Präventive Gesundheitsförderung und persönliche Weiterentwicklung durch Supervision und kollegiale Fallberatung

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Im Lehrberuf müssen Lehrpersonen täglich viele Entscheidungen treffen. Störungen und der Umgang mit mehr oder weniger großen Krisen gehören zum Alltag. Diese Anforderungen wachsen schnell zu überfordernden Herausforderungen. Die Forschung zeigt, dass sich die daraus bildende Überlastung auf die Unterrichtsqualität auswirkt.

In der Schule sind Lehrer*innen zum Großteil Einzelkämpfer*innen und jede*r ist mit und in seiner Klasse beschäftigt. Besonders Junglehrer*innen stehen hier unter großem Druck. Herausforderungen, die der Lehrer*innenalltag mit sich bringt, werden von außen selten oder gar nicht wahrgenommen. Probleme, die im System Schule auftauchen, müssen in vielen Fällen von den betroffenen Lehrpersonen selbst und ohne Unterstützung bewältigt werden.

Durch Perspektiven und neue Möglichkeiten, die von anderen eingebracht werden, kann der Ausstieg aus dem eigenen Tunnelblick gelingen.

Die Kooperationsgemeinschaft in Schulen zu fördern kann zu einem qualitativen und gesunden Schulsystem beitragen. Eine Möglichkeit, mehrperspektivisches Denken an Schulen zu etablieren, bieten kollegiale Beratung und Supervision.

Pädagogische Supervision und kollegiale Fallberatung sind möglichst vorurteilsfreie, wertoffene und angeleitete Angebote im Arbeitsfeld Schule, die der kooperativen Begleitung und Unterstützung dienen. Ziel ist die konstruktive Bewältigung, aber auch die Veränderung der Praxis. Einbezogen werden fachliche Gesichtspunkte und persönlichkeitsspezifische Fragen – aber nur dann, wenn diese die berufliche Arbeit direkt oder indirekt beeinflussen (Hagemann & Rottmann, 2000).

Aufbauend auf den durchgeführten qualitativen Expert*inneninterviews durch die Masterarbeiten der Lehrenden wurde ein gemeinsames Praxiskonzept erarbeitet, um bereits Studierenden eine kooperative, unterstützende und lösungsorientierte Haltung in der Lehrer*innenausbildung zu präsentieren.

Auf Basis inhaltsanalytischer Auswertungen von Expert*inneninterviews wurde ein Praxiskonzept erstellt, um dieses im zweiten Schritt an der Pädagogischen Hochschule Salzburg Stefan Zweig in Form einer freien Wahllehrveranstaltung mit Studierenden durchzuführen und zu evaluieren. Anliegen der Leiterinnen ist es daher, ein Konzept zu erstellen, welches unterstützend wirkt, auf grundlegenden Forschungserkenntnissen basiert, in der Praxis durchführbar ist sowie den Berufseinstieg erleichtert.

Ziel ist es, mithilfe dieses Angebots dem Einzelkämpfer*innendenken bereits in der Ausbildung entgegenzuwirken und das empirisch nachgewiesene Potenzial kooperativer Unterstützung zu nützen.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Aufbauend auf den Masterarbeiten der Lehrveranstaltungsleiterinnen entstand ein Freifach, welches es sich zum Ziel setzt, herausfordernde Anliegen der Studierenden bereits in der Ausbildungsphase aufzufangen, ernst zu nehmen und diese im Praktikum bzw. im Berufseinstieg zu begleiten. Inhaltlich standen theoretische Kenntnisse zur Gesundheitswissenschaft, Beratung und die Methode der Supervision und der kollegialen Fallberatung im Mittelpunkt, welche anschließend praktisch durchgeführt wurden. Für die selbstständige Durchführung von kollegialer Fallberatung in der Peergroup und später im Kollegium entstanden von den Studierenden eigens erstellte Materialien, welche stetig erweitert wurden. Auch für die strukturierte Führung von Elterngesprächen wurden Elternberatungsfolder gestaltet. In dieser Lehrveranstaltung wird den Studierenden ein vorbereiteter und geschützter Rahmen geschaffen, um über herausfordernde Situationen zu sprechen. Den angehenden Lehrpersonen wird es dadurch ermöglicht, gemeinsam neue Perspektiven und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie erleben sich im Tun als selbstwirksam und kümmern sich präventiv um ihre Gesundheit. Im Zuge dessen werden sowohl soziale Kompetenzen und die persönliche Entwicklung als auch das fachliche Beratungswissen weiterentwickelt. Eine empirisch begleitete Studie über den nachweislichen Kompetenzzuwachs bei den Studierenden wurde beim Grundschulkongress in Graz 2022 präsentiert.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Based on the master's theses of the course instructors, we designed an optional course aiming to address the concerns and struggles of the students at the beginning of their training phase, to accompany and to support them during their internship or career entry. For this, we prepared practical resources on theoretical knowledge regarding health science and consulting. During the course, the students developed materials for parent counselling and for the independent implementation of a collegial case counselling within the peer group. In this course, students were enabled to talk about challenging situations in a protected environment. This endorsed prospective and in-service teachers to develop new points of view and viable solutions to support each other. Course participants experienced themselves as self-effective and let them take preventive care of their health. By this, students can compensate for the excessive demands in the schools and increase their job-satisfaction for the teaching profession.

In addition, an empirical study was carried out, which reported a significant increase in professional competencies among the participating students. The findings of the study were presented at the primary school congress in Graz and will be published in Spring 2023 by Waxmann in the conference proceedings (ggsk.at).

Nähere Beschreibung des Projekts

In den ersten Einheiten der Lehrveranstaltung wurden den Studierenden theoretische und wissenschaftlich fundierte Begriffe und Erkenntnisse der Gesundheit wie beispielsweise die Salutogenese und Belastungstheorien im deutschsprachigen als auch im internationalen Raum präsentiert.

Zunächst wurde die Methodik der Supervision kennengelernt und praktisch durchgeführt. Anschließend wurde schrittweise versucht, die Methode der kollegialen Fallberatung einzuführen. Im zweiten Teil folgte dann stets die praktische Durchführung – je nach Anliegen eine Supervision oder eine kollegiale Fallberatung.

Immer öfter versuchten die Studierenden eine kollegiale Fallberatung mit ihrem Ablaufplan, Rollenbeschreibungen und der zeitlichen Abfolge durchzuführen. Die anschließenden Einheiten wurden mithilfe des Feedbacks der Studierenden gestaltet. Dies beinhaltete unter anderem den Lehrversuch, eine kollegiale Fallberatung online durchzuführen, um deren integrierte Flexibilität im Alltag zu erfahren. Themen wie Abgrenzung, Perfektionismus und Angst wurden aufgenommen und gemeinsam mit den Studierenden bearbeitet.

Vor allem die Frage „Wie gehe ich mit … um?“ stand hierbei im Mittelpunkt.

Durch die Bandbreite verschiedener Schwerpunkte der Studierenden im Studium (Inklusion, Religion, Gesundheit und Lebenskompetenzen, etc.) konnten viele Handlungswege erarbeitet werden. Die Inhalte von Zusatzausbildungen der Leiterinnen – wie etwa die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin in unterschiedlichen Schulen (Logotherapie und systemisch-lösungsorientierte Beratung), die Imagination und die systemische Aufstellungsarbeit – wurden von den Studierenden ebenfalls mit großer Neugier aufgenommen und als Bereicherung gesehen. Aufgelockert und weiterentwickelt wurde die Lehrveranstaltung durch Gruppenfindungsspiele, Reflexionsspaziergänge mit Impulsfragen, kurze Energizer und Imaginationen zu den eigenen Stärken.

Besonders spürbar wurde im Laufe der Zeit, dass es den Studierenden immer besser gelang, sich zu öffnen, sich einzulassen, sich und Situationen zu reflektieren, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen und die anderen Studierenden mithilfe der erlernten Gesprächstechniken zu unterstützen. Ebenfalls sichtbar wurde, dass der Bedarf an Gesprächen über Praktika, Themen und Herausforderungen mit Vortragenden und Mitstudierenden sowie auch über private Probleme enorm hoch war.

In der Lehrveranstaltung wurde ein sicherer Raum geschaffen, um die diversen Fragestellungen, Herausforderungen und Probleme zu besprechen, zu bearbeiten und neue Perspektiven und Lösungsmöglichkeiten zu finden.

Während der Lehrveranstaltung mussten Impulsfragen zur eigenen Person und zu den Gruppenanliegen als Lehrauftrag beantwortet werden. In der als Workload ausgestellten Abschlussarbeit mussten sich die Studierenden mit Impulsfragen zu ihrem persönlichen Kompetenzzuwachs in der Lehrveranstaltung auseinandersetzen und diese anschließend am Ende mit selbstgewählter Methode präsentieren.

Nutzen und Mehrwert

Die Lehrveranstaltung ermöglicht es Studierenden erstmalig, den Fokus auf die Bewältigung von Herausforderungen und Belastungen zu legen und diese in einem vertrauten Rahmen kollegial und vorsorglich zu besprechen. Der Mehrwert besteht darin, Student*innen bereits in der Ausbildungsphase ein Rüstwerkzeug und Materialien für spätere herausfordernde Situationen mitzugeben und durch den Austausch mit Gleichgesinnten zu lernen. Durch die authentische Begleitung zweier in der Praxis arbeitender junger Leiter*innen ist das Nachvollziehen der Situationen gegeben.

Die Qualität des Unterrichts kann dadurch verbessert und die Gesundheit der Lehrpersonen präventiv gefördert werden. Supervision und kollegiale Fallberatung werden als Unterstützungsmöglichkeit kennengelernt. Die Hemmschwelle, Hilfe bzw. Unterstützung anzunehmen, wird durch das Kennenlernen und die Entstigmatisierung von Supervision gesenkt. Studierende aller Schwerpunkte lernen einander kennen und die unterschiedlichen Sichtweisen zu schätzen.

Nachhaltigkeit

Die Lehrveranstaltung wird im Sommersemester 2023 wieder angeboten und mit den Anliegen der Studierenden ständig erweitert und weiterentwickelt. Seitens der Leiterinnen entstanden Überlegungen, die Lehrveranstaltung in etwas abgewandelter Form für jene Studierenden anzubieten, die bereits während des Grundstudiums in den Lehrberuf einsteigen und als Lehrperson auf konkrete Herausforderungen stoßen. Ebenso wurde überlegt, Supervision und kollegiale Fallberatung als Lehrveranstaltung in der Fortbildung anzubieten. Dies wurde jedoch noch nicht mit der Institution besprochen. Ziel der Leiterinnen ist es auf jeden Fall, Supervision und kollegiale Fallberatung für Lehrpersonen als Unterstützungsangebot aufzuzeigen und ihnen Handwerkszeug zu geben, um leichter mit Herausforderungen im Schulalltag umzugehen und sich gegenseitig zu unterstützen.

 

Dissemination/Transfer

In Zeiten des Lehrer*innenmangels ist fortlaufend spürbar, dass immer mehr Studierende zum einen an der Pädagogischen Hochschule studieren, zum anderen bereits in Schulen unterrichtend tätig sind. Die dadurch entstehende Doppelbelastung ist den Studierenden bereits jetzt anzukennen. Daher wurde mit der Institutsleitung für Bildungswissenschaften Frau Dr.in Giger besprochen, eine zusätzliche Lehrveranstaltung zu kreieren, um die Studierenden sanft im Berufseinstieg zu begleiten.

Einem sogenannten „Praxisschock“ könnte dadurch entgegengewirkt werden. Inhalte sollen sowohl die Supervision und die kollegiale Fallberatung als auch aktuelle herausfordernde Situationen aus dem Schulalltag sein. Durch den Praxisalltag der Leiterinnen ist ein Nachvollziehen der Situationen gegeben.

Zusätzlich werden in der derzeit geführten Lehrveranstaltung Organisationen vorgestellt, welche bei bestehenden Problemen aufgesucht werden können. Ferner wurde das Prinzip dieser Lehrveranstaltung letztes Jahr an der Pädagogischen Hochschule Steiermark am Grundschulkongress in Graz präsentiert, wobei Inhalte mit anderen Professor*innen ausgetauscht und diskutiert wurden. In diesem Zusammenhang wird 2023 ein Artikel über die Integration kooperativer Beratungsmodelle an Hochschulen im Tagungsband (Waxmann Verlag) im Rahmen des Kongresses veröffentlicht.

Institutionelle Unterstützung

Keine spezifischen Projektmittel. Abhaltung über Lehrbeauftragung.

Positionierung des Lehrangebots

Bachelor und Master Primarstufenlehramt, Freifach

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit
Ansprechperson
Sarah Müller, MEd.
Institut für Bildungswissenschaften, PH Salzburg
0662 8044 0
Nominierte Person(en)
Julia Lasinger, MEd. MSc.
Institut für Bildungswissenschaften, PH Salzburg
Sarah Müller, MEd.
Institut für Bildungswissenschaften, PH Salzburg
Themenfelder
  • Diversität und Soziales
  • Erfahrungslernen
  • Forschung/EEK geleitete Lehre
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften