Karl-Franzens-Universität Graz
Universitätsplatz 3, 8010 Graz
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Grundfragen der Fachdidaktik Ethikunterricht

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Im Zuge der Einführung des Ethikunterrichts an österreichischen Schulen – und entsprechend des Studienfaches im Lehramt, das in Graz nun im Sommer 2023 erfolgreich ins zweite Jahr geht – diskutieren wir seit einigen Jahren die Relevanz der Wertevermittlung im Unterricht. In der Vorlesung geht es mir darum, Werte durch das Unterrichten selbst zu verwirklichen, um so eine nachhaltige Wertevermittlung bewusst zu gestalten.

Wenn Ethik als zentrales Selbst- und Gesellschaftswissen verstanden wird, dann lassen sich die wichtigen ethischen Modelle (in der Vorlesung nenne ich sie Leitmotive) auch überall finden, wo es um ethische Fragen geht und die allgemeinste, grundlegende Frage ist: was soll ich tun? Großaufnahmen in Serien, Filmen, Zeichnungen, Gemälden, besonders auch in Selbstporträts können als visuell intensives Stellen genau dieser Frage gesehen und thematisiert werden.

Es handelt sich bei meiner Veranstaltung um eine Vorlesung, die vielleicht älteste Lehrform überhaupt: eine Person spricht und andere Personen hören zu und es kann sich ein Gespräch über das Gesagte ergeben. Die Tatsache, dass diese Form des universitären Unterrichtens heute nach wie vor existiert, spricht dafür, dass sie auf mindestens eine Weise funktioniert.

Ich achte auf die Reaktionen der Studierenden, es ist mir wichtig, auf sie zu warten und ins Gespräch zu kommen. Auf diese Weise verwirklicht die klassische Vorlesung ihr Potential als zeitloses didaktisches Format. Wo Menschen wirklich miteinander reden, können sich Neugier, Kompetenz und Wissen entwickeln.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Vorlesung vermittelt im ersten Teil zur Wiederholung und Festigung einen Überblick über ethische Grundpositionen, die ich Leitmotive nenne: Vernunft, gutes Leben, Vertrag, Fürsorge und Nutzen. Zur Darstellung dieser Leitmotive arbeite ich mit klassischen Texten, aber auch mit Bildern, Szenen und Liedern aus Kunstgeschichte und Popkultur. Die ethische Frage, wie ich leben soll, wird anschaulich, wenn expressionistische Selbstporträts von Paula Becker und Edvard Munch uns durch das Sommersemester begleiten.

Der zweite Teil der Vorlesung widmet sich prinzipiellen Überlegungen zur ethischen Fachdidaktik, stellt verschiedene fachdidaktische Modelle und damit sinnvoll verbundene Methoden vor und klärt das Konzept von Wert und Wertvorstellungen als Orientierungsstandards.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

In the first part, the lecture provides an overview of basic ethical positions, which I call leitmotifs: reason, good life, contract, care and benefit. To present these leitmotifs, I work with classical texts, but also with pictures, scenes and songs from art History and pop culture. The ethical question of how I should live becomes vivid when expressionist self-portraits by Paula Becker and Edvard Munch accompany us through the summer semester.

The second part of the lecture is dedicated to principled considerations of ethical didactics, introduces various didactic models and methods meaningfully associated with them, and clarifies both the concept of value and value concepts as standards of orientation.

Nähere Beschreibung des Projekts

Ich arbeite mit unterschiedlichen Medien: Gemälde, Fotos, Filmausschnitte, Popsongs, Serien der Popkultur. Das gemeinsame Betrachten und Besprechen dieser Medien bietet die gemeinsame Grundlage, um klassische ethische Positionen einzuführen und zu erläutern. Zugleich bietet sich auf diese Weise die Möglichkeit, didaktische Methoden in der Anwendung vorzustellen, die als Anregung für das Unterrichten im Klassenzimmer verstanden werden kann.

Seit 2012 ist meine Vorlesung Bestandteil des Masterstudiums Ethik, für die Studierenden des Bildungsmoduls in diesem Studiengang ist ihr Besuch verpflichtend. Studierende anderer Fächer nutzen die Vorlesung als freies Wahlfach. Seit Einführung des Studiums UF Ethik ist die Vorlesung auch für die Studierenden dieses Studienfachs Pflicht. Die LV wird also von Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen und Altersgruppen besucht. Nicht wenige Studierende sind selbst bereits als Lehrende an Schulen tätig. Der Heterogenität der Menge der Studierenden wird die Vorlesung insofern gerecht, dass Zugänge auf verschiedenen Ebenen möglich sind: sowohl der Einstieg über den Konsum und die Reflexion sowohl visueller als auch auditiver Medien stellen Zugänge dar, die in der Lebenswelt vieler Menschen verankert sind.

Der Einsatz von Beispielen aus Kulturgeschichte, Kunst, Musik, Film Studies, Media Studies erweitert das Feld der ethischen Reflexion. Zugleich legt der Einsatz verschiedener Medien einen Fokus auf aktuelle Interessen der Studierenden. Auf diese Weise wird die Kenntnis aktueller popkultureller Medien zu einer Ressource für den Unterricht, zugleich wird die Einordnung des Gesehenen ermöglicht und somit verfügbar für den eigenen Unterricht. Der kritische Umgang mit Medien in ihrer Produktion und Rezeption ist dabei kein Selbstzweck, vielmehr geht es darum, ethische Fragestellungen in popkulturellen Zusammenhängen zu sehen und zu verstehen, mithin Verbindungen zwischen Ethik und Popkultur herzustellen.

Only connect: das Motto des Romans Howard´s End von E.M.Forster aus dem Jahr 1910 kann für meine Vorlesung exemplarisch verstanden werden. Zum einen ist es wichtig, Verbindungen zwischen dem Gesehenen und ethischen Grundideen erkennen zu können. Zum anderen kommt es in der Folge darauf an, die Verbindung zwischen Menschen wahrzunehmen und wirksam werden zu lassen.

Nutzen und Mehrwert

Vermittlung der Essentials: to die for and to live by

Dieser Ansatz verlässt einerseits klassische philosophische Lernmodelle und zeigt andererseits auf, dass philosophisch-ethische Reflexion nicht allein im Hörsaal stattfindet. Vorsichtig formuliert: die agora, der Marktplatz der Antike, hat sich heute in die Popkultur verlagert. Als Lehrende ist es mir wichtig, die Medien und Erzeugnisse eben dieser Sphäre in die Reflexion zu bringen und mit den in der Philosophiegeschichte entwickelten Modellen zu verbinden.

So lernen die Studierenden, die eigene Umwelt visuell auch kritisch wahrzunehmen und die Vorlesung zeigt exemplarisch, wie diese kritische Wahrnehmung funktionieren kann.

Nachhaltigkeit

Wie schon oben unter Dauer ausgeführt, wird die Vorlesung seit zehn Jahren durch mich immer im Sommersemester angeboten. Sie wird laufend aktualisiert und fortgeführt.

Die LV-Prüfung fand bisher schriftlich statt, in der Klausur wählten die Studierenden drei aus fünf Fragen aus, die jeweils in Form eines kurzen Essays beantworten werden. Für das laufende Semester plane ich, nicht zuletzt als Antwort auf den zunehmenden Einsatz von Textprogrammen wie ChatGPT, die Prüfung am Ende des Semesters mündlich in einem Prüfungsgespräch durchzuführen.

Alle Vorlesungen und das besprochene Material stehen den Studierenden online auf der Moodle-Plattform der Universität zur Verfügung, so dass die Vorlesung auch individuell und in eigener Zeitregie absolviert werden kann.

Eine gute und offene Beziehung zu den Studierenden ist mir wichtig. Ethik ist ein Fach, das besonders von zwischenmenschlichen Beziehungen lebt. Neben hohen fachlichen Ansprüchen will ich Studierenden vor allem auch die Freude am Unterrichten vermitteln. Dies scheint mir eine wichtige - wenn nicht sogar die wichtigste - Voraussetzung für gelingendes kritisches Denken mit deren künftigen SchülerInnen zu sein.

Dissemination/Transfer

Alle Vorlesungen und das besprochene Material stehen den Studierenden online auf der Moodle-Plattform der Universität zur Verfügung, so dass die Vorlesung auch individuell und in eigener Zeitregie absolviert werden kann.

Die Vorlesung ist ein klassisches Format der tertiären Bildung und lebt von der Qualität des Vortragens sowie der angebotenen Inhalte und Lehrmaterialien. Durch den Einsatz verschiedener Medien sowohl online als auch in Präsenz haben die Studierenden die Möglichkeit, in ihrer eigenen Regie und Zeiteinteilung zu lernen. Bei meinen eigenen Unterrichtsmaterialien ist es mir wichtig, den Zugang sowohl durch visuelle als auch akustische Medien zu ermöglichen (Folien und Audiodateien auf Moodle).

Der Umgang mit Bild- und Tonmedien im Ethikunterricht ist ein Teil des kritischen Programms der Vorlesung: zeitgenössische Medien zu kennen ist eine wichtige Basis für einen Ethikunterricht, der Schülerinnen und Schüler in ihrer Lebenswelt abholt. Zugleich kommt es mir darauf an, das Sprechen über Bilder, Filme und Serien als eine Grundlage zu etablieren, auf der allererst eine kritische Auseinandersetzung mit Inhalten, aber auch dem Medienkonsum selbst möglich wird.

Institutionelle Unterstützung

Die Vorlesung gehört zu meinen Aufgaben als Lecturer und wird von mir alleine durchgeführt.

Positionierung des Lehrangebots

In diesen Studien wird die Vorlesung angeboten:

  • BA Lehramt Sekundarstufe Allgemeinbindung UF Ethik, 2. Sem. Pflichtfach
  • MA Angewandte Ethik, 2. Sem. Wahlfach
  • BA Philosophie, 5. Sem. Pflichtfach
  • MA Global Studies, 2. Sem., Wahlfach
  • MA Soziologie, 4. Sem., Wahlfach
  • MA Philosophie, 1. Sem, Pflichtfach und 1.-2. Sem. Wahlfach
  • Hochschullehrgang Ethik der PH Steiermark
Links zum Projekt
Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Lernergebnisorientierte Lehr- und Prüfungskultur
Ansprechperson
Dr. Barbara Reiter
Institut für Philosophie
+43 (0)316 380-2294
Nominierte Person(en)
Dr. Barbara Reiter
Institut für Philosophie
Themenfelder
  • Diversität und Soziales
  • Erfahrungslernen
  • Lehr- und Lernkonzepte
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften