben.

Eine zweite Anforderung ist der Studienauftrag: 1 Ausgehend von einem aktuellen (Bilder-)Buch wird ein Schreibauftrag entwickelt, der Schüler*innen in ihrer Schreibentwicklung unterstützen soll. Dabei werden diese angeleitet, auf Muster und sprachliche Vorbilder zurückzugreifen.

Im Studienauftrag 2 beschäftigen sich die Studierenden mit der Erstellung einer Schreibaufgabe „mit Profil“ (Jost, 2017, Anskeit, 2019). Schreibaufträge dieser Art sind für Schüler*innen ein Lernarrangement, das ihnen ermöglicht, die im Lehrplan angeführten Kompetenzen zu entwickeln. So gilt etwa für die 2. Klasse: „Die Schüler*innen können adressatengerechte, situationsbezogene und intentionsgeleitete Texte nach bestimmten Aspekten überprüfen und mit Hilfsmitteln in analoger und digitaler Form überarbeiten und berichtigen“.

Für beide Studienaufträge steht den Studierenden ein Muster zu Verfügung, das angenommen oder individuell verändert werden kann. So wie Schüler*innen durch das Nutzen von Strukturen eines Modelltexts unterstützt werden können, sollen auch Studierende die Möglichkeit erhalten, Modelltexte zum Verfassen ihrer Texte heranzuziehen (Zumbach, Astleitner, 2016). Ziel ist es, dass Studierende durch diese explizite Vermittlung in ihrem künftigen beruflichen Alltag Modelltexte gewinnbringend für ihre Schüler*innen einsetzen lernen (Philipp, 2018).

Für alle durch die Studierenden zu erbringenden Leistungen wird auf den tatsächlichen Aufwand hinsichtlich ausgewiesenen ECTS-Punkte geachtet. Alle für die Lehrveranstaltung notwendigen Unterlagen und Modelltexte werden den Studierenden auf einer Lernplattform (eduvidual) zur Verfügung gestellt. Ebenso erhalten die Studierenden ein Feedback zu ihren Texten im Verlauf der Lehrveranstaltung.

Im Zentrum der Lehrveranstaltungseinheiten steht der Transfer theoretischer Inhalte in das „eigene Erleben“. Ziel ist es, dass die Studierenden in jeder Einheit selbst erfahren, wie ihre Kompetenzen im Verfassen von Texten anhand von Modelltexten und durch eine klare Strukturierung der Stunde schrittweise angeregt und verbessert werden können.

Jede der Einheiten beginnt mit Wiederholungen, in denen die Studierenden immer wieder einzelne Aspekte aus vorangegangenen Einheiten in Form von Stichwörtern für sich selbst notieren und unmittelbar abgleichen. Dieser Zugang nimmt darauf bedacht, dass Lehren (also einmaliges (Zu-)Hören der Studierenden) nicht automatisch Lernen bewirkt und Lernen/Merken mehrerer Wiederholungen bedarf (Zumbach, Astleitner, 2016).

Sofortige Rückmeldungen, etwa durch das unmittelbare Abgleichen, sind dabei wirksamer als verzögerte Feedbacks (Hanisch, 2018) und alle Studierenden sind zugleich aktiv. Diese Formen von Wiederholung und das Schaffen von Gelegenheit zum Üben werden von Hattie (2017) auch als Merkmale guten Unterrichts genannt.

Um weitere Aspekte Hatties zu berücksichtigen, wird in der Gestaltung der Lehrveranstaltung besonders darauf geachtet, die Inhalte und Aufgabenstellungen klar und strukturiert darzustellen und transparente Leistungserwartungen zu formulieren. So erhalten die Studierenden eine detaillierte Übersicht zu Semesterbeginn über die Lerninhalte, -ziele und Anforderungen der Lehrveranstaltung. Grundlage dafür ist der Nationale Bildungsbericht Teil 3 (2021) in dem die Qualität dargebotener Inhalte und deren Aufbereitung mit dem Erreichen von Lernzielen in Verbindung gesetzt wird.

Auch auf emotionaler Ebene ermöglicht die Lehrveranstaltungsleiterin durch ihren wertschätzenden Umgang mit den Studierenden ein Lernen am Modell. Für die Lehrveranstaltungsleiterin ist es besonders wichtig, eine gute Beziehung zu den Studierenden aufzubauen und so den auf inhaltlicher Ebene vermittelten Grundsätzen gerecht zu werden: angstfreie Lernsituationen zu schaffen, niemanden zu beschämen und ermutigend rückzumelden. Diese ganz bewusst und aus Überzeugung eingenommene Haltung soll den Studierenden als Modell dienen. Sie dient als Beispiel für eine Haltung, welche die Studierenden später als Lehrende gegenüber den Schüler*innen einnehmen können sollen.

Seitens der Studierenden wurde rückgemeldet, dass sowohl der wertschätzende Umgang durch die Lehrveranstaltungsleiterin aber auch deren Aufbereitung der theoretischen Ansätze mit ihrer Übertragbarkeit in die unterrichtliche Praxis wertvoll sind. Die Einreichung für den Ars Docendi erfolgte daher vor allem auf ausdrücklichen Wunsch der Studierenden.

  • Anskeit, N. (2019). Schreibarrangements in der Primarstufe. Eine empirische Untersuchung zum Einfluss der Schreibaufgabe und des Schreibmediums auf Texte und Schreibprozesse in der 4. Klasse. Münster: Waxmann.
  • BGBl II (2023). Lehrplan der Volksschule. Rechtsinformationssystem des Bundes.
  • Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) (Hrsg.) (2021). Nationaler Bildungsbericht Österreich 2021. Wien: DOI: doi.org/10.17888/nbb2021.
  • Hanisch, A. (2018). Kognitive Aktivierung im Rechtschreibunterricht. Eine Interventionsstudie in der Grundschule. Münster, New York: Waxmann.
  • Hattie, J. (2017). Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen: Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning for Teachers". Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
  • Jost, J. (2017). Prinzipien und Methoden lernförderlicher Schreibumgebungen. In: Becker-Mrotzek, M.; Grabowski, J.; Steinhoff, T. (Hrsg.) (2017). Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik. Münster: Waxmann.
  • Philipp, M. (2018). Grundlagen der effektiven Schreibdidaktik und der systematischen schulischen Schreibförderung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
  • Zumbach, J.; Astleitner, H. (2016). Effektives Lehren an der Hochschule. Ein Handbuch zur Hochschuldidaktik. Stuttgart: Kohlhammer

 

Nutzen und Mehrwert

Die Lehre zeigt Bezüge zwischen wissenschaftlichen Theorien und Methoden und der Berufspraxis in der Grundschule auf. Durch die Klarheit der Anforderungen und die Strukturierung der Lerninhalte sowie die Bereitstellung von Unterlagen und Modelltexten ergibt sich eine Lernerleichterung für die Studierenden. Die erstellten Materialien können unmittelbar für den Einsatz in der Schulpraxis genutzt werden.

Darüber hinaus bietet die große Erfahrung der Lehrenden den Studierenden die Möglichkeit, am Modell zu lernen. Insbesondere ist dabei die Bezugnahme auf die Förderarbeit mit Kindern hervorzuheben. Die persönliche Expertise der Lehrveranstaltungsleiterin im Umgang mit Kindern mit Schwierigkeiten im Bereich Deutsch ist für die Studierenden eine große Bereicherung. Sie erfahren so insbesondere auch, wie alle Kinder einer Klasse unterstützt werden können und wie sie mit großen Herausforderungen, die heterogene Lernstände mit sich bringen, umgehen können.

Nachhaltigkeit

Die Lehrveranstaltung wurde aus einer bereits bestehenden Lehrveranstaltung weiterentwickelt und wird jährlich angeboten. Die Lehrveranstaltungsleitung holt regelmäßig das Feedback der Studierenden ein und adaptiert die Lehrveranstaltung laufend. Ebenso finden regelmäßig Austauschtreffen mit anderen Kolleg*innen aus dem Fachbereich statt.

Dissemination/Transfer

Neben der Grundhaltung und dem Bemühen „gute Lehre umzusetzen“, ist das Konzept, evidenzbasierte Ansätze aus der Forschung in erprobte, praktische Umsetzungsmöglichkeiten für Schüler*innen in der Grundschule zu „übersetzen“, besonders in Lehrveranstaltungen der Grundschuldidaktik zu übertragen.

Im Rahmen einer Weiterentwicklung zeitgemäßer Hochschuldidaktik wird die Lehrveranstaltung in einer internen Fortbildungslehrveranstaltung allen Hochschullehrenden der PH Salzburg Stefan Zweig als ein „Best-Practice-Modell“ vorgestellt.

Darüber hinaus ist geplant, dass die Lehrveranstaltung für die Entwicklung des Curriculums der Primarstufe genutzt wird und in einer weiterentwickelten Form von allen Studierenden im Lehramt Primarstufe besucht werden kann.

Ebenso werden von der Lehrveranstaltungsleiterin Fort- und Weiterbildungen angeboten, in denen sie zentrale Inhalte der Lehrveranstaltung auch an im Dienst stehende Lehrpersonen weitergibt.

 

Institutionelle Unterstützung

Bilderbücher, Bücher und Materialien können im Rahmen des Projektes „Didaktische Werkstatt“ angeschafft werden.

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorstudium Primarstufe

Links zum Projekt
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Lernergebnisorientierte Lehr- und Prüfungskultur
Ansprechperson
Elisabeth Steger, Mag.
Institut für Fachdidaktiken und Fachwissenschaften
0662 6388 0
Nominierte Person(en)
Elisabeth Steger, Mag.
Institut für Fachdidaktiken und Fachwissenschaften
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Erfahrungslernen
  • Forschung/EEK geleitete Lehre
  • Digitalisierung
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften