Zuletzt aktualisiert am 07.02.2025
"Fantastic Four – Information, Hospitation, Simulation und teamorientierte Kommunikation" - Ein semesterübergreifendes, integratives Lehrkonzept im humanmedizinischen Studium
Projektname des bereits eingereichten Projekts:
Ars Docendi Kategorie
Lernergebnisorientierte Lehr- und Prüfungskultur
Gruppengröße
< 20
Kurzzusammenfassung des Projekts
Fantastic Four stellt ein semesterübergreifendes-, integratives Lehrkonzept im humanmedizinischen Studium dar, das seine inhaltlichen Schwerpunkte auf die Implementierung von Aspekten des CRM, hier insbesondere von teamorientierter Kommunikation legt. Beginnend im Bachelor-Studienabschnitt werden die Studierenden nach und nach an Techniken wie beispielsweise dem Read Back i.s. einer geschlossenen Kommunikation herangeführt. Gleichzeitig werden mittels zunehmend komplexerer fallbasierter Simulations-Szenarien nicht nur zuvor erlernte praktische Skills trainiert, sondern insbesondere das Arbeiten im Team in den Vordergrund gestellt. Im Rahmen von Hospitationen haben die Studierenden dann Gelegenheit, das Erlernte in einem multiprofessionellen Team unter professioneller Aufsicht erstmal anzuwenden. Somit bereitet diese Form der Lehre die angehenden Ärzt*innen deutlich besser auf ihre zukünftige Tätigkeit vor, als es bisherige Konzepte tun, die den alleinigen Schwerpunkt auf die Vermittlung theoretischen Wissens sowie aus dem Zusammenhang gelöster technischer Fertigkeiten legen. Auf diese Weise entsteht ein Bild von dem*der Ärzt*in als „Einzelkämpfer“, das so weder der Realität entspricht noch gewünscht ist.
Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache
Fantastic Four is an innovative-, integrative educational concept of the DPU medical school. This project focuses on implementation of Crew Ressource Managements (CRM) aspects, in particular on team-oriented communication like the Read back technique (closed loop communication) during the bachelor and master degree. In addition, the simulation of complex scenarios enables the students to put their theoretical knowledge into practice immediately. During clinical traineeships the students have the possibility to improve their knowledge and communication skills within a multi-professional team. This form of training prepares students much better for clinical work than currently used concepts.
Nähere Beschreibung des Projekts
Betrachtet man die Entwicklung menschlichen Lernens über die letzten Jahrtausende, so stellt der Frontalunterricht als eine Form der rein theoretischen Wissensvermittlung eine vergleichsweise junge Entwicklung dar. Dagegen ist erfahrungsbasiertes Lernen auf der Grundlage des eigenen Erlebens so alt wie die Menschheit selbst und findet in zahlreichen modernen pädagogischen Konzepten seinen Niederschlag. Das interdisziplinäre Simulationszentrum der Danube Private University (DPU) soll es den Studierenden aus diesen Gründen ermöglichen, bereits vor dem Kontakt zu realen Patient*innen sowohl einzelne praktische Fertigkeiten als auch die Beherrschung komplexer Situationen zu erlernen. Darüber hinaus stehen kommunikative Aspekte, Teambildung und multiprofessionelle Interaktion im Fokus der Ausbildung der angehenden Ärzt*innen
Die Semester des Masterstudienganges folgen konzeptuell alle einem gleichartigen Schema aus vier Säulen:
- Vorlesungen und Seminare zu den jeweiligen Fachgebieten, in denen die theoretischen Grundlagen vermittelt werden.
- Skills-Training, wo einfache Tätigkeiten wie die Anlage eines periphervenösen Zugangs gelehrt werden, zum anderen jedoch auch komplexere Vorgänge wie beispielsweise die Vorbereitung und Durchführung einer Notfallnarkose. Dabei wird auf die Methode des Peyton´s four step approach zurückgegriffen, bei der die Maßnahme zunächst unkommentiert und in Echtzeit, danach schrittweise und kommentiert demonstriert wird. Als nächstes führt der*die Tutor*in die Fertigkeit erneut vor, jedoch angeleitet durch die Studierenden, die im letzten Schritt den Vorgang selbstständig ausüben. Dieses Vorgehen führt nach unserer Erfahrung dazu, dass auch komplexe Techniken schnell und präzise erlernt werden können.
- Klinische Hospitationen, in denen die theoretischen Grundlagen vertieft und die erlernten praktischen Skills erstmals unter Aufsicht an dem*der Patient*in ausgeübt werden können.
- Komplexe fallbasierte Szenarien an hochmodernen Full-Scale-Simulatoren und/oder mithilfe von Schauspielpatient*innen, in denen die Studierenden die zuvor angeeigneten theoretischen und praktischen Fähigkeiten integrativ zum Einsatz bringen können. Erstmals erfolgt hier die Arbeit in einem teils multiprofessionellen Team, in dem sich CRM-basiert Führungs- und Kommunikationsstrukturen etablieren müssen. Dabei ist es bemerkenswert, wie sich die unterschiedlichen Lerntypen nach Kolb (Divergierer/Entdecker, Assimilierer/Denker, Konvergierer/Entscheider, Akkomodierer/Praktiker) automatisch unterstützen und ihren spezifischen Platz in einem solch komplexen Szenario finden. Dies spiegelt sich eindrücklich in den Rückmeldungen der Studierenden während des Debriefings der Simulationen wider, in denen regelmäßig geäußert wird, erstmals die eigene Handlungskompetenz wahrgenommen zu haben. Aus Sicht der Lehrenden ist es daneben vor allem die teaminterne Kommunikation, bei der die größten Verbesserungen bemerkbar sind.
Durch dieses vierstufige Vorgehen nähern sich die Studierenden schrittweise komplexen Situationen an. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Simulation als einem Lehrwerkzeug, das unterschiedliche kognitive, manuelle und prozedurale Modalitäten anspricht und somit die nachhaltige Vermittlung von spezifischen Lernzielen befördert. Dieses Gesamtkonzept steigert nicht nur die Motivation der Lernenden, sondern nicht zuletzt auch die Patientensicherheit und entspricht somit dem State of the Art einer modernen, zukunftsorientierten Ausbildung.
Die etablierten Kommunikationsansätze des humanmedizinischen Studiums beruhen klassischerweise auf der Arzt-Patienteninteraktion. Im Fokus stehen die Anamneseerhebung oder psychosomatische Aspekte, wie die Mitteilung eines kritischen Krankheitsbefundes. Teamorientierte Kommunikationsansätze finden sich im Rahmen des Studiums typischerweise nicht und sind auch im klinischen Alltags häufig unterrepräsentiert. Das CRM Konzept stammt ursprünglich aus der Luftfahrt und ist hier integraler Bestandteil der aeronautischen Sicherheitskultur. In der Luftfahrt sind 70 % der tödlichen Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen. Auch in der Medizin werden 60 – 70 % aller Fehler dem Bereich der Human Factors zugeordnet und größtenteils als vermeidbar angesehen. Während Luftfahrzeugführer regelmäßig an CRM Schulungen teilnehmen müssen um ihre nicht-technischen Fertigkeiten zu optimieren, existieren derartige Vorgaben nicht für den medizinischen Sektor. Erfreulicherweise haben insbesondere Vertreter*innen der Akutmedizin den Stellenwert und das Potential von CRM erkannt, sodass dieses Konzept zunehmend Einzug in diesen medizinischen Hochrisikobereich findet.
CRM ist die Fähigkeit, das Wissen, was getan werden muss, auch unter den ungünstigen und unübersichtlichen Bedingungen der Realität eines medizinischen Notfalls in effektive Maßnahmen im Team umzusetzen. (Professor David Gaba, Stanford)
Unserem Konzept entsprechend, erfolgt bereits am Ende des Bachelorstudiums eine Einführung in das CRM Konzept. Den Studierenden wird hier erstmals die Bedeutung von Human Factors in der Entstehung, vor allem jedoch der Vermeidung von Fehlern im klinischen Alltag und der Wert einer CRM-basierten Fehlerkultur nahe gebracht. Besonderen Wert wird hierbei auf Kommunikationsstrukturen im Team gelegt, indem Techniken wie beispielsweise Read Backs im Sinne einer Closed-Loop-Kommunikation gelehrt werden. Im Anschluss werden die im Praktikum vermittelten technischen und CRM-Skills erstmals integrativ anhand von eher einfach gestalteten Fallbeispielen trainiert.
Unser Ziel besteht darin, die Studierenden schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt ihrer beruflichen Entwicklung mit CRM zu konfrontieren, dieses Konzept auf die humanmedizinische Ausbildung zu adaptieren und als elementare Säule in unser semesterübergreifendes Lehrkonzept zu integrieren. Konkret geht es um situative Aufmerksamkeit, Führungsverhalten, Entscheidungsfindung und insbesondere um die teamorientierte Kommunikation.
Nutzen und Mehrwert
Nur durch Simulationstechniken gelingt es bereits während der Ausbildung, Studierende mit komplexeren Situationen unter realistischen Umweltbedingungen zu konfrontieren. Dies bringt unter zahlreichen Gesichtspunkten einen pädagogischen Mehrwert mit sich: Zunächst werden technische Skills nicht aus dem Zusammenhang gerissen, sondern wie im ärztlichen Berufsalltag im Rahmen von Fallszenarien mit all ihren auch emotionalen Implikationen eingefordert. Zum anderen wird den Studierenden erstmals die Bedeutung von Human Factors in der Entstehung, vor allem jedoch der Vermeidung von Fehlern im klinischen Alltag und der Wert einer CRM-basierten Fehlerkultur nahegebracht. Besonderer Wert wird hierbei auf Kommunikationsstrukturen gelegt, da der*die Ärzt*in auch im späteren Berufsalltag in den seltensten Fällen als „Einzelkämpfer“ handelt, sondern Teil eines multiprofessionellen Teams ist. Durch die genannten Faktoren lässt sich in einem nicht unerheblichen Maße ein Beitrag zur Patientensicherheit leisten. Nicht zuletzt kann nach unserer Erfahrung durch Simulations-basiertes Lernen die Motivation der Studierenden erheblich gefördert werden, was sich u.a. in hohen Teilnehmer*innenzahlen bei extracurriculären, freiwilligen Zusatzveranstaltungen zeigt.
Institutionelle Unterstützung
Durch die Implementierung des interdisziplinären Simulationszentrums der DPU konnte das infrastrukturelle- und personelle Fundament für das Fantastic Four Projekt geschaffen werden. Die Hochschule unterstützt das Konzept seither durchgehend finanziell, sodass die benötigte Infrastruktur ausgebaut werden kann und die personelle Betreuung konsequent gewährleistet ist.