Vorlesung und Seminar: Diagnostik und Leistungsbeurteilung, „Lernen, um zu lehren“

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die Studierenden lernen unterschiedliche Formen der Leistungsbeurteilung- und Leistungsaufzeichnung kennen und setzen sich mit der Korrektur und Beurteilung von Schüler*innen-Leistungen auseinander. Weiters lernen sie unterschiedliche Diagnoseverfahren für den Einsatz im Unterricht (Deutsch und Mathematik) kennen und erproben die erworbenen Kenntnisse an praktischen Beispielen auf der Basis schulrechtlicher Grundlagen.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Nach Terhart (2009) erleben Lehramtsstudierende die Lehrer*innenbildung häufig als zusammenhangslos, inkonsistent und wenig berufsfeldbezogen und so entsteht mitunter der Eindruck, das Studium habe nur wenig Relevanz für das spätere Berufsleben (vgl. auch Merk, Cramer & Bohl 2016). Diese Lehrveranstaltung greift spezifische fachdidaktische Aspekte des Studiums wiederholt auf und schafft so einen „roten Faden“ auf dem Weg zur individuellen pädagogischen Professionalisierung.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

According to Terhart (2009), teacher training is often perceived as incoherent, inconsistent, not very occupational and has little relevance for later professional life (see also Merk, Cramer & Bohl 2016). This course takes up specific subject-didactic aspects of the study and thus creates a "red thread" on the way to individual pedagogical professionalization.

Nähere Beschreibung des Projekts

Guter Unterricht und kompetenzorientiertes Lehren und Lernen gelten als Hauptaufgabe der österreichischen Schule und stehen deshalb auch seit geraumer Zeit im Fokus pädagogischer Professionalisierungsforschung (Baumert & Kunter 2006, 2011; Paseka, A., Schratz, M., & Schrittesser, I. 2011; Blömeke 2013; Lenske, Thilmann, Wirth, Dicke & Leutner 2015; König, Doll, Buchholtz, Förster, Kaspar, Rühl, Strauß, Bremerich-Vos, Fladung, & Kaiser 2018; Dittrich 2020).

Neben den fachlichen Anforderungen stehen Lehrpersonen im Unterricht täglich vor einer Vielzahl an pädagogischen Herausforderungen, denen sie adäquat zu begegnen haben. Wie in der Medizin, wo eine umfassende Anamnese des betroffenen Patienten als Grundlage der weiteren Behandlung und Therapie gilt, so sollen in der Pädagogik die Diagnostik und das Wissen um entsprechende Instrumente und deren Anwendung als Ausgangspunkt der Planung und Entwicklung von Unterricht dienen (Helmke & Lenske 2013).

Angesichts der sich rasch verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen an Schule gilt ein entsprechendes Pädagogisches Wissen (Shulman 1986; Bromme 1992; Voss, Kunina-Habenicht, Hoehne, & Kunter 2015) als zentrales kognitives Element professioneller Kompetenz von Lehrpersonen (Baumert & Kunter 2006; Kunter, Baumert, Blum, Klusman, Krauss, & Neubrand 2011) und sollte daher bereits im Rahmen der Lehrer*innenbildung erworben werden, zumal sich dies nachweislich positiv auf die Unterrichtsqualität und in weiterer Folge auch auf den Lernerfolg von Schüler*innen auszuwirken scheint (Kunter et al. 2011; Lenske et al. 2015; Guerriero 2017).

Der einführende Vorlesungsteil der Lehrveranstaltung fokussierte auf die rechtlichen Grundlagen zur Diagnostik und Leistungsbeurteilung. Um eine leichtere Studierbarkeit zu ermöglichen, wurden die Inhalte auch in Form von Unterrichts-Videos angeboten und die Studierenden hatten die Möglichkeit, über den begleitenden Moodle-Kurs Fragen an die LV-Leiterin zu stellen.

Die anschließenden Inhalte nahmen jeweils thematisch Bezug auf die curricular vorgesehenen Lehrveranstaltungen aus Deutsch und Mathematik der Studiensemester 1-7 und versuchten über entsprechende Arbeitsaufträge die Theorie-Praxis-Verbindung gezielt zu fördern. Studierende, die bereits im Schuldienst standen, wurden aufgefordert, Bsp. aus ihrer Praxis in Form von „Fallvignetten“ in den Diskurs der einzelnen Lehrveranstaltungstermine einzubringen. Anforderungen und Arbeitsaufträge wurden jeweils an die individuellen Erfordernisse der Studierenden angepasst, inklusive des Einsatzes flexibler Lehr- und Lernformen, um der heterogenen Studierendengruppe gerecht zu werden.

Im Sinne des aktuellen wissenschaftlichen Diskurses zur Entwicklung professionellen Wissens (Kunter et al. 2011; König, Blömeke, Klein, Suhl, Busse, & Kaiser 2014; Voss et al. 2015; Cramer 2018) fand in dieser Lehrveranstaltung eine aktive Vernetzung der einzelnen Teile des Studiums statt.

„Es genügt nicht nur zu wissen, man muss auch anwenden.

Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun.“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469–520.

Baumert, J. & Kunter, M. (2011). Das Kompetenzmodell von COACTIV. In M. Kunter, J. Baumert, J. Blum, U. Klusmann, S. Krauss & M. Neubrand (Hrsg.), Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (S. 29–54). Münster: Waxmann.

Blömeke, S. (2013). Einleitung: Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf. In S. Blömeke, A. Bremerich-Vos, G. Kaiser, G. Nold, H. Haudeck, J.-U. Keßler, & K. Schwippert (Hrsg.), Professionelle Kompetenzen im Studienverlauf. Weitere Ergebnisse zur Deutsch-, Englisch- und Mathematiklehrerausbildung aus TEDS-LT (S. 7–24). Münster: Waxmann.

Bromme, R. (1992). Der Lehrer als Experte. Bern: Huber.

Cramer, C. (2018). Zum Verhältnis von Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung. Implikationen für die Professionalität im Lehrerinnen- und Lehrerberuf. In J. Böhme, C. Cramer & C. Bressler (Hrsg.), Erziehungswissenschaft und Lehrerbildung im Widerstreit!? Verhältnisbestimmungen, Herausforderungen und Perspektiven (S. 103–118). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Dittrich, A. K. (2020). Pädagogisches Wissen im LehrerInnenberuf. Rekonstruktive Befunde aus der schulischen Praxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Guerriero, S. (2017). Teachers’ Pedagogical Knowledge and the Teaching Profession. Background Report and Project Objectives. OECD.

Helmke, A., Lenske, G. (2013). Unterrichtsdiagnostik als Voraussetzung für Unterrichtsentwicklung. Beiträge zur Lehrerbildung, Beiträge zur Lehrerbildung, 31 (2), 214–233.

König, J., Blömeke, S., Klein, P., Suhl, U., Busse, A., & Kaiser, G. (2014). Is teachers’ general pedagogical knowledge a premise for noticing and interpreting classroom situations? A video-based assessment approach. Teaching and Teacher Education, 38, 76–88. doi.org/10.1016/j.tate.2013.11.004

König, J., Doll, J., Buchholtz, N., Förster, S., Kaspar, K., Rühl, A., Strauß, S., Bremerich-Vos, A., Fladung, I., & Kaiser, G. (2018). Pädagogisches Wissen versus fachdidaktisches Wissen? Struktur des professionellen Wissens bei angehenden Deutsch‑, Englisch- und Mathematiklehrkräften im Studium. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 21, 1–38.

Kunter, M., Baumert, J. Blum, W., Klusman, U., Krauss, S., & Neubrand, M. (2011) (Hrsg.). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV. Münster: Waxmann.

Lenske, G., Thilmann, H., Wirth, J., Dicke, T., & Leutner, D. (2015). Pädagogisch-psychologisches Professionswissen von Lehrkräften: Evaluation des ProwiN-Tests. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18, 225–245.

Merk, S., Cramer, C. & Bohl, T. (2016). Prädiktive Effekte domänenspezifischer epistemologischer

Überzeugungen angehender Lehrerinnen und Lehrer auf deren Bedeutsamkeitseinschätzung allgemeinen pädagogischen sowie fachdidaktischen Wissens. Unterrichtswissenschaft, 44(4), 458–473.

Paseka, A., Schratz, M., Schrittesser, I. (2011). Pädagogische Professionalität: quer denken – umdenken – neu denken. Impulse für next practice im Lehrerberuf. Wien: Facultas wuv.

Shulman, L. (1986). Those who understand: Knowledge growth in teaching. Educational Researcher 15, 4–14.

Terhart, E. (2009). Erste Phase: Lehrerbildung an der Universität. In O. Zlatkin-Troitschanskaia, K. Beck, D. Sembill, R. Nickolaus, & R. Mulder (Hrsg.), Lehrprofessionalität (S. 425–437). Weinheim: Beltz.

Voss, T., Kunina-Habenicht, O., Hoehne, V., & Kunter, M. (2015). Stichwort Pädagogisches Wissen von Lehrkräften: Empirische Zugänge und Befunde. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18(2),

187–223.

Nutzen und Mehrwert

Die Studierenden werden angeregt, ihr deklaratives Wissen in prozedurales Wissen zu übertragen und auch Erfahrungen aus der eigenen Schulpraxis in Form von Fallvignetten in die Lehrveranstaltung miteinzubringen.

Die Materialien zur Lehrveranstaltung werden jeweils an die aktuell gültige Gesetzeslage angepasst und dienen als Grundlage professionellen schulischen Handelns.

Die Organisationsstruktur erleichtert berufstätigen Studierenden den Besuch der thematisch für sie sehr wertvollen Lehrveranstaltung.

Die Studierenden beurteilten den Aufbau der Lehrveranstaltung als klar strukturiert und gewinnbringend, zumal das Skriptum als „roter Faden“ durch die Lehrveranstaltung führte und die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Inhalten, begleitet durch mehrere konkrete Arbeitsaufträge, die nachhaltige Absicherung derselben deutlich positiv beeinflusste.

Nachhaltigkeit

Das Konzept der Kombination von synchronen und asynchronen Anteilen könnte gerade in der letzten Phase des Basis-Studiums, wo viele Studierende bereits im Schuldienst eingesetzt werden, eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Berufseinstieg gewährleisten.

 

Aufwand

Das Projekt verursacht keinerlei zusätzlichen Aufwand (außer die bewusste Gruppenplanung durch die Lehrenden im Zuge der LV-Vorbereitung).

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorstudium / 8. Semester

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2021 nominiert.
Ars Docendi
2021
Kategorie: Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit
Ansprechperson
Martina Müller, Dr. BEd M.A.
Institut Ausbildung
0664 / 192 09 26
Nominierte Person(en)
Martina Müller, Dr. BEd M.A.
Institut Ausbildung
Bernadette Famler, BEd MA
Institut Ausbildung
Franz David Ketter-Räulinger, BEd MA
Institut Ausbildung
Themenfelder
  • Prozess der Curriculagestaltung
  • Digitalisierung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Organisatorische Studierendenunterstützung
  • Flexibel Studieren
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften