Cabaret der alten Neuigkeiten

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Im Seminar Cabaret der alten Neuigkeiten entwickeln Studierende des Studiengangs Master of Arts Education (MAE) gemeinsam mit Schüler*innen eine Bühnenperformance im Cabaretstil, die auf historischen Quellen der 1920er Jahre basiert. Pädagogisch verfolgt das Seminar das Ziel, den Studierenden zu vermitteln, wie Forschung, Kunstschaffen und Kulturvermittlung gemeinsam gedacht und realisiert werden können. Sie erwerben im Projekt Theorie- und Praxiswissen auf verschiedenen Ebenen: Sie agieren als Forscher*innen, indem sie selbst ein wissenschaftliches Dossier mit historischen Quellen erstellen. Als Kulturvermittler*innen gehen sie dann in eine Schule, geben ihr Wissen an Jugendliche weiter und erarbeiten auf Grundlage historischer Quellen eine Bühnenperformance im Cabaretstil. Im Zentrum dieses Prozesses steht die Entwicklung und Erschließung der Künste – sie geben wissenschaftliche Inputs, moderieren Reflexionsprozesse, streben eine qualitativ hochwertige künstlerische Umsetzung an und begleiten auch die (digitale wie analoge) Nachbereitung und Reflexion des Projekts. Bei der Abschlussperformance stehen sie selbst, gemeinsam mit den Jugendlichen, als Künstler*innen auf der Bühne und arbeiten mit einem professionellen Kulturpartner zusammen – dem Dschungel Wien. Bei der Planung und Umsetzung dieses mehrstufigen, ambitionierten Projekts ist auch ihre Fähigkeit im Bereich Projektmanagement gefragt. Sie müssen sich als Gruppe organisieren, ihre Zeitressourcen realistisch einschätzen und äußere Rahmenbedingungen mit bedenken – von Brandschutzregeln, über Urheberrecht bis zur Aufsichtspflicht. Darüber hinaus sammeln sie digitale Kompetenzen, indem sie (unterstützt von Medienpädagogen) gemeinsam mit den Schüler*innen Videos für die Bühne produzieren und aufgerufen sind, ausgewählte Inhalte aus dem analogen Performancegeschehen adäquat für den digitalen Raum aufzubereiten.

Als Stoff des Projekts wurde bewusst ein gesellschaftspolitisch relevantes Thema gewählt. Bei allem Wissen um die Singularität historischer Entwicklungen und deren Kontextgebundenheit sind die erstaunlichen Gemeinsamkeiten zwischen heutigen Debatten und denen der 1920er Jahren ein Thema, das zur Reflexion anregt. Das Projekt geht von der Hypothese aus, dass künstlerische Formate und Prozesse es ermöglichen, aktuelle, auch polarisierende Themen emotional zugänglich zu machen, zum Nachdenken anzuregen. Dies gilt auch und insbesondere für junge Zielgruppen: In einer Zeit, in der Studien zufolge 50% der Jugendlichen es nicht für wichtig erachten, sich über aktuelle Geschehnisse zu informieren, weil ihnen der Bezug zum eigenen Alltag fehlt (vgl. Uwe Hasebrink u.a.: #usethenews. Studie zur Nachrichtenkompetenz Jugendlicher und junger Erwachsener in der digitalen Medienwelt, Hamburg 2021, S. 7.), verfolgt das Projekt auf inhaltlicher Ebene das Ziel, über den „Umweg“ der Geschichte Interesse an der Auseinandersetzung mit dem aktuellen Zeitgeschehen und dessen Widerhall in der Kunst zu wecken.

Kurzzusammenfassung des Projekts

In der Lehrveranstaltung Kulturvermittlung an Schulen / Cabaret der alten Neuigkeiten realisieren Studierende des MAE ein künstlerisch-wissenschaftliches Vermittlungsprojekt von der ersten Idee bis zur Präsentation auf der großen Bühne (Dschungel Wien). Sie motivieren Jugendliche (De la Salle Schule, Strebersdorf), sich mit historischem Wissen und aktuellem Tagesgeschehen kritisch-reflektierend auseinanderzusetzen. In einem partizipativen Prozess entwickeln sie mit den Schüler*innen und einem professionellen künstlerischen Team (Regie/Ausstattung) eine collageartige Bühnenproduktion im Cabaret-Stil, die originale Text- und Bildquellen mit Musik der 1920er Jahre verschränkt und sie auf ihre Relevanz im Heute befragt. Dabei spüren die Projektteilnehmer*innen gesellschaftliche Parallelen zu heute auf – von weltweiten Pandemien, Fake News, über feministische Forderungen bis hin zur Sorge vor einem erstarkenden Populismus. Auch die Einführungsworkshops in Schulen, die das junge Publikum interaktiv auf den Veranstaltungsbesuch vorbereiten, werden von Studierenden gehalten. Die Erstellung von digitalem Content für die Bühne und für Social Media liegt ebenfalls bei den Studierenden und Schüler*innen, die hierfür Input von Medienpädagog*innen erhalten. Um die Umsetzung dieser ambitionierten Lehrveranstaltung zu ermöglichen, wurden Drittmittel eingeworben (Wissenschafts- und Forschungsförderung der Stadt Wien MA 7, 62.000€, Zentrum Wissenschaft und Forschung der MUK, 8.000€).

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

In the seminar, students of the programme Master of Arts Education (MAE) realise an artistic-educational research project from the initial idea to the presentation on the big stage (Dschungel Wien). They motivate young people (De la Salle School Strebersdorf) to critically reflect on historical knowledge and current events. In a participatory process, they develop a collage-like stage production in the style of a cabaret with teenagers and a professional artistic team (direction/set design), which interweaves original text and image sources with music from the 1920s and questions their relevance today. In the process, the project participants trace social parallels to today - from worldwide pandemics, fake news, to feminist movements and concerns about rising populism. The introductory workshops in schools, which prepare the young audience for the event in an interactive way, are also held by students. The creation of digital content for the stage and for social media is also the responsibility of the students and school children, who receive input from media educators. In order to make the implementation of this ambitious course possible, third-party funding was obtained (MA 7 Cultural Department of the City of Vienna, 62,000€, Centre for Science and Research of the MUK, 8,000€).

Nähere Beschreibung des Projekts

Die Wahl der Lehr-Lernmethoden folgte einer Reihe pädagogischer Prämissen:

  1. Augenhöhe: Das übergeordnete Ziel bei der Wahl der Methoden ist es, Augenhöhe zwischen Studierenden, Forscher*innen, professionelle Künstler*innen und Schüler*innen herzustellen. Sie schafft die Grundlage, dass alle Beteiligten Kompetenzen erwerben und einbringen können und das künstlerisch-wissenschaftliche Potenzial der Gruppe ausgeschöpft wird. Ziel ist also kein linearer Vermittlungsprozess von Lehrenden an Studierende und weiter an Schüler*innen, sondern bestenfalls ein befruchtender Dialog zwischen allen Beteiligten. So entwickelt beispielsweise eine Tanzstudentin eine Choreographie, die der Regisseur (von der Musik kommend) so nie hätte entwerfen können und die Schüler*innen entwickeln Ideen für Social Media Content für ihre Peergroup. Diese Grundhaltung beeinflusst in hohem Maße die Wahl der Lehr-Lernmethoden: So kommen kollaborative Tools wie ein MIRO-Board (digitales Whiteboard) zum Einsatz, in dem laufend Ideen und historische Quellen gesammelt werden können (https://miro.com/app/board/uXjVPI5MErM=/?share_link_id=92554239732). Auch Anleihen aus dem Design-Thinking werden nutzbar gemacht, ebenso wie Rollenspiele zur Kreativarbeit. Aber auch für klassische Wissensvermittlungsformate wie Vorlesungen ist Raum, wenn sie sinnvoll sind. Das Rollengefüge in der Gruppe ist somit durchlässig und lädt auch Seminarteilnehmer*innen ein, in die Rolle der Lehrenden/Forschenden zu schlüpfen.
  2. Raus aus dem geschützten Rahmen: Die Lehrveranstaltung ist kein Planspiel, an deren Ende eine Prüfung oder Hausarbeit steht, sondern sie zielt auf ein reales künstlerisches Ergebnis mit realem Publikum ab. Mehr noch, durch die Wahl eines renommierten Veranstaltungsorts werden die Studierenden motiviert, Höchstleistungen zu bringen. Diese Setzung schafft ein völlig anderes Lernsetting: es wird nicht mit fiktiven Budgets, Aufgaben oder Zielgruppen hantiert, sondern die Studierenden erfahren in der Realität, welche Ideen aufgehen und welche in der Praxis scheitern. Den Teilnehmer*innen wird ein sehr hohes Einstiegvertrauen entgegengebracht, was sie motiviert, auf den Punkt hochwertige Ergebnisse zu liefern. Selbstverständlich wird der Prozess dennoch engmaschig durch die Lehrende und das künstlerische Team betreut, sodass eine sichere und angstfreie Lernatmosphäre herrscht. Dennoch ist es ein Sprung ins kalte Wasser, der den Lerneffekt deutlich verstärkt. Er vermittelt den Studierenden die Grundhaltung, dass man auch im späteren Berufsleben suchend und lernend bleibt – zugleich aber auch im Studium schon auf hohem Niveau künstlerisch-vermittelnd wirken kann.
  3. Arbeit im Kollektiv: Im Projekt sind vielfältige, sehr unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Anders als in klassischen Lehrveranstaltungen, in denen oft alle Studierende die gleiche Leistung erbringen müssen, um ECTS zu erhalten, muss sich hier die Gruppe selbst organisieren und die Aufgaben kompetenzorientiert verteilen: Wer ist stark in der Kommunikation und kann das Kick-Off mit den Schüler*innen moderieren? Wer liest leicht Frakturschrift und wühlt sich durch die historischen Zeitungen? Wer hat Erfahrung in der Workshopgestaltung und plant Warm-ups und Gruppenarbeiten? Auch hier zielt der pädagogische Ansatz wieder auf eine Ermächtigung der Studierenden ab, ihre eigenen Potenziale einzuschätzen und zu nutzen. Besonders in der freien Szene, die für viele Studierende später den beruflichen Rahmen bieten wird, sind solche Arbeitsformen weit verbreitet, sodass ein Kompetenzerwerb hier sehr hilfreich ist.
  4. Interdisziplinarität als Schlüssel: Der Studiengang MAE ist im Kern interdisziplinär angelegt. Die beteiligten Studierenden kommen aus den Bereichen Klassik und Jazz, Tanz, Performance Art und musikalisches Unterhaltungstheater. Auch die individuellen Schwerpunkte sind heterogen: Während einige sich stark auf den Vermittlungsbereich fokussieren, sind andere vor allem auf der Bühne aktiv, wieder andere fassen eine wissenschaftliche Karriere ins Auge. Das Projekt versucht diese Heterogenität als Chance zu begreifen und allen Studierenden individuelle Schwerpunkte zu ermöglichen. So wurde auch das künstlerische Leitungspersonal so aufgestellt, dass es Erfahrung im Umgang mit Interdisziplinarität in den Künsten hat. Regisseur Iñigo Gíner Miranda ist beispielsweise Gründungsmitglied vom Ensemble DieOrdnungDerDinge, das den Raum zwischen musikalischen und theatralen Formen meist auf sehr spielerische und hochvisuelle Weise erforscht. Die verschiedenen künstlerischen Ansätze werden ergänzt durch die pädagogische sowie die wissenschaftliche Perspektive. Dadurch ergibt sich auch mit Blick auf die Lehr-Lernmethoden eine sehr große Vielfalt, die – frei nach dem Motto varietas delectat – zur Motivation und Konzentration der Lerngruppen beiträgt. So reichen die Lehrmethoden von dichten wissenschaftlichen Vorträgen über körperliche Übungen bis hin zu Lernspielen.Verzahnung von Forschung und Lehre: Bei der Entscheidung über das Sujet war das Anliegen der Lehrenden, auf eigene Forschungen zurückzugreifen und die eigenen – wissenschaftlichen und künstlerischen – Interessen einfließen zu lassen. Denn auch auf Lehrendenseite gilt die Regel, dass je höher die instrinsische Motivation ist, desto höher ist auch die Leistungsbereitschaft und sind folglich die Ergebnisse. So konnte aus einem großen Pool an Quellen und Erfahrungen geschöpft werden, die im Rahmen der Doktorarbeit (Jenseits der Konzertsäle. Klassische Musik für breite Bevölkerungsschichten in Berlin um 1900, Stuttgart 2023) bearbeitet sowie in vorangegangenen künstlerischen Projekten erworben wurden. Die Studierenden sollen methodisch und inhaltlich am Forschungsprozess teilhaben und Tools wie MaxQDA kennenlernen. Häufig gibt es an Kunstuniversitäten (sowohl von Seiten der Studierenden als auch von Kolleg*innen aus dem instrumentalen Bereich) eine gewisse Scheu vor wissenschaftlicher Forschung, da sie als Konkurrenz zum künstlerischen Schaffen wahrgenommen wird und Studierende die Sorge haben, als Künstler*innen nicht über ausreichende Kompetenzen zu verfügen. Mit diesem Vorurteil wird im Projekt aufgeräumt und die Studierenden werden ermutigt, selbst forschend tätig zu werden. Zwei der Kommiliton*innen fassen – möglicherweise auch durch die Erfahrungen im Projekt – nun selbst ein künstlerisch-wissenschaftliches Doktorat ins Auge.
  5. Einbindung von professionellen Kooperationspartner*innen: Lehrende verfügen häufig über spezialisierte Expertisen. Wollen sie thematisch breite Projekte angehen, müssen sie externe Expertise hinzuzunehmen, wenn sie auf exzellentem Niveau arbeiten wollen. Um dies tun zu können, wurden für das Projekt von der Lehrenden Drittmittel eingeworben. Die Mittelakquise beim Call Vom Wissen der Vielen – Wissenschaftsvermittlung in Wien (2022) bei der Stadt Wien (MA7) wurde zu Beginn des Seminars auch thematisiert, da dies eine wichtige zukünftige Tätigkeit für die Studierenden sein wird. Das Expert*innen-Team ist vielfältig aufgestellt: (1) Iñigo Giner Miranda ist international erfolgreicher Konzertinszenierer/Komponist/Musiker und arbeitete u.a. für die Tonhalle Zürich und das Haus der Kulturen der Welt Berlin. Er ist als künstlerische Leitung umfangreich ins Projekt eingebunden, (2) Angela Ribera bringt als Szenographin/Kostümbildnerin ihre Kompetenzen ein und gibt sie im Workshop auch an Studierende/Schüler*innen weiter, (3) Gerhardt Ordnung (ehemaliger Leiter des Institut Film ABC Wien) und Fesih Alpagu (freier Filmemacher) begleiten das Projekt von medienpädagogischer Seite. (4) Miriam Schmid, Klassenvorstand der Projektklasse, ist selbst ausgebildete Tänzerin und bringt ihre Kompetenzen aus dem Bereich Schule in das Projekt ein. Darüber hinaus gibt es ein breites Netzwerk von Kooperationspartner*innen, die das Projekt inhaltlich unterstützen, vom Dschungel Wien über das Ludwig Boltzmann Institute for Digital History (Ingo Zechner) bis hin zum Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Uni Wien (Dr. Karin Moser).
  6. Digitales als Querschnittsthema: Die Covid19-Pandemie hat im künstlerischen Bereich sowohl die Grenzen als auch die Chancen digitaler Tools deutlich gemacht. Der Erfahrung nach konnten digitale Mittel immer dann fruchtbar eingesetzt werden, wenn sie nicht versuchten, den analogen Bereich zu ersetzen, sondern sinnvoll zu ergänzen. In diesem Sinne werden digitale Tools in allen Stufen des Projekts nutzbar gemacht und der digitale Raum aktiv mit bespielt: Während der Entwicklungsphase helfen Tools wie MIRO, digitale Clouds oder auch Onlinedatenbanken (z.B. ANNO Historische Zeitungen und Zeitschriften) bei der Generierung und Sortierung von Quellenmaterial. Kommunikationstools wie Zoom werden zur Überbrückung lokaler Distanzen (bspw. im künstlerischen Team) eingesetzt. Für die Show selbst werden diverse digitale Inhalte produziert (von Filmen über Projektionen bis hin zu Zuspielern). Die Bespielung des digitalen Raums zur Bewerbung und Begleitung der Produktion flankiert das Projekt über den gesamten Zeitraum. Auch bei der Evaluation werden digitale Tools genutzt (EvaSys).

Das Projekt selbst erstreckt sich über zwei Semester und gliedert sich in vier Phasen, die methodisch unterschiedlich aufgezogen sind:

  1. Input und Recherche: Hier setzen sich die Studierenden mit gesellschaftlichen und politischen Parallelen zwischen den 1920er/2020er (z.B. Pandemien, Feminismus, Energiepolitik) auseinander. Sie befassen sich mit dem Musiktheater der Zwischenkriegszeit und lernen die Methoden des dokumentarischen Theaters kennen. Zentrale Lehr-Lernmethoden in dieser Phase sind u.a. Vorlesungen zur Wissensvermittlung, Recherchephasen und Archivarbeit in Kleingruppen mit Dokumentation in MIRO (Whiteboard), Einblicke in die Arbeit mit MaxQDA und Impulsreferate.
  2. Planung und Durchführung der Schulworkshops und Konzerteinführungen: Kern dieser Phase ist die Konzeption und Durchführung von Workshops in der Schule. Hier teilen sich die Studierenden in thematische Schwerpunkte (Tanz, hist. Quellenarbeit, Bühne- und Kostüm, hist. Film) und planen konkrete Workshopinhalte. In der Folge leiten sie drei Workshoptage in der Schule und geben zusätzlich Konzerteinführungen in Schulen, die sich für die Vorstellungen angemeldet haben. Zentrale Lehr-Lernmethoden in dieser Phase sind u.a. Design-Thinking bzw. Rapid Prototyping zur Entwicklung von Ideen, Rollenspiele zur Vorbereitung auf die Schulworkshops, Gruppendiskussionen mit Seminarcharakter zu Prinzipien der Workshopgestaltung, Stationenworkshops (gemeinsam mit den Schüler:innen) und Arbeit in individuellen Kleingruppen.
  3. Proben / Produktion / Aufführungen: Ziel dieser Phase ist die Entwicklung einer 60-minütigen Bühnenperformance im Cabaret-Stil sowie 5 Vorstellungen. Zentrale Lehr-Lernmethoden in dieser Phase sind u.a. klassische Probenarbeit mit wechselnden Leitungen, Körperarbeit unter der Leitung der Studierenden (z.B. Warm-ups vor den Vorstellungen), die selbstorganisierte, kollektive Übernahme von Verantwortung für Aufgaben vor und hinter der Bühne, individuelle Textarbeit für Programmheft und Onlinepräsenz und Dokumentation des Prozesses (digital und analog).
  4. Evaluation und Reflexion: Ziel dieser Phase ist es, das Projekt und den Prozess zu reflektieren, zu evaluieren und zu dokumentieren. Dabei geht es um das künstlerische Ergebnis, die eigene Leistung und den Prozess mit den Schüler*innen. Zentrale Lehr-Lernmethode in dieser Phase sind u.a. diverse Feedbacktools für die Gruppe, Videoanalyse, moderierte Gruppendiskussionen sowie das Verfassen von Berichtelementen in Kleingruppen.

Nutzen und Mehrwert

Aus Sicht der Studierenden bietet das Projekt den Vorteil, dass sie am konkreten Praxisbeispiel parallel zur Planung ihrer individuellen Vermittlungsprojekte (Teil der MA-Abschlussprüfungen) alle Schritte eines Forschungs- und Vermittlungsprojekts kennenlernen. D.h., sie bekommen en passant mit, wie man Räume organisiert, mit Kooperationspartner*innen verhandelt, Öffentlichkeitsarbeit betreibt, Workshops plant, mit jugendlichen Zielgruppen agiert usw. Dies erspart aus Lehrendensicht viel pädagogischen Aufwand, da sich die Inhalte im Tun viel leichter vermitteln lassen und sich viele Fragen von selbst erledigen. In den ergänzenden Lehrveranstaltungen kann das Cabaret-Projekt dann immer als Beispiel dienen, anhand dessen die Inhalte theoretisch vertieft und reflektiert werden können. Zudem erhalten die Studierenden durch die Kooperation mit namhaften Institutionen und die hochwertig produzierte Dokumentation wertvolle Referenzen fürs Portfolio. Durch die Verzahnung von Forschung und Lehre kann auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgegriffen werden, was die Vorbereitungszeit der Dozentin verkürzt. Oft bleibt im Alltag bei einer Stelle, die zu gleichen Teilen für Forschung und Lehre dotiert ist, weniger Zeit für Forschung, da die Lehre so raumgreifend ist. Durch dieses Projekt wird die Forschung in die Lehre integriert und bekommt so zwangsläufig mehr Raum. Zudem bietet das Projekt eine großartige Möglichkeit der Vernetzung und des Kennenlernens innerhalb der Stadt, was für die Lehrende, die erst relativ kurz in Wien ist (Berufung September 2021), auch für die Zukunft relevant ist. Die komfortable finanzielle Ausstattung der LV durch Drittmittel ermöglicht die Zusammenarbeit mit einem hochkarätig besetzten künstlerisch-wissenschaftlichen Team, das die Lehrende inspiriert und motiviert und einen erheblichen individuellen Mehrwert bietet.

Nachhaltigkeit

Das Projekt ist im Modul „Kulturvermittlung an Schulen“ angesiedelt. Es gibt eine langjährige, erfolgreiche Reihe von Kulturvermittlungsprojekten in diesem Modul in Zusammenarbeit mit der MS Pottendorf (Leitung: Andrea Rittersberger). In der Planungsphase wurden Erfahrungswerte ausgetauscht und aufgegriffen. Das Projekt Cabaret der alten Neuigkeiten orientiert sich an dieser Reihe, richtet sich jedoch an eine etwas ältere Zielgruppe, ist durch den Fokus auf Wissenschaftsvermittlung inhaltlich breiter aufgestellt und durch die Akquise von Drittmitteln mit einem größeren personellen und budgetären Spielraum ausgestattet. Das pädagogische Konzept schöpft aus Erfahrungen von Projekten der Lehrenden, die bereits in die Zeit vor der Berufung an die MUK fallen, u.a. dem partizipativen Konzertprojekt VISION (nominiert für den Preis für Kulturelle Bildung des Ministeriums für Kultur und Medien, Deutschland, 2017), dem inszenierten Konzert 1920 (Vorstellungen in der Bundeskunsthalle Bonn, 2020) und der Lehrveranstaltung Raus aus den Konzertsälen (Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, 2021 in Zusammenarbeit mit den Beethovenfesten Bonn). Aufwendige Projekte wie diese können nicht jährlich realisiert werden, es wird jedoch angestrebt, in regelmäßigen Abständen (beispielsweise alle drei Jahre) vergleichbare Projekte auf die Bühne zu bringen. Die Erkenntnisse und Erfahrungswerte fließen in die jährlich laufende LV „Kulturvermittlung an Schulen“ zurück.

Dissemination/Transfer

Das Lehrveranstaltungskonzept und die pädagogischen Prämissen sind auf zahlreiche andere Lehrveranstaltungen der Lehrenden anwendbar und fließen bereits laufend in die universitäre Lehre ein: In Instrumental(Gesangs-)pädagogik-relevante Forschung sowie Methoden und Befunde der Kulturvermittlungsforschung werden die Studierenden selbst forschend aktiv und realisieren wissenschaftliche Projekte von der ersten Idee bis zur Umsetzung (auch unter dem Blickwinkel der Wissenschaftsvermittlung). Im Zentralen künstlerischen Fach 04 sowie Portfolio 04 (Master of Arts Education) können die Studierenden im begleiteten, geschützten Rahmen das erworbene Vermittlungswissen und die methodischen Tools in selbstorganisierten Workshops und Performances erproben. Darüber hinaus besteht ein enger Austausch u.a. mit Prof. Andrea Rittersberger, Susanne Wolfram, Peter Spindler und Edith Wregg, die die Erkenntnisse und Methoden des Projekts in Schulvermittlungsprojekte, Projektmanagementseminare, Musikvermittlungsseminare und theaterpädagogische Projekte einfließen lassen. Neben diesen Synergien und Querverbindungen innerhalb des Hauses gibt es auch erste Gespräche mit Institutionen außerhalb Wiens, die Interesse an dem innovativen Ansatz bekundet haben und eine Neuauflage vor Ort in Erwägung ziehen. So laufen Gespräche mit Steven Walter (Intendanz Int. Beethovenfeste Bonn) und Marion Leuschner (Leitung Educationabteilung Int. Beethovenfeste Bonn / Lehrbeauftragte HfMT Köln). Auch die Elbphilharmonie Hamburg (Lutz Köller) hat Interesse an dem Konzept bekundet und zu einem ersten Gespräch eingeladen.

Institutionelle Unterstützung

Die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien hat das Projekt in vielfacher Hinsicht unterstützt: Auf finanzieller Ebene hat das Zentrum Wissenschaft und Forschung der MUK mit der Vergabe eines Werkvertrags in Höhe von 8.000 € für Recherche-, Arrangement- und Lehrtätigkeit der künstlerischen Projektleitung (Iñigo Giner Miranda) maßgeblich dazu beigetragen, dass die Lehre auf einer gründlichen und umfassenden künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsgrundlage basiert. Zudem hat das Forschungsservice der MUK schon bei der Konzepterstellung und Mittelakquise durch fachkundige Beratung dazu beigetragen, dass eine Förderung in Höhe von 62.000€ von der Abteilung Wissenschafts- und Forschungsförderung der Stadt Wien (MA 7) bewilligt wurde. Auf infrastruktureller Ebene profitiert das Projekt sowohl von einer flexiblen Nutzung der Räumlichkeiten und IT, als auch vom Zugriff auf den Fundus und die technische Ausstattung. Von besonderer Bedeutung war auch die ideelle Unterstützung durch ein breites Netz an Kolleg*innen, die beispielsweise den Kontakt zu möglichen Partnerschulen herstellten (Martina Seidl, Abteilung zeitgenössische Tanzpädagogik), den Weg zum Kooperationspartner Dschungel Wien ebneten (Nikolaus Selimov, Studiengangsleitung Master of Arts Education) oder passendes externes Personal für einzelne Projektmodule empfahlen (Steffi Hofer, Abteilung Schauspiel).

Positionierung des Lehrangebots

Das Seminar findet im Rahmen des interdisziplinären Masterstudiengangs Master of Arts Education statt, der sich an Studierende der Musik und der darstellenden Künste (Instrumentalist*innen, Sänger*innen, Schauspieler*innen, Tänzer*innen und Komponist*innen) richtet, die basierend auf ihren jeweiligen künstlerischen Studien, Kompetenzen in den Bereichen Pädagogik und Vermittlung entwickeln möchten. Das Praxisseminar ist im dritten und vierten Semester im Modul „Kulturvermittlung an Schulen“ angesiedelt. Damit findet es kurz vor der bzw. parallel zur Planungs- und Durchführungsphase der individuellen Masterprüfungen statt, in denen die Studierenden ebenfalls Vermittlungsprojekte mit verschiedenen Bezugsgruppen (z.B. Schulen) realisieren und Workshops halten müssen.

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Univ.-Prof.in Dr.in Wiebke Rademacher
Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien
+43 1 512 77 47
Nominierte Person(en)
Univ.-Prof.in Dr.in Wiebke Rademacher
Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien
Themenfelder
  • Digitalisierung
  • Erfahrungslernen
  • Forschung/EEK geleitete Lehre
  • Karriererelevanz für das wissenschaftliche Personal
  • Kooperationen in der Lehre
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Sonstiges
  • Wissenschaftliche (Abschluss)Arbeiten
Fachbereiche
  • Kunst, Musik und Gestaltung