Fachhochschule Burgenland GmbH
Campus 1, 7000 Eisenstadt
Weitere Beispiele der Hochschule

Gender und Diversity in der Technik

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Das Ziel der Erweiterung der Curricula der genannten Studiengänge ist es, Geschlechterfragen und gesellschaftliche Fragen in Bezug zu technischen Fragen zu bringen. Die Studierenden sollen Grundlagen der Geschlechter- und Diversitätsforschung kennenlernen, historische Entwicklung und Begriffe einordnen können und Bezüge zu ihrem Studienfach erarbeiten.

Die Ausgangslage lässt sich einfach beschreiben: in der Technikentwicklung braucht jede/r Techniker*in Wissen und Instrumente gesellschaftliche Fragen in technische Fragestellungen und praktische Umsetzung eindenken zu können, um gesellschaftlich akzeptierte und diskriminierungsfreie Technikentwicklung zu erreichen. Dem wird mit dem Angebot der Lehrveranstaltung in den technisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen konkret mit dieser Lehrveranstaltung, die bereits im 1. bzw. 2. Semester angeboten wird, begegnet. Die Studierenden bekommen damit schon sehr früh ein Rüstzeug diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Ausgangslage umfasst auch die unterschiedlichen Fachkulturen zu verdeutlichen, die Fülle an Methoden der Kommunikation und Analysen strukturiert zu vermitteln, damit konkrete Handlungsmöglichkeiten erkannt werden in dem oft diffus wahrgenommenen Themenfeld. Zugleich ist es notwendig als Absolvent*in einer akademischen Ausbildung den wissenschaftlichen Diskurs und die Bedeutung von gesellschaftlichen Fragen in Bezug auf Technikentwicklung und Naturwissenschaften zu verstehen und diskriminierungsfrei weiterzuentwickeln. Hier zeigt sich die Problemstellung deutlich, dass ein breites Verständnis und ein offener Zugang zum Themenfeld gesellschaftlich noch nicht gelebt wird und die Berufswelt, in die Absolvent*innen gehen noch keine stringente diskriminierungsfreie Technikentwicklung umsetzt. Um sich hier gezielt einmischen zu können, braucht es Wissen und Methoden, welches eben in der Lehrveranstaltung als Grundlage vermittelt wird.

Die Motive der Ausgestaltung der konkreten Lehrveranstaltungsinhalte, die Wahl des didaktischen Zugangs und der Methoden baut auf die Erfahrungen der Lehrenden als Naturwissenschafterin und Genderforscherin auf. Der Zugang "Wissen - Erkennen - Handeln" ermöglicht es in der knappen Lehrveranstaltungszeit Wissen zu Ungleichheiten, Machtverhältnissen und historisch-gesellschaftlichen Entwicklung in Verbindung mit technischen Entwicklungen und aktuellen Herausforderungen und Themen zu bringen. Das Erkennen der eigenen Rolle in diesem Spannungsfeld wird gefördert durch unterschiedliche Reflexionsübungen, Diskussionssettings und führt über ins Handeln. Der Abschluss aller Lehrveranstaltung umfasst die Erarbeitung eines eigenen Fallbeispiels unter zu Hilfenahme der erlernten Methoden. So kann das Problem der meist unklaren Verbindung zwischen technischen Lösungen und Anwendungen mit gesellschaftlichen Fragen bereits am Studienbeginn mit den Studierenden fokussiert diskutiert und bearbeitet werden.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Das vorliegende Lehrveranstaltungsprojekt "Gender und Diversity in der Technik" umfasst eine Grundlagenlehrveranstaltung für informatische und technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge mit. Sie finden im 1. oder 2. Semester statt und umfassen mind. 1 SWS und max. 3 SWS. Das Ziel ist es, einen inhaltlich und methodischen Einstieg in das Themenfeld diskriminierungsfreie Technikgestaltung, Umweltplanung und Energiemanagement zu bieten. Inhaltlich wird abgestimmt auf das Vorwissen und dem inhaltlichen Schwerpunkt des Studiengang Wissen vermittelt.

Theoretischen Zugänge umfassen:

  • historische Entwicklung der Geschlechterforschung
  • industrielle Entwicklung durch industrielle Revolutionen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft
  • Zahlen und Fakten zu Intersektionalität im künftigen Berufsfeld und im Schwerpunkt des Studienganges
  • Modelle und Frameworks, wie SDGs und Technikfolgenabschätzung sowie Methoden aus dem Design Thinking für die Entwicklung von diskriminierungsfreien Lösungen

Didaktisch methodisch handlungsleitend sind die drei Schritte "Wissen - Erkennen - Handeln". Online-Selbstlernphasen und Präsenzphasen verschränken Inputs, Diskussionen, interaktive live Online Quizzes und ausprobieren von Methoden, wie World Cafe.

Zusammengeführt werden alle Inhalte und Methoden durch die Ausarbeitung eines eigenen Fallbeispiels. Dieses ist auch der Schwerpunkt in der Bewertung des Kurses. In die Bewertung inkludiert wird auch die Herstellung des Bezugs zu den SDGs.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The present course project "Gender and Diversity in Technology" includes a basic course for informatics and technical-scientific degree programmes. They take place in the 1st or 2nd semester and comprise at least 1 SWS and max. 3 SWS. The aim is to provide an introduction to the subject area of non-discriminatory technology design, environmental planning and energy management in terms of content and methodology. In terms of content, knowledge is imparted in accordance with prior knowledge and the content-related focus of the degree programme.

Theoretical approaches include:

historical development of gender studies

industrial development through industrial revolutions and their effects on society

facts and figures on intersectionality in the future professional field and in the focus of the study programme

models and frameworks, such as SDGs and technology assessment as well as methods from design thinking for the development of non-discriminatory solutions

 

The three steps "knowledge - recognition - action" are used as didactic methodological guidelines. Online self-learning phases and presence phases interweave inputs, discussions, interactive live online quizzes and trying out methods such as World Cafe.

 

All contents and methods are brought together through the development of an own case study. This is also the focus of the assessment of the course. The assessment also includes the creation of a reference to the SDGs.

Nähere Beschreibung des Projekts

Aufbauend auf die beschriebenen Anforderungen und den Rahmen der im Curriculum beschrieben ist, werden folgende Lehr- und Lernmethoden gewählt. (Voraus geschickt werden kann, dass diese auch aufbauend auf die Anforderungen zwischen Präsenz - Hybrid - Onlinelehre gesetzt sind.)

Der Aufbau der Lehrveranstaltung ist für alle genannten Studienrichtung gleich gewählt, die vertiefenden Inhalte variieren je nach Studienrichtungen, entsprechen in der inhaltlichen Dichte den Anforderungen zwischen 1SWS und 3 SWS das breite Lehrveranstaltungsthema umzusetzen.

Alle Lehrveranstaltungen werden von einem Moodle-Kurs begleitet, auf dem interaktiver Austausch, Diskussion, Informationen und Abgaben Platz haben. Das bietet auch die Möglichkeit in Zwischenphasen zwischen den Präsenzveranstaltungen (face2face / Online), vertiefende Auseinandersetzung mit dem Themenfeld anzuregen. Dem Aufbau des Moodle-Kurses sowie der gesamten Lehrveranstaltung zu Grunde liegt der Dreischritt "Wissen - Erkennen - Handeln", der aus der Genderforschung kommend sehr unterstützend ist, um auch mit Wiederständen der Studierenden gegenüber des Themas umzugehen. (vgl. Derrich-Kunstmann, Karin 1999)

Vorphase / Onlinephase 1:

Einstieg in das Thema mit Kurzvideos auf Moodle mit dem Ziel, dass grundlegende Begriffe in der Lehrveranstaltung nicht mehr vorgetragen werden müssen, sondern gleich diskutiert werden können (Sex/Gender/Intersektionalität)

Kennenlernen der Studierendengruppe und Abfrage des Vorwissen, eigener Erfahrungen der Studierenden sowie der Erwartungen an die Lehrveranstaltung Online über Moodle und Einbettung eines Padlets mit drei Spalten (Vorwissen, Erfahrungen, Erwartungen) beispielsweise: padlet.com/office70/gender-diversity-in-der-technik-1-m9844m1nyhoz

Kernphase:

Vier Präsenzphasen und zwei Online-Selbstlernphasen, die verschränkt miteinander funktionieren. Alle Themen und eingesetzten Methoden funktionieren auch ausschließlich Online, was in der Covid-19 Zeit erforderlich war.

Themen und eingesetzte Methoden in den Präsenzphasen:

Historische Entwicklung: Frauenbewegung - Männerbewegung - Geschlechterbewegung bis zu Intersektionalität: Input und Diskussion mit Bezug eigenen Zugang, der in der Vorphase sichtbar gemacht wurde sowie Sammlung von ergänzenden Inhalten auf Flipchart. Dieser Schritt ist insbesondere bei den berufsbegleitend Studierenden wesentlich, da eigene Erfahrungen die Abstraktheit des Thema aufmachen helfen.

Ein Blick auf die Industriellen Revolutionen und deren gesellschaftliche Auswirkungen: Input und Kleingruppendiskussionen, um die Verbindung zu den vorangegangen Inhalten herzustellen. Fragestellungen: Welche gesellschaftlichen Herausforderungen und Verbesserungen wurden durch die industriellen Revolutionen initiiert und welche Auswirkungen spüren wir heute noch davon? Wohin sollen sich industrielle Entwicklung (Stichwort Industrie 5.0) und unsere Gesellschaft aktuell mit diesem Wissen weiterentwickeln? Einzelarbeit und Plenumsdiskussion zum strukturierten Zusammenführen der Einzelarbeitsergebnisse

Internationale Daten und Fakten zu IoT, IT und Intersektionalität bzw. Umwelt- und Klimaschutz, Energiemonitoring, Technikentwicklung und Geschlechterverhältnisse in den Themenfeldern: Input verbunden mit kleinen Onlineabfragen zum Raten der aktuellen Daten und Fakten, um den Input aufzulockern. Genutzt wird dazu das Onlinetool Mentimeter, mit dem Live Umfragen für alle sichtbar sind.

Frameworks und Methoden zu Abschätzung von Auswirkung auf Gesellschaft durch Technikentwicklung, Umwelt- und Gebäudetechnik, IT und Technikgestaltung. Vorgestellt werden dabei das Diversitätsrad mit Bezug zu Intersektionalität, die Sustainable Development Goals sowie Technikfolgenabschätzungsmodelle und Modelle aus dem Design-Thinking (Persona-Modell): Input mit unterschiedlichen Diskussionsformaten nach der Vorstellung jedes Frameworks / jeder Methode

Für die Diskussion der Technikfolgenabschätzungsmodelle wird die Datenbank, die in der Onlinephase 2 durch die Studierenden erstellt wurde, genutzt. Mit Hilfe der Methode "World Cafe" lernen die Studierenden die Funde der anderen kennen und diskutieren, welche Bezüge Technikfolgenabschätzungsmodelle zu den SDGs haben. Die Ergebnisse werden nach ende der Word-Cafe Runden von den Gastgeber*innen vorgestellt und gemeinsam zusammengeführt.

Vorstellung eigener Forschungsergebnisse insbesondere die Weiterentwicklung der bereits vorgestellten Methoden und Frameworks insbesondere Nutzung von Elementen des Design-Thinkings zur Bearbeitung der Interaktion zwischen Mensch-Maschine mit der Methode "Persona-Roberta", dass von FHB und FB in Forschungsprojekte mit technisch-sozialen Schnittstellen entwickelt und benutzt wurde.

Themen in den Online-Selbstlernphasen:

  • Online-Selbstlernphase 1: Einstieg ins Thema, Begriffe kennenlernen und die eigene Person vorstellen sowie eigene Erfahrungen sichtbar machen
  • Online-Selbstlernphase 2: Desk-Research nach Technikfolgenabschätzungsmodellen, Eintrag von mindesten zwei Funden in einer Datenbank auf Moodle , Lesen und kommentieren von Funden der Kolleg*innen
  • Online- Selbstlernphase 3: Ausarbeitung der Themen für die Erstellung der Fallbeispiele entlang einer Ausarbeitungsblattes, Diskussion und Support in einem begleitenden Forum und Abgabe auf Moodle

Damit schließt sich der Zugang "Wissen - Erkennen - Handeln" und greift auch Aspekte der gender- und diversitätssensiblen Didaktik auf, die es erfordert auf unterschiedliche Wissensstände und Lernerfahrungen einzugehen und Zeit für eigene Erfahrungen gibt. So kann ein Bewusstsein in der Studierendengruppe entstehen, dass die Breite des Themas es erfordert eine eigene Haltung dazu zu entwickeln und auch Methoden zur Bearbeitung von Fragestellungen zur Hand zu haben.

Literatur und Quellen:

Derichs-Kunstmann, Karin/Müthing, Brigitte/ Auszra, Susanne: Von der Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtsgerechten Didaktik. Konstitution und Reproduktion des Geschlechterverhältnisses in der Erwachsenenbildung. Bielefeld 1999

Gudrun Perko, Alice-Salomon-Hochschule Berlin und Leah Carola Czollek, Alice-Salomon-Hochschule Berlin

Gender und Diversity gerechte Didaktik: ein intersektionaler Ansatz. Gender und Erwachsenenbildung - Zugänge, Analysen und Maßnahmen

sdgs.un.org/goals

l3t.tugraz.at/index.php/LehrbuchEbner10/issue/view/9/showToc

 

Nutzen und Mehrwert

Für mich selbst als Lehrende bedeutet die Vielfalt an Themen einerseits Mehrarbeit in der Vorbereitung, die immer gezielt auf die Erfahrungen sowie die Schwerpunkte im Studiengang entwickelt werden.

Zeitersparnis bringt es, wenn Grundlagen weiter verwendet werden können und um die Schwerpunkte oder auch aktuelle Themen erweitert werden können.

Lernerleichterung bringt die Erfahrung der Lehrenden im Onlinelehren seit 2006 und der Aufwand der Strukturierung und Bewertung über die Onlineplattform ist sehr gering. Auch den Studierenden scheint immer klar zu sein, wann welche Aufgabe zu erfüllen ist und welche Abgaben es gibt. Das erleichtert die Zusammenarbeit mit den Studierenden.

Nachhaltigkeit

Die Grundlage der Lehrveranstaltung wurde in den Vorgänger LVA "Gender und Medien", "Gesellschaft & Technik", "Managing Diversity im IMK" gelegt. Aufbauend auf die inhaltlichen Erfahrungen wurden die aktuellen LVA Inhalte in den neuen Curricula entwickelt. Als ein Nachfolgeprojekt kann das studiengangsübergreifende Freifach "Diversitäts-Management" genannt werden, in dem Studierende aller Studienrichtung gemeinsam einen Teil der Thematik in 1SWS vermittelt bekommen. Die letzten beiden Kurse waren sehr rasch ausgebucht - das zeigt den großen Bedarf an Wissensaufbau zum Thema aber auch die Lust am übergreifenden Austausch.

Dissemination/Transfer

Das Konzept ist auf alle Lehrveranstaltungen und Lehrsituationen übertragbar, die Querschnittsthemen zum Inhalt haben und auch persönlichkeitsbildende Elemente umfassen. Weiters ebenso auf alle Settings, in denen die eigene (wissenschaftliche) Haltung zum Thema entwickelt werden kann. Die Ergebnisse aus den Lehrveranstaltungen fließen auch in Forschungsprojekte ein, da Studierende immer spannende Inhalte mitbringen und aus Diskussionen auch eigene Inhalte gut weiterentwickelt werden. Forschungsgeleitete Lehre wäre das Stichwort dazu. Die Einreicherin setzt das vorliegende Konzept auch als externe Lehrende an anderen Studienrichtungen um und hat gute Erfahrungen damit.

Institutionelle Unterstützung

Ja dieses Projekt wird umfassend unterstützt durch die selbstverständliche Einbeziehung des Faches bei der Entwicklung neuer Studiengänge bzw. Re-Akkreditierungen von vorhandenen.

Weiters durch die Bereitstellung der technischen Infrastruktur inklusive Unterstützung bei speziellen Settings im Moodle-Kurs und natürlich durch die Erweiterung der Angebote in der Lehre, wie bspw. das Wahlfach "Diversität Management".

Darüber hinaus tauschen sich im Thema aktive Personen laufend aus - auch Personen, die Funktionsträger*innen sind, wie Gleichstellungsbeauftragte oder auch für SDG Verantwortliche. So kann forschungsgeleitete Lehre laufend weiterentwickelt werden und die Themenvielfalt auch mit Expertise aus dem eigenen Haus erweitert werden.

Positionierung des Lehrangebots

BA Studierende ITI Vollzeit und berufsbegleitend 2. Semester

BA Studierende EUM Vollzeit und berufsbegleitend 1. Semester

BA Studierende GTE berufsbegleitend 1. Semester

BA Photonik und angewandte Elektronik 1. Semester

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
2023
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
DI Elke Szalai MA
Department Soziales
+436766081894
Nominierte Person(en)
DI Elke Szalai MA
Department Soziales
Themenfelder
  • Digitalisierung
  • Diversität und Soziales
  • Erfahrungslernen
  • Klimaschutz
  • Lehr- und Lernkonzepte
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften