Contemporary & Conceptional Ensemble

Würdigung der Jury

Mit diesem Projekt zum Spektrum der Jazzmusik würdigt die Jury ein an Bachelorstudierende gerichtetes Lehrangebot, das überzeugend darauf ausgerichtet ist, Verfahren künstlerischer Forschung in den Mittelpunkt zu stellen. Dies geschieht in einem offenen Konzept, das eine Balance aus akademischen Studien und performativer Erprobung in gemeinsamen Improvisationen findet. Erarbeitet werden Genealogien des Jazz, seine hybriden Konstellationen und Adaptionen anderer Musikstile und -kulturen, um eine Erweiterung des kompositorischen und improvisatorischen Jazzkanons zu sondieren. Theoriebasierte Erörterungen interagieren hierbei mit praktischen Improvisationen, denen nicht zuletzt die Funktion einer Erprobung des kritisch Rezipierten zukommt. Für besonders anerkennenswert erachtet die Jury dabei, dass zwischen einer deutlichen Ausrichtung auf fachliche Kompetenzprofile und Lernziele und einer reflektierten Offenheit ein ausgewogenes Verhältnis gesucht wurde, das Räume künstlerischer Entwicklung nicht verschließt. Dies gilt sowohl für die individuelle Entwicklung Studierender, etwa für die Orientierung auf Perspektiven weiterer Forschung in nachfolgenden Studien projekten, als auch für die sondierenden Erfahrungen gemeinsamen Musizierens, die auf den Zusammenhang kooperativer Erkundungen und künstlerischer Forschung verweisen und dabei die Bedeutung entsprechender Kompetenzen fassbar werden lassen. Dies alles geschieht nicht in artifizieller Abschottung, sondern in produktivem Interesse für kulturelle Diversität, plurale Kunststile und soziale Identitäten. Als produktiv erweist sich dieses Interesse auch in einem politischen und ethischen Sinn, insofern die Reflexion von Diversität und Musik Perspektiven kritischer Wahrnehmung konturiert, etwa im Kontext von Sexismus und musikalischer Produktion. Für die Konsequenz der didaktischen Komposition spricht schließlich, dass die Ergebnisse des Lehrprojekts nicht nur in einschlägigen und attraktiven Performances dargeboten, sondern auch in Formen akademischer Präsentationen gesichert werden.

Univ.-Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogaart
Humboldt-Universität zu Berlin

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

2019 wurde Lars Seniuk als Professor sowie Leiter des Studiengangs Jazz an die MUK Wien berufen. Teil seines Auftrags ist die Reformierung des Studiengangs (SG) und dessen Öffnung hin zu zeitgenössischen Strömungen des Jazz und der improvisierten Musik.

 

Neben diversen curricularen Reformen und Projekten initiierte Seniuk auch eine Neuordnung der Künstlerischen Ensemblepraxis (KEP) an der MUK, einer der zentralen Pfeiler der Jazzausbildung. Das Ziel, alle relevanten aktuellen und historischen Stile des Jazz und der jazzverwandten Musik abzudecken, wurde dabei noch übertroffen. So wurde mit dem Contemporary & Conceptional Ensemble eine Lehrveranstaltung (LV) für fortgeschrittene BA- und MA-Studierende geschaffen, die nicht nur, wie allgemein üblich, bereits Bestehendes vermittelt und umsetzt, sondern im vorgegebenen Rahmen der KEP Neues schafft – in den künstlerischen Ergebnissen ebenso wie in der innovativen Konzeption und Gestaltung der LV, in ihrer Vernetzung mit anderen Disziplinen sowie in der Art der Kompetenzvermittlung und der tiefgreifenden Reflexion ihrer Inhalte und Methoden.

 

Die LV verbindet theoretische und praktische Inhalte, dient als Kreativlabor, wirkt als Best Practice Beispiel für EEK (Entwicklung und Erschließung der Künste) sowie künstlerische Forschung und liefert maßgebliche Impulse für die Studierenden sowie den Jazz allgemein. Dabei hat sie nicht zuletzt zum Ziel, die von Student*innen an Kunstuniversitäten oft empfundene Distanz zwischen künstlerischer Tätigkeit und Forschung zu überbrücken und aufzulösen, indem sie die Teilnehmer*innen ermutigt und befähigt, selbst zu künstlerisch Forschenden zu werden. Die LV adressiert auf diese Weise auch den Missstand, dass im Jazz in Europa vergleichsweise wenig, zumal als solche deklarierte, künstlerische Forschung oder gar die Vermittlung ihrer Prinzipien und Methoden geschieht.

 

Durch die aktive Einbindung der Studierenden in die Gestaltung der LV und eine offene, forschungsfördernde und positive Lernumgebung in Verbindung mit instruktiven Phasen und Reflexionen sowie klar definierten Vorgaben zum Output bietet die LV eine optimale Balance aus klarer Struktur und Freiheit für selbstständige Forschungsarbeit, Wissens- sowie Kompetenzentwicklung und fördert dabei auch die sozialen Kompetenzen und das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein der Teilnehmer*innen sowie ihre Vernetzung. Die Künstler*innen gestalten durch ihre Forschung die vergleichsweise junge Disziplin der künstlerischen Forschung aktiv mit und bieten durch umfangreiche Dissemination Anknüpfungspunkte für Anschlussforschung sowie künstlerische Projekte von Studierenden, Lehrenden und Absolvent*innen des SG Jazz der MUK und, durch diverse inter- und transdisziplinäre Projekte, auch weiterer Studiengänge. Auf diese Weise strahlt die LV in die österreichischen Jazz- und Kulturszenen sowie, durch den sozialpraktischen Charakter einiger ihrer Projekte und Themen, auch in die Gesellschaft als Ganzes.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Lehrveranstaltung hat zum Ziel, die von Student*innen an Kunstuniversitäten oft empfundene Distanz zwischen künstlerischer Tätigkeit und Forschung aufzulösen, indem sie die Teilnehmer*innen ermutigt und befähigt, selbst zu künstlerisch Forschenden zu werden, die eigene Kunst sowie Strömungen des Jazz zu reflektieren und neue Wege für ihre eigene künstlerische Praxis und den allgemeinen Kanon des Jazz zu erkunden. Hierfür adaptieren sie Ideen, Strukturen und Stilelemente aus anderen Musik- und Kunstformen sowie weiteren (wissenschaftlichen) Disziplinen in Kompositionen und Improvisationen sowie interdisziplinären Performances und gestalten auf diese Weise die vergleichsweise junge Disziplin der künstlerischen Forschung aktiv mit.

 

Die Ergebnisse und Prozesse der Forschung der Teilnehmer*innen werden durch die Beschäftigung mit der theoretischen Basis fundiert sowie umfangreich verbalisiert, u.a. in und durch Reflexionen in der Gruppe, Essays der Studierenden sowie Workshops und Vorträge internationaler Expert*innen. Durch umfangreiche Dissemination bieten sie Impulse für Anschlussforschung sowie künstlerische Projekte, auch über die Uni hinaus.

 

Die LV zielt auf eine Balance aus klarer Struktur und Vorgaben zum Output auf der einen und Freiheit für selbstständige Forschungsarbeit, Wissens- sowie Kompetenzentwicklung auf der anderen Seite. Dabei fördert sie auch die sozialen Kompetenzen, das gesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein und die Vernetzung der Student*innen.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

This class aims at remedying the dichotomy between arts practice and research often perceived by music universities‘ students. It aims at solving this problem by encouraging and enabling the lecture‘s participants themselves to become artist researchers, to reflect their own art as well as common jazz currents and to explore new paths for their own artistic practice and the canon of jazz in general. For this, they adapt ideas, structures and stylistic elements from other music and art forms as well as other (scientific) disciplines and integrate these in compositions, improvisations and interdisciplinary performances. Thus, they also actively contribute to the relatively young field of artistic research.

 

The artistic findings and methods of the participants‘ research will be substantiated by studying their theoretical foundations and will be verbalized in a variety of contexts: e.g., through discussions and reflections within the group, essays written by the students as well as workshops and guest lectures held by internationally renowned experts. Wide dissemination of the findings will provide stimuli for further research and artistic projects.

 

The class aims at providing a balance of, both, clear guidelines regarding structure and required output, and freedom for self-reliant research, knowledge gain and skills development, besides also fostering social skills, a sence of responsibility for societal issues and expanding the students‘ network.

Nähere Beschreibung des Projekts

Das von Univ.-Prof. Seniuk geleitete Contemporary & Conceptional Ensemble stellt in seiner Konzeption und Durchführung ein Beispiel für innovative kunst- und forschungsgeleitete sowie studierendenzentrierte Lehre dar. Die LV lädt die Student*innen dazu ein, über den Tellerrand hinauszuschauen, gewohnte Pfade zu verlassen und neue Wege für ihre eigene künstlerische Praxis und den Kanon des Jazz allgemein zu erkunden.

 

Entsprechend fungiert Seniuk weniger als absolute Instanz, die über richtig und falsch urteilt, sondern ist in seinem Duktus vielmehr Initiator und Ideengeber, Moderator und Berater. Die Teilnehmer*innen sind wiederum nicht in der Rolle passiver Informationsempfänger*innen gefangen, sondern übernehmen gestalterische Verantwortung, bringen Ideen ein und entwickeln diese einzeln und im Kollektiv weiter.

 

Hierfür treten sie in die Rolle der Forschenden ein, denken, reflektieren und handeln in, durch, und mit ihrer Kunst. Dabei lädt die LV gemäß Borgdorff (2010) zum „unfinished thinking” ein, d.h., sie fungiert, trotz der klar definierten Lernziele und Kompetenzprofile, als, hinsichtlich der künstlerischen Produkte, ergebnisoffenes Labor, bietet sie doch eine inspirierende und positive Umgebung, eine der Grundvoraussetzungen für Innovation und erfolgreiche Forschung und Entwicklung in der Kunst (Zijlmans, 2017).

 

Zentraler Forschungsgegenstand

Der übergeordnete Forschungsgegenstand der LV ist die Erweiterung des kompositorischen wie improvisatorischen Jazzkanons. Hierzu werden die Studierenden angeregt, die eigene Praxis sowie Strömungen des Jazz zu reflektieren und um neue Impulse zu erweitern, um ihre Relevanz im aktuellen Kontext zu steigern und die Nischenfindung zu fördern.

 

Im Zuge dessen greift die LV Ideen, Themen, Strukturen und Stilelemente insbesondere aus anderen Musik- und Kunstformen, gelegentlich auch aus anderen (wissenschaftlichen) Disziplinen auf. Die Arbeit verläuft themenorientiert und zyklisch. Ein solcher Zyklus soll nachfolgend exemplarisch dargestellt werden.

 

Ablauf

In der Regel startet ein Themenblock mit einem instruktiven Impuls des LV-Leiters oder eines*einer Teilnehmer*in. So bringt beispielweise der LV-Leiter Material in Form von Kompositionen, Analysen und/oder Aufnahmen mit in den Unterricht. Diese stammen zumeist nicht aus dem Jazz oder der jazzverwandten Musik. Das Material wird zunächst gemeinsam gesichtet und analysiert und nachfolgend von den Student*innen in seiner Originalform gespielt und interpretiert. Anschließend werden verschiedene Möglichkeiten theoretisch erörtert und praktisch-improvisatorisch erprobt, das Material und seine wesentlichen stilgebenden Elemente in einen Jazzkontext zu übertragen. Eventuell existente entsprechende Versuche anderer Künstler*innen werden ebenfalls erkundet und diskutiert. In der Folge wählen Kursteilnehmer*innen einen der besprochenen oder auch einen gänzlich neuen Weg, um das Material in eigenen Kompositionen und Improvisationen zu verarbeiten. In der darauffolgenden Unterrichtseinheit erarbeiten sie ihre Werke mit der Hilfe und Unterstützung des LV-Leiters im Kollektiv. Abschließend reflektiert die Gruppe, moderiert von Lars Seniuk, wertschätzend und konstruktiv die Kompositionen, den gemeinsamen Musizierprozess sowie die Adaption und Verarbeitung des Ausgangsmaterials. Mögliche Konsequenzen und weitere sich eröffnende Wege für Kunst und Forschung werden diskutiert und gegebenenfalls Korrekturen an den Kompositionen vorgenommen.

 

Themen

Dieser beschriebene Zyklus stellt nur eine mögliche Variante dar. Die Abläufe und Zeitperioden variieren in Abhängigkeit von den jeweiligen Themenkomplexen.

Diese umfassen hauptsächlich Stile und Anleihen aus anderen Kunst- und Musikbereichen. In der Vergangenheit waren dies gleichermaßen Komplexe aus der zeitgenössischen klassischen Musik (dieser Begriff wird hier zur besseren Abgrenzung zum zeitgenössischen Jazz verwendet), z.B. Serialismus, Minimal Music, erweiterte Spieltechniken, Multimediakomposition oder experimentelle Elektronik, wie aus populären Musikstilen, so z.B. EDM, Pop, Hip-Hop oder Wienerlied. Die Kombination und der Austausch zwischen zeitgenössischer klassischer Musik und Jazz stellt dabei einen der EEK-Schwerpunkte der MUK dar, der nicht zuletzt durch die Arbeit des CC Ensembles begründet wurde.

 

Ein zweiter großer EEK-Schwerpunkt der MUK liegt im Jazz und seinen (potenziellen) Einflüssen aus anderen Musiktraditionen. So werden, neben international renommierten Jazzmusiker*innen und Forscher*innen aus dem In- und Ausland, auch Vertreter*innen osteuropäischer Volksmusik, indischer Musik und Musiktraditionen aus dem Nahen Osten zu Vorträgen, Lecture Recitals, Workshops oder einfach zum gemeinsamen Musizieren im Rahmen des CC Ensembles eingeladen. Es wird versucht, hierfür auch LV-Teilnehmer*innen der letzten Jahre und Alumni*ae der MUK zu gewinnen, die selbst an der Integration von Jazz und anderen Musiktraditionen, beispielsweise aus ihrem eigenen Herkunftsland, forschen. Dies zeigt den Teilnehmer*innen eine mögliche berufliche Perspektive auf, ermöglicht den Absolvent*innen, Lehrerfahrung im universitären Umfeld zu sammeln, im Musikbereich häufig Voraussetzung für eine spätere akademische Laufbahn, und fördert die Bildung von Netzwerken zwischen den Musiker*innen.

 

Im Rahmen der Beschäftigung mit diesen Musiktraditionen werden mit den Studierenden neben den positiven Aspekten eines Kulturaustausches und der sozial relevanten Modellfunktion, die einem solchen integrativen Projekt über die künstlerischen Aspekte hinaus für die ganze Gesellschaft zukommen kann, auch aktuelle wissenschaftliche Diskurse, beispielsweise zur Dekolonialisierung der eurozentristischen Sicht auf Kunst und Lehre (vgl. Kallio, 2019) sowie zur Cultural Appropriation und ihrer Vermeidung, besprochen. Bei anderen Themenkomplexen erfolgt eine Sensibilisierung für relevante gesellschaftliche Themen wie Gender & Diversity – beispielsweise in Bezug auf Sexismus in den Texten des Wienerlied –, um die Wahrnehmung der Student*innen für die gesellschaftliche Rolle und Verantwortung von Künstler*innen zu schärfen.

 

Ein vierter Schwerpunkt liegt in inter- und transdisziplinären Projekten, u.a. in Zusammenarbeit mit Studierenden und Lehrenden aus Alter Musik, Tanz, Schauspiel, zeitgenössischer klassischer Musik und bildender Kunst.

 

Methoden

Aus methodologischer Sicht bildet, wie in der künstlerischen Forschung üblich, bei diesen Projekten sowie auch in der regulären Arbeit im Kreis der LV-Teilnehmer*innen der kreative Prozess den Weg, über den neue Erkenntnisse und Ergebnisse entstehen (Borgdorff, 2010). Eine zentrale Rolle kommt dabei dem kommunikativen Vehikel der Improvisation zu, die integraler Bestandteil des Jazz und vieler weiterer der o.g. Kunstformen ist. Sie begünstigt einen intensiven und unmittelbaren Austausch, indem sie eine starke Interaktion der Beteiligten erfordert und dabei individuellen Ausdruck im Kollektiv verbindet (s. Monson, 1997; Gagel, 2010; Elliott & Silvermann, 2015; Schiavio et al., 2018). Auf diese Weise wird das jahrhundertealte Prinzip der Improvisation Methode und Katalysator aktueller künstlerischer Forschung (Schubert & Guido, 2016).

 

Der Erkenntnisgewinn erfolgt durch das gemeinsame Erschließen oder gegenseitige Vermitteln neuen Repertoires sowie stilprägender Elemente der beteiligten Kunststile. Die Ergebnisse und Prozesse aus der künstlerischen Forschung der Teilnehmer*innen werden durch Beschäftigung mit ihrer theoretischen Basis fundiert sowie umfangreich verbalisiert – so u.a. durch die Gespräche, Analysen und Reflexionen in der Gruppe sowie durch die Vorträge und Workshops externer Expert*innen –, um sich den behandelten Themengebieten aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern, sie möglichst umfassend zu durchdringen sowie implizites Wissen, das in den schöpferischen Prozessen lokalisiert und verkörpert ist, zu offenbaren und zu artikulieren.

 

Ergebnisse und Dissemination

Die Ergebnisse des künstlerischen Forschungsprozesses manifestieren sich maßgeblich in den Kompositionen und Performances der Künstler*innen, die regelmäßig in Form von Audio- und Videoaufnahmen dokumentiert und auf frei zugänglichen Plattformen veröffentlicht werden. Performances in ausgewiesenen Aufführungsstätten (u.a. Porgy & Bess, Wir Sind Wien-Festival, Memento Mori-Festival), aber auch an verschiedenen Orten im öffentlichen Raum der Stadt Wien laden alle Interessierten ein, die künstlerischen Produkte zu erleben und in Austausch mit den Künstler*innen zu treten, wodurch nicht zuletzt sozialpraktische und gesellschaftsrelevante Inhalte einiger Projekte, z.B. der Austauschprojekte mit Musiker*innen „nicht-westlicher“ Kulturen, nachvollziehbar und erfahrbar und die Studierenden zu Impulsgeber*innen sozialer Utopien werden.

 

Zudem präsentieren die LV-Teilnehmer*innen am Ende des Studienjahres die Forschungsergebnisse in Essays und Vorträgen vor Kommiliton*innen und Lehrenden verschiedener Disziplinen und Studiengänge der MUK. Diese dienen, gemeinsam mit den künstlerischen Produkten, der Kompetenzüberprüfung. Sie präsentieren und reflektieren die künstlerischen Prozesse und Erkenntnisse sowie die zugrundeliegenden methodologischen, praxisbasierten, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Überlegungen. Hier werden auch Gütekriterien, Wirkweise und Mehrwert von künstlerischer Forschung veranschaulicht und auf der Metaebene die Einordnung in und Bedeutung des Contemporary & Conceptional Ensembles im Kontext von Universität, Kunstwelt, EEK und künstlerischer Forschung thematisiert und somit gleichzeitig die grundsätzliche konzeptuelle Struktur der LV reflektiert. Auf diese Weise fungiert die eingereichte LV nicht nur als Impulsgeberin für die (Berufs-)Praxis der Studierenden und zukunftsweisende künstlerische Entwicklungen im Bereich des Jazz, sondern auch als innovatives Best Practice Beispiel und Katalysator für EEK und künstlerische Forschung an einer Kunstuniversität.

Nutzen und Mehrwert

- Innovatives Konzept mit Vorbildwirkung

- Praxisnahe Lehre, Erschließung neuer Berufsfelder

- Nachhaltige Impulse für die berufliche Tätigkeit der Student*innen sowie für die Musik- und Kunstszene Wiens und darüber hinaus

- Neue Impulse für die Verknüpfung von Forschung und Lehre an Musik- und Kunstuniversitäten

- Hinführung der Studierenden zur Entwicklung und Erschließung der Künste sowie zur künstlerischen Forschung (Definition: s. Links)

- Vermittlung von Gütekriterien und Methoden von Artistic Research

- Gewinnbringende Verknüpfung theoretischer und praktischer Komponenten

- Umfangreicher Erkenntnisgewinn für Studierende und Lehrende

- Förderung der Reflexion und kritischen Auseinandersetzung der Student*innen mit ihrer eigenen Tätigkeit sowie Bewusstmachung und Bereicherung künstlerischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskurse

- Förderung von Sozialkompetenz und gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein der Studierenden

- Stärkung der Eigenverantwortung und Eigenständigkeit der Studierenden

- Schaffung eines kollaborativen, innovationsfördernden und positiven Lernklimas

- Förderung von inter- und transdisziplinären Projekten

- Intrauniversitärer, regionaler, nationaler und internationaler Austausch und Vernetzung

- Impulse auch für andere Studiengänge sowie ihre Lehrenden und Studierenden

Nachhaltigkeit

Zeitlicher Horizont und Weiterentwicklung

Die Lehrveranstaltung existiert seit Wintersemester 2019 und soll auch in Zukunft weiterhin in jedem Semester angeboten werden. Dabei wird sie stetig weiterentwickelt und auf die individuellen Bedürfnisse und Vorkenntnisse der Teilnehmer*innen angepasst.

 

So war die Lehrveranstaltung zunächst nur als reguläres Ensemble für besonders progressive künstlerische Inhalte geplant. Im Laufe des ersten Semesters im Jahr 2019 offenbarte sich dann die Notwendigkeit, die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Student*innen mehr zu betonen und zu fördern, da dies in den vorangegangenen Jahren kaum geschehen war und die meisten Student*innen es nur gewohnt waren, nach schablonenartigen Vorgaben zu agieren und die, paradoxerweise seit jeher von der Individualität ihrer Protagonist*innen, individuellen Gruppendynamiken und Kommunikation lebende, Musikform des Jazz gemäß der absoluten Wertung („richtig“ oder „falsch“) der Lehrenden auszuführen, was künstlerische Weiterentwicklung und Experimente zumeist im Keim erstickte. So wurde Gruppengesprächen, eigenen kritischen Reflexionen und eigenständigem Arbeiten im Rahmen der Lehrveranstaltung zukünftig mehr Gewicht zuteil.

 

In Gesprächen mit Studierenden und Lehrenden der MUK, aber auch anderer Kunstuniversitäten im In- und Ausland, wurde im Jahr 2020 deutlich, dass viele Universitätsangehörige eine zunehmende Kluft zwischen Kunst und Forschung empfanden und Angst vor einer „Verwissenschaftlichung und Bürokratisierung ihrer Kunst“ äußerten, die durch die gefühlte und messbare Hinwendung der Universitäten zur Forschung sowie die Betonung der wissenschaftlichen Anteile in Studium und Lehre noch verstärkt wurde. Dass Artistic Research per Definition (s. z.B. Orpheus Institute Gent) nur von Künstler*innen ausgeführt werden kann und einen unmittelbaren Erkenntnisgewinn und Nutzen für die Kunst haben kann und sollte, war dabei in aller Regel gar nicht bekannt.

Um diese Wissenslücke(n) zu schließen, Missverständnisse zu beseitigen und den Diskurs über Artistic Research zu bereichern und mitzuprägen, wurden vermehrt auch Methoden und theoretische Hintergründe von Artistic Research in der Lehrveranstaltung vorgestellt und reflektiert und fanden umfangreiche praktische Anwendung.

 

Weiterhin kristallisierte sich heraus, dass ein Schwerpunkt auf die freie Improvisation gelegt werden musste, d.h. Improvisation beispielsweise ohne Vorgaben hinsichtlich Tonalität, Harmonien, Form, Ablauf, Puls oder Metrum. Auf Grund der sehr traditionellen Ausrichtung des Studiengangs Jazz der MUK vor 2019 hatten selbst fortgeschrittene Student*innen, an die sich die eingereichte Lehrveranstaltung richtet, trotz ihrer hervorragenden Fähigkeiten auf anderen Gebieten des Jazz, der Improvisation und der Instrumentaltechnik, nahezu ausnahmslos keine Erfahrungen mit freieren Spielformen. Um experimentelle, progressive oder transdisziplinäre Inhalte gemeinsam erschließen zu können und überhaupt die Neugierde und den Entdecker*innengeist der Studierenden zu wecken, muss in dieser Hinsicht zu Beginn des Studienjahres in der Regel zunächst die entsprechende Grundlage gelegt werden. Hier scheint ein Stein ins Rollen zu kommen, der sich in zunehmend mehr frei improvisierten Anteilen in Projekten von Student*innen und Alumni*ae äußert und langfristig dazu führen dürfte, dass hier bereits im Austausch zwischen den Studierenden außerhalb der Lehrveranstaltung entsprechende Kompetenzen gebildet werden.

 

Übertragbarkeit

Das Contemporary & Conceptional Ensemble strahlt zudem schon jetzt in andere Studiengänge der MUK sowie in die Musik- und Kunstszene Wiens und darüber hinaus aus, wodurch immer mehr interdisziplinäre und progressive Projekte im Rahmen der Lehre aber auch von Studierenden und Alumni*ae zustande kommen – nicht zuletzt ein großes Plus für die Vielfalt und Außenwirkung der österreichischen Kulturlandschaft.

 

Das Konzept des Ensembles sowie seiner Inhalte und Projekte ist dabei problemlos auch auf andere Musikuniversitäten und -ausbildungsstätten übertragbar. Auch einzelne Aspekte wie die Studierendenzentriertheit oder die der LV immanenten grundlegenden kommunikativen und forschungsgeleiteten Methoden lassen sich nach Präferenz vollständig oder in Einzelaspekten übertragen, beispielsweise auf Ensembles mit anderen thematischen Schwerpunkten (z.B. traditionellere Stile oder andere Genres).

 

Im Sinne einer forschungs- und kunstgeleiteten Lehre wird das Konzept des Contemporary & Conceptional Ensemble hoffentlich auch weiterhin an Bekanntheit gewinnen und zahlreiche Nachahmer*innen finden – nicht zuletzt durch die positiven Berichte von Studierenden und Lehrenden, die Dissemination der künstlerischen und wissenschaftlichen Produkte sowie Initiativen wie den Atlas der guten Lehre und den Ars Docendi-Staatspreis für exzellente Lehre.

Aufwand

Der Zeitaufwand für den Lehrveranstaltungsleiter Lars Seniuk ist durch die individuelle Gestaltung und umfangreiche Vor- und Nachbereitung der Unterrichtseinheiten sowie die organisatorische und fachliche Betreuung von (interdisziplinären) Projekten, Performances und schriftlichen Arbeiten vergleichsweise sehr hoch.

 

Zusätzliche Kosten durch die Einbindung externer Expert*innen konnten überwiegend aus bezahlten Performances des Ensembles gedeckt werden und belasteten den Gesamtetat des Studiengangs nur marginal.

Positionierung des Lehrangebots

Die Lehrveranstaltung richtet sich vornehmlich an fortgeschrittene Bachelorstudent*innen im zweiten Studienabschnitt sowie Masterstudent*innen des Studiengangs Jazz der MUK, steht aber nach Absprache auch Studierenden anderer Studiengänge offen - als reguläre LV-Teilnehmer*innen, zum Hospitieren oder im Rahmen von interdisziplinären Projekten.

Die Lehrveranstaltung ist für Jazzstudierende im Pflichtmodul KEP (Künstlerische Ensemblepraxis) angesiedelt.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
Nominiert 2022
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Univ.-Prof. Lars Seniuk, MMus
Studiengang Jazz
+4366460647450
Nominierte Person(en)
Univ.-Prof. Lars Seniuk, MMus
Studiengang Jazz
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