Innovative Modelle im interdisziplinären Setting am Bachelor-Studiengang Hebammen

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Übergeordnetes Ziel dieses Lehrformats ist es, Hebammenstudierende für ein interdisziplinäres Projekt mit einer Institution (z.B. Schule, Rettungsdienst etc.) in Kontakt zu bringen, in der es Bedarf an Hebammenexpertise gibt. Über die Zusammenarbeit können die hebammenspezifischen Fachkenntnisse über Frauen und Familien in der reproduktiven Phase für die Institution nutzbar gemacht werden. Aufgabe der Studierenden ist es, im Dialog mit den Verantwortlichen die Bedürfnisse der ausgewählten Zielgruppe herauszufinden, und ihr Wissen und Können interdisziplinär in einer an diese Zielgruppe angepassten Form weiterzugeben. Dabei liegt der Fokus auch auf der Reflexion der neuen Perspektiven auf das eigene Tun, die sich im Kontext interdisziplinärer Zusammenarbeit ergeben. Die ausgewählte Institution profitiert von der fachkundigen motivierten Präsenz, Unvoreingenommenheit und Kreativität der Hebammenstudierenden. Die Studierenden lernen, ein eigenes interdisziplinäres Projekt zu gestalten und dabei mit den Chancen und Herausforderungen in der Zusammenarbeit vertraut zu werden.

Die generierten Erfahrungen in Bereich Teamwork/Teambuilding und Interdisziplinarität sind dabei ebenso wichtig wie der Prozess des Aufbereitens hebammenspezifischen Wissens für die ausgewählte Zielgruppe und die Umsetzung desselben in der Praxis.

Besonderen Wert legen wir dabei auf die Entwicklung eines achtsamen, reflektierten Umgangs mit den Themen Mann – Frau – Kind - Familie, Sexualität, Geburt, Stillen etc. Das bezieht sich auf den intimen oft schambehaftenten Charakter der Materie ebenso wie auf die Themen Alter, Sprache, Gender & Diversity, Inklusion und Familienkonstellationen (z.B. Patchwork, Pflegefamilie...).

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist im Gesundheitsbereich heute nicht mehr wegzudenken. Nicht nur in der Forschung, auch im Berufsalltag von Hebammen nehmen die Themen an Komplexität zu und sind monodisziplinär nicht mehr zu bewältigen. Interdisziplinarität bietet eine Antwort auf diese Herausforderungen: Die Wahrscheinlichkeit, Lösungsansätze für komplexe Probleme zu finden, steigt. Die Heterogenität der Expertisen trägt durch das erweiterte Spektrum von Wissen, Perspektiven und Fähigkeiten zu verbesserter Entscheidungsfindung bei. Durch die Integration von Erfahrungen werden Kreativität und Innovationen gefördert.

Aktuelle Stellenausschreibungen reklamieren Kompetenzen wie z.B. „interdisziplinäre Teamfähigkeit“ und erwarten, dass Mitarbeiter*innen als „Bindeglied im interdisziplinären Team der Geburtenstation“ fungieren. Die Voraussetzung dafür zu schaffen ist also essenziell.

Curricula, die das Lernen im interdisziplinären Setting fördern, sind derzeit noch die Ausnahme. Studiengangs übergreifende, interdisziplinäre oder multiprofessionelle Lernangebote sind rar. Das hat uns motiviert, ein Format zu entwerfen, das die Hebammenstudierenden befähigt, die auf dem Arbeitsmarkt erwarteten Kompetenzen bereits im Studium zu erwerben.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Was bedeutet interdisziplinäre Zusammenarbeit und was sind interdisziplinäre Kompetenzen? Hebammen-Studierende bekommen im Rahmen eines außerhalb der Fachhochschule angesiedelten praktischen Projekts in der Kleingruppe die Möglichkeit, mit Personen aus anderen Berufsfeldern in einen professionellen Kontakt zu treten und ihre bereits erworbene Expertise aus dem breiten Spektrum des originären Hebammenwissens in einem interaktiven und an die Zielgruppe angepassten Format weiterzugeben.

Die Studierenden werden bewusst in ein berufsfremdes Feld geschickt, um die Handlungslogik und Denkweisen anderer Professionen besser kennenzulernen und daraus die kommunikativen und methodischen Kompetenzen zu entwickeln, die für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig sind. Dabei lernen sie einander als Team ebenso kennen wie die verantwortlichen Personen der ausgewählten Institution ( Schule, Rettung etc.) und entwickeln in der interdisiziplinären Auseinandersetzung ein umsetzbares und sowohl didaktisch als auch fachlich für die Zielgruppe (Schüler*innen, Rettungssanitäter*innen etc.) entwickeltes Programm.

Die dafür erforderlichen Kommunikationskompetenzen werden im vorbereitenden Unterricht ebenso vermittelt (Marcelline Langer) wie die didaktischen Möglichkeiten, mittels geeigneter Materialen und Tools diese Sequenz so zu gestalten, dass die Zielgruppe angesprochen und dazu animiert wird, sich einzubringen und aktiv zu beteiligen (Elisabeth Rakos).

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

What does interdisciplinary cooperation mean and what are interdisciplinary competences? Midwifery students are given the opportunity to get into professional contact with people from other professional fields within the framework of a practical project based outside the university of applied sciences in a small group and to pass on their already acquired expertise from the broad spectrum of original midwifery knowledge in an interactive format adapted to the target group.

The students are deliberately sent into a field outside their profession to become better acquainted with the logic of action and ways of thinking of other professions and from this to develop the communicative and methodological competences that are necessary for interdisciplinary cooperation. In the process, they get to know each other as a team as well as the responsible persons of the selected institution (school, rescue service, etc.) and develop an implementable program that is both didactically and professionally developed for the target group (pupils, paramedics, etc.) in the interdisciplinary discussion.

The necessary communication skills are taught in the preparatory lessons (Marcelline Langer) as well as the didactic possibilities of designing this sequence using suitable materials and tools in such a way that the target group is addressed and encouraged to get involved and actively participate (Elisabeth Rakos).

Nähere Beschreibung des Projekts

Zu Semesterbeginn erhalten die Studierenden ein erstes Briefing zur Vorbereitung des Projekts. Dabei geht es darum, dass sie sich ein Wissensthema aus dem Bereich der Hebammenexpertise überlegen, welches sie in Ihrer Rolle als zukünftige Hebammen an eine von ihnen definierte Zielgruppe weitervermitteln möchten. Dazu ist es zunächst erforderlich, eine Institution zu finden, die ihrerseits Bedarf an der Aufbereitung und Vermittlung hebammenspezifischen Fachwissens hat und bereit ist, zu kooperieren. Bereits in der Anfangsphase sollten die Studierenden ein grobes Projektziel vor Augen haben und dieses in der Folge mit den Kooperationspartner*innen abstimmen. Die Leitfragen in dieser Phase lauten wie folgt:

  • Wer sind meine Kooperationspartner*innen und wie spreche ich sie an?
  • Wie können wir als Team kooperieren? Welche gemeinsame Sprache sprechen wir?
  • Welche Handlungslogiken (Professionen) und Denkweise treffen aufeinander?
  • Wie können wir Lösungsorientierung schaffen?
  • Welchen Mehrwert schaffen wir durch unsere Zusammenarbeit?

In der Anfangsphase liefern die Lehrenden Theorieinputs zur interdisziplinären Zusammenarbeit und zur didaktischen Aufbereitung hebammenspezifischen Wissens für unterschiedliche Alters- und Zielgruppen. Diesbezüglich werden im Unterricht Überlegungen zu folgenden Fragen angeregt:

  • Was ist das Thema? Was ist das Ziel? Wer ist die Zielgruppe?
  • Wie gestaltet sich eine der Zielgruppe entsprechende Aufbereitung?
  • Welches Setting, wie viel Zeit ist passend?
  • Welche Materialien sind adäquat? Was kann die Zielgruppe selbst beisteuern?
  • Worauf bin ich vorbereitet - was kann sich spontan ergeben?
  • Wie schließe ich ab? Wie erhalte und gebe ich Feedback? Wie erfolgt die Nachbereitung?

Weil es sich um durchwegs sensible Themen handelt, werden die Studierenden auch auf einen in Haltung und Sprache achtsamen Umgang mit der Zielgruppe sensibilisiert.

Die entsprechenden Leitfragen lauten wie folgt:

  • Was muss ich im Vorfeld über die Gruppe wissen?
  • Woher bekomme ich die Infos & wie gehe ich damit um?
  • Was ist so intim, dass ich es nicht wissen soll/muss?
  • Wie gehe ich implizit sensibel mit allem, was ich nicht weiß um?
  • Wie vermeide ich Verletzung und Peinlichkeiten?

Während des gesamten Projektes bieten die Lehrenden ihre Unterstützung an und fördern die Reflexion des Prozesses anhand folgender Diskussionsgrundlagen:

  • Was bedeutet interdisziplinäre Zusammenarbeit in Abgrenzung zu anderen Formen der Zusammenarbeit?
  • Welche Herausforderungen entstehen, wenn unterschiedliche Disziplinen, Fächer, Berufsbilder, Rollen & Rollenerwartungen aufeinandertreffen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen?
  • Was bedeutet Interdisziplinarität im Hinblick auf Kommunikation, Teambuilding, Teamdynamik, Entscheidungsfindung, Kooperation und Konflikte?
  • Welche Strategien und Methoden in der Zusammenarbeit fördern eine funktionierende interdisziplinäre Zusammenarbeit?
  • Welche Hindernisse und Herausforderungen ergeben sich durch den interdisziplinären Kontext?

Die Studierenden haben ein Semester Zeit, das Projekt zu entwickeln und umzusetzen.

Den Abschluss bildet die Präsentation der Projektergebnisse und eine kritische Reflexion zu der Eingangsfrage, was interdisziplinäre Zusammenarbeit bedeutet, welche Herausforderungen sie mit sich bringt und welche Kompetenzen sie erfordert.

Der gesamte Prozess von der Projektidee über die Umsetzung bis zur Projektpräsentation wird mittels eines Padlets (siehe beigefügte Links zu Social Media) begleitet und ist so für alle jederzeit sichtbar und nachvollziehbar.

Die abschließende Reflexion baut auf folgenden Fragen auf:

  • Was war die Zielsetzung der Intervention im pädagogischen Setting?
  • Wie habe ich den Kontakt mit meinen Ansprechpersonen (Zielgruppe(n)) erlebt?
  • Worauf haben die Ansprechpersonen Wert gelegt?
  • Was war in der gemeinsamen Kommunikation wichtig, dass das Projekt bewilligt und in Folge umgesetzt werden konnte? (Bezug zu Interdisziplinarität)
  • Was bedeutet dieses Projekt in Bezug auf mein eigenes Rollenbild als Hebamme (in Abgrenzung zu anderen Disziplinen)?
  • Wie haben wir die Zusammenarbeit in der Gruppe erlebt?
  • Wie haben wir die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe erlebt?
  • Was haben wir als Gruppe aus diesem Projekt lernen können? Was nehmen wir daraus in unsere Berufspraxis mit?
  • Was haben wir im Hinblick auf interdisziplinäres Arbeiten in Bezug auf Herausforderungen, Chancen, Hindernisse und Grenzen gelernt?
  • Wie haben wir den Gesamtprozess der Projektarbeit erlebt (Vorbereitung, Umsetzung Nachbereitung im Team)?

Das Lehrprojekt ist auf multidimensionale Weise interdisziplinär angelegt: Zunächst bringen die beiden Vortragenden die unterschiedlichen Expertisen der Kommunikations- und der Hebammenwissenschaftlerin ein. Dann finden Planung und Umsetzung des Projekts im Austausch mit den in der Institution verantwortlichen Berufsgruppen (wie z.B. Kindergartenpädagog*innen, Lehrkräften an Schulen, Lehrenden an Fachhochschulen, Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen, Pfleger*innen, Sanitäter*innen, Vereinssprecher*innen) statt. Die Projektumsetzung erfolgt zu guter Letzt aber nicht (nur) mit den Ansprechpartnerinnen sondern mit der ausgewählten Zielgruppe wie beispielsweise mit Kindergartenkindern , Schüler*innen, Studierenden, Vereinsmitgliedern, Rettungssanitäter*innen, Pfadfinder*innen, Senor*innen und anderen. Dies erfordert eine umsichtige, sensible, auf die individuellen, berufsspezifischen und zielgruppenspezifischen Bedürfnisse und Interessen ausgerichtete Ansprache. Das gesamte Projekt, vo der ersten Idee bis hin zur Umsetzung ist ein umfassender Verständigungsprozess, in welchem die Hebammenstudierenden ihre kommunikativen und fachlichen Fähigkeiten einzusetzen lernen, um das eingangs formulierte Projektziel zu erreichen.

Rückblick: Im Zuge der Umsetzung des Projektes wurde den Studierenden die Komplexität von kooperativen Projekten an der Schnittstelle zu unterschiedlichen Professionen und Zielgruppen bewusst. Daraus haben sich im Unterricht Grundsatzfragen über relevante Aspekte der interdisziplinären Zusammenarbeit und der Zielgruppenorientierung ergeben, über deren Diskussion wertvolle Erkenntnisse für die Umsetzung der Projekte gewonnen werden konnten.

Zum besseren Verständnis seien exemplarisch einige dieser Grundsatzfragen und die aus der Diskussion resultierenden Ideen für die Projektumsetzung genannt:

  • Wie können wir durch die Vermittlung unseres fundierten Wissens über den Ablauf einer Geburt den Rettungssanitäter*innen die Angst nehmen, ohne ihre Kompetenz in Zweifel zu ziehen?

Im Rahmen dieses Projektes kamen sämtliche interdisziplinäre Kernkompetenzen zum Einsatz. Die Hebammenstudierenden konzipierten gemeinsam mit einem interdisziplinären Team aus Einsatzkräften des Roten Kreuz NÖ ein virtuelles Fortbildungsprogramm, bei dem es um die Geburt während des Krankentransportes ging. Mit dem Titel „Wer zuletzt schreit, schreit am besten – Mutti, Sani oder doch das Kind“ wurde ein Webinar entwickelt, das auf die Informationsbedürfnisse der in NÖ tätigen Sanitäter*innen einging. Dabei stellten die Studierenden ihr wertvolles Knowhow so zur Verfügung, dass die generelle Notfallexpertise der angesprochenen Berufsgruppe zwar mit einbezogen, in geburtshilflicher Hinsicht aber auf den neuesten Stand gebracht wurde, wodurch die Rettungssanitäter*innen als lernendes Team profitieren konnten. Aufgrund dieses erfolgreichen Settings wurde die Kooperation in Folge fortgeführt ((Beispiel 1: "Geburt im Krankenwagen_ Fortbildung für RK-Sanitäter*innen").

  • Wie können wir einer sehr nahestehenden Berufsgruppe aus dem Gesundheitsbereich ein vertieftes Wissen zu einem Thema anbieten, von dem sie denken, sie können grundsätzlich damit umgehen?

Über Praxiserfahrungen wurde den Hebammenstudierenden klar, dass das Thema Fehlgeburt achtsame interdisziplinäre Zusammenarbeit auf der Basis fundierten Wissens erfordert. Studierende des Gesundheits- und Krankenpflege-Studiengangs an der IMC FH Krems wurden gefragt, ob es Bedarf gibt, dieses Thema gemeinsam zu bearbeiten – die Zustimmung war sehr groß, es konnte eine nachhaltige Sensibilisierung erreicht werden. (Beispiel 2: "Fehlgeburt - eine interprofessionelle Herausforderung")

  • Wie können wir offen unterschiedliche Perspektiven/Einstellungen/Wahrnehmungen zum Thema Menstruation, Sexualität, Körperbild, Geschlechtsverkehr etc. thematisieren? Wie können wir im Online-Modus mit Kommunikationsbarrieren umgehen und dieses Format bestmöglich nutzen?

Einige Projekte fanden zu einem Zeitpunkt statt, zu dem ein Besuch der Bildungseinrichtung wegen der Corona-Pandemie untersagt war. Eine Gruppe hat ihr Projekt zum Thema Menstruationszyklus dann rein virtuell unter Einsatz interaktiver digitaler Tools wie Zoom, Mentimeter und Chat umgesetzt. Aufgrund der „Anonymität“ des Zielpublikums konnten sensible und tabuisierte Themen sogar offener angesprochen werden. Das Projektteam hat es geschafft, trotz räumlicher Distanz eine Nähe und Vertrautheit zu seinem Zielpublikum aufzubauen, die Resonanz der Schulklasse war sehr positiv (Beispiel 3: "I LOVE ME(nstruation)")

  • Wie können wir im Kontext der geschlechtlichen Identität mit Vorurteilen und Stereotypen umgehen?

Eine Projektgruppe hat sich mit dem Thema Geschlechteridentität auseinandergesetzt und mit einer rein „männlich“ besetzten Gesprächsrunde unterhalten, bei der es um die Frage nach dem biologischen und sozial konstruierten Geschlecht (sex and gender) ging. Dabei ist den Studierenden bewusst geworden, welche (gemeinsame) Verantwortung sie als Hebammen tragen, wenn es um Bestimmung des Geschlechts eines Neugeborenen geht. (Beispiel 4: Männerrunde "die milden Kerle")

  • Wie können wir über den Dialog mit den Verantwortlichen (z.B. Lehrer*innen) ein auf die Lern- und Erfahrungsbedürfnisse der Zielgruppe (z.B. Schüler*innen) ausgerichtetes Format für die gewünschten Inhalte finden? Was soll/was soll nicht stattfinden?

Eine Studierendengruppe hat als Thema „Wie ein Kind entsteht“ gewählt. Zielgruppe waren Kinder von 9-10 Jahren. Um Befruchtung und Einnistung einer Eizelle in der Gebärmutter zu visualisieren und den Kindern einen Zugang (im wahrsten Sinn des Wortes) zu ermöglichen wurden mit großen Stoffbahnen Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke aufgelegt, kleine Bälle symbolisierten Spermien, ein großer die Eizelle. Den Weg konnten die Kinder dann selbst nachgehen und sich so in die Perspektive einer befruchteten Eizelle begeben. Gleichzeitig wurde das Thema in die Geschichte über das kleine Ovuli verpackt und damit das Interesse und die Neugier der Kinder auf mehreren Ebenen geweckt. Vorbereitung und Abstimmung des Projekts fanden in Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Eltern statt. (Beispiel 5: "Der abenteuerliche Weg des kleinen Ovuli")

 

Nutzen und Mehrwert

Der Mehrwert für die Studierenden durch diese Form der praxisbezogenen Projektarbeit besteht darin, dass sie realitätsnah auf berufliche Herausforderungen vorbereitet werden und wichtige Erkenntnisse für das funktionierende Miteinander im interdisziplinären Setting gewinnen können. Sie verlassen dabei ihre „Komfortzone“ und sind gefordert, sich den Ansprüchen und Erwartungen unterschiedlichen Ziel- und Kooperationsgruppen zu stellen. Dabei erleben sie gruppendynamische Prozesse, die bewirken, dass sie sich mit ihrer Rolle und ihren Aufgaben als (zukünftige) Hebammen kritisch auseinandersetzen. Vorurteile gegenüber anderen Berufsgruppen werden sichtbar, Selbst- und Fremdbild können zueinander in Beziehung gebracht und reflektiert werden.

Der Mehrwert für die involvierten Institutionen ergibt sich durch die unvoreingenommene erfrischende Perspektive, die Studierende mitbringen, wenn sie sich zum ersten Mal auf eine unbekannte Zielgruppe und den interessierten Dialog mit den Verantwortlichen einlassen. Bei der gemeisamen Vorbereitung und Durchführung des Projekts können diese sowohl von der Expertise der Studierenden als auch von deren Status als externe Personen profitieren. Auch, dass für die Institutionen bei diesem Angebot keine Kosten entstehen, wird von diesen als sehr vorteilhaft bezeichnet.

Der Mehrwert für die Lehrenden in diesem Projekt ergibt sich aus den horizonterweiternden Erkenntnissen die die Studierenden im Laufe des Semesters generieren und im Unterricht weitergeben. Immer wieder ist es auch die Freude der Studierenden an ihrem wachsenden Selbstvertauen, ihrer Kreativität und ihren Kompetenzen, die uns in der Weiterentwicklung dieses Formats bestärkt.

Nachhaltigkeit

Das Projekt wurde 2020 erstmals umgesetzt und wird seither intern weiterentwickelt. Nachhaltigkeit wurde insofern erzielt, als bei einigen Projekten die Resonanz so positiv war, dass es Anfragen zu deren Fortsetzung gegeben hat. Insbesondere im schulischen Kontext konnten die Studierenden wichtige Themen auf eine Weise vermitteln, die für alle eine Bereicherung darstellte. Aufgrund ihrer externen Expert*innenrolle übernahmen sie eine wichtige Mittler*innenfunktion, die bei sensiblen, zum Teil tabuisierten Themen wie Menstruation, Verhütung, Sexualität und Abtreibung sehr hilfreich war.

Auch die Kooperation mit dem Roten Kreuz hat sich als nachhaltig erwiesen. Die Hebammenstudierenden haben ein Webinar konzipiert und umgesetzt, das allen Sanitäter*Innen in NÖ zur Verfügung stand. Die Veranstaltung war sehr gut besucht und es haben in Folge noch weitere Fortbildungsformate stattgefunden.

Durch die reine Präsenz der Hebammenstudierenden im außerklinischen Bereich wie in Kindergärten, an Schulen, bei Vereinen (Pfadfinder, Senioren, Interessenszirkel) wird auch das Spektrum ersichtlich, in dem eine ausgebildete Hebamme tätig sein kann. Sie ist mehr als “nur” Geburtshelferin, sie verfügt über eine große Expertise im Bereich der Gesundheitsförderung, die sie in verschiedensten Kontexten einsetzen kann. Interdisziplinär gesehen, fungiert sie auch als wichtiges Bindeglied zu anderen Professionen (z.B. Sozialarbeit, Psychologie, Ernährungsberatung usw.).

Dissemination/Transfer

Das Konzept ist einfach und kann ohne großen organisatorischen, bürokratischen und finanziellen Aufwand auf andere Lehr-Lernsituationen übertragen werden. Das durch die externen Vermittler*innen angeregte Erfahrungslernen ermöglicht es, auch in kurzer Zeit Einblicke in sensible gesellschaftliche Bereiche zu bekommen, die in klassischen Lehrformaten nicht so leicht abgedeckt werden können. Unterschiedliche Institutionen (z.B. Schulen, Kindergärten, Rotes Kreuz, Seniorenvereine, Apotheken ...) fungieren als Kooperationspartner*innen, die von der Anwesenheit der Hebammen-Studentinnen profitieren: Themen, die im Lehrplan nicht explizit berücksichtigt sind, die Zielgruppe aber beschäftigen (z.B. sexuell übertragbare Krankheiten, Fehlgeburt, Geburtsmechanismus, Kaiserschnitt etc.) können niederschwellig vermittelt werden, da Studierende generell einen leichteren Zugang zu ihren Zielgruppen haben und dadurch in der Lage sind, kritische, auch schambehaftete oder tabuisierte Themen auf Augenhöhe anzusprechen (kein klassisches Lehrer*in-Schüler*in-Verhältnis).

Dadurch, dass die Inhalte sehr überschaubar strukturiert und die Projekte innerhalb eines Semesters umsetzbar sind, ist der Transfer auf andere Studiengänge und Kooperationspartner*innen leicht möglich. Einige Projekte sind so gut angekommen, dass seitens der involvierten Institutionen der Wunsch nach einer Wiederholung bzw. Fortsetzung geäußert wurde. Da interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders im Gesundheits- und Sozialwissenschaften immer wichtiger wird, könnte der gesamte Bereich von einer Dissemination profitieren.

Institutionelle Unterstützung

Räumlichkeiten, anatomische Modelle und andere Demonstrationsobjekte aus dem Fundus der Fachhochschule konnten gut genutzt werden.

Positionierung des Lehrangebots

Das Lehrprojekt findet im Bachelorstudiengang Hebammen im 4. Studiensemester statt. Die Studierenden haben zu diesem Zeitpunkt bereits die theoretischen Grundlagen der Physiologie und Pathologie der Geburtshilfe erlernt. Hebammenspezifische diagnostische und therapeutische Maßnahmen wurden im fachpraktischen Unterricht geübt und in Simulationstrainings vertieft. Sozialkommunikative Kompetenzen und Selbstkompetenzen wie Teamarbeit, Kommunikation, Feedbackkultur, Umgang mit Konfliktsituationen und Selbstreflexion wurden ab dem ersten Semester in unterschiedlichen Formaten gelehrt und ausprobiert, später in komplexe Fallgeschichten eingebettet und in Form von Rollenspielen im Unterricht reflektiert.

Die Hebammen-Studierenden haben zudem bereits 3 Berufspraktika mit insgesamt 23 Wochen auf geburtshilflichen Stationen (Schwangerenambulanz, Kreißzimmer, Wochenbettstation) absolviert und dadurch erhebliche praktische Kenntnisse und Fähigkeiten in ihrem Berufsfeld erworben.

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
Prof. (FH) Elisabeth Rakos, MSc
IMC FH Krems
+436765001962
Nominierte Person(en)
Mag. Dr. Marcelline Langer, MSc
Nebenberuflich Lehrende an der IMC FH Krems
Prof. (FH) Elisabeth Rakos, MSc
IMC FH Krems
Themenfelder
  • Diversität und Soziales
  • Flexibel Studieren
  • Erfahrungslernen
  • Kooperationen in der Lehre
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften