Karl-Franzens-Universität Graz
Universitätsplatz 3, 8010 Graz
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KS Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Engeres Ziel des Kurses ist es, die Studierenden vor praxisnahe verwaltungsrechtliche Aufgaben zu stellen und sie daran anknüpfend zu unterstützen, Fach- und Problemlösungskompetenzen zu erwerben, um diese bei der Endklausur des Kurses sowie der Fachprüfung anwenden zu können.

 

Hinsichtlich Motiv und persönlicher Ausgangslage, bevor ich den Kurs vor ca drei Jahren zum ersten Mal abhielt, sei Folgendes ausgeführt: Schon zu meiner eigenen Studienzeit stellte Verwaltungsrecht eine der „gefürchtetsten“ Materien des Jus-Studiums in Graz dar, wofür sich der enorme Stoffumfang, herausfordernde Teilbereiche und, als Folge daraus, die durchaus diffizile Vermittelbarkeit verantwortlich zeigten. Zudem nahm ich generell immer wieder Hemmungen bei Kolleg*innen wahr, sich an einer LV mit immanentem Prüfungscharakter aktiv zu beteiligen – primär aus Bedenken vor einer falschen Äußerung. Darüber hinaus stellte ich bereits damals fest, dass vermeintlich „starre“ Lehrkonzepte ohne Rücksicht auf unterschiedliche Bedürfnisse nicht optimal funktionierten. Demgegenüber bereiteten mir vor allem jene Lehrveranstaltungen Freude und weckten mein Interesse, in denen es der Lehrperson offenkundig ein Anliegen war, uns die Materie näherzubringen. Zum Teil erbaten Vortragende auch aktiv Feedback – der dahinter stehende Gedanke, eine tolle Lehrveranstaltung weiter verbessern zu wollen, imponierte mir immer besonders.

 

Diese Erfahrungen leiten mich bis heute: Wenn bereits die Rahmenbedingungen einer Lehrveranstaltung stimmen – sei es etwa das Engagement einer Lehrperson bei der Wissensvermittlung, ihre Verfügbarkeit für und Beantwortung von Studierendenfragen, oder ihre wertschätzende Art – entwickeln die Teilnehmer*innen nahezu automatisch Interesse für die Sache an sich. Wenngleich die Studierenden für Ihre Beurteilung freilich selbst verantwortlich sind, sehe ich es als Teil „moderner“ Lehre bzw Didaktik an, diesen Stein des Interesses hinreichend ins Rollen zu bringen. Zudem sollte Lehre im Jahr 2021/2022 auf Augenhöhe erfolgen; meine Maxime ist es, den Studierenden bestimmt, aber stets auch offen und respektvoll zu begegnen. Die Prüfung am Ende des Semesters, aber vor allem auch der gesamte Weg dorthin werden so uU zu einer deutlich geringeren Hürde als ursprünglich angenommen.

 

Ein – vermutlich – nicht offenkundig ersichtlicher, aber wesentlicher Vorteil einer studierendenzentrierten Herangehensweise ist es weiters, die Teilnehmer*innen mit besonders anspruchsvollen Problemstellungen, die zT deutlich über das Lehrbuchwissen hinausgehen, konfrontieren zu können. Dies wäre freilich unter jeglichen Voraussetzungen denkbar, bei fehlender Akzeptanz aber wohl nur begrenzt sinnvoll. Unter den genannten Bedingungen bleiben die Studierenden jedoch auch bei sehr fordernden Inhalten nicht untätig, sondern ganz im Gegenteil fokussiert und motiviert, wodurch sich eine zielführende Prüfungsvorbereitung sicherstellen lässt.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Der Kurs soll die Studierenden auf diskursivem Wege mit konkreten Problematiken des österreichischen Verwaltungsrechts vertraut machen und schwerpunktmäßig methodische Kompetenzen der schriftlichen Falllösung vermitteln. Schritt für Schritt werden ausgewählte Teile des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts sowie des Verwaltungsverfahrensrechts erarbeitet und vertieft. Dem immanenten Prüfungscharakter der LV entsprechend werden die Teilnehmer*innen zur Vorbereitung auf jede Einheit dazu ersucht, im Eigenstudium ein thematisch abgegrenztes Fallblatt mit verschiedenen Aufgabenstellungen zu bearbeiten und in der darauffolgenden Einheit mit mündlichen Diskussionsbeiträgen bei der gemeinsamen Lösung desselben mitzuwirken. Daneben kann das erlangte Wissen durch schriftliche Ausarbeitungen zu höchstgerichtlicher Judikatur oder besonders wichtigen Problemfeldern des Verwaltungsrechts mit Praxisbezug erweitert werden, während Multiple Choice-Kurztests die Studierenden speziell auf mögliche Prüfungsfragen sensibilisieren sollen. Individuelles Feedback und Transparenz spielen bei allen Formen der Mitarbeit eine zentrale Rolle. Den Abschluss der LV bildet eine eineinhalbstündige Endklausur, die die Anwendung der über das gesamte Semester erlangten Kenntnisse zum Gegenstand hat.

Durch dieses „Gesamtpaket“ sollen auch LV-unabhängige, juristische Kernkompetenzen gestärkt werden, die im späteren Berufsleben ebenso dienlich sein können.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The course is designed to acquaint students with specific problems of Austrian administrative law in a discursive manner and to focus on imparting methodological competencies of written case resolution. Step by step, selected parts of general administrative law, administrative procedural law and special administrative law are developed and deepened. In accordance with the course's immanent assessment character, the participants are asked to prepare for each unit by working on a subject-specific case sheet with various tasks on their own and to contribute to the joint solution of the same in the following course unit. In addition, the knowledge acquired can be expanded through written papers on Supreme Court rulings or particularly important problem areas of administrative law with practical relevance, while multiple choice short tests shall specifically sensitize students to potential examination questions. Individual feedback plays an important role in all these forms of participation. The course concludes with a one-and-a-half-hour final exam, which deals with the application of the knowledge obtained throughout the semester.

This "total package" is also intended to strengthen core legal competencies that are independent of the course and can be useful in later professional life as well.

Nähere Beschreibung des Projekts

Seit Beginn meiner Tätigkeit an der Universität Graz ist es mein Anspruch, qualitativ hochwertige Lehre – sei es im Hinblick auf die Prüfungsvorbereitung, darüber hinaus vermittelte Kompetenzen, die Partizipation oder auch die zwischenmenschliche Ebene – anbieten zu wollen, von der die Kursteilnehmer*innen maximal profitieren können. Was das bedeutet, sei nachstehend näher ausgeführt.

Betreffend den Kompetenzerwerb fußt der Kurs im Großen und Ganzen auf drei Säulen: Erstens sollen die Studierenden lernen, Problemstellungen des Verwaltungsrechts (zB gewerberechtlicher oder baurechtlicher Art) zu identifizieren und ihr Wissen unter Einsatz von Falllösungsmethoden und des Gesetzestextes strukturiert anzuwenden. Besonders wichtig ist mir dabei, dass nicht nur Prüfungsschemata auswendig gelernt werden, sondern vielmehr versucht wird, juristisch zu argumentieren und eigene Lösungen hinreichend zu begründen. Zweitens sollen auch mündliche Kompetenzen gestärkt werden. So mache ich von Anfang an klar, dass jede einzelne Meldung dazu dienlich ist, gemeinsam den Weg zur richtigen Lösung zu erarbeiten. In einer möglichst inklusiven Atmosphäre werden auch eher introvertierte Studierende dazu ermutigt, sich am Unterricht zu beteiligen, und es entstehen oftmals gewinnbringende Diskussionen. Drittens sollen die Studierenden regelmäßig Ausarbeitungen zu höchstgerichtlicher Judikatur oder sonstigen wichtigen LV-Themen verfassen und sich dadurch (Erst-)Kompetenzen des wissenschaftlichen Arbeitens aneignen. Hiervon können sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in im Studienverlauf späteren Lehrveranstaltungen profitieren; das Ganze hat somit durchaus „fächerübergreifenden“ Nutzen.

Wie bereits zwischen diesen Zeilen ersichtlich, spiegeln sich die Säulen in einem differenzierten Mitarbeitssystem wider, das zum einen auf die unterschiedlichen Anforderungen von Präsenz-, Hybrid- und Onlinelehre abstellt. Zum anderen berücksichtigt es insbesondere auch divergierende persönliche Veranlagungen der Teilnehmer*innen: So gibt es mit der Vorgabe von acht Mitarbeitsplus zwar Mindestanforderungen für eine positive Beurteilung, jedoch steht es den Studierenden grds offen, auf welchem Weg sie diesen genügen. Durch besonders gute Mitarbeit in Form von 22 oder mehr Plus kann sich die Endnote gegenüber der Abschlussklausur letztlich um bis zu zwei Grade verbessern. Dabei ist mir auch Workload-Gerechtigkeit ein Anliegen: Es ist klar, dass die Studierenden nicht zuletzt angesichts einer ambitionierten Mindeststudienzeit von vier Jahren nicht „nur“ meinen Kurs, sondern auch andere Lehrveranstaltungen besuchen und Prüfungen absolvieren. Das System beruht daher zu einem gewissen Grad auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung. Im Detail gestaltet sich das – aktuell – vierteilige Konzept wie folgt:

(1) Mündliche Mitarbeit in den LV-Einheiten: die „klassische“ Form der ständigen Leistungserbringung, mit der die Studierenden ihre eigens erarbeiteten Lösungen zu einem Fallblatt direkt in den Einheiten präsentieren können. Mehrmalige Meldungen sind erwünscht, werden jedoch nicht als weitere Mitarbeitsleistung berücksichtigt, wodurch für möglichst viele Studierende ein Anreiz zur aktiven Teilnahme an der LV besteht (etwa in Kontrast zu einer Herangehensweise, wo jede einzelne Meldung ein Plus bringt und typischerweise stets die selben Studierenden aktiv sind, die zahlenmäßige Mehrheit allerdings schweigsam bleibt).

(2) Ausarbeitungen einschlägiger VwGH-Entscheidungen: Diese Mitarbeitsform implementierte ich angesichts meines persönlich ersten „Corona-Semesters“, des WS20, in mein Lehrkonzept – vor allem deshalb, weil die LV-Abhaltung „über den Bildschirm“ meines Erachtens nicht genug war, um die Studierenden über ein Semester lang „mitnehmen“ zu können. Die sogenannten Entscheidungsbesprechungen übernehmen letztlich mehrere sinnvolle Funktionen, und zwar a) stellen sie generell eine zusätzliche oder sonst eine alternative Mitarbeitsmöglichkeit für Studierende dar, die eine möglichst gute Benotung erreichen wollen, b) ermöglichen die von mir ausgewählten VwGH-Judikate eine Vertiefung des Kursstoffes und bringen prüfungsrelevante Inhalte anhand praktischer Beispiele näher, c) werden Studierende dadurch an das für Akademiker*innen wesentliche wissenschaftliche Arbeiten herangeführt, und erhalten auf Wunsch Feedback zu Inhalten und formalen Kriterien wie zB zur Zitierweise. Zur Veranschaulichung werden gelungene Ausarbeitungen aus Vorsemestern auf der Moodle-Plattform des Kurses zur Verfügung gestellt. Die Qualität der Lehre konnte durch diese Maßnahme durchaus weiter verbessert werden, sie findet hohe Akzeptanz.

(3) Unangekündigte Multiple Choice-Kurztests: Insgesamt drei Mal im Semester werden die Studierenden während der Einheiten spontan dazu angehalten, auf Papier oder online über Moodle einen auf zwölf Minuten begrenzten, anspruchsvollen MC-Test zu bearbeiten. Dadurch wird eine Art Prüfungssituation simuliert, in der sie unter Zeitdruck auf mögliche "Fallen" im Angabetext und daran anknüpfend auf genaues Lesen desselben sensibilisiert werden. Neben einer gezielten Stärkung der juristischen Lese- und Problemerkennungskompetenz bergen diese Tests einen weiteren Vorteil: Nach erfolgter Diskussion der Lösungen wird den Teilnehmer*innen stets ein entsprechendes Dokument mit allen richtigen Antworten zugesendet. Damit bekommen sie eine zusätzliche Lernunterlage, die so in keinem Lehrbuch zu finden ist.

(4) Essays zu wichtigen Themen des Verwaltungsrechts: Als „neueste“ Mitarbeitsform, die ich mir für das WS21 zusätzlich überlegt habe, steht es den Studierenden nunmehr auch offen, kurze Aufsätze zu vorgegebenen Themen zu verfassen und ihre eigene juristische Meinung zur Problematik wiederzugeben. Auch hier gelten die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens; inhaltlich ist darauf zu achten, den Essay konzise zu halten, die Rechtsausführungen des VwGH hinreichend wiederzugeben und mit einer eigenen Conclusio zu schließen. Damit erhalten Studierende eine kleine „Einführung“ auf die Seminararbeiten sowie die Diplomarbeit im dritten Studienabschnitt. Auch diese Maßnahme wurde sehr gut angenommen.

Das differenzierte System verhindert das Entstehen struktureller Lernbarrieren und ermöglicht den gezielten Einsatz der Stärken der Teilnehmer*innen, was letztlich auch den Abbau allfälliger individueller Lernbarrieren begünstigt. Manche Studierende bevorzugen mündliche Mitarbeit bzw den direkten Austausch, andere können sich schriftlich besser ausdrücken: Solange sie „aktiv“ sind, ist mir alles recht. Es sei darauf hingewiesen, dass nicht wenige ohnehin in sämtlichen Bereichen glänzen.

Über die genauen Anforderungen des Kurses werden die Teilnehmer*innen im Zuge der Vorbesprechung informiert. Während des Semesters werden zudem mehrmals Übersichten per Mail ausgeschickt, in denen sie ihre bisherigen Leistungen einsehen können. So stelle ich sicher, dass stets maximale Transparenz herrscht bzw die Studierenden Bescheid darüber wissen, wo sie aktuell stehen und welcher Aufwand erforderlich ist, um eine bessere Note erreichen zu können.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich einige weitere Rahmenbedingungen des Kurses. So etwa die den Studierenden ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, mich unterbrechen und jederzeit Fragen stellen zu können: Spontane Fragen in der LV werden sogleich besprochen und von mir mündlich, sonst per Mail oder spätestens in der nächsten Einheit im Detail beantwortet. Die umfassende Zurverfügungstellung von LV-Unterlagen ist ein weiterer Faktor: seien es PPT-Folien, Judikatur, Prüfungsschemata, Mitarbeitsübersichten, MC-Test-Lösungen oder Zusatzliteratur, die mit Anmerkungen per Mail verschickt, aber vor allem auch auf Moodle hochgeladen werden. Zudem werden internationale Studierende bei Bedarf zusätzlich unterstützt: Sind doch die Kursinhalte selbst Herausforderung genug und soll zB nicht auch die deutsche Sprache ein Hindernis bei der Falllösung darstellen. Bei sonstigen Problemen (Visum etc) habe ich zudem bereits großzügige Ausnahmen von bestehenden Anwesenheitserfordernissen erteilt. Ähnliche Lösungen biete ich Studierenden an, deren Berufstätigkeit sich zT mit der Abhaltungszeit meines Kurses überschneidet, sie aber dennoch unbedingt Teil meiner Gruppe sein wollen.

Ebenso charakteristisch für die Studierendenorientiertheit sind regelmäßige Diskussionen aktueller nationaler und internationaler Ereignisse, die den Kursstoff tangieren: zB im Januar 2021 ein Bericht einer Tageszeitung, laut dem eine Gastwirtin trotz Lockdowns ihr Lokal öffnete; allen Beteiligten wurden Verwaltungsstrafen nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz auferlegt und zusätzlich Betretungsverbote verhängt. Dieser Artikel stellte einen idealen "Aufhänger" dar, da gegen Ende des Semesters Polizeirecht gelehrt wurde. Mit derartigen Praxiseinblicken ist es möglich, Wissen aus einer lebensnahen Perspektive zu vermitteln und zusätzliches Relevanzbewusstsein für das Gelernte zu fördern. Ein Blick über den Tellerrand des Lehrbuchs hinaus ist zudem nie verkehrt.

Zuletzt sei betont, dass es mir ein Anliegen ist, meine LV stets zu adaptieren: sei es, wie mehrfach erwähnt, durch zusätzliche Formen der Beteiligung, die Konzeption neuer Fälle oder sonstige Maßnahmen. Zudem hole ich aktiv Feedback ein und nehme Verbesserungsvorschläge gerne an. Auch tausche ich mich regelmäßig mit Kolleg*innen aus: Nachdem ich zB im SS20, dem ersten von COVID-19 beeinflussten Semester, keine Lehrverpflichtung hatte, informierte ich mich für das darauffolgende WS20 hinreichend über Erfahrungen betroffener LV-Leiter*innen. Die Abhaltung von MC-Tests wurde mir außerdem von einem Professor meines Instituts nähergebracht, worauf ich sie eingeführt und weiterentwickelt habe. Nicht zuletzt bin ich gerne für Hospitationen offen, um die ich vor allem im Anschluss an die Auszeichnung mit dem Lehrpreis der Universität Graz vermehrt angefragt wurde, und schaue selbst bei anderen Vortragenden vorbei, um meinen Horizont zu erweitern.

Nutzen und Mehrwert

Wie zT bereits aus den obigen Ausführungen und vor allem auch aus dem Studierendenfeedback hervorgehend, kann der Kurs mit einer Palette an Rahmenbedingungen und Inhalten aufwarten, die durchaus „Mehrwert“ besitzen. Im Folgenden sei dargelegt, warum der Kurs nicht nur für die Kursteilnehmer*innen, sondern für mich selbst ebenso von Nutzen ist.

 

Im Hinblick auf die Studierenden formiert sich der engere Mehrwert des Kurses freilich in der möglichst umfassenden Vorbereitung auf die Endklausur und Fachprüfung aus Verwaltungsrecht. Daneben kann er der Stärkung verschiedener Kompetenzen dienen, die die Teilnehmer*innen bereits im Kurs selbst, im sonstigen Studium oder sogar im Berufsleben gut brauchen können. Jedoch offenbaren sich uU auch darüber hinaus Vorteile: Speziell das Klima in der Lehrveranstaltung kann dabei helfen, Ängste abzubauen und vor anderen Menschen sprechen zu lernen, und nicht den Mut zu verlieren, wenn die gegebene Antwort sich von der tatsächlichen Lösung des Falles unterscheidet. Eine falsche Äußerung ist oftmals sogar wertvoller, da daraus eine interessante Diskussion entstehen und in Zusammenhang damit der gesamte richtige Lösungsweg im Detail aufgezeigt werden kann. Spannende Kursinhalte und auf aktuellen Ereignissen basierende Fälle können zudem dazu beitragen, sich für eine mögliche Vertiefung des öffentlichen Rechts im dritten Abschnitt zu entscheiden oder ein interessantes Diplomarbeitsthema zu finden. Im besten Fall stellt der Kurs sogar den ersten Schritt einer juristischen Karriere dar, was ich mit zwei kurzen Anekdoten erläutern möchte: So wurde etwa ein im Kurs besonders engagierter Studierender am Institut als Studienassistent*in angestellt. Darüber hinaus wurden zwei weitere Studierende aus meinem Kurs, die sich durch ihre aktive Teilnahme auszeichneten, als Mitarbeiter*innen in einem Drittmittelprojekt meines Instituts engagiert und wirkten in der Folge nicht nur mit mir beim Projekt an sich, sondern auch offiziell als Autor*innen an daraus ergehenden Publikationen mit. Diese stellten freilich die allerersten einschlägigen Tätigkeiten der beiden Personen dar.

 

Darüber hinaus möchte ich nun nicht außer Acht lassen, dass der Kurs aus verschiedenen Gründen auch für meine eigene Entwicklung von großem Wert ist. Zum einen ist es mir dadurch möglich, meine fachlichen Kompetenzen kontinuierlich zu verbessern: so gibt es zB immer wieder kluge Fragen vonseiten Studierender, über die ich mir selbst noch keine Gedanken gemacht habe und zu denen ich erst selbst recherchieren muss, bevor ich sie hinreichend beantworten kann. Zum anderen konnte ich bislang natürlich auch meine rhetorischen Fähigkeiten deutlich ausbauen: Ist es zunächst noch ungewohnt, vor einer Vielzahl von genau zuhörenden Menschen zu sprechen und ihnen komplexe juristische Zusammenhänge erklären zu müssen, wird das mit zunehmender Übung „business als usual“ und bereitet mir seither großen Spaß. Zudem ist das erhaltene Feedback natürlich ein großer Ansporn für die Zukunft und der Beweis dafür, dass vieles im Leben ein „Geben und Nehmen“ ist. Die Rückmeldungen zeigen, was mit einem nachvollziehbaren Konzept der Wissensvermittlung, aber insbesondere auch mit Freundlichkeit, Hilfs- und Unterstützungsbereitschaft, Wertschätzung, einer Prise Humor und einem lockeren Umgangston alles möglich ist. Ich denke überhaupt, dass man sich immer zwei Mal im Leben sieht, und ein schlechter Ruf weite Kreise ziehen kann. Gleiches gilt natürlich auch für eine gute Reputation.

Nachhaltigkeit

Die Frage der Übertragbarkeit bzw Nachhaltigkeit einer Lehrveranstaltung besitzt zweierlei Stoßrichtungen: Zum einen betreffend die Lehrveranstaltungsinhalte, zum anderen das Konzept zur Vermittlung dieser Inhalte fokussierend.

 

Die Nachhaltigkeit der Lehrveranstaltungsinhalte ist meines Erachtens klar gewährleistet: Sämtliche Grundlagen, Verzweigungen und Facetten des Verwaltungsverfahrensrechts, des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts stellen Eckpfeiler für das Funktionieren unseres Staates an sich sowie seines Wirtschaftslebens dar und sind nicht nur für angehende Jurist*innen von Relevanz. Zur besseren Veranschaulichung nachfolgend einige Auszüge der Themen, mit denen sich die Studierenden im Laufe des Semesters auseinanderzusetzen haben:

 

- Charakteristika der verschiedenen Ausprägungen des Verwaltungshandelns (Bescheid, Verordnung, Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Weisung etc); Organisation der relevanten Akteure (unmittelbare und mittelbare Bundes- und Landesverwaltung, Selbstverwaltung)

- Verfahren vor Verwaltungsbehörden und Rechtsschutz gegen Entscheidungen vor den Gerichten und Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts (zB Voraussetzungen für die Parteistellung sowie die Prüfung von Rechtsmitteln wie Berufung, Bescheidbeschwerde und Revision)

- Verfahrensrechtliche und materielle Voraussetzungen zur Erlangung einer Gewerbeberechtigung bzw zur Ausübung eines Gewerbes; Umfang und Reichweite der Berechtigung; Straftatbestände bei Handeln entgegen der Gewerbeordnung

- Bewilligung und Betrieb einer gewerblichen Betriebslage sowie entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine solche Anlage (etwa für dadurch potenziell belästigte Nachbarn)

- Erfordernisse zur Erlangung einer Baubewilligung; Unterscheidung zwischen ordentlichem und vereinfachtem Bauverfahren sowie bloßer Anzeigepflicht eines Vorhabens; Mitspracherechte in einer mündlichen Bauverhandlung

- Raumordnungsrechtliche Aufgaben von Bundesländern und Gemeinden; Erlass und Änderung eines Flächenwidmungsplans; Ausprägungen von Widmungskategorien

- Systematik und Besonderheiten des Sicherheitspolizeirechts; Aufgaben und Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes; Möglichkeiten für Betroffene gegen Polizeihandeln

- Amtshaftung des Staates für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seiner Organe

- Alles rund um die Zustellung behördlicher Dokumente (zB eigenhändige Zustellung, Ersatzzustellung und Hinterlegung); Rechtsfolgen etwaiger Mängel im Zustellvorgang

- Fristenberechnung für Verfahrenshandlungen und zur Erhebung von Rechtsmitteln sowie Möglichkeiten bei Versäumung einer Frist

 

Die Nachhaltigkeit meines Lehrveranstaltungskonzepts lässt sich ebenso bejahen; Leistungsnachweise wie schriftliche Klausuren, mündliche Mitarbeit oder sonstige Methoden werden in der einen oder anderen Form immer Bestand haben, wie sich nicht zuletzt auch im Zuge der Pandemie zeigte, die Lehrende zwar zT vor unerwartete Herausforderungen stellte, die vermittelten Inhalte sowie den Kern der Beurteilungsmethoden jedoch zumindest nicht wesentlich zu ändern vermochte. Zudem ist das Konzept im engeren Sinn hinreichend auf andere Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter übertragbar und könnte mit Sicherheit auch in anderen juristischen Feldern eingesetzt werden: zB in den an der Universität Graz konzeptionell ähnlich gelagerten Materien Strafrecht und Bürgerliches Recht. Eine Verwendung wäre aber wohl auch in gänzlich anderen Disziplinen möglich, sofern der Charakter der betreffenden Lehrveranstaltung ein ähnlicher ist und von den Studierenden aktive Teilnahme erwartet wird.

 

Ich persönlich würde mein Konzept als eine Art „Gesamtpaket“ – das den Vorteil birgt, in sich stimmig zu sein, aber auch verhältnismäßig einfach erweitert oder eingeschränkt werden kann – auch in einer anderen Lehrveranstaltung so und in je nach Bedarf adaptierter Form fortführen. Generell bin ich von Folgendem überzeugt: Wenn man sich eine konkrete Aufgabenstellung vor ihrer Umsetzung gut durchüberlegt und daraus ein nicht gänzlich unelastisches Konzept erstellt, kann die Wahrscheinlichkeit, längerfristigen Nutzen daraus zu ziehen, nachhaltig erfolgreich zu sein und dabei uU auch persönliche Ziele zu erreichen, wesentlich erhöht werden. Ob eine Lehrveranstaltung in einem Semester mit 40, im nächsten mit 70 Teilnehmer*innen, in Präsenz-, Hybrid- oder Onlineform, mit mündlicher Mitarbeit allein oder mit drei, vier oder mehr Möglichkeiten der Beteiligung von Studierenden abgehalten wird, ist unter diesen Voraussetzungen sekundär.

Aufwand

Wie vermutlich bereits zwischen den Zeilen des gesamten Formulars zu erkennen, zieht der Kurs für mich als alleinigen Vortragenden einen durchaus hohen zeitlichen Aufwand nach sich. Zwar gestaltet sich die Abhaltung der Lehrveranstaltung selbst – dh, die zwei Stunden im Hörsaal – immer mehr als Routineangelegenheit, jedoch kosten das regelmäßige Feedback an die Studierenden, die Beantwortung teils hochspezifischer Fragen, die Auswahl neuer höchstgerichtlicher Judikatur zur Bearbeitung, die Recherche nach aktueller Literatur sowie die Erstellung neuer Fälle, MC-Tests und der entsprechenden Folien nach wie vor einige Ressourcen. Vor der erstmaligen Abhaltung des Kurses im WS19 war nicht nur das Konzept nach meinen Vorstellungen, sondern waren nahezu sämtliche Unterlagen von Grund auf neu zu erstellen, wodurch die bloße Vorbereitung der Lehrveranstaltung in dieser Zeit mehrerer Wochentage bedurfte. Dieser Aufwand hat sich zwar verringert, ist jedoch nach wie vor nicht vernachlässigbar; nicht zuletzt angesichts des Vorhabens, das erarbeitete Niveau halten bzw weiter erhöhen zu wollen. Freilich zähle ich nicht genau mit, wie viele Stunden mich die Vor- und Nachbereitung des Kurses tatsächlich kostet – wichtig ist, dass es am Ende „passt“. Ich will gerade kein „Mindestprogramm“ abspulen, sondern stets bestens vorbereitet sein, den Studierenden etwas bieten und ihnen vermitteln, dass das Gelernte für Sie von Nutzen ist. Ohne hinreichende Investition von Zeit und Mühe gelingt dieses Vorhaben nur unzureichend. Andererseits macht das erhaltene Feedback vieles wieder wett und lässt den dahinterstehenden Aufwand fast vergessen. Der gesamte Prozess rund um die Lehre – sei es die Konzeption, die Abhaltung oder die Kommunikation mit den Studierenden – ist für mich von unschätzbarem Wert, sei es in fachlicher oder persönlicher Hinsicht. Nichts davon ist verlorene Zeit.

Positionierung des Lehrangebots

Der zweistündige Kurs "Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre" ist zentrales Element eines mehrteiligen Lehrveranstaltungskonzepts (Vorlesung – Kurs – Klausurenkurs) für die gleichnamige öffentlich-rechtliche Materie an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, das in einer schriftlichen, vierstündigen Fachprüfung mündet. Daneben nimmt der Kurs insbesondere auch die Stellung einer eigenständigen Pflichtlehrveranstaltung mit eigener Endklausur und selbstständiger Beurteilung ein.

Er ist in den zweiten Abschnitt des Diplomstudiums der Rechtswissenschaften integriert, in dem die im ersten Abschnitt erworbenen juristischen Grundkompetenzen, ua des öffentlichen Rechts, deutlich erweitert werden sollen. Kern der Lehrveranstaltung ist die systematische rechtliche Beurteilung einschlägiger Sachverhalte, zu der die Kursteilnehmer*innen im Laufe des Semesters unter aktiver Mitwirkung hinreichend befähigt werden sollen.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
2022
Kategorie: Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit
Ansprechperson
Mag. Christoph Romirer, MA
Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft
+43 (0)316 380 - 6696
Nominierte Person(en)
Mag. Christoph Romirer, MA
Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Digitalisierung
  • Rund ums Prüfen
  • Wissenschaftliche (Abschluss)Arbeiten
Fachbereiche
  • Wirtschaft und Recht