Karl-Franzens-Universität Graz
Universitätsplatz 3, 8010 Graz
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VO Physikalische Chemie für Studierende der Molekularbiologie

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die Physikalische Chemie ist ein essenzielles Grundlagenfach für alle Biowissenschaften, insbesondere für die Molekularbiologie. Allerdings gilt die Physikalische Chemie unter Molekularbiologie-Studierenden seit jeher als „Angstfach“, weil sie formellastig ist, abstrakt argumentiert und obendrein – meines Erachtens nicht ganz zu Unrecht – als zumindest teilweise verstaubt wahrgenommen wird. Viele Molekularbiolog*innen erkennen den Bezug dieses Fachs zu ihren Interessengebieten und seine praktische Relevanz erst viele Jahre später im Berufsleben und bereuen dann, dass sie sich während ihres Studiums nicht intensiver mit dieser damals für sie trockenen Materie auseinandergesetzt haben.

 

Das HAUPTZIEL des vorliegenden Projekts bestand deshalb darin, ein neues Lehrkonzept zu entwerfen und umzusetzen, das Studierende der Molekularbiologie für das Fach Physikalische Chemie begeistert, sie zu einer vertieften, reflektierten Auseinandersetzung mit dem Stoff motiviert und ihnen somit einen nachhaltigen Mehrwert bietet. Der Erfolg des Projekts muss sich am Erreichen bzw. Erlangen der folgenden Lernziele und Kernkompetenzen durch die Studierenden messen lassen.

 

Die drei LERNZIELE, an denen sich die neue Lehrveranstaltung orientiert und die den Studierenden in der Auftaktvorlesung explizit genannt und im Laufe der Vorlesung regelmäßig wiederholt werden, sind:

 

Lernziel 1: Verständnis der physikalischen und chemischen Grundlagen biologischer Strukturen und Prozesse;

Lernziel 2: Kenntnis der Wechselwirkungen, die die Struktur, Dynamik und Funktion von Biomolekülen bestimmen;

Lernziel 3: Erlernen einer physikalisch-chemischen Herangehensweise an biomolekulare Fragestellungen.

 

Die drei KERNKOMPETENZEN, die den Studierenden ebenfalls in der Auftaktvorlesung genannt werden und auf die im Laufe der Vorlesung wiederholt hingewiesen wird, sind:

 

Kernkompetenz 1: Abstraktionsvermögen, Fähigkeit zur Reduktion aufs Wesentliche;

Kernkompetenz 2: quantitative Denkweise und Problemlösung;

Kernkompetenz 3: Sicherheit im Umgang mit Zahlen, Größen und Formeln.

 

Zur Umsetzung dieses Pilotprojekts wurden folgende Schritte und Teilziele definiert:

 

- Konzeption einer neuen Lehrveranstaltung als Vorlesung mit integrierten Übungen,

- erstmalige Umsetzung im Wintersemester 2020/21,

- informelles Studierendenfeedback (Gespräche, e-Mails) im Wintersemester 2020/21,

- erstmalige formelle Evaluierung Ende Wintersemester 2020/21,

- detaillierte, statistische Auswertung der Prüfungsergebnisse in allen Semestern,

- Reflexion und kritische Beurteilung der Zielerreichung anhand der o.g. Kriterien,

- fortlaufende Weiterentwicklung und Verbesserung der Lehrveranstaltung,

- Übertragung und Adaptation des Konzepts auf Nachfolgeprojekte.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Das Konzept der neuen Lehrveranstaltung beruht auf einer engen Verzahnung von Vorlesungen und interaktiven, praxis- und forschungsbezogenen Übungsstunden. Das Lehrkonzept verfolgt bzw. vermittelt konsequent die o.g. Lernziele und Kernkompetenzen. Diese Kompetenzen werden schrittweise aufgebaut, indem den Studierenden bekannte Sachverhalte aus der Molekularbiologie in Erinnerung gerufen werden, die anschließend mit physikochemischen Modellen abstrahiert werden. Der Fokus wird auf die Tatsache gelegt, dass es das bewusste Reduzieren aufs Essenzielle ist, das den Einsatz quantitativer Modelle ermöglicht und dass es umgekehrt diese vereinfachende, abstrahierende Modellbildung ist, die das Wesentliche eines hochkomplexen biomolekularen Phänomens überhaupt erst zum Vorschein bringt. Zusammen mit den Vorlesungsunterlagen erhalten die Studierenden einen darauf abgestimmten Katalog an Übungsaufgaben. Dieser beginnt mit qualitativen Wissens- und Verständnisfragen und steigt dann tiefer in die Materie ein. Online-Tools wie Visualisierungen und Datenbanken werden eingesetzt, um den Bezug zur aktuellen Forschung und zu konkreten Beispielen großer gesellschaftlicher Relevanz herzustellen. Die Aufgaben werden in der folgenden Übungsstunde unter Einbezug der Studierenden diskutiert, wobei die Ziele im Vordergrund stehen, den Studierenden die o.g. Kompetenzen zu vermitteln und ihnen ein Erfolgserlebnis und eine Perspektive im Sinne einer neuen Herangehensweise an „ihr“ Fachgebiet zu bieten.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The concept of the new course is based on a tight interlocking of lectures and interactive, practice- and research-related exercise sessions. The teaching concept consistently pursues and conveys the above-mentioned learning objectives and key competencies. These competences are built up in a stepwise manner by reminding the students of known facts from molecular biology, which are subsequently abstracted using physicochemical models. In doing so, the focus is on the fact that it is the deliberate reduction to the essential that enables the use of quantitative models and, conversely, that it is this simplifying, abstracting model-building process that distills out the essence of a highly complex biomolecular phenomenon in the first place. Together with lecture notes, students receive a matched catalog of exercises. These exercises start out with qualitative knowledge and comprehension questions and then dig deeper into the matter of the course. Online tools such as visualisations and databases are used to establish connections with current research and concrete examples of great social relevance. The assignments are discussed in the following exercise session with the involvement of the students, with the goals of providing the students with the above competences and offering them a sense of achievement and a different perspective in terms of a new approach to "their" favourite subject area.

Nähere Beschreibung des Projekts

Der Übersichtlichkeit halber ist der folgende Text in Abschnitte untergliedert, die jeweils einen bestimmten Aspekt hervorheben:

 

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Information der Studierenden über die an sie gerichteten Erwartungen

 

Die Studierenden werden bereits in der Auftaktvorlesung ausdrücklich mit den o.g. Lernzielen vertraut gemacht. Ich weise an der Stelle und während des Semesters wiederholt darauf hin, dass die Prüfungsfragen in ihrer Art und Weise, ihrem Umfang und ihrem Schwierigkeitsgrad den in den Übungsstunden behandelten Fragen und Problemstellungen ähnlich oder identisch sind, so dass die Studierenden sehr genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Da ich die quantitativen Problemstellungen auch „live“ an der Tafel Schritt für Schritt und ohne Hilfsmittel (Notizen, Taschenrechner) löse, sehen die Studierenden, welche Problemlösungsstrategien effektiv und effizient zum Ziel führen und wie sie dies im Leistungsnachweis (Prüfung) dokumentieren können.

 

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Leistungsnachweise und Prüfungsmodalitäten

 

Das Erreichen der o.g. Lernziele und Kernkompetenzen soll einen langfristigen, nachhaltigen Nutzen für die Studierenden mit sich bringen. Dennoch bringt erfahrungsgemäß und realistischerweise der Leistungsnachweis in Form einer Prüfung den größten "Motivationsschub" – insbesondere dann, wenn Studierende an einem Fach Interesse finden, sich dafür begeistern, tiefer in die Materie einsteigen wollen, schon während des Semesters spür- und messbare Lernfortschritte erzielen und deshalb gerne bereit sind, Arbeit und Zeit in die Prüfungsvorbereitung zu investieren.

 

Jede schriftliche Prüfung besteht aus 10 Gruppen von Prüfungsfragen, die den Inhalt der Vorlesung ausgewogen abdecken. Der Schwierigkeitsgrad nimmt entsprechend des während des Semesters zu verzeichnenden Lerneffekts auch in der Prüfung von Thema zu Thema und damit von Fragegruppe zu Fragegruppe zu. Jede Fragegruppe trägt einen Titel, der in derselben Form auch in der Vorlesung und den Übungsstunden verwendet wurde und somit den Kontext der Fragen darlegt und den Studierenden vermittelt, dass sie sich auf bekanntem Terrain bewegen. Für jede Fragegruppe können max. 8 Punkte erzielt werden, wobei die Punktezahl jeder einzelnen Frage je nach Umfang von 1 Punkt bis zu 4 Punkten reicht. An einem Ende des Spektrums stehen Fragen, die sich mit einem Schlüsselbegriff oder einer einzeiligen Rechnung beantworten lassen, während am entgegengesetzten Ende des Spektrums Essayfragen zu finden sind, deren Beantwortung neben Faktenwissen ein tieferes Verständnis und das Herausarbeiten von Zusammenhängen erfordert. Bei jeder Frage wird die maximal zu erzielende Punktezahl angegeben, damit die Studierenden den erwarteten Umfang ihrer Antwort einschätzen können.

 

Dieses Prüfungskonzept möchte ich im Folgenden am Beispiel einer konkreten Prüfungsfrage veranschaulichen:

 

6. Molekulare Erkennung & Thermodynamik der Bindung

>> Der Titel legt den Kontext fest und erinnert an das entsprechende Kapitel aus der Vorlesung und den Übungsstunden.

 

6.1 Grundlagen des Bindungsgleichgewichts (2 Punkte)

Welche Einheiten hat die Assoziationskonstante? Tipp: Es gibt zwei Möglichkeiten.

>> Die erste Frage prüft essenzielles, grundlegendes Faktenwissen ab (Lernziel 2: Kenntnis der Wechselwirkungen, die die Struktur, Dynamik und Funktion von Biomolekülen bestimmen; Kernkompetenz 3: Sicherheit im Umgang mit Zahlen, Größen und Formeln).

 

6.2 Kompetitive Hemmung (insg. 6 Punkte)

Ein bestimmter Wirkstoff inhibiert eine Kinase und weist IC(50) = 32 nM auf, wenn der natürliche Ligand ATP bei einer Konzentration von c(ATP) = 0,75 mM vorliegt. Sie wissen, dass die Kinase ATP mit K(D) = 0,05 mM bindet.

>> Die Einleitung zu den folgenden Fragen erläutert den Kontext und stellt den molekularbiologischen Bezug (Kinase, ATP) und die praktische Relevanz (Wirkstoffentwicklung) in den Vordergrund.

 

(a) Berechnen Sie daraus den K(I)-Wert des Wirkstoffs, also die Dissoziationskonstante des Kinase/Wirkstoff-Komplexes. (2 Punkte)

>> Die zweite Frage erfordert nicht nur Faktenwissen in Form von Kenntnis der verwendeten Abkürzungen, sondern insbesondere Problemlösungskompetenz: Die für die Beantwortung dieser Frage erforderliche Formel ist in der ausgeteilten Formelsammlung enthalten, muss aber (1) als die relevante Formel erkannt und (2) nach der gefragten Größe umgestellt werden (Lernziel 1: Verständnis der physikalischen und chemischen Grundlagen biologischer Strukturen und Prozesse; Kernkompetenz 1: Abstraktionsvermögen, Fähigkeit zur Reduktion auf das Wesentliche; Kernkompetenz 2: Quantitative Denkweise und Problemlösung; Kernkompetenz 3: Sicherheit im Umgang mit Zahlen, Größen und Formeln).

 

(b) Wie verändert sich der IC(50)-Wert des Wirkstoffs, wenn Sie die ATP-Konzentration verringern? Begründen Sie Ihre Antwort kurz in Worten (2 Punkte)

>> Die dritte Frage erfordert ein tieferes Verständnis und zielt darauf ab, dass quantitative Ergebnisse nicht "nur" berechnet werden sollen, sondern dass sie auch im molekularbiologischen Kontext hinterfragt und interpretiert werden müssen (Lernziel 3: Erlernen einer physikalisch-chemischen Herangehensweise an biologische Fragestellungen; Kernkompetenz 1: Abstraktionsvermögen, Fähigkeit zur Reduktion auf das Wesentliche; Kernkompetenz 2: Quantitative Denkweise und Problemlösung; Kernkompetenz 3: Sicherheit im Umgang mit Zahlen, Größen und Formeln).

 

(c) Wie verändert sich der K(I)-Wert des Wirkstoffs, wenn Sie die ATP-Konzentration verringern? Begründen Sie Ihre Antwort kurz in Worten (2 Punkte)

>> Die vierte und letzte Frage dieser Fragegruppe setzt ein noch tieferes Verständnis und insbesondere Kritikfähigkeit und Reflexionsvermögen voraus. Konkret geht es in diesem Fall darum, dass der "Einsetzreflex" (kurz: bekannte Größe in Formel einsetzen und nach unbekannter Größe auflösen) unterdrückt werden soll. Vielmehr geht es darum zu erkennen, dass der K(I)-Wert per Definition eine Konstante ist und somit unabhängig von anderen Parameterwerten sein muss (Lernziel 3: Erlernen einer physikalisch-chemischen Herangehensweise an biologische Fragestellungen; Kernkompetenz 1: Abstraktionsvermögen, Fähigkeit zur Reduktion auf das Wesentliche; Kernkompetenz 2: Quantitative Denkweise und Problemlösung; Kernkompetenz 3: Sicherheit im Umgang mit Zahlen, Größen und Formeln).

 

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Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse von Studierenden

 

Organisation der Lehre: Ein allgemeines Leitprinzip ist die klare, frühzeitige und offene Kommunikation aller Rahmenbedingungen ("Wo und wann können die Vorlesungsfolien heruntergeladen werden? Wie viele und welche Art von Fragen werden in der Prüfung gestellt? Ab und bis wann kann ich mich für eine Prüfung an- und abmelden?"). Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Studierenden werden in der Organisation der Lehre berücksichtigt, indem

 

- alle Unterlagen zur Vorlesung spätestens am Tag VOR der Lehrveranstaltung online zur Verfügung gestellt werden,

- alle Lehrveranstaltungen im Live-Stream übertragen werden,

- alle Lehrveranstaltungen aufgezeichnet und möglichst bald und mindestens bis zum übernächsten Semester online zur Verfügung gestellt werden,

- den Studierenden – soweit möglich – die Gelegenheit geboten wird, in Präsenz an Lehrveranstaltungen teilzunehmen, ohne sie dazu zu zwingen,

- ich über Live-Chat und e-Mail erreichbar bin und schnell (in der Regel innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden) antworte.

 

Leistungsnachweise: Die Breite der unterschiedlichen Anforderungen und Fragestellungen in den Leistungsnachweisen, wie sie oben exemplarisch dargestellt ist, berücksichtigt die Bedürfnisse vieler Molekularbiologie-Studierenden, einen ihnen bekannten molekularen und biologischen Kontext vorzufinden, aber auch die Bedürfnisse der Minderheit an Studierenden, die sich eher mit einer analytisch-abstrahierenden Herangehensweise wohlfühlen.

 

Umgang mit Studierenden: Den Umgang mit Studierenden gestalte ich bewusst möglichst entspannt und auf Augenhöhe respektvoll. Ich fordere die Studierenden aktiv auf, sich bei mir per Live-Chat oder e-Mail zu melden, und gehe stets ausführlich auf ihre Fragen und Anliegen ein, auch wenn wir den Stoff schon im Detail in der Vorlesung oder den Übungsstunden behandelt haben.

 

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Studierendenfeedback und Reflexion der Lehre

 

Feedback von Studierenden hole ich einerseits über die formellen Evaluierungen jeder Lehrveranstaltung ein, andererseits aber auch über informelle Rückmeldungen. Letztere reichen von Aktivitäten und Reaktionen der Studierenden während der Lehrveranstaltung (Körpersprache, Aufmerksamkeitsgrad, Rückfragen etc.) über spontane Rückmeldungen einiger Studierender (oft per e-Mail) bis hin zu explizit erbetenen Rückmeldungen, z.B. auf folgende Bitte von mir: "Als ich als selbst im 3. Semester meines Studiums von dieser Theorie hörte, fand ich sie sehr schwer zu verstehen. Ich habe mir deshalb Gedanken darüber gemacht, wie ich sie Ihnen besser erklären kann, als die gängigen Lehrbücher es tun. Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie mir kurz Rückmeldung geben könnten, ob das gelungen ist oder ob es noch Aspekte gibt, die unklar geblieben sind."

 

Erfahrungsgemäß finden sich bei dieser Art von Aufforderung immer Studierende, die bereit sind, detailliertes und konstruktives Feedback zu geben. Für die Reflexion der eigenen Lehre erachte ich dieses Vorgehen als äußerst effektiv. Ein technisches Hilfsmittel, das ich für die Reflexion der eigenen Lehre sehr schätze, sind Aufzeichnungen von Lehrveranstaltungen, die "dank" der durch die Corona-Pandemie erforderlichen Umstellungen mittlerweile leicht zu erstellen sind. Die systematische, statistische Auswertung von Antworten auf Prüfungsfragen stellt ebenfalls ein bewährtes Mittel dar, um den Erfolg der eigenen Lehre mit hoher Auflösung zu reflektieren und Verbesserungen punktgenau vornehmen zu können, ohne das Gesamtkonzept zu gefährden.

Nutzen und Mehrwert

Mehrwert für die Studierenden: Bei der überwiegenden Mehrheit der Studierenden stellt sich der gewünschte Lernerfolg ein, zumal sie nachweislich die drei Lernziele (Verständnis der physikalischen und chemischen Grundlagen biologischer Strukturen und Prozesse; Kenntnis der Wechselwirkungen, die die Struktur, Dynamik und Funktion von Biomolekülen bestimmen; Erlernen einer physikalisch-chemischen Herangehensweise an biologische Fragestellungen) erreichen und die drei Kernkompetenzen (Abstraktionsvermögen, Fähigkeit zur Reduktion aufs Wesentliche; Quantitative Denkweise und Problemlösung; Sicherheit im Umgang mit Zahlen, Größen und Formeln) erlangen. Sie erzielen damit einen nachhaltigen Gewinn, da sie diese Kompetenzen und Kenntnisse auf andere Lehrveranstaltungen transferieren und auch auf Situationen außerhalb des Hörsaals oder des Labors übertragen können. Sie profitieren davon auch später beim Planen, Durchführen und Verfassen von Abschlussarbeiten (Bachelorarbeit, Masterarbeit, Dissertation) oder Forschungsprojekten im biowissenschaftlichen Bereich und darüber hinaus.

 

Mehrwert für die Universität und das Institut: Die Studierenden nehmen die Physikalische Chemie nicht mehr als abschreckendes „Angstfach“ wahr, sondern als faszinierende Bereicherung. Sie behalten das Fach und damit ihr Studium und ihre Zeit an der Universität insgesamt in guter Erinnerung und wirken amplifizierend als Botschafter*innen. Darüber hinaus können sie ihre neu erworbenen Kompetenzen auf andere Fächer und andere Lehrveranstaltungen übertragen, die damit unmittelbar profitieren.

 

Mehrwert für mich als Lehrenden: Mich freut es in jedem Semester aufs Neue, dass Studierende sich für ein Fach begeistern können, das ihnen zuvor fremd war, dass junge Menschen ganz neue Fähigkeiten in sich entdecken und dass ich selbst jedes Mal wieder etwas dazulerne und beim nächsten Mal weitergeben kann. Das macht Freude und erfüllt mich mit Genugtuung und motiviert, es im nächsten Semester noch ein bisschen besser zu machen.

Nachhaltigkeit

Das Konzept wurde mittlerweile auf eine Reihe weiterer Lehrveranstaltungen auf Bachelor- und Master-Ebene übertragen und hat sich bei der erstmaligen Durchführung stets hervorragend bewährt, weshalb es auf Dauer fortgeführt und weiterentwickelt werden soll. Im Folgenden werden kurz die wesentlichsten Adaptationen beschrieben, die ich vorgenommen habe, um den verschiedenen Interessen und Hintergründen der Studierenden sowie unterschiedlichen Publikumsgrößen und Lehrsituationen gerecht zu werden:

 

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Molecular Biophysics / Introduction to Biophysics and Biochemistry

 

Pflichtfach im Masterstudiengang „Biochemistry and Molecular Biomedicine“ und Wahlpflichtfach in den Masterstudiengängen „Physics“, „Technical Physics“ und „Advanced Materials Science“, englischsprachige Vorlesung mit integrierten Übungen, 2 Semesterstunden, 3 ECTS-Punkte, empfohlen fürs 2. Semester, erstmalig im Sommersemester 2021, 120 Studierende

 

Das Konzept wurde fast gänzlich übernommen, es wurde aber bei den Übungsaufgaben durch den Einsatz alternativ wählbarer Bonusaufgaben mehr Flexibilität geschaffen, um die oft sehr unterschiedlichen Interessen und Vorkenntnisse der beiden Studierendengruppen (Molekularbiologie/Biochemie vs. Physik/Materialwissenschaften) zu berücksichtigen. Diese Kombination von Studierendengruppen stellte bei der Vorbereitung zwar eine Herausforderung dar, erwies sich während der Lehrveranstaltung selbst aber als äußerst reizvoll und für alle Seiten gewinnbringend.

 

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Advanced Biophysics / Cellular Biophysics

 

Wahlpflichtfach in den Masterstudiengängen „Biochemistry and Molecular Biomedicine“, „Physics“, „Technical Physics“ und „Advanced Materials Science“, englischsprachige Vorlesung mit integrierten Übungen, 3 Semesterstunden, 5 ECTS-Punkte, empfohlen fürs 2. Semester (direkt im Anschluss an Molecular Biophysics / Introduction to Biophysics and Biochemistry), erstmalig im Sommersemester 2021, 15 Studierende

 

Das Konzept wurde fast gänzlich übernommen, es wurde aber bei den Übungsaufgaben mehr Flexibilität geschaffen (s.o.) und es konnte dank der niedrigeren Studierendenzahl in den Übungsstunden mehr Zeit für Diskussionen und interaktive Problemlösungen aufgewendet werden. Außerdem wurden sowohl die Vorlesungen als auch die Übungen anspruchsvoller gestaltet und auf diejenigen Studierenden zugeschnitten, die eine Masterarbeit und ggf. weitergehende Forschungstätigkeiten in diesem Themenbereich anstreben.

 

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Proteinbiophysik

 

Wahlpflichtfach im Bachelorstudiengang „Molekularbiologie“, deutschsprachige dreiwöchige Blockveranstaltung mit Vorlesungen und Übungen, 4 Semesterstunden, 6 ECTS-Punkte, empfohlen fürs 4. Semester, erstmalig im Sommersemester 2021, 21 Studierende

 

Das Konzept wurde in großen Teilen übernommen, aber auf das Format einer Blockveranstaltung angepasst: Die Studierenden, die zuvor die Vorlesung Physikalische Chemie für Studierende der Molekularbiologie gehört und die Prüfung bestanden haben, verbringen den Vormittag mit selbständiger Vor- und Nachbereitung (auf ausdrückliche Empfehlung hin zumeist in Kleingruppen). In der Präsenzzeit am Nachmittag wechseln sich Vorlesungen und Übungen täglich ab. Um in den Übungsstunden alle Studierenden zur Mitarbeit zu motivieren, findet diese Lehrveranstaltung im Gegensatz zu den o.g. semesterbegleitenden Vorlesungen ausschließlich in Präsenz statt (also ohne Streaming und Aufzeichnung). Außerdem halte ich mich zu Beginn der Übungsstunden bewusst zurück (auch räumlich, also am hinteren Ende eines großen Hörsaals) und überlasse die Tafel den Studierenden, die sich ihre Lösungsvorschläge gegenseitig vorstellen und erklären, bevor wir im Plenum darüber sprechen und verbliebene Probleme klären und Fragen beantworten.

 

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Allgemeine Chemie für Studierende der Biologie (Teil II)

 

Pflichtfach im Bachelorstudiengang „Molekularbiologie“, deutschsprachige Vorlesung mit integrierten Übungen, 2 Semesterstunden, 3 ECTS-Punkte, empfohlen fürs 2. Semester, erstmalig im Sommersemester 2022, 320 Studierende

 

Das Konzept wird fast gänzlich übernommen, wobei aufgrund des geringeren zeitlichen Umfangs der Lehrveranstaltung das Verhältnis von Vorlesungen zu Übungen etwas zugunsten der Vorlesungen verschoben wird. Diese Lehrveranstaltung findet im laufenden Semester zum ersten Mal statt.

Aufwand

Zeitaufwand: Da die Vorlesung mit integrierten Übungen von Grund auf neu konzipiert und erstellt wurde, war der Zeitaufwand im Vorlauf und während der erstmaligen Durchführung im Wintersemester 2020/21 mit insg. über 250 Stunden sehr hoch. Der Zeitaufwand für die zweite Durchführung im Wintersemester 2021/22 war mit ca. 100 Stunden erheblich geringer. Davon entfielen ca. 15 Stunden auf die Vorbereitung der Lehrveranstaltung (insb. Überarbeitung der Folien und Übungsfragen auf Grundlage der Prüfungsergebnisse, des Studierendenfeedbacks und der Evaluierung der erstmaligen Durchführung), ca. 60 Stunden auf die Präsenzzeit im Hörsaal, ca. 10 Stunden auf die Beantwortung von Studierendenfragen per e-Mail und ca. 15 Stunden auf die Leistungsbeurteilung (Prüfungskorrektur).

 

Kosten: Noch nicht eingerechnet in den Arbeitsaufwand für die Prüfungskorrektur ist die Beteiligung einer Studentischen Mitarbeiterin in der Lehre (STUMAL), deren Unterstützung für eine schnelle (zumeist am Prüfungstag) sowie gründliche und faire (Vieraugenprinzip) Leistungsbeurteilung wichtig ist. Die Kosten für diese STUMAL-Stelle belaufen sich auf etwas weniger als 600 € pro Semester.

 

Für die Zukunft rechne ich deshalb mit einem Zeitaufwand, der dem Eineinhalbfachen der Präsenzzeit im Hörsaal entspricht, sowie Kosten in Höhe von weniger als 600 € pro Semester.

Positionierung des Lehrangebots

Pflichtveranstaltung im Bachelorstudiengang Molekularbiologie, empfohlen im 3. Semester, semesterbegleitende Vorlesung (3 Semesterstunden, 4 ECTS-Punkte)

 

ergänzende freiwillige Übungsstunden, in denen die Inhalte der Vorlesung an konkreten, zumeist quantitativ zu bearbeitenden Fallbeispielen veranschaulicht werden, wobei für die Molekularbiologie besonders relevante Aspekte der Physikalischen Chemie im Vordergrund stehen (2 Semesterstunden, 3 ECTS-Punkte)

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
2022
Kategorie: Lernergebnisorientierte Lehr- und Prüfungskultur
Ansprechperson
Sandro Keller, Univ.-Prof. Dr.
Institut für Molekulare Biowissenschaften (IMB)
0316 380 4987
Nominierte Person(en)
Sandro Keller, Univ.-Prof. Dr.
Institut für Molekulare Biowissenschaften (IMB)
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Rund ums Prüfen
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften