Medizinische Universität Wien
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Multi Hybrid Teaching - ein modernes Unterrichtskonzept für naturwissenschaftliche Praktika am Beispiel des anatomischen Unterrichtes

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ziel

Ziel des Projektes ist die Qualität praktischer Lehrveranstaltungen (LVs), insbesondere in naturwissenschaftlichen, bzw. medizinischen Studien zu verbessern. Im Konkreten soll eine signifikante Steigerung der Qualität und Effizienz, sowie eine fachliche Erweiterung des anatomischen Unterrichts durch die Synthese von traditionellen hands-on Praktika mit Micro-Learning und VR-Methoden erreicht werden. Im Fokus soll das supervidierte, selbstständige und selbstbestimmte Lernen und Üben stehen. Als Beispiel dient der Anatomieunterricht im Line-Element Organmorphologie (OM) 3 des Medizinischen Curriculums der MedUni Wien (MCW).

Motiv & Hintergrund

Lehrkonzepte sind stetem Wandel unterworfen und müssen laufend dem Zielpublikum angepasst werden. Derzeit gehören die Studierenden den als „Millenial“ und „Generation Z“ bezeichneten Bevölkerungsgruppen an, die digitale Technologien als Lernmedium bevorzugen (Dolasinski et al. 2020, Vizcaya-Moreno et al. 2020). Durch diese Affinität und durch die, im Vergleich zu älteren Generationen kürzeren Aufmerksamkeitsspanne, ist die Entwicklung eines ansprechenden und profitablen Lehrkonzeptes eine Herausforderung.

Micro-Learning ist definiert als Lernen in kleinen Schritten. In kurzen Sequenzen werden unter Nutzung digitaler Technologien komprimiert Lernziele vermittelt. Es eignet sich daher hervorragend für den Unterricht von computeraffinen „Millenials“. Gleiches gilt für die Virtuelle Realität (VR). Im virtuellen Raum werden reale Situationen und Körper dreidimensional simuliert. Klassische hands-on Praktika, die von Micro-Learning und VR-Elementen unterstützt werden, sollten daher die Lernmotivation von Studierenden erhöhen und den Lernerfolg beschleunigen. Weiters sollte die Verlagerung von Lehrinhalten und Prüfungsereignissen aus dem realen in den virtuellen Raum ein Zeitbudget generieren, das für die Inklusion zusätzlicher, anwendungsorientierter Inhalte zur Verfügung steht.

Ausgangslage

Anatomie wird an der MedUni Wien in einem fächerintegrierenden Curriculum praktisch und theoretisch im 1. und 4.-6. Semester unterrichtet. Ebenso in Wahlfächern und postgraduellen Kursen.

Die anatomischen Lehrveranstaltungen im 4-6. Semester sind Bestandteil der Line Elemente Organmorphologie (OMs). Sie werden traditionell als hands-on Sezierkurse abgehalten. Unterstützt von studentischen Lehrenden und supervidiert von medizinischem Fachpersonal sezieren Kleingruppen von 6 Studierenden an je einer fixierten Körperspende. Eine Sezieranleitung fungiert als Anleitung und Lehrzielkatalog.

Problemstellung

Im Rahmen des Projektes sollten die anatomischen Praktika modernisiert und bei gleichem Zeitbudget fachlich erweitert werden. Unter Beibehaltung der für die Ausbildungsqualität unverzichtbaren eigenständigen Präparation sollte ein innovatives Konzept entwickelt werden, das die hands-on Komponenten durch den Einsatz zeitgemäßer Methoden unterstützt.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Der Anatomie-Unterricht ist die Basis der medizinischen Ausbildung. In den letzten Jahren wurde an der Abteilung für Anatomie der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien) ein innovatives, für die Konzeption von Praktika aller medizinischen und naturwissenschaftlicher Studien wegweisendes Lehrkonzept erarbeitet, das schrittweise etabliert wird. In einem Multi-Hybrid-Setting werden, sorgfältig abgestimmt, unterschiedliche hands-on, simultan Demonstration, Micro-Learning und VR-Einheiten kombiniert.

Das Multi-Hybrid Konzept wird anhand des Line-Elementes OM3 des Humanmedizin-Curriculums (MCW) vorgestellt. Kern ist ein hands-on Praktikum, der Sezierkurs - Traditionell sezieren Gruppen von 6 Studierenden strukturiert und supervidiert, aber eigenständig eine Körperspende. In den letzten Jahren wurden schrittweise Micro-learnings, wie e-testing, e-learning und andere kleinschrittige digitale Hilfsmittel, sowie Virtual Reality (VR) integriert. Ausgewählte Lerninhalte wurden in den VR-Raum verlagert. Die digitalen und VR-Lehrmittel beschleunigten und erleichterten die Präparation wodurch eine Effizienzsteigerung in der Wissensvermittlung und die Freisetzung von Zeitressourcen erreicht wird. Dadurch konnte die LV um moderne, anwendungsspezifische Inhalte ergänzt werden. Erste Evaluierungen der ca. 640 Studierenden der OM3 des SomSem 2022 zeigen eine sehr gute Akzeptanz und eine stark verbesserte Lernleistung.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Anatomy is the basis of medical education. Recently the Division of Anatomy of the Medical University of Vienna (MedUni Wien) started developing and implementing an innovative teaching concept, which impacts on practical teaching in all field of sciences. In a multi-hybrid setting, hands-on, simultaneous demonstration, micro-learning and virtual reality (VR) components are carefully balanced integrated in practical classes, compulsory of the medical curriculum.

The multi-hybrid concept is presented exemplarily by explaining the conception of line element OM3 of the medical curriculum (MCW). Central to OM3 is the dissection class - groups of 6 students dissect body donors in a structured and supervised, but largely self-directed way. We started to combine these hands-on classes with micro-learnings, such as e-testing, e-learning and other micro-aids, as well as VR. Selected topics were completely shifted into the VR facility. This accelerated and supported preparation and increased the efficiency of knowledge transfer. Most importantly, it released time resources, which were filled with modern, clinically-oriented content. First evaluations of the approximately 640 students passing OM3 in 2022 revealed a high acceptance and a significantly improved learning outcome.

Nähere Beschreibung des Projekts

Projektziel

Ziel dieses Projektes ist die Konzeption und Etablierung von Lehrveranstaltungen, die praktische, digitale und VR-Komponenten mit einer traditionellen Didaktik, hands-on Komponenten und Micro-Learning Zugängen verbinden (Multi-Hybrid Konzept). Moderne Studierende sollen maximal angesprochen und motiviert werden. Die Zeiteffizienz in der Wissensvermittlung und die Lerneffizienz sollen erhöht werden.

Das Multi-Hybrid-Konzept soll prinzipiell für die Praktika aller naturwissenschaftlicher Studien anwendbar sein. Es soll anhand des kürzlich schrittweise transformierten traditionell rein praktischen Sezierkurses der OM3, der im 6. Semester des MCW stattfindet, dargestellt werden. Der Transformationsprozess anderer anatomischer LVs in den Multi-Hybrid-Modus soll vorgestellt, die Übertragung auf weitere medizinische Fächer und naturwissenschaftliche Bachelor- und Master-Studien soll kurz angesprochen werden. Outcome, Akzeptanz und Effizienz der integrierten verwendeten und integrierten Lehrmethoden sollen evaluiert werden.

Etablierung von Multi-Hybrid-Learning in der Humananatomie

Detaillierte Kenntnis der menschlichen Anatomie ist die Basis für das Verständnis und die Kontextualisierung der Funktion von Geweben und Organen, sowie die Genese, Diagnose und Behandlung pathologischer Veränderungen in allen klinischen Fächern. Traditionell werden systematisch anatomische Kenntnisse in Vorlesungen und topologische Beziehungen und Details in Sezierkursen unterrichtet. Zunehmend werden moderne digitale Lehrmittel eingesetzt, um den praktischen Unterricht zu unterstützen. Insbesondere Universitäten in Ländern in denen ein Mangel an Körperspenden herrscht, sind gezwungen den anatomischen Unterricht vollständig in ein digitales und/oder virtuelles Setting zu verlegen.

Ziel dieses Projektes war es, die traditionellen, von der Mehrzahl der Studierenden sehr geschätzten und exzellente Resultate liefernden praktischen Seziereinheiten noch weiter zu verbessern und mit modernen, innovativen Lehrzugängen zu kombinieren. Dadurch sollen bei umfassender praktischer und praxisnaher Vermittlung der anatomischen Grundlagen, die Erarbeitung systematischer und topologischer anatomischer Lehrinhalte erleichtert und die klinische Anwendbarkeit des Wissens verbessert werden. Die zeitliche Effizienz der Praktika soll erhöht und die Vermittlung von manuellen Skills und sozialen und ethischen Kompetenzen sichergestellt werden.

Anatomische Praktika & Sezierkurse an der MedUni Wien

Systematische Anatomie wird überblicksartig in einem fächerintegrierten Block-Modul im 1. Semester vorwiegend theoretisch unterrichtet. Lediglich der passive Bewegungsapparat wird im Detail gelehrt. Detaillierte Muskel- und Organsystematik und -topologie wird ab dem 4. Semester in drei Organmorphologie (OM) Line-Elementen in einem supervidierten, aber großteils selbstbestimmten Setting unterrichtete (siehe Link 1). OM1 findet im 4., OM2 im 5 und OM3 im 6. Semester, parallel zu inhaltlich passenden Themenblöcken (Block 13 – 19 des MCW) statt. In den OM-Elementen werden fächerintegriert Kenntnisse aus Bildgebender Diagnostik, Embryologie und mikro- und makroskopischer Anatomie vermittelt. Fokus ist die Vermittlung funktioneller makroanatomischer Inhalte.

OM3

In den letzten Jahren wurde begonnen, alle OM – Elemente, sowie den Anatomieunterricht im 1. Semerster des MCW in Multi-Hybrid-LVs zu transferieren. Aufgrund der Komplexität und der Notwendigkeit, den laufenden Betrieb in hoher Qualität aufrechtzuerhalten, kann dies lediglich in kleinen Schritten erfolgen. In der OM3 ist die Entwicklung nun bereits abgeschlossen. Daher wird das Grundkonzept des Multi-Hybrid Unterrichts anhand der OM3 demonstriert.

In Zentrum der OM3 steht die Vermittlung der detaillierten systematischen, topologischen und funktionalen Anatomie des zentralen und peripheren Nervensystems, der Sinnesorgane und des Bewegungsapparates. Insbesondere die zeiteffiziente Vermittlung der Anatomie des Gehirns und der Sinnesorgane stellt eine enorme didaktische Herausforderung dar.

Multi-Hybrid-Learning Konzept

Unterschiedliche Micro-Learning und - Assessment Methoden wurden mit VR-Lehreinheiten und digital angeleiteten und traditionellen hands-on Praktikumseinheiten kombiniert. In einem neu entwickelten „virtuellen Seziersaal“, der eine Erweiterung der Softwareplattform Moodle darstellt, finden vor allem kleinteilige e-learnings mit Videounterstützung und Micro-learning assessment Ereignisse statt. Im Seziersaal werden live Demonstrationen der schrittweisen Sektionen des Gehirns übertragen, die von Lehrenden durchgeführt werden und zu denen die Studierenden simultan eigenständig Gehirne präparieren. Ein Eingehen auf individuelle Bedürfnisse der Studierenden ist in einem solchen Demonstrationssetting gewährleistet. In selbstbestimmt planbaren VR-Lehreinheiten, für die eindeutige Zielvorgaben existieren und die aufwändige Präparationsschritte ersetzen, wurden mit der weiterhin zentralen hands-on Sektion zeitlich und inhaltlich synchronisiert. Das dadurch erweiterte Zeitbudget wurde für die Inklusion zeitgemäßer und praxisrelevanter Themen genutzt.

Virtueller Praktikums(Sezier)saal

Der virtuelle Seziersaal (siehe Link 2) ist ein Moodle Veranstaltung. Hier finden die Micro-Learning und -Assessment Einheiten statt. Vor Beginn der OM1 sind auch Sicherheitshinweise, Verhaltensregeln zur Kenntnis zu nehmen und videogestützte e-learnings zur allgemeinen Instrumenten- und Präparationslehre und zu anatomischen Lagerungstechniken zu absolvieren.

Micro-learning im virtuellen Seziersaal

Micro-learnings können durch ihre Charakteristika als kurze Lerneinheiten, die auf ein einziges Lernziel fokussiert sind und orts- und zeitunabhängig durch die digitale Aufarbeitung konsumiert werden können, definiert werden. Sie unterstützen die Studierenden beim Erarbeiten vorgegebener Lernziele. Theo Hug hat in diesem Zusammenhang 2005 den Begriff des „knowledge nuggets“ geprägt, welches das Zentrum jeder Micro-learning-Einheit ist.

In der OM3 finden sich im virtuellen Seziersaal zu jeder Sezierregion kurze Videosequenzen, in denen entweder neuralgische Demonstrationsschritte demonstriert, Präparationstipps gegeben oder Strukturbeschreibungen vorgestellt werden. Um möglichst authentisch die reale Situation im Seziersaal zu simulieren, wird von den Lehrenden routinemäßig präpariert und an von Studierenden vorbereiteten Präparaten gearbeitet. Diese Videosequenzen dienen zur Vorbereitung auf die Präparation der von den Studierenden gewählten Sezierregionen. Sie sind aber auch für alle andern Studierenden verfügbar und unterstützen das Lernen für mündliche Überprüfungsereignisse, die im physischen Seziersaal stattfinden.

Micro-learning assessments im virtuellen Sezieraal

Vor Beginn jeder neu zu beginnenden Präparationsregion finden e-testing Ereignisse statt. Unter Nutzung von Video- und Bildmaterial, sowie „drag and drop“ oder „pull down Listen“ werden Regionsbegrenzungen, sowie regionsspezifische topologische und stratigraphische Inhalte abgefragt. Dadurch werden die Studierenden optimal auf die die zielgerichtete und daher zeiteffiziente selbstständige Präparation vorbereitet.

Zusätzlich werden umfangreiche thematische Überprüfungen (Übergaben) durchgeführt. Dabei muss zuerst im virtuellen Seziersaal ein Multiple-choice Test positiv absolviert werden. Dieser überprüft basale übergabespezifische Kenntnisse zu systematischen Inhalten. Danach werden assoziierte topologische anatomische Kenntnisse im Sezierkurs mündlich am Präparat abgefragt. Zur Vorbereitung stehen detaillierte Lehrzielkataloge zur Verfügung. In der Durchführung greift jeder e-Test auf einen Pool von ca. tausend, in anatomischen Prüfungskommissionen evaluierten Multiple-choice Fragen (Bild- und Textfragen) zurück. Jede/r Studierende muss 20-30 zufällig ausgewählte Fragen beantworten. Die Beantwortungszeit ist mit 30s pro Frage limitiert. Um bei ca. 640 Studierendend die Server-Kapazitäten nicht zu überlasten, finden die Überprüfungen in 5 Gruppen zu jeweils 100-150 Studierenden statt, wobei die Fragen jeder Gruppe aus einem eigenen Fragenpool stammen.

Der virtuelle Seziersaal wurde bereits für alle OM-Sezierkurse (OM1, OM2, OM3) implementiert. Die Fragenpools werden ständig erweitert, die Videosequenzen werden kontinuierlich überarbeitet. Ein vergleichbares System wurde für das „Knochenpraktikum“ im 1. Semester implementiert.

VR-Praktikum

Ein erstes anatomisches VR-Praktikum findet bereits im 1. Semester zur selbstständigen Erarbeitung definierter systematisch anatomischer Inhalte statt. Hier ersetzt es Vorlesungsstunden.

In der OM3 wurden mit dem Sommersemester 2022 erstmals Inhalte aus dem Themenbereich Sinnesorgane aus dem hands-on Teil in den VR-Raum verlagert. Diese Inhalte sind an physischen Präparaten nur bedingt und mit massivem zeitlichem Aufwand erarbeitbar. Im VR-Setting dagegen können die entsprechenden fachlichen Kompetenzen mit Hilfe annotierter 3D Modelle umfassend und zeiteffizient erworben werden. Die durch die zeiteffizientere Nutzung freiwerdenden Zeitressourcen wurden für die Einbindung translatorischer und klinisch orientierter Komponenten genutzt.

Digitale Live-Demonstration mit simultaner studentischer Präparation

Diese Lehr-Komponente ist in ihrer finalen Ausbaustufe im SomSem 2023 in der OM3 implementiert. Die, für ungeübte Studierende äußerst herausfordernde Präparation des Ventrikelsystems wird dadurch unterstützt. Direkt im Seziersaal werden an einem „Mastertisch“ die Schritte der Ventrikelpräparation von erfahrenen Lehrenden durchgeführt. Die Präparationsstrategie wird erklärt, die freigelegten Strukturen werden demonstriert und ihre Funktion wird besprochen.

Jeder Schritt wird über ein Video-Beamer System für die Studierenden gut sichtbar projiziert. Zwischen den Schritten wird den Studierenden Zeit eingeräumt die Präparation selbstständig nachzuvollziehen und die aufgefundenen Strukturen in den Kleingruppen zu besprechen. Direkte Interaktionen zwischen Studierenden und Lehrenden sind dabei möglich. Die Lehrperson, die die Sektion demonstriert, kann auf individuelle Fragen und Anregungen reagieren und die praktischen Abläufe modifizieren. Die Präparation wird aufgezeichnet und den Studierenden zur fachlichen Nachbereitung im virtuellen Seziersaal zur Verfügung gestellt. Im SomSem 2022 wurden, in einer Vorstufe, solche Lehreinheiten im Hörsaal durchgeführt. Auch hier hatten die Studierenden die Möglichkeit interaktiv dabei zu sein und in der Nachbereitung Videoaufzeichnungen zu verwenden.

Hands-on Sektion

In der OM3 wird von den Studierenden vor allem der aktive Bewegungsapparat nach Vorbereitung im virtuellen Seziersaal eigenständig präpariert. Eine Sezieranleitung definiert die Lernziele, das vorausgesetzte Wissen, sowie die Präparationsschritte und -abläufe. Die, durch das Multi-Hybrid-Konzept freigewordenen Zeitressourcen wurden genutzt um Team Learning Schritte zur Besprechung der dargestellten Strukturen und der Translation der erworbenen Kenntnisse auf die Situation am Lebenden, sowie für die Erarbeitung von Geschlechtsspezifika und Variationen unter Verwendung aller, von allen Studierenden präparierten Körperspenden zu etablieren. Zur Abstimmung wurde ein online System etabliert in dem für jede der ca. 120 gleichzeitig genutzten Körperspenden interessante Variationen, Pathologien und Operationen gelistet sind. Diese Datenbank wird von den Lehrenden befüllt und regelmäßig upgedated.

Im Rahmen der selbstständigen, supervidierten hands-on Einheiten finden auch kontinuierliche mündliche Bewertungen fachlicher Kompetenzen und praktischer Skills, sowie Überprüfungen zur Topologie der dargestellten Strukturen statt. Die in den praktischen Teil integrierten translatorischen Kompetenzen, sowie Kenntnisse zu geschlechtsspezifischen Details und zu häufig auftretenden Variationen sind dabei prüfungsimmanent.

 

Nutzen und Mehrwert

Steigerung der Betreuungsintensität

Kenntnisüberprüfungen zu Beginn der selbständigen Präparation und Prüfungsinhalte der systematischen Anatomie wurden ins e-learning und e-testing ausgelagert. Durch den reduzierten Prüfungsaufwand konnte die Intensität der Supervision durch das Lehrpersonal und die Effizienz bei der Erarbeitung komplexer Inhalte verbessert werden.

Zeiteffizienz

Durch den Multi-Hybrid Zugang konnte eine signifikante Zeitersparnis der Studierenden in der Vorbereitung auf praktische Inhalte erreicht werden. Die Auslagerung von herausfordernden aber nur mäßig wichtigen Präparationsschritten in die VR und die Verschiebung von Prüfungsereignissen ins e-learning und e-testing erhöhte das Zeitbudget der Studierenden. Dieses steht nun für die sorgfältige Präparation und zum Lernen am Präparat (siehe unten) zur Verfügung.

Erweiterung der fachlichen Kompetenz

Das gewonnene Zeitbudget erlaubte die Einbindung interdisziplinärer und translatorischer (Theorie/Klinik) Kompetenzen, die Teil einer modernen und zukunftsweisenden medizinische Ausbildung sind

  1. Post mortem/in vivo Translation
    Vorbereitet durch digitale Ressourcen, werden im Seziersaal hygienisch und pietätvoll tastbare Strukturen simultan an der Körperspende und am Lebenden aufgesucht. Angespannte Muskeln und wichtige nervöse Strukturen etc. werden in Funktion palpiert und ihre Position wird gleichzeitig an der Körperspende evaluiert.
  2. Demonstration klinischer Untersuchungen und wichtiger Zugänge durch das Lehrpersonal.
  3. Studium geschlechtsspezifischer Strukturen
  4. Studium von Varietäten an Körperspenden
    Den Studierenden steht Zeit zur Verfügung um an allen, parallel sezierten >100 Körperspenden seltenen Varietäten zu erarbeiten.
  5. Studium des Erscheinungsbildes häufiger Pathologien und OP-Situs
    Zufällig aufgefundene Pathologien und OP-bedingten Veränderungen können mit dem Lehrpersonal diskutiert werden.

Nachhaltigkeit

Das Projekt ist in das EU finanzierte „InVitra-Projekt“, sowie das Projekt „Digitale und virtuelle Anatomie“ (Teil der Digitalisierungsoffensive der MedUni Wien), eingebunden.

InVitra

Im Rahmen des Projekts wurde ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, das die internationale Zusammenarbeit zur weiteren Verbesserung der VR-Aktivitäten und Ressourcen vorbereitet. Ziel ist es in gemeinsamen, nationenübergreifenden Ansätzen, unter Nutzung der unterschiedlichen fachlichen Kompetenzen der Partner und unter Einbindung von IT-Firmen die Einsatzmöglichkeiten und die Qualität von VR-Ressourcen zu optimieren und weiterzuentwickeln. Dies umfasst sowohl die Hard- und Software, als auch die zu deren Betrieb notwendige Infrastruktur.

Digitale virtuelle Anatomie

Das Projekt „Digitale und virtuelle Anatomie“ ist eines der Projekte, die im Rahmen der Digitalisierungsoffensive an der MedUni Wien zur Finanzierung ausgewählt wurden. Ein wichtiges Ziel ist es, die im Rahmen des anatomischen Unterrichtes entwickelten Micro-Learnings inhaltlich zu verbessern und die Verwendbarkeit zu vereinfachen.

Im Vordergrund steht die Produktion von Videosequenzen zur Optimierung der Vorbereitung der Studierenden auf praktische Einheiten und deren Inklusion in den VR-Raum. Weiters die Erweiterung und Professionalisierung der digitalen 3D-Facilities, die für Studierende zur Verfügung stehen, sowie den Ausbau der alternativen Infrastruktur für Studierende mit Cyber sickness Symptomen.

Dissemination/Transfer

Anatomie Praktika

Alle praktischen Anatomie-LVs des MCW werden schrittweise in den Multi-Hybrid-Modus übergeleitet. Micro-Learning Komponenten sind bereits in die OM1 (4. Sem) und OM2 (5. Sem) und in die Praktika zum passiven Bewegungsapparat (1. Sem) integriert.

Anatomie Vorlesungen

Vorlesungseinheiten mit systematischen Inhalten werden schrittweise in virtuelle Unterrichtseinheiten verschoben. Micro-Learning Elemente werden eingebunden.

Anatomie Wahlfächer

In anatomische „Teach the Teacher“ Veranstaltungen ist Micro-Learning als Ergänzung und Vorbereitung auf die selbstständige praktische Sektion integriert. VR-Einheiten sollen in den nächsten Semestern eingebunden werden. Die Erweiterung anatomischer Wahlfächer wie Gelenksmorphologie und Neuroanatomie zu Multi-Hybrid-Praktika ist geplant.

LVs verwandter Fächer

Das Multi-Hybrid-Konzept ist nicht auf den Einsatz in der anatomischen Lehre beschränkt. Abhängig von Softwarelösungen ist es auf verwandte medizinische Fächer übertragbar. Im Bereich der histologischen Lehre wird an unserem Zentrum bereits begonnen das „virtuelle Mikroskop“ in die praktische Mikroskopierkurse einzubinden. Softwarelösungen für VR-Histologie sind verfügbar und werden derzeit evaluiert.

Medizinische LVs allgemein

Das Multi-Hybrid Modell und insbesondere die VR eignen sich zur schnellen und effizienten Widerholdung von Basiswissen zur Vorbereitung auf klinisch praktischer LVs, sowie für die postgraduelle Aus- und Weiterbildung. Der Einsatz in diesen Bereichen wird derzeit evaluiert.

Naturwissenschaftliche LVs

Das Multi-Hybrid-Prinzip kann, nach fachspezifischer Modifikation, in LVs aller naturwissenschaftlicher Fächer eingesetzt werden. Der Nutzen für die Lehrenden und Studierenden und die damit einhergehende Verbesserung der Ausbildungsqualität rechtfertigt unseres Erachtens den beträchtlichen organisatorischen, finanziellen und koordinativen Aufwand. Wir stellen gerne unser know-how für die komplexe Überleitung zur Verfügung.

Institutionelle Unterstützung

Unterstützung durch government bodies

Die Etablierung der VR-Infrastruktur und das Design der VR-Lehrkomponenten wurden durch die EU teilweise finanziert und in der Abwicklung vom Magistrat der Stadt Wien unterstützt. Mehrere Fachhochschulen in Niederösterreich und Wien, sowie das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung waren strategische Partner.

Unterstützung durch die MedUni Wien

  1. Unterstützung curricularer Änderungen
    Notwendige curriculare Adaptierungen wurden von den Fachvertretungen und der Curriculumsdirektion Humanmedizin ausgearbeitet. Nach sorgfältiger Prüfung auf Machbarkeit wurden Änderungsanträge in die Curriculumskommisssion Humanmedizin eingebracht und von dieser und dem Senat unterstützt und genehmigt.
  2. Förderung durch Vizerektorat Lehre und Task-Force Digitalisierung
    Das vorgestellte Projekt wurde zur Förderung im Rahmen der Digitalisierungsoffensive ausgewählt. Vizerektorin und Task-Force Mitglieder unterstützen im Lenkungsausschuss.
  3. Unterstützung durch die Gebäude Sicherheit und Infrastruktur, sowie IT-Abteilung
    Finanzielle Mittel und notwendige Infrastruktur wurden bereitgestellt und ermöglichen die Umsetzung des Projektes.
  4. Commitment der Abteilung für Anatomie & Partnerabteilungen
    Alle Lehrenden der Abteilung für Anatomie, sowie das administrative und technische Personal des Institutes, wie auch Lehrende anderer Abteilungen sind in Planung, Abwicklung und Evaluierung des Projektes eingebunden.

Positionierung des Lehrangebots

Das Multi-Hybrid Lehrkonzept wurde an der MedUni Wien im Rahmen des Humanmedizincurriculums entwickelt und ist in der Pflichtlehrveranstaltung (LV) OM3 für 640 Studierende der Humanmedizin pro Semester bereits umgesetzt und evaluiert. In den MCW Elementen OM1 und OM2, sowie im Anatomieunterricht im Block2 wird es gerade schrittweise für insgesamt ca. 2 000 Studierenden pro Jahr eingeführt. Die schrittweise Etablierung ist aufgrund der Komplexität notwendig. Der Einsatz für weitere medizinische Fächer ist bereits in der Planungsphase.

Fachspezifisch modifiziert, ist eine Übertragung des Multi-Hybrid Konzeptes allerdings auf die meisten Fächer aller medizinischen Studien, sowie auf den Großteil der Praktika aller naturwissenschaftlichen Bachelor und Masterstudien und auf postgraduelle Kurse und LVs übertragbar.

Links zum Projekt
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Lehre und Digitale Transformation
Ansprechperson
Wolfgang J Weninger, Univ. Prof., Hon. Prof. (FH), Dr.
Abteilung für Anatomie, Zentrum für Anatomie und Zellbiologie
01-40160-37560
Nominierte Person(en)
Lena Hirtler, ap.Prof.in Priv.-Doz.in Mag.a DDr.in
Abteilung für Anatomie
Themenfelder
  • Digitalisierung
  • Flexibel Studieren
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Infrastruktur/Lehrmaterialien
  • Curriculagestaltung
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften