Fachhochschule Joanneum GmbH
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Physiotherapie in der Neurologie - Integrativer Ansatz zur Entwicklung von didaktischen Materialien

Würdigung der Jury

In diesem Jahr wird in der Kategorie „Kooperative Lehr- und Arbeitsformen“ ein Lehrprojekt mit dem Ars Docendi – Staatspreis für exzellente Lehre ausgezeichnet, das diesen Preis in mehrfacher Hinsicht verdient. Es handelt sich um ein Lehrprojekt, das in herausragender Art und Weise zu verdeutlichen vermag, welche Potentiale sich für die Lehre und das Lernen aus der Kooperation zwischen Lehrenden ergeben, und das zudem ein nachahmenswertes Beispiel dafür ist, wie nachhaltig Veränderungsprozesse in der akademischen Lehre entstehen, geplant und umgesetzt werden können.

Im Rahmen eines durch studentisches Feedback motivierten Entwicklungsprozesses, in dem die Inhalte und Ziele von 15 Lehrveranstaltungen im Fach Neurologie aufeinander abgestimmt werden sollten, entstand an der Fachhochschule Joanneum ein Set kollaborativ gestalteter, didaktisch durchdachter Lehr- und Lernmaterialien, das seither sowohl das Studieren als auch das Lehren positiv beeinflusst. In erster Linie profitieren die Studierenden von den theoretisch fundierten, praxisnahen und auf die individuelle Kompetenzentwicklung ausgerichteten Materialien, auf die sie während ihres Studiums und darüber hinaus zugreifen können. Diese Materialien stellen nicht nur die Grundlage zum Wiederholen und Vertiefen einzelner Themen dar, sie bieten auch (digitale) Ressourcen und Fallbeispiele für die Bearbeitung praktischer Inhalte. Mithilfe dieser Materialien kann das Lernen individuell, zielgerichtet und veranstaltungsübergreifend gefördert werden, wodurch sie ein beeindruckendes Fundament der Lehre darstellen und auch für die beteiligten (überwiegend externen) Lehrenden ein Gewinn sind: zum einen für die Durchführung ihrer jeweiligen Lehrveranstaltungen, zum anderen durch den fachlich-didaktischen Austausch untereinander, der zur Pflege der Materialien fortgeführt wird. Was als strategische Verbesserung für den Lernerfolg der Studierenden gedacht war, hat sich als einzigartiger Zugang zur Vernetzung der Lehrenden herausgestellt, der heute sowohl die Qualität der Lehre zu fördern vermag als auch die individuelle Lehrkompetenzentwicklung der Beteiligten.

Selten schaffen es Lehrprojekte, einen so vielfältigen Mehrwert zu generieren; noch seltener ist es, dass dies in einem strategisch wohl implementierten Prozess geschieht, der die Nachhaltigkeit des Erreichten sicherstellt. Das hier ausgezeichnete Projekt vermag beides und wird daher hochverdient mit dem diesjährigen Lehrpreis der Kategorie „Kooperative Lehr- und Arbeitsformen“ ausgezeichnet.

Dr.in Angelika Thielsch
Georg-August-Universität Göttingen

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Modulare Lehre ermöglicht einen Kompetenzerwerb durch transparente Zielformulierungen, die in ein Themenfeld eingebettet sind. Je nach Größe und Komplexität des Moduls ist die Vernetzung der Lehrenden in einem Modul von großer Bedeutung. Nicht nur das Nebeneinander von Lehrveranstaltungen, sondern das kooperative Miteinander von Lehrveranstaltungsleiter*innen fördert den Kompetenzerwerb. Für den Fachbereich Neurologie in der Physiotherapie stellt dieser Kompetenzerwerb im Rahmen einer sechssemestrigen Ausbildung, aufgrund der Komplexität des Fachbereiches, eine große Herausforderung dar. Zudem sind Absolvent*innen des Bachelorstudienganges Physiotherapie berechtigt, eigenverantwortlich mit Patienten*innen zu arbeiten. Dadurch muss sich der Kompetenzerwerb in der Lehre auf beruflich relevante Handlungssituationen beziehen. Diese Komplexität spiegelt sich auch in den interprofessionellen Lehrveranstaltungen der zwei Neurologie Module an unserem Institut wider. Die kohärenten Lernziele der beiden Module stehen in enger Abstimmung mit den Lernzielen des Konsenspapiers des „Österreichischen Hochschulnetzwerkes Physiotherapie in der Neurologie (ÖHPN) (Lotter et al., 2020). Das vorliegende Projekt stellt den Anspruch die Studierenden beim Erwerb dieser Lernziele zu unterstützen und ihre Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf die Lernzielkontrollen und den Berufseinstieg zu verbessern. Bei der Entwicklung dieses Projektes wurden die Modulkoordinator*innen von der Frage geleitet, wie eine strukturierte Form einer abgestimmten Lehre zu erzielen sei. Initiativen zur Vernetzung von Lehrveranstaltungen mit dem Ziel gemeinsame, strukturierte Lehr- und Lernmaterialien zu entwickeln, werden in der Literatur kaum beschrieben. So wurde versucht mittels Fokusgruppen und Feedbackgesprächen einen qualitätsgesicherten Prozess zu gestalten. Das Ziel des vorliegenden Projekts ist es, die Umsetzung der Lernziele aus dem genannten Konsenspapier, durch gemeinsam, von allen Lehrveranstaltungsleiter*innen entwickelte Lehr – und Lernmaterialien zu erreichen. Dabei wurde der Entwicklungsprozess so gestaltet, dass die Expertise des involvierten interprofessionellen Teams sowohl in den Inhalt der Materialien wie auch in die Methodik einfließt. Die entwickelten Unterlagen sollen auch als Grundlage für die Evaluierung der Lernzielerreichung im Rahmen zweier Modulprüfungen dienen. Literatur: Lotter, K., Kidritsch, A., Aftenberger, H., Mayrhofer, G., Polanz, K., Riedl, T., Seiringer, L., Wess, T., Winkler, A., Wolf, B., Pilsl, E., & Bauer-Horvath, H. (2020). Learning outcomes physiotherapy in neurology – a structured consensus finding of the Austrian University Network Physiotherapy in Neurology (ÖHPN) / Learning Outcomes Physiotherapie in der Neurologie – eine strukturierte Konsensfindung des österreichischen Hochschulnetzwerkes Physiotherapie in der Neurologie (ÖHPN). International Journal of Health Professions, 7(1), 66–83. doi.org/10.2478/ijhp-2020-0007

Kurzzusammenfassung des Projekts

Modulare Lehre steht in einem engen Zusammenhang mit der Umsetzung der Bologna Ziele in Bezug auf den unifizierten Kompetenzerwerb Studierender. Das Erreichen der Kompetenzziele für den Fachbereich Neurologie, stellt Bachelorstudierende an den Studiengängen für Physiotherapie vor komplexe Aufgaben. Besonders der Anspruch, evidenzbasierte und praxisrelevante Lehre zu gewährleisten, erfordert einen intensiven Austausch der Lehrveranstaltungsleiter*innen in den Modulen. Das Ziel des vorliegenden Projektes ist es, eine Optimierung der Lehre in den Neurologie Modulen an unserem Institut zur erreichen, indem die strukturierte Vernetzung des multiprofessionellen Teams zur Entwicklung von gemeinsamen Lehr- und Lernunterlagen führt. Die gemeinsam entwickelten Lehr- und Lernunterlagen basieren auf drei Säulen: 1. Gemeinsames Skriptum aller Lehrveranstaltungen innerhalb eines Moduls. 2. Bild-, Video und Audiodateien für praktische Inhalte. 3. Fallbeispiele mit multiprofessionellem Lösungsansatz. Für den Entwicklungsprozess wurde eine Prozessbeschreibung formuliert, sodass das Konzept in der vorliegenden Form auch für andere Fachbereiche übernommen werden kann. Die Evaluierungen des Projektes zeigten eine hohe Akzeptanz der entwickelten Lehr- und Lernmaterialien bei den Studierenden. Die Lehrveranstaltungsleiter*innen haben sich motiviert in den Entwicklungsprozess eingebracht und profitierten persönlich und in Bezug auf die Lehre von diesem gemeinsamen Prozess.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The modular education program developed in the context of the Bologna process ensures unified high-standard competency acquirement for students. To accomplish the defined competency level in the Neurology modules at the departments of Physiotherapy in the Austrian universities of Applied Sciences, the lecturers face complex responsibilities. Particularly the demand of evidence-based and practice-relevant teaching considering different expertise perspectives requires exchange and coordination of educational information among lecturers with different background. The aim of the project is to facilitate and optimize the teaching process in the modules Neurology providing structural networking of the involved multiprofessional team and development of common educational materials in the module Neurology in Physiotherapy (PTN). The established set of educational materials contains: 1. Common Script of all lectures within the PTN module 2. Visual and Audio materials for practical lessons 3. Patient case examples with multiprofessional solution statements The development process for these materials is designed in a way to be suitable for implementation in other educational modules which ensures the transferability of the project. The evaluation of the project showed a high acceptance of the developed educational materials by the students. The participating lectures reported benefit not only from the established materials but also from the entire process of expertise exchange.

Nähere Beschreibung des Projekts

Das übergeordnete Ziel dieses Projektes ist es, Lehrveranstaltungen in den Modulen des Fachbereichs Neurologie so abzustimmen, dass die Lernzielerreichung entsprechend dem Kompetenzportfolio dieses Fachbereichs optimiert wird. Das Mittel zur Zielerreichung war die Entwicklung gemeinsamer Lehr- und Lernunterlagen für die Studierende des 3. und 4 Semester im Fachbereich Neurologie. Zusätzlich soll sich durch das Projekt die Qualität der Lehre dadurch verbessern, dass Strukturen geschaffen werden, die den regelmäßigen Austausch von Lehrveranstaltungsleiter*innen ermöglichen und so die Abstimmung der Lehrenden verbessern. Dadurch ist auch ein kontinuierlicher Anpassungsprozess der Unterlagen an den aktuellen Forschungsstand gewährleistet. An unserem Institut setzen sich die beiden Neurologie Module aus 15 Lehrveranstaltungen zusammen, die von 13 Lehrenden geleitet werden. Davon sind acht Lehrveranstaltungsleiter*innen externe Lehrende. Die Lehrveranstaltungsleiter*innen der beiden Module sind Expert*innen aus den Disziplinen Physiotherapie, Physiologie, Ergotherapie, Logopädie und soziale Arbeit. Methodik und Entwicklungsprozess: Im Wintersemester 2017/18 identifizierte eine Fokusgruppe von Lehrenden am Studiengang Physiotherapie den Bedarf einer Intensivierung der Absprachen der Lehrveranstaltungsleiter*innen in den beiden Neurologie Modulen. Der Bedarf ergab sich zum einen aus Studierendenevaluierungen, die sich aufgrund der Komplexität des Fachbereiches auf das Erkennen der Zusammenhänge bezogen. Zum anderen stand das Institut vor einer Curriculums Änderung, bei der die Ergebnisse des Konsenspapieres des ÖHPN bereits umgesetzt werden sollten. Es folgten Fokusgruppen, Interviews und Diskussionen der Lehrveranstaltungsleiter*innen der beiden Module im Sommersemester 2018. Koordiniert und moderiert wurden diese Treffen von den Modulkoordinator*innen der beiden Module. Die Aufgabe der Modulkoordinator*innen war es auch, die Zielvorgabe zu vermitteln, Arbeitspläne anzulegen und zu verwalten. Zudem führten sie die Skripten zusammen und strukturierten und formatierten sie laut Absprache. Im Juli2018 lag ein erster Entwurf für ein gemeinsames Skriptum aller Lehrveranstaltungen des ersten Modules vor. Die Lehrenden bekamen den Entwurf des Gesamtskriptums zur Überprüfung zugesandt und im Herbst 2018 konnte ein gemeinsames Skriptum mit den theoretischen Inhalten des Neurologie Moduls 1 den Studierenden zur Verfügung gestellt werden. Parallel dazu wurden Audio- und Videomaterialen für die praktischen Inhalte entwickelt und Fallbeispiele erstellt. Am Ende des Wintersemesters 2018/19 wurde in einer Fokusgruppe, an der nun auch Studierendenvertreterinnen teilnahmen, der Entstehungsprozess und die Inhalte der gemeinsamen Lehr- und Lernmaterialien beleuchtet und Verbesserungsvorschläge diskutiert. Auf die Ergebnisse dieser Besprechungen aufbauend, wurde das Gesamtskriptum für das 2. Neurologie Modul gemeinsam mit den Lehrveranstaltungsleiter*innen entwickelt und im Sommersemester 2019 den Studierenden zur Verfügung gestellt. Im Studienjahr 2019/20 wurden von den Modulkoordinator*innen Feedbackgespräche mit Studierenden und Praktikumsanleiter*innen geführt, um die Praktikabilität der Lehr- und Lernmaterialen zu evaluieren. Die Verbesserungsvorschläge wurden in die Unterlagen implementiert. Erstmals standen alle entwickelten Materialien im Wintersemester 2020/21 zur Verfügung. Zukünftig sind einmal im Semester Modulsitzungen geplant, in denen nötige Aktualisierungen besprochen werden. Der Entwicklungsprozess der beschriebenen Lehr- und Lernmaterialien liegt in Form einer Prozessbeschreibung als internes Dokument auf und kann auch von anderen Fachbereichen bzw. Neurologie Lehrenden anderer Fachhochschulen übernommen werden. Umsetzung des Kompetenzprofils Der Berufsverband der österreichischen Physiotherapeut*innen entwickelte, aufbauend auf einem Rollenmodel, ein Kompetenzprofil für die Physiotherapieausbildung in Österreich (Eckler et al. ,2016). Das ÖHPN setzte die Empfehlung des Berufsverbandes um, das Kompetenzprofil für die einzelnen Fachbereiche zu konkretisieren und spezifische Lernziele zu formulieren. Diese beziehen sich primär auf den Kompetenzerwerb in der Expert*innen Rolle und in den Rollen als Teamworker*innen, Kommunikator*innen und Gesundheitsförder*innen. Die Lernziele zu diesen Rollen wurden in dem vorliegenden Projekt fokussiert. Dazu gehören in der Expert*innen Rolle das Erkennen und Untersuchen von Neurologie spezifischen Symptomen, das Anwenden von evidenzbasierten Behandlungsmethoden, sowie die Kompetenz des hypothesengeleiteten physiotherapeutischen Handelns in der Neurologie. In den vorliegenden Lernunterlagen wird auch auf den Kompetenzerwerb eingegangen, der sich auf die Kommunikation mit neurologischen Patient*innen bezieht. Diese leiden häufig an einer eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit. Den Studierenden werden im Rahmen der Audio- und Videomaterialien exemplarisch Kommunikationsbeispiele mit Patient*innen vermittelt. Die Studierenden lernen durch die Analysen der Videos und in Feedbackgesprächen eine Patient*innen zentrierte Kommunikation. Durch die interdisziplinären Fallbeispiele lernen Studierende ihre Rolle als Teamworker*in im Rahmen des Neurorehabilitationsteams kennen. Dabei lernen sie besonders ihre Rolle im gemeinsamen Zielfindungsprozess zu definieren. Die Lernziele auf Expertenebene sind die Grundlagen, die Studierende für ihre Rolle als Gesundheitsförder*innen benötigen. In den vorliegenden Lernmaterialien werden sie mit der Bedeutung der Edukation von neurologischen Patient*innen und deren Angehörigen vertraut gemacht. Themen zur Konsensfindung Fünf Themen wurden von den Modulkoordinator*innen zur Diskussion gestellt. Sie erscheinen als wesentlich für die Lernzielerreichung von Bachelorstudierenden. Als Entscheidungsgrundlage für die Gewichtung und Priorisierung von Lehrinhalten diente die aktuelle Fachliteratur und die Leitlinien im Fachbereich Neurologie. Zusätzlich war die Expertise der Lehrveranstaltungsleiter*innen ein wesentlicher Faktor. Ebenso wurden Praktikumsanleiter*innen in die Diskussion miteinbezogen, da ihre Erfahrung in Bezug auf den Übertrag der Lehrinhalte in das praktische Handlungsfeld von Bedeutung ist. Dieser Aspekt war auch im Hinblick auf die Curriculums Änderung sehr wesentlich. In den Fokusgruppen wurde versucht zu sichern, dass Wiederholungen von Inhalten vermieden werden. Gleichzeitig war es aber ein Anliegen, dass Inhalte von unterschiedlichen Blickwinkeln (Profession, Evidenz, Erfahrung...) beleuchtet werden und so zur Diskussionsgrundlage werden können. Ein weiterer Aspekt der methodischen Überlegungen war, wie die Studierenden die Lernziele, die sich auf die multiprofessionell organisierte Neurorehabilitation beziehen, erreichen können. Im Rahmen des Diskurses wurde sichtbar, dass Begrifflichkeiten in der unterschiedlichen Disziplin sich teilweise anders darstellten. Durch die Absprachen war es möglich, dass Lehrende vom Gebrauch unterschiedlicher Begriffe informiert wurden und dies im Unterricht berücksichtigen konnten. Teilweise einigte man sich auch auf die gemeinsame Verwendung von Begriffen. Zudem ist es für Studierende wichtig, dass sie erkennen, welche Professionen am Rehabilitationsprozess beteiligt sind und wie eine interdisziplinäre, patientenorientierte Kommunikation zu gemeinsamen Zielformulierungen führen kann. Dies wurde methodisch im Rahmen von Fallbeispielen entwickelt. Zudem berieten sich die Lehrveranstaltungsleiter*innen zu welchen Behandlungstechniken und -konzepten im Bereich der neurologischen Rehabilitation, Beschreibungen bzw. Audio- und Videomaterialien entwickelt werden sollten. Hier orientierte man sich an der in der Literatur empfohlenen evidenzbasierten Praxis. Methodisch didaktischer Einsatz: Das erstellte Skriptum wird den Studierenden zu Beginn des Semesters zur Verfügung gestellt. Ab diesem Zeitpunkt bekommen die Studierenden Prereading Aufgaben von den einzelnen Lehrveranstaltungsleiter*innen, die sich auf das Skriptum beziehen. Die Videomaterialien dienen den Studierenden als Grundlage für den Erwerb von praktischen Fertigkeiten. Videos mit Anamnesegesprächen und exemplarischen Behandlungen von Patient*innen werden von den Lehrveranstaltungsleiter*innen erstellt. Videos, auf denen Studierende aneinander die Behandlungstechniken vorzeigen, werden in jedem Semester gemeinsam mit den Studierenden neu erstellt. Die Videos zu den Bewegungsanalysen wurden mit Patient*innen, z.B. im Haus internen Ganglabor aufgenommen und schulen den Blick auf das veränderte Bewegungsverhalten neurologischer Patient*innen. Dieselben Audio- und Videoaufnahmen mit Patient*innen werden teilweise in den unterschiedlichen Lehrveranstaltungen eingesetzt. Dadurch lernen Studierende auch den interdisziplinären Blick auf den physiotherapeutischen Prozess kennen. Besonders eignet sich dies zum Erlernen der Zielformulierung. Erlernte praktische Inhalte werden im Rahmen der Lehrveranstaltungen mit den Fallbeispielen in Beziehung gesetzt. Dadurch wird ein direkter Bezug zum relevanten Handlungsfeld hergestellt. Die Fallbeispiele dienen im Unterricht auch als Grundlage für Diskussionen, die physiotherapeutisches Handeln von einer Metaebene aus beleuchten möchten. Es sind Themen wie Prävention, Resilienz und Sterben, mit denen sich Studierende im Rahmen der Neurorehabilitation konfrontiert sehen und die im Unterricht so beleuchtet werden können. Die dreiteilige Modulprüfung steht in enger Beziehung zu den Lehr- und Lernunterlagen. Jeder/e Studierende/r erhält bei der Prüfung eine theoretische Frage, die in Bezug zum Skriptum steht. Eine praktische Frage bezieht sich auf die Lehrvideos und die im Unterricht behandelten Fallbeispiele spiegeln sich in den speziell für die Prüfung entwickelten Fällen wider. Eckler U, Gödl-Purrer B, Hurkmans E, Igelsböck E, Wiederin C. (2016) Die Physiotherapeutin/Der Physiotherapeut. Kompetenzprofil, Hrsg Physio Austria, Wien

Nutzen und Mehrwert

Bereits im Erstellungsprozess wurde sichtbar, dass die Studierenden bei den Lernzielkontrollen im Rahmen der beiden Neurologie Module, von den vorliegenden Lernunterlagen profitierten. Sie erkennen im Aufbau der Modulprüfungen die drei Säulen der Lernunterlagen wieder, denn sie bekommen eine theoretische Frage, die sich auf das Gesamtskriptum bezieht und eine praktische Frage, die die Inhalte der Audio- und Videomaterialien beinhaltet. Die dritte Frage, die im Rahmen der Modulprüfung von den Studierenden zu behandeln ist, stellt sich in Form eines Fallbeispiels dar. Im 3. Semester liegt der Fokus der Lernzielkontrolle bei der Evaluierung der Expert*innen Kompetenzen. Im 4. Semester werden auch die Kompetenzen gefordert, die mit dem interprofessionellen Rehabilitationsansatz in Verbindung stehen. Durch die Lernmaterialien können Studierende das physiotherapeutische Expert*innen Wissen auch in einen Kontext mit dem interprofessionellen Ansatz in der Neurorehabilitation bringen. Zudem ermöglichen die Lernmaterialien eine optimale Vorbereitung auf Praktika und die Modulprüfungen. Absolventinnen berichten auch, dass sie die Lernmaterialen bei Arbeitsbeginn als Nachschlagwerk benutzen und dadurch eine Einstiegshilfe in den Beruf haben. Die gemeinsamen Lernmaterialien stellen sich auch als sehr hilfreich dar, wenn es zu Veränderungen im Lehrenden Team kommt. Auch bei einer kurzfristigen Übernahme einer Lehrveranstaltung durch eine extern Lehrende oder einen extern Lehrenden ist es dem /der neuen Lehrveranstaltungsleiter*in möglich, den Überblick über das Modul zu bekommen. Zusätzlich verbessert sich die Schnittstelle Lehre und Praktikum, da alle relevanten Lernunterlagen und -inhalte für die Praktikumsanleiter*innen übersichtlich zur Verfügung stehen. An unserem Institut gibt es Lehrveranstaltungen die „Problem Based Learning “ als didaktische Methode nutzen. In den höheren Semestern werden in diesen Lehrveranstaltungen die Studierenden auch mit Fallbeispielen aus der Neurologie konfrontiert. Die im Rahmen des vorliegenden Projektes entwickelten Fallbeispiele bieten für diese Lehrveranstaltung eine gute Vorbereitung. Das ÖHPN spricht sich im Rahmen des Konsenspapieres für die österreichweite Implementierung der formulierten Lernziele in die Curricula der österreichischen Bachelor Ausbildungen aus. Mit dem vorliegenden Projekt ist dieses Anliegen an unserem Institut umgesetzt worden.

Nachhaltigkeit

Der Entwicklungsprozess liegt im Rahmen einer Prozessbeschreibung vor und kann jederzeit von anderen Fachbereichen an unserem Institut übernommen und übertragen werden. Zudem ist geplant, das Projekt dem ÖHPN vorzustellen und das Entwicklungskonzept bzw. die vorliegenden Lehr- und Lernmaterialien auch anderen Instituten für Physiotherapie zur Verfügung zu stellen. An unserem Institut nehmen Studierende im 6. Semester an einer projektorientierten Lernphase teil. Angeregt durch das Konzept des vorliegenden Projektes hat sich eine Studierendengruppe im Studienjahr 2019/20 zur Erstellung von videounterstützten Lehrmaterialien für den Fachbereich Neurologie entschieden. Entstanden sind „Peer basierte“ Lehrmaterialien, die seither im Rahmen der Neurologie Module eingesetzt wird. Zukünftige Projekte in Zusammenhang mit dem projektorientierten Unterricht sind geplant. Im Rahmen des Änderungsantrages für das Curriculum unseres Institutes im Jahre 2019 sind die Lernziele, die Anpassung und Gewichtung von Lehrveranstaltungsinhalten, als Ergebnis unseres Projektes bereits eingeflossen. Ein Projekt wie das vorliegende wird dann mittel- und langfristig erfolgreich sein, wenn es ständig verbessert und angepasst wird. Die nächsten geplanten Schritte im Projekt sind die Umgestaltungen der Lernmaterialien zu einem E-Learnig Tool. Diesbezüglich sind auch Studierendenprojekte geplant. Derzeit stehen das Gesamtskriptum und die Fallbeispiele als PDF-Datei zur Verfügung. Im Jahr 2022 werden sie im hauseigenen Verlag publiziert.

Aufwand

Die Umsetzung des Projekts stellte besonders in der Anfangsphase einen großen zeitlichen Aufwand für die Modulkoordinator*innen dar. Die Organisation und Koordination der Besprechungen und Fokusgruppen umfasste ca. 25 Stunden und das Bearbeiten und Formatieren der gesammelten Unterlagen benötigte ca. 50 Stunden. Nach Abschluss des Projektes gestaltet sich die Umsetzung nicht mehr sehr zeitaufwendig. Die Anpassungen der Lehr- und Lernmaterialien, nach deren Fertigstellung, sind einmalig im Semester durchzuführen und bedürfen ca. 5 Stunden. Die Modulsitzungen, die nach Abschluss des Projektes einmal pro Semester für Adaptierungen und Änderungen organisiert werden, sind mit 1,5 Stunden anberaumt.

Positionierung des Lehrangebots

Das Projekt erreicht Studierende am Bachelorstudiengang für Physiotherapie im 3. und 4. Semester.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2022 nominiert.
Ars Docendi
Gewinner 2022
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
FH Prof.in, Priv. Doz.in, Mag.a Dr.in Monica Christova
Physiotherapie
+43 316 5453-6552
Nominierte Person(en)
FH Prof.in, Priv. Doz.in, Mag.a Dr.in Monica Christova
Hannes Aftenberger, MSc
Physiotherapie
Helmut Wandschneider, MSc
Physiotherapie
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Prozess der Curriculagestaltung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Kommunikation/Plattform für Lehrende
  • Digitalisierung
  • Rund ums Prüfen
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften