Fachhochschule Technikum Wien
Höchstädtplatz 5, 1200 Wien
Weitere Beispiele der Hochschule

Formen des kompetenzorientierten Feedbacks zur Lernerfolgsförderung der Studierenden der Lehrveranstaltung „Prozedurale Sprachen“

Würdigung der Jury

Das mit einer Shortlist-Platzierung ausgezeichnete Lehrprojekt der Fachhochschule Technikum Wien entstand in einem Team um Dipl.-Ing. Wolfgang Berger, dem auch Dipl.-Ing. Thomas Mandl, Dario Bachinger, BSc sowie Georg Richter, BSc angehören. Die Veranstaltung vermittelt für das weitere Studium relevante Grundkompetenzen im Bereich Programmieren und gilt bei den Studierenden als mögliche Hürde. Die Veranstaltung muss um die 250 Studierende bedienen, die als Gruppe eine hohe interne Diversität in den Vorkenntnissen aufweisen. Entwickelt wurde daher ein skalierbares und flexibles Lehrkonzept, das die Studierenden möglichst gut ‚abholt‘, ihre Eigenaktivität fördert und die unterschiedlichen Ansprüche und Vorkenntnisse berücksichtigt. Umgesetzt wird dies mit einer konsequenten Berücksichtigung eines individualisierenden teaching-to-learning-Prinzips, mithilfe verschiedener Mittel und einem starken Anteil an blended learning. Eigenstudium und E-Learning-Hilfen verbinden sich mit Präsenzphasen, Selbstchecks und Quiz-Elementen, durchdachtes Feedback mit Unterstützung bei Fragen, Peer-Learning-Elementen und Gruppenkommunikation. Die beabsichtigte Praxisorientierung wird in anwendungsorientierten Programmieraufgaben mit Peer-Reviewing erreicht; geprüft wird anhand von Übungen und Tests während des Kurses wie auch zum Abschluss der Veranstaltung (Open Book).
Der komplexe Aufbau in 25 Studienphasen – mit der Grobgliederung „Aktivierung, Vertiefung, Anwendung“ – könnte zusammen mit den vielen eingesetzten Mitteln auf den ersten Blick fast zu anspruchsvoll erscheinen. Offenbar schafft es das Lehrprojekt aber, dies alles im Sinne der Lernziele und einer integrierenden Klärung des Lernprozesses einzusetzen. Die Jury war beeindruckt von dieser komplexen Leistung einer studierendenorientierten Großveranstaltung, die der Kompetenzvermittlung ebenso dient wie dem Abbau von Hürden und der Förderung der Lernmotivation. Sie hält dieses Konzept für vorbildlich und vielfach übertragbar.

Univ.-Prof. Dr. Thomas Grob
Universität Basel

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die FH Technikum Wien (FHTW) strebt qualitätsvolle, berufspraxisbezogene und wissenschaftlich fundierte Lehre an (siehe Leitbild www.technikum-wien.at/file/926/download/) um Studierende durch einen anwendungsorientierte Theorie-Praxis Transfer bei ihrem Lernerfolg zu unterstützen. Um die digitale Transformationen dahingehend noch zu nutzen, haben in den vergangenen Jahren einzelne Studiengänge und Lehrveranstaltungen verstärkt das Inverted Classroom Modell (ICM) angewandt (vgl. Handke, J. & Sperl, A. (Hrsg.) (2012): Das Inverted Classroom Model. Begleitband zur ersten deutschen ICM Konferenz: Münster: Oldenbourg). Speziell in berufsbegleitenden Formaten war es dadurch möglich, die zeitlich eher geringeren Präsenzeinheiten (virtuell oder auch Vor-Ort) zielgerichteter und fokussierter zu gestalten und den Studierenden ein zeit- und ortsunabhängigeres Studium zu anzubieten. Studierende konnten demnach durch eigene Vorbereitung auf die Präsenzeinheiten von mehr Austausch, Diskussion sowie persönliches Feedback (vom Lehrenden und/oder Peers) profitieren und somit die Qualität der gemeinsamen Interaktion und Wissensgenerierung kontinuierlich steigern.

 

Aufgrund des Erfolgs dieser didaktisch neu konzipierten Lehrveranstaltungen und basierend auf den daraus gewonnenen Erfahrungen hat das Kollegium der FHTW beschlossen, dieses Konzept weiterzuentwickeln und sämtliche Bachelor Studiengänge im Sinne des Blended Learnings/Flipped Classroom in verschiedenen Ausprägungen anzubieten.

 

Das hier beschriebene Projekt beschreibt die Adaptierung des ICM für die Programmierlehrveranstaltung „Prozedurale Sprachen Labor“ des Bachelorstudiums „Informatik“ und hat folgende Ziele:

 

• Starke Kompetenzorientierung durch konsequente Planung mittels Constructive Alignment und somit Paradigmenwechsel in der Lehr-/Lernkultur mit einem Shift vom „teaching to learning“

• Didaktische Umsetzung des ICM mittels Blended Learning und somit eng verzahnter Eigenstudiums- und Präsenzphasen („Reißverschlussprinzip“)

• Studierendenzentrierung hinsichtlich zeitlicher und örtlicher Flexibilität durch Einsatz der Lernplattform Moodle, diversen integrierten e-Learning Tools und unterschiedliche Formen der Leistungsbeurteilung (von individueller formativer Leistungsbeurteilung in Form von Selbstchecks, gamifizierten Aufgabenstellungen und Lösungsvorgaben (z.B. CodeRunner) im Sinne des Assessment *for* Learning, aber auch summative Leistungsbeurteilung durch automatisierten Tests im Sinne eines Assessment *of* Learning bis hin zu kooperativen Aufgabenstellungen im Sinne des Peer Learnings)

• Förderung der Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit der Studierenden durch Implementierung von verschiedenen Lernsituationen

• Ausgleich von heterogenem Vorwissen der Studierenden mittels enger Feedbackloops und Peer Learning

 

Die Lehrveranstaltung findet im ersten Semester des Bachelorstudiums statt, weshalb speziell die Heterogenität der Studierenden in Bezug auf Vorwissen und Herangehensweise sowie die große Anzahl an Studierenden eine Herausforderung darstellt. Zirka 250 Studierende haben unterschiedliche Bildungsbiografien in Bezug auf besuchte Schultypen, Unterrichtsformen und Kommunikationskulturen. Sie alle sollen durch kontinuierliche, unterschiedliche Feedbackformate und aktiven Wissensaustausch untereinander einen gemeinsamen Blick auf die zu erwerbenden Kompetenzen erreichen. Außerdem soll ein jederzeit einsehbarer Lernfortschritt die Selbstwirksamkeitserwartung der Studierenden positiv beeinflussen, was gerade am Beginn eines Studiums hilfreich sein kann, um hohen Drop-Out Raten entgegenzusteuern.

 

Die 250 Studierenden sind in 12 Gruppen aufgeteilt und jede Gruppe wird von einer Lehrperson betreut. Im vergangenen Semester waren zum Beispiel acht Lehrpersonen für die Betreuung dieser 12 Gruppen zuständig. Auch hierdurch entsteht potenziell Heterogenität, weil jede Lehrperson ihren individuellen Unterrichtsstil einbringt. In Bezug auf die Freiheit der Lehre ist es wichtig, sich der unterschiedlichen Zugänge und Perspektiven der individuellen Lehrenden bewusst zu sein und dies bei der Abstimmung der gemeinsamen Inhalte und Vorgehensweisen zu berücksichtigen. Für Studierende hat es jedoch bei der Erreichung der Lernziele keinerlei Auswirkung welche*r Lehrende den Lernprozess betreut hat. Der Einsatz einer gemeinsamen digitalen Plattform soll diese Abstimmung erleichtern.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Lehrveranstaltung „Prozedurale Sprachen“ setzt in allen Phasen der Durchführung auf starke Praxisorientierung und verwendet dabei unterschiedliche Feedbackmechanismen, um Studierende bei der Entwicklung grundlegender Programmierkompetenzen zu unterstützen.

 

Im Rahmen des Inverted Classroom Modells (ICM) erarbeiten Studierende im Eigenstudium die theoretische Basis. Dieses neu erworbene Wissen transferieren sie durch Selbstchecks auf einfache Programmierbeispiele, und erhalten hierzu automatisch generiertes Feedback. Auf diese Weise sammeln sie schnell erste Erfahrungen während sie gleichzeitig ein Gefühl für die Materie und mögliche damit verbundene Fragestellungen entwickeln.

 

In den Präsenzphasen helfen die Ergebnisse der Selbstchecks, erstellte Fragensammlungen, sowie aktivierende Student Response Systeme den Lehrenden, den Wissensstand der Studierenden festzustellen. Durch das ICM ist es einfacher, sich auf die aus diesem Feedback gewonnenen Fragenstellungen zu fokussieren und diese mittels Diskussionen und gemeinsamen Programmiersessions zu explorieren und aufzuarbeiten.

 

Im Zuge der Leistungsüberprüfungen in Form von anwendungsbezogenen Programmieraufgaben werden zusätzliche Feedbackformen wie Peer Reviews und Code Reviews eingesetzt, um die automatisierten Bewertungen um qualitative Aspekte zu ergänzen. Außerdem werden dadurch der Wissensaustausch und eine konstruktive Feedbackkultur zwischen den Studierenden gefördert.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The course „Procedural Languages“ emphasizes practical experience in all of its phases und uses different feedback mechanisms in order to help students with developing basic programming competences.

 

It employs the inverted classroom model (ICM), and thus requires students to gather the basic theoretical knowledge during self-study phases. Students may perform self-checks, in which they apply the newly gained knowledge to simple programming tasks and receive automated feedback. As a result they quickly gather hands-on experience and develop an understanding for possible associated questions and challenges.

 

During classes, the results of the self-checks, the collected questions and introductory quizzes help lecturers with getting an overview of the students’ knowledge and possible open questions. The structure of ICM allows them to put focus on clarifying these questions by means of discussion and by exploring them within mob-programming sessions.

 

The tests in this course are practical programming tasks and incorporate additional forms of feedback like peer reviews and code reviews. This enriches the automated feedback with qualitative aspects, promotes sharing of knowledge between students and builds a positive feedback culture within the class.

Nähere Beschreibung des Projekts

Die Lehrveranstaltung (LV) „Prozedurale Sprachen“ hat das Ziel, allen Studierenden des ersten Semesters die Grundlagen der Programmierung näherzubringen. Nach erfolgreichem Abschluss sind sie in der Lage, mäßig komplexe Programmieraufgaben mithilfe der Programmiersprache „C“ selbstständig zu lösen. Die genaue Beschreibung der zu erreichenden Lernergebnisse und davon abgeleiteten Lehrinhalte sind im Informatik Curriculum der FH Technikum Wien nachzulesen (https://www.technikum-wien.at/bachelor/informatik/informatik-curriculum/, 1. Sem.).

 

Wichtig hierbei ist die Beschreibung der Methodik zur Erreichung der Lernergebnisse:

„Programmierfähigkeiten erlangt man hauptsächlich durch laufende Anwendung gelernter Mechanismen in zunehmend komplexeren Aufgabenstellungen. Daher liegt der Schwerpunkt auf der Ausarbeitung von praktischen Übungsbeispielen. Die notwendigen theoretischen Grundlagen werden im Eigenstudium erarbeitet und dann in der folgenden Präsenzphase diskutiert, vertieft und auf praktische Beispiele transferiert. Die auf diesem Wissen aufbauenden Übungsbeispiele werden teilweise in der Präsenzphase, teilweise im Eigenstudium gelöst. Automatisierte Überprüfungen und regelmäßige Code Reviews liefern individuelles Feedback zum Lernfortschritt.“ (Informatik Curriculum der FHTW WS 2020/21)

 

Die LV ist als eng verknüpfte Abfolge von je 25 abwechselnden Eigenstudiums- und Präsenzphasen aufgebaut und mit 5 ECTS bemessen. Die Abfolge sowie die Inhalte jeder einzelnen Phase sind in einem Moodle Kurs abgebildet. In den ersten 10 Unterrichtswochen des Semesters finden pro Woche zwei Präsenzeinheiten statt, in den letzten fünf Wochen ist es eine pro Woche. Daraus resultiert speziell in den ersten zehn Wochen ein sehr kurzes zeitliches Intervall für die dazwischenliegenden Eigenstudiumsphasen, was wir in der Planung und Dimensionierung dieser Phasen berücksichtigen.

 

# Formen des Feedbacks im Eigenstudium

 

Ziel einer jeden Eigenstudiumsphase ist es, ein neues Programmierelement einzuführen. Die Studierenden benötigen 30 – 60 Minuten, um das Basismaterial in Form eines Folienskriptums und die zugehörigen Selbstchecks durchzuarbeiten. Zusätzlich gibt es auch immer ein Video und ein Textbuch, um unterschiedliche Lernvorlieben zu bedienen und alternative Sichtweisen und Detaillierungsgrade anzubieten. Das Folienskriptum aktiviert vorhandenes Wissen und beschreibt darauf aufbauend das neue Element. Es enthält nicht nur die theoretische Beschreibung, sondern demonstriert mittels kurzer Codebeispiele die Anwendung des neuen Elements. Jedem dieser Codebeispiele folgt eine Aufforderung an die Studierenden, einen zugehörigen Selbstcheck in Moodle durchzuführen.

 

Im Sinne der Praxisorientierung verlangt ein Selbstcheck nicht die Reproduktion theoretischer Inhalte, sondern leitet sich aus den theoriegeleiteten demonstrierten Codebeispielen ab. Konkret besteht er aus einer Problemstellung, welche die Studierenden durch eine minimale Änderung des Codebeispiels aus dem Folienskriptum in fünf bis fünfzehn Minuten lösen können. Er prüft somit das Verständnis, demonstriert nochmals die Funktionsweise und gibt den Studierenden die Möglichkeit, mit dem neuen Element zu experimentieren.

 

Für die Studierendenzentrierung ist es wichtig, dass Studierende für diese kleinen, schnell lösbaren Selbstchecks ebenso schnell Feedback erhalten. Hierfür verwenden wir Moodle CodeRunner zur automatisierten Programmcode Bewertung. Darin geben die Studierenden den Programmcode ein und CodeRunner prüft ihn automatisch anhand vordefinierter Testszenarios. Pro Szenario definieren die Lehrenden beispielsweise simulierte Eingabefolgen mit erwarteten zugehörigen Programmoutputs, oder strukturelle Anforderungen an das Programm. Die Studierenden erhalten innerhalb weniger Sekunden nach Eingabe des Programmcodes Feedback, ob die gelieferte Lösung diese Testszenarios erfüllt. Die Möglichkeit, diese Tests beliebig oft durchzuführen, und so wiederholt Feedback zu erhalten, ermutigt die Studierenden, unterschiedliche Lösungen zu probieren und fördert somit das Verständnis. Eventuell aufkommende Fragen können sie im Moodle Kurs in einer geteilten Fragensammlung festhalten oder im Forum diskutieren.

 

Auch die Lehrenden profitieren von diesem Einsatz neuer digitaler Mittel im Eigenstudium. Über das Forum können sie Studierende schon während der Eigenstudiumsphase unterstützen und somit eine wertschätzende Feedback-Kultur vorleben. Zusätzlich erhalten Sie eine automatisch erstellte Zusammenfassung aller durchgeführten Selbstchecks und können diese gemeinsam mit dem Feedback aus dem Forum und der Fragensammlung für eine gezielte Vorbereitung auf die nächste Präsenzphase nutzen. Dadurch kann die Studierendenzentrierung im vollen Umfang gewährleistet und Studierendenkohorten bei ihren individuellen Herausforderungen vor allem in den nächsten Präsenzterminen unterstützt werden.

 

# Formen des Feedbacks in der Präsenzphase

 

Die meisten Präsenzphasen bestehen aus drei fließend ineinandergreifenden Subphasen: der Aktivierungsphase, der Vertiefungsphase und der Anwendungsphase.

 

In der *Aktivierungsphase* helfen Student Response Systeme wie Kahoot Quizzes, in lockerer Atmosphäre die Studierenden aktiv in die Präsenz zu involvieren, deren Wissensstand zu prüfen und eine Überleitung in die Vertiefungsphase zu schaffen. Die Quizzes bestehen aus maximal fünf bis zehn Fragen, der erste Teil umfasst dabei typischerweise theoretische Inhalte, um Feedback über die Kenntnis der Begrifflichkeiten zu erhalten. Der zweite Teil fördert den Transfer des Gelernten auf neue Problemstellungen, indem er die Analyse kleiner Programmcodestücke erfordert und oftmals typische Fallstricke aus der Programmierpraxis skizziert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die dadurch entstehenden Diskussionen der Lehrperson helfen, den Lehrstoff in der Realität zu verankern. Im Rahmen der Live-Analyse der Quizergebnisse wird sehr darauf geachtet, die nicht eindeutigen Ergebnisse immer zu besprechen und als Anlass für weiterführende Erklärungen, Vertiefungen etc. zu nützen.

 

Die diskutierten Codestücke bilden außerdem den Übergang in die *Vertiefungsphasen* in Form einer Mob Programming Session. Hier greift die Lehrperson üblicherweise die Programmcodestücke aus dem Quiz auf und baut sie gemeinsam mit den Studierenden zu kleineren Programmen aus . Der konkrete Ausgang dieser Session ist nicht vorgegeben, sondern wird durch das gesammelte Feedback aus dem Eigenstudium und dem Input der Studierenden aus der aktuellen Präsenzphase gesteuert. Auftretende Fragen werden gemeinsam untersucht, und mit Hilfe professioneller Entwicklungstools werden interne Vorgänge eines Programms nachvollzogen und visualisiert. Die Studierenden lernen dadurch auch, diese Tools im Eigenstudium und in anderen Programmierprojekten einzusetzen.

 

Schließlich gibt die *Anwendungsphase* den Studierenden die Möglichkeit, das Gelernte auf komplexere Aufgaben zu transferieren und bildet gleichzeitig die Überleitung in das nächste Eigenstudium. Je nach Gesamtfortschritt in der LV bespricht die Lehrperson an dieser Stelle entweder zu den aktuellen Themen passende Übungsbeispiele oder eröffnet einen der vier Zwischentests (siehe unten). Die Studierenden können danach in der verbleibenden Zeit betreut an diesen Aufgaben arbeiten.

 

# Studierendenzentrierung und -feedback in Leistungsüberprüfungen

 

Im Verlauf der LV gibt es drei Arten von Leistungsüberprüfungen, alle in Form von unterschiedlich komplexen anwendungsbezogenen Programmieraufgaben mit unterschiedlichem Zeitrahmen: Übungsbeispiele, Zwischentests und den Abschlusstest. Die Übungsbeispiele und Zwischentests sind größtenteils im Eigenstudium zu absolvieren, die Präsenzphasen dienen wie zuvor beschrieben hauptsächlich als Kick-Off und zur Klärung eventuell auftretender Fragen. Die Verlagerung ins Eigenstudium ermöglicht zeitliche Flexibilität in der Leistungserbringung.

 

Durch die *Zwischentests* können die Studierenden ungefähr ein Drittel der maximalen Gesamtpunktezahl erreichen, der Abschlusstest macht die übrigen zwei Drittel aus. Für einen positiven Abschluss müssen die Studierenden mit der Summe der Punkte aus diesen beiden Leistungsüberprüfungen 55 Prozent der maximalen Gesamtpunktezahl erreichen. Die Note aus Zwischentests und Abschlusstest – sofern positiv - können die Studierenden durch Bonuspunkte aus korrekt gelösten Übungsbeispielen verbessern. Dieses Bewertungsschema hat zum Ziel, die Studierenden zu motivieren, über das gesamte Semester hinweg den Lehrstoff praktisch in Programmierbeispielen anzuwenden und so graduell Kompetenz aufzubauen.

 

Außerdem gibt es den Studierenden die Freiheit, selbstständig Schwerpunkte bei der Leistungserbringung zu setzen oder schwächere Leistungen auszugleichen. Studierende, die konstante Leistungserbringung vorziehen, können mit guten Zwischentests den Druck aus dem höher gewichteten Abschlusstest nehmen, weil sie die dort zu erreichende Minimalpunktzahl für eine positive Note senken. Andererseits ist das Gewicht des Abschlusstests so gewählt, dass auch diejenigen, die während des Semesters weniger konstant waren, mit einer guten Abschlussarbeit noch immer einen positiven Abschluss schaffen können. Im Hinblick auf das erwähnte potenziell heterogene Vorwissen können wir dadurch die Gefahr bannen, dass Studierende, die länger benötigen, um sich in den Lehrstoff einzufinden, verfrüht die Chance auf einen erfolgreichen Abschluss verlieren.

 

Es gibt insgesamt 25 *Übungsbeispiele*, und alle sind von Beginn der LV verfügbar. Sie sind jeweils innerhalb von 15 bis 120 Minuten zu lösen und haben je nach Schwierigkeitsgrad unterschiedliche späteste Abgabetermine. Der Moodle Kurs gibt Hinweise darauf, welche technischen Kompetenzen für die jeweiligen Beispiele gefordert sind, sodass die Studierenden eigenständig einen für sie sinnvollen Startzeitpunkt wählen können. Die Beispiele sind freiwillig und liefern lediglich Bonuspunkte. Sie sollen die Studierenden in erster Linie dazu motivieren, auch außerhalb der regulären Leistungsüberprüfungen möglichst viel Programmierpraxis zu sammeln. CodeRunner liefert durch die Auswertung von Testszenarios automatisiertes Feedback und automatisierte Beispielbewertung.

 

Die Zwischentests werden vier Mal innerhalb eines Semesters durchgeführt. Die Studierenden haben dabei von Testeröffnung bis Testschließung jeweils eine Woche Zeit, eine definierte Aufgabe zu lösen, der tatsächliche Aufwand pro Test ist auf vier bis acht Stunden bemessen. Auch hier liefert CodeRunner laufendes Feedback und die Basis für die Bewertung. Während das Tool sehr gut geeignet ist, um funktionale Kriterien zu prüfen, ist es damit nur eingeschränkt möglich, Feedback für nicht-funktionale (qualitative) Kriterien zu liefern. Aus diesem Grund führen Zwischentests Code Reviews in zwei Ausprägungen ein, einmal in Form von Peer Reviews, einmal in Form von Gesprächen mit der Lehrperson.

 

Für die Peer Reviews verwenden wir Moodle Workshops, um jede Abgabe anonym zwei Studierenden zuzuteilen, die dann wiederum geleitet von einem auszufüllenden Review Formular wertschätzendes Feedback geben. Die Fragenstellungen des Review Formulars fördern eine qualitative Analyse und helfen den Reviewenden ihre eigene Lösung zu reflektieren und das Gelernte auf das analysierte Programm umzulegen. Zusätzlich schulen die Peer Reviews eine konstruktive Feedbackkultur und unterstützen den Wissensaustausch zwischen Studierenden. Die gereviewten Personen profitieren vom zusätzlichen qualitativen Feedback für jeden Zwischentest.

 

Für zumindest einen der Zwischentests erhält jede*r Studierende Feedback in einem Code Review mit der Lehrperson. Je nach Neigung der/des jeweiligen Studierenden kann dieses Code Review als Vieraugengespräch oder unter Einbindung der gesamten Gruppe stattfinden. Hierbei erklärt und argumentiert die/der Studierende die erarbeitete Lösung, während die Lehrperson praxisrelevante Verständnisfragen stellt und qualitatives Feedback gibt. Mit guter Argumentation haben die Studierenden außerdem die Chance, mögliche Punktabzüge durch CodeRunner zu verbessern. Als Nebeneffekt dient diese Form der Leistungsbeurteilung nicht nur der Ausbildung technischer, sondern auch metafachlicher Kompetenzen, die in der Berufspraxis immer wichtiger werden.

 

Der *Abschlusstest* unterscheidet sich von den Zwischentests vor allem durch den zeitlichen Rahmen. Hier müssen die Studierenden innerhalb von neunzig Minuten ein entsprechend bemessenes Programmierbeispiel lösen. Diese Prüfung ist Open Book, sie dürfen unter anderem ihre Lösungen aus dem gesamten Semester sowie vorbereitete Programmstücke mitbringen. Die Hauptaufgabe in einem Abschlusstest ist es somit, das gestellte Problem zu analysieren und auf bekannte, lösbare Teilaufgaben herunterzubrechen. Auch hier liefert Code Runner die Basis für die Bewertung, ein zugehöriges Code Review mit der Lehrperson beeinflusst diese Bewertung jedoch.

Nutzen und Mehrwert

Durch das langfristig geplante Konzept war es möglich die fachliche und didaktische Expertise an der FHTW zu bündeln und neben dem transparenten, curricular verankerten Common Body of Competencies, das LV Konzept für andere Studiengänge mit erforderlichen Programmierkompetenzen übertragbar zu machen. Die/der Lehrende können dadurch anfangs keine Zeitersparnis verbuchen, jedoch soll das LV-Konzept nach einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess an Qualität gewinnen und vor allem einen Fragen- und Aufgabenstellungspool entwickeln, der die Skalierbarkeit des Kurses auf viele Parallelgruppen ermöglicht. Eine Skalierbarkeit auf eine große Anzahl an Studierenden wäre zwar in den Eigenstudiumsphasen schon möglich und machbar – widerspricht jedoch dem hier angedachten Konzept der qualitäts- bzw. gehaltvollen interaktiven Präsenzphase.

 

Der Mehrwert der Studierenden entsteht – laut Rückmeldung derselbigen, vor allem durch die stetige Möglichkeit für Assessment (im formativen Sinne des „for learnings“) und der unmittelbaren Rückmeldung durch automatisierte Systeme, den Lehrenden und/oder Peers. Das Peer-Feedback zeigt in zweierlei Hinsicht einen Mehrwert auf. Die Studierenden erhalten die Möglichkeit, die Perspektiven zu wechseln um durch den Blick der Rückmeldung im Sinne der Leistungsbeurteilung eine zusätzliche Lernerfahrung zu machen.

 

Des Weiteren schätzen Studierende die Fülle an Übungsmöglichkeiten, welche ihnen in großer Anzahl fakultativ zur Verfügung stehen – jedoch trotzdem gefeedbackt werden.

 

Die Covid-19 Krise hat aufgezeigt, dass dieses, durch vielfältige Formen des Selbststudiums geplante und durchgeführte Lehrveranstaltungskonzept jederzeit ohne großen Aufwand auf reine Fernlehre umgestellt werden kann, und das Inverted Classroom Modell auch in virtuellen Präsenzphasen durch die gute Vorbereitung der Studierenden funktioniert.

Nachhaltigkeit

Wie bereits im Kapitel Mehrwert angemerkt, wird das Konzept des Inverted Classroom sowie der Variation an Feedbackmöglichkeiten stetig weiterentwickelt und durch den institutionalisierten „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ partizipativ und evidenzbasiert weiterentwickelt. Das Konzept findet derzeit in ähnlicher Form bereits in mehreren Lehrveranstaltungen bzw. Gruppen der FHTW Anwendung und wird langfristig und in unterschiedlichen Ausprägungen innerhalb der FHTW großflächig ausgerollt. Mit diesem Change der Lehr-/Lern- und Prüfungskultur sollen die Studierenden der Fachhochschule die optimale Unterstützung bei der Erreichung ihrer Lernziele erhalten und berufspraktische Feedbackkultur kennenlernen. Das Tool CodeRunner wird hierbei nicht ausschließlich im ersten Studienjahr eingesetzt, sondern begegnet den Studierenden immer wieder in unterschiedlichen Lehrveranstaltungsformaten und Phasen des Studiums. Jedoch, die im ersten Semester ausgeprägten und (ein-)geübten Feedbackmöglichkeiten legen den Grundstein für ein aktives, selbstwirksames Studium.

 

Zudem trägt dieses, wie oben bereits angemerkt, Covid-19 – erprobte Konzept zur einer fundierten digitalen Grundkompetenz der Studierenden bei und unterstützt die Interaktion und Kooperation innerhalb der Studierendenkohorte und den Lehrenden.

 

Das hier vorgestellte Konzept wird auch im Sinne der Übertragbarkeit innerhalb der FHTW unter den Lehrenden vorgestellt und steht als sogenannter „Quellkurs“ (Moodle-Template) für interessierte Lehrende zur Verfügung.

Aufwand

Wie in der Beschreibung der Ausgangslage erwähnt, wurde das Projekt Anfang 2020 im Rahmen einer FH-weiten Neustrukturierung der Bachelorstudiengänge gestartet. Über einen Zeitraum von ungefähr sechs Monaten arbeitete ein Kernteam von 2 bis 4 Personen neben den regulären Lehrtätigkeiten an der Konzeption und Verwirklichung dieses Projekts.

 

Punktuell wurde weitere Lehrpersonen eingebunden, um die initial benötigte Menge und Vielfalt an Lehrmaterial (Videos, Quizzes, Folienskripte, Lektorenmaterial und Moodle CodeRunner Beispiele für 25 Eigenstudiums- und 25 Präsenzphasen) innerhalb dieser sechs Monate bereitstellen zu können.

 

Im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses werden Konzept, Aufbau und Materialien jedoch laufend evaluiert und von einem zweiköpfigen Kernteam bearbeitet (siehe auch Abschnitt Nachhaltigkeit).

Positionierung des Lehrangebots

Im Fokus der Einreichung steht die Lehrveranstaltung (LV) „Prozedurale Sprachen“ (PSP) des ersten Semesters im Bachelorstudium Informatik an der Fachhochschule Technikum Wien.

 

Die LV PSP hat im Curriculum eine besondere Stellung, da sie die notwendigen Grundkompetenzen im Bereich Programmieren für eine Vielzahl von aufbauenden LVs vermittelt. Dem wird mit einem Umfang von 5 ECTS Rechnung getragen. Die LV gilt damit als „Kernfach“ und ist oft genug eine große Hürde, insbesondere für Programmieranfänger*innen.

 

Im Rahmen eines internen Projekts wurde die LV durch ein kleines Team von Inhalts- und Konzeptverantwortlichen weiterentwickelt. Einerseits wurde dadurch die LV leichter skalierbar, andererseits ist das Konzept hinreichend flexibel um von unterschiedlichen Lehrenden mit unterschiedlichen Studierenden und deren unterschiedlichem Vorwissen und Bildungshintergrund in unterschiedlichen zeitlichen Formaten sowie Organisations- und Präsenzformen abgehalten werden zu können.

Links zu Social Media-Kanälen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2021 nominiert.
Ars Docendi
Nominiert 2021
Kategorie: Lernergebnisorientierte Lehr- und Prüfungskultur
Ansprechperson
DI Wolfgang Berger
Department Computer Science - Software Engineering & DevOps
+4366488849453
Nominierte Person(en)
DI Wolfgang Berger
Department Computer Science - Software Engineering & DevOps
DI Thomas Mandl
Department Computer Science - Software Engineering & DevOps
Dario Bachinger , BSc.
Department Computer Science - Software Engineering & DevOps
Georg Richter, BSc.
Department Computer Science - Software Engineering & DevOps
Themenfelder
  • Digitalisierung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Organisatorische Studierendenunterstützung
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Rund ums Prüfen
  • Erfahrungslernen
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften