Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Innrain 52, 6020 Innsbruck
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Prävention von sexuellem Missbrauch; Schutz von Minderjährigen vor sexualisierter Gewalt

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ausgangslage: An der Katholisch-Theologischen Fakultät fanden seit SS 2005 in unregelmäßigen Abständen Seminare zum Thema Gewalt im sozialen Nahraum statt (G. Ladner; Diplomstudium Fachtheologie, 2. Abschnitt; MS-Studium Gender, Kultur und Sozialer Wandel).

Angesichts der immer mehr bekanntwerdenden Missbrauchsvorfälle in der Katholischen Kirche sowie in Sport- und Freizeitverbänden schien es dringend, eine spezifischere LV anzubieten, die Studierende für dieses Thema sensibilisiert und für die berufliche Praxis rüstet.

Im WS 2017/2018 fanden Gespräche statt mit P. Hans Zollner SJ (Centre for Child Protection / CCP, Päpstliche Universität Gregoriana, Rom - inzwischen: Institute of Anthropology, Interdisciplinary Studies on Human Dignity and Care), Vertretern der Diözese Innsbruck, Vertreter*innen des Rektorats der Universität Innsbruck und dem Dekanat der Katholisch-Theologischen Fakultät. Alle waren sich über die Notwendigkeit einer derartigen LV einig.

Ein erstes Seminar wurde von Ladner und Schölzhorn für das WS 2018/2019 geplant. Sie entschieden sich für ein Blended-Learning-Modell mit Nutzung der Online-Plattform des CCP. Die Zusammenarbeit mit dem CCP ermöglicht die Nutzung verschiedener speziell ausgearbeiteter mehrsprachiger Medien zum Thema und verdeutlicht die internationale und kultursensitive Dimension des Themas.

Aufgrund der großen Nachfrage im WS 2018/2019 wurde das Seminar dann doppelt angeboten (Ladner/Schölzhorn und Ladner/Panhofer).

 

Ziele der Lehrveranstaltungen sind:

Die Studierenden erkennen Zusammenhänge bei sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen, insbesondere

• die Missbrauchsdynamik (Opfer-Täter-Umkehr, Zirkel des Schweigens, …)

• geschlechtsspezifische Dimensionen

• strukturelle und individuelle Risiko- und Schutzfaktoren

• unterschiedliche sozio-kulturelle Kontexte

 

Sie erwerben Kompetenz zu

• Umgangsweise bei Verdachtsfällen

• im sozialen Nahbereich

• In institutionellen Zusammenhängen

• Fremd- und Selbstsorge

• Hilfs- und Betroffeneneinrichtungen, Ombudsstellen

• Schutz- und Präventionskonzepten

• staatlichen Gesetzgebungen

• kirchenrechtlichen Regelungen auf diözesaner und weltkirchlicher Ebene

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Lehrveranstaltungen dieses Projekts haben zum Ziel, das Verständnis des sozio-kulturellen Kontextes und der Missbrauchsdynamik bei sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen in ihren geschlechtsspezifischen Dimensionen zu erarbeiten. Die Studierenden wissen um die Gewaltdynamik, kennen sowohl staatliche Gesetze als auch diözesan und weltkirchliche Regelungen, Präventions- und Schutzkonzepte sowie Hilfs- und Betroffeneneinrichtungen.

Die Lehre wird kooperativ und (wenn möglich) geschlechterparitätisch durchgeführt. Forschende aus dem universitären Bereich lehren gemeinsam mit Personen aus der praktischen therapeutischen und präventiven Kinderschutzarbeit. Darüber hinaus stärkt die Zusammenarbeit mit weiteren universitären, staatlichen, nichtstaatlichen und kirchlichen Einrichtungen auf internationaler wie lokaler Ebene den Lernerfolg des Projekts.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The courses in this project aim to develop an understanding of the socio-cultural context and the dynamics of abuse in case of sexualised violence against minors and of its gender-specific dimensions. The students are aware of the dynamics of violence, know state laws as well as diocesan and world church regulations, prevention and protection concepts as well as support and victim facilities.

Teaching is carried out cooperatively and (if possible) with gender parity. Researchers from the university sector teach together with people from practical therapeutic and preventive child protection facilities. In addition, cooperation with other university, governmental, non-governmental and church institutions at international and local level strengthen the learning output of this project.

Nähere Beschreibung des Projekts

Im Wintersemester 2018/2019 wurde das SE Moraltheologie: Gender-Moral: Schutz von Minderjährigen vor sexualisierter Gewalt angeboten. Dies erfolgte in Kooperation mit dem Centre for Child Protection (CCP) der Päpstlichen Universität Gregoriana, der Stabsstelle für Kinder- und Jugendschutz der Diözese Innsbruck, den Tiroler Kinderschutzzentren und der Katholisch-Theologischen Fakultät. Aufgrund der großen Nachfrage von Seiten der Studierenden wurde das Seminar doppelt mit unterschiedlichen Lehrenden geführt. Diese beiden ersten Seminare fanden als „Blended Learning“-Angebot statt mit ca. 50% Online- und 50% Präsenz-Anteil.

An diese Lehrveranstaltungen anschließend fand eine Evaluierung aller drei Lehrenden statt, welche u.a. die Bedeutung des persönlichen Austausches zu diesen für alle Beteiligten belastenden Thema unterstrich. Dies wurde in den folgenden Seminaren durch Reduktion der Online-Zeiten und vermehrte Präsenzzeiten sowie Peergruppen für die Studierenden umgesetzt.

Bewährt hat sich die kooperative Lehrform in geschlechterparitätischer Besetzung der Lehrenden. Ebenfalls erfolgreich ist die Zusammenarbeit von Forschenden und Lehrenden aus dem universitären Bereich und Lehrenden aus der praktischen therapeutischen und präventiven Kinderschutzarbeit. Darüber hinaus sind mit dem Centre for Child Protection internationale und mit einzelnen Betroffenen- und Präventionseinrichtungen lokale Vernetzungen und Kooperationen gegeben. Die Einbeziehung sowohl von lokalen wie globalen Perspektiven ist in Anbetracht der internationalen Herkunft der Studierenden (Albanien, Argentinien/Spanien, Deutschland, Indien, Italien, Kroatien, Nigeria, Österreich, Schweiz, Ukraine, Vietnam, …) unterstützend.

Eine Weiterentwicklung des Projektes fand auch insofern statt, als die eine Lehrveranstaltung in zwei Seminaren mit unterschiedlichen Schwerpunkten fortgeführt wurde:

• Prävention von sexuellem Missbrauch (Johannes Panhofer, Dagmar Hörmandinger-Chusin) mit Konzentration auf Schutzkonzepte (Zusammenarbeit mit der Stabsstelle für Gewaltprävention, Kinder- und Jugendschutz der Diözese Linz),

• Schutz von Minderjährigen vor sexualisierter Gewalt (Gertraud Ladner, Martin Schölzhorn) in Kooperation mit CCP

 

Es ist geplant dieses Projekt weiterzuführen. Konkret sind für das WS 2022/2023 und das Sommersemester 2023 folgende Seminare in Planung:

WS 2022/2023:

• SE Prävention von sexuellem Missbrauch (Panhofer, Hörmandinger-Chusin)

SS 2023:

• SE Sexualisierte Gewalt im Spannungsfeld von Opferschutz, Strafverfolgung und Prävention (Ladner, Schölzhorn)

 

In jedem der Semester, in welchem Seminare angeboten wurden (auch bei gleichzeitigem Angebot von zwei SE), mussten Studierende auf die Warteliste gesetzt oder abgewiesen werden. Aufgrund des sensiblen Themas erscheint es allerdings nicht zielführend, die Gruppengröße weit über 20 Studierende hinaus zu erweitern.

Die überaus große Nachfrage von Studierenden aller Fakultäten (insbesondere aber von Lehramtstudierenden) bewog dazu, die Seminare zunehmend im Rahmen der Interdisziplinären und generischen Kompetenzen anzubieten.

Lernergebnis: Verstehen des sozio-kulturellen Kontexts und der Missbrauchsdynamik bei sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen in ihren geschlechtsspezifischen Dimensionen.

 

Inhalte der Lehrveranstaltungen sind:

• die verschiedenen Situationen der von Gewalt betroffenen Kinder und Jugendlichen

• Unterscheidung der verschiedenen Gewaltformen

• Wahrnehmung unterschiedlicher kultureller und historischer Kontexte

• involvierte individuelle und systemspezifische Dynamiken

• individuelle und systemspezifische Risiko- und Schutzfaktoren

• genderspezifische Faktoren bei Gewalt gegen Minderjährige

• Zusammenhang von Geschlechterrollen und Gewaltverhalten

• besonderes Augenmerk auf Missbrauchsfälle in institutionellen Kontexten (Kirchen, Schulen, Internate, Sportvereine, …)

• Einrichtungen für primär und sekundär Betroffene sowie für Präventions-, Interventions-, Opfer- und Täter*innenarbeit

• verschiedene Präventions- und Schutzkonzepte

• staatliche und kirchliche Gesetzgebungen

• theoretische Auseinandersetzung mit Macht und Gewalt als psychosoziales Phänomen mit den zugrunde liegenden soziokulturellen, religiösen und persönlichen Faktoren

• theologische und ethische Auseinandersetzung mit Gewalt an Minderjährigen

• Ansätze zur Schaffung von gewaltfreien Räumen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

• Begegnung mit Einrichtungen für Betroffene

 

Methoden:

• Einführung in die Thematik, gesellschaftliche Prävalenz und Problematik, konkrete Fallbeispiele

• selbständiges Erarbeiten der Themen / Literatur

• Peergroups zur Besprechung konkreter Themen

• Hausarbeiten

• Selbstreflexion

• Kleingruppenarbeit

• szenische Aufstellung

• Gruppendiskussion

• Erstellung eines (fiktiven) Schutzkonzepts

• Begegnungen mit lokalen Einrichtungen des Kinderschutzes

 

Prüfungsmodus:

• Aktive Teilnahme online und Präsenz, schriftliche Arbeiten

 

Geplant 2022/23

Panhofer, Hörmandinger-Chusin: SE Prävention von sexuellem Missbrauch

 

Geplant 2023

Ladner, Schölzhorn: SE Sexualisierte Gewalt im Spannungsfeld von Opferschutz, Strafverfolgung und Prävention

 

Nutzen und Mehrwert

-

Nachhaltigkeit

Wie bereits weiter oben erwähnt, wir das Projekt inhaltlich und methodisch laufend weiterentwickelt; aktuelle Fragestellungen und Erkenntnisse werden aufgenommen, Änderungen in den Gesetzeslagen oder bei den Einrichtungen aufgegriffen.

Aufwand

Besonders in der Startphase des Projektes 2018/2019 war der Zeitaufwand enorm: Koordination aller beteiligten Institutionen und Lehrenden, Verhandeln und Abschließen von Verträgen mit dem CCP durch Studiendekan und Rektorat für Lehre und Studierende; Kontaktaufnahme und Koordination mit Betroffenen- und Präventionseinrichtungen, Einarbeiten von Lehrenden und Studierenden in das zunächst unvertraute Online-Programm des CCP (durch den Wechsel auf eine benutzerfreundlichere Online-Plattform des CCP im Folgejahr wesentlich erleichtert); Evaluierungs- und Planungsgespräche nach einzelnen Lehreblöcken und nach Abschluss der Seminare; Evaluierungsgespräche Mitarbeiter*innen des CCP, dem Dekanat der Katholisch-Theologischen Fakultät und mit Vertreter*innen bzw. Mitarbeiter*innen der Diözese Innsbruck .

 

Kosten:

• Schutzgebühr nach Anzahl der Studierenden für die Nutzung der Online-Plattform des CCP in den Semestern, in denen diese genutzt wird

• Externe Lehrende

Positionierung des Lehrangebots

Diplomstudium 2. Studienabschnitt; Masterstudium; Interdisziplinäre und generische Kompetenzen

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
2022
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
Gertraud Ladner, Mag. Dr.
Institut für Systematische Theologie
0512 507 8587
Nominierte Person(en)
Gertraud Ladner, Mag. Dr.
Institut für Systematische Theologie
Johannes Panhofer, Mag. Dr.
Institut für Praktische Theologie
Martin Schölzhorn, Mag.
Praxis für Psychotherapie, Kranewitterstraße 8 6020 Innsbruck
Dagmar Hörmandinger-Chusin, Mag.
Stabsstelle für Gewaltprävention Kinder- und Jugendschutz der Diözese Linz, Herrenstraße 19 4021 Linz
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Diversität und Soziales
  • Erfahrungslernen
  • Kooperationen in der Lehre
  • Lehr- und Lernkonzepte
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften