Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Innrain 52, 6020 Innsbruck
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LV Methodologie und Methoden der qualitativen empirischen Forschung: Kreative teilstrukturierte Interviews

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die hier vorgestellte LV gründet auf der folgenden Ausgangslage. Laut Curriculum sollten Studenten und Studentinnen dieser mit 2,5 ECTS-AP besetzen LV die gewählte Forschungsmethode empirisch umsetzen. Die LV Größe betrug 60 Teilnehmer und Teilnehmerinnen.

 

Dies stellte mich vor drei Herausforderungen. Erstens, wie konnte ich als Lehrende von so vielen Studierenden ethische und qualitativ hochwertige Forschungsarbeiten garantieren, insbesondere bei der Erforschung sensibler Themen (z. Bsp. Sexualität) und von vulnerablen Gruppen (z. Bsp. Minderjährige, Flüchtlinge oder Menschen mit erhöhtem Förderbedarf), beides Bereiche von besonderem Interesse für Erziehungs- und Bildungswissenschaftsstudenten und -studentinnen? Zweitens, wie konnte ich als Lehrende den hohen Aufwand ethischer und qualitativ hochwertiger empirisch umgesetzter Forschungsübungen an den vorgegebenen Arbeitsaufwand von 2,5 ECTS-AP anpassen und berufsbegleitend Studierende und Studierende mit Pflege- und Erziehungsverantwortungen unterstützen? Drittens, wie konnte ich den durch diese Ausgangslage verlangenden Mehraufwand meinerseits minimieren, ohne die Qualität meiner Lehre und den Schutz von Forschungsteilnehmer und -teilnehmerinnen kompromittieren zu müssen?

 

Mein Ziel, diesen Herausforderungen bestmöglich zu begegnen und einen sicheren Rahmen für begleitetes Erfahrungslernen zu gestalten, wurde durch (1) Forschungswerkstätten und (2) Ethikanträge als Beurteilungskriterium verwirklicht. Wie genau diese innovativen didaktischen Methoden umgesetzt wurden, erfahren Sie auf den kommenden Seiten dieses Einreichungsbogens.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Mit diesem Projekt erhielten die Studenten und Studentinnen eine Einführung in kreative Methoden innerhalb teilstrukturierter Interviews (z. Bsp.: Foto/Objekt/Film/Musik Elicitation, Vignetten, Satzvervollständigung, emotion und task mapping, Spaziergehinterviews). Zudem lernten sie qualitativ hochwertige teilstrukturierte Interviews mit kreativen Elementen zu planen, empirisch umzusetzen und anhand von Kodierungen und Code-Kategorisierungen thematisch zu analysieren.

 

Diese Blockveranstaltung basierte auf folgendem strukturellen Aufbau: Ein Überblick von qualitativen Datenerhebungsmethoden, Forschungsethik und Qualität ermöglichte das methodologische Positionieren und Diskutieren von kreativen Methoden (Block 1). Folgend einer Bestätigung der in Forschungswerkstätten entwickelten Ethikanträge, wurden zwischen den zwei Blöcken pro Student und Studentin zwei Forschungsteilnehmer und -teilnehmerinnen rekrutiert, die dann anhand des erstellten Interviewleitfadens interviewt wurden. Ausgewählte Teile des Interviews wurden im Anschluss transkribiert. Nach einer Auffrischung von qualitativen Datenanalysemethoden wurden die Interviewtranskripte in Forschungswerkstätten analysiert (Block 2).

 

Die Lern- und Leistungsfortschritte wurden anhand der folgenden Teilnotenbereiche überprüft und beurteilt: Seminararbeit (50%), Ethikantrag (inkl. Einverständniserklärung und Interviewleitfaden) (30%), Mitarbeit und Beteiligung an Forschungswerkstätten (20%).

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

By the end of this seminar, students had gained a broad overview of creative methods for semi-structured interviews (e.g. photo/object/film/music elicitation, vignettes, sentence completion, emotion and task mapping, walking interviews). Further, seminar attendees learned how to plan, implement, and analyse rigorous semi-structured interviews which comprise creative interview elements.

This blocked seminar was structured in the following way: In session one, attendees received an overview of data collection methods, research ethics, and rigour within qualitative research. This revision of research basics allowed students to methodologically position and discuss creative approaches to semi-structured interviewing. Following this, students designed their empirical exercise and wrote on their ethics applications in research workshops. After they received ethical approval, students recruited and interviewed participants between the two teaching blocks and transcribed selected parts of the recorded interviews.We discussed and reflected on students’ experiences during fieldwork in the second block. After a brief overview of qualitative data analysis methods, students coded their interview transcripts in a second research workshop. Finally, based on their empirical work, students created a brief methodology chapter. This essay count. 50% towards their overall mark. The ethics application count. 30% and the in-class and research workshop participation 20% towards their overall mark.

Nähere Beschreibung des Projekts

Erfahrungslernen und kompetenzorientierte LV Gestaltung ist das Herzstück dieses Projektes. Denn für viele Studenten und Studentinnen war diese LV die erste Gelegenheit, sich praktisch mit der Gesamtheit des qualitativen Forschungsprozesses auseinanderzusetzen; von dem Designen der Methodologie, dem Verfassen eines Forschungsantrages (Ethikantrag), der Rekrutierung von Forschungsteilnehmern und -teilnehmerinnen, der Durchführung und Kodierung der kreativen teilstrukturierten Interviews und dem abschließenden Präsentieren des empirischen Vorgehens in Form eines Methodologiekapitels. Der ganzheitliche „hands-on approach“ dieser LV ermöglichte das begleitete Ausprobieren, Erfahren und Lernen am Tun, welches zu dem Aufkommen vieler konkreter Fragen in Bezug auf Methodenumsetzung und Umgang mit Forschungsteilnehmern und -teilnehmerinnen von Seiten der Studierenden führte, welche in einer rein theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik wahrscheinlich nicht aufgekommen wären. Diese LV ermöglichte den Studierenden einen realistischen Einblick in alle Aspekte innovativer, qualitativer Sozialforschung - ein Mehrwert, welcher auch von Studierenden erkannt und dankend kommuniziert wurde.

 

Wie bereits vorhin beschrieben, wurde den mit Erfahrungslernen verbundenen Herausforderungen von Qualitäts- und Ethiksicherung sowie einer Balance des Arbeitsaufwandes von Seiten der Studierenden und meinerseits (siehe: Ziele/Motivation/Ausgangslage*) mit zwei innovativen didaktischen Methoden begegnet: (1) Forschungswerkstätten und (2) Ethikanträgen als Beurteilungskriterium.

 

Die Forschungswerkstätten am Ende eines jeden Blockes ermöglichten ein praktisches Erarbeiten des Lehrstoffes in Kleingruppen welche als "sounding boards" für Ideen dienten. Dieses Format förderte auch die Vermittlung des sozialen Wissenschaftsgeistes im Sinne von Feedback und Austausch mit Studienkollegen und -kolleginnen, welches die Entwicklung von Forschungskompetenz (Kommunikation und Arbeiten im Team) begünstigte. Jedoch legte ich im Sinne von größtmöglichem Erfahrungslernen großen Wert darauf, dass es sich um empirische Einzelprojekte handelte. Denn die alleinige und nicht in Gruppenarbeiten aufgeteilte Durchführung aller wesentlichen Schritte eines qualitativen Forschungsprojektes (empirische Übung) bereitete meines Erachtens Studierende besser auf zukünftige Einzelforschung und eine wissenschaftliche Karriere vor.

Zudem diente das Arbeiten an den empirischen Übungen innerhalb von Forschungswerkstätten neben der Begleitung in Form von Netzwerken (Studierende unterstützten sich untereinander und ich war vor Ort, um bei Problemen und erst durch die praktische Erarbeitung des Lehrstoffes aufkommende Fragen zu helfen) auch einer Arbeitsaufwandentlastung. Dies, da Studierende mit der Forschungsvorbereitung in Forschungswerkstätten weniger Arbeitsaufwand außerhalb der LV hatten. Mit dem Format von Forschungswerkstätten wurden also (1) der Arbeitsaufwand aufgrund des Anspruches auf qualitativ hochwertige und ethische Forschung, (2) mein Arbeitsaufwand (weniger Beantwortung von Fragen via Emails außerhalb der LV) und (3) die 2,5 ECTS-AP zueinander in Balance gestellt.

 

Mit der Erstellung eines zweiseitigen Ethikantrages lernten Studenten und Studentinnen ihr Forschungsdesign klar verständlich zu formulieren und den internationalen Standards von ethischer Forschung gerecht zu werden (Ethikanträge sind in meiner englischsprachigen Wissenschaftsarbeit Voraussetzung für empirische Arbeit, selbst im Rahmen von Lehre). Die Ethikanträge sind neben den Forschungswerkstätten das vielleicht innovativste Element dieses Projektes und dienten neben dem Kompetenzaufbau von Studierenden der Absicherung meinerseits, dass Studierende ihren Forschungsteilnehmern und -teilnehmerinnen, sich selbst und dem Ruf der Universität und dem Wissenschaftsfeld durch die empirischen Übungen nicht schadeten. Damit verbunden, ein paar Worte zur Beurteilungsmethoden innerhalb dieser LV.

 

Die Lern- und Leistungsfortschritte wurden anhand der folgenden Teilnotenbereiche überprüft und beurteilt: Seminararbeit (50%), Ethikantrag (inkl. Einverständniserklärung und Interviewleitfaden) (30%), Mitarbeit und Beteiligung an Forschungswerkstätten (20%). Ganz im Sinne von Transparenz und studierendenzentrierter Lehre wurde dies mit den Studierenden am ersten Tag der LV im Detail besprochen und diskutiert. Das gemeinsame Besprechen dieser Kriterien erhöhte die Handlungsfähigkeit und Mitgestaltung an der LV. Zudem wurde jeweils eine Stunde jedes Blockes dazu verwendet, den Aufbau, Inhalt und die Beurteilungskriterien des Ethikantrages (Block 1) und der Seminararbeit (Block 2) gemeinsam zu besprechen und anhand von Beispielen zu demonstrieren. Dazu brachte ich anonymisierte Seminararbeiten von vorherigen LV mit (ich erhielt dazu die Einwilligung der betreffenden Studenten und Studentinnen) und wir korrigierten diese gemeinsam, basierend auf den zuvor besprochenen Beurteilungskriterien. Die Studierenden fanden diese innovative didaktische Methode für Beurteilungstransparenz besonders hilfreich.

Die Studenten und Studentinnen dieser LV erhielten zusätzlich zu einer Note detailliertes Feedback zu ihrem Ethikantrag und später Seminararbeit. Die Seminararbeit baute zu großen Teilen auf dem Inhalt und Feedback des Ethikantrages auf (Forschungsdesign, Interviewleitfaden, Einverständniserklärung).

 

Diese drei Teilnotenbereiche begünstigen auch die Barrierefreiheit dieser LV. Denn neben der Vielfältigkeit an ganzheitlichen Lernmaterialien und Lernmethoden (z. Bsp.: Bilder, Fotos, Vortrag, Diskussion, Umsetzung des Lehrstoffes in empirischen Übungen) unterstützt die Verwendung von Teilnotenbereichen welche nicht nur auf die Schreibkompetenz, sondern ebenso auf Fleiß und Bemühen der Studierenden eingingen (z. Bsp. Mitarbeitsnote 20%) die Inklusion von verschiedenen Lerntypen und Begabungsschwerpunkten Studierender. Dies wirkte sich motivierend auf die Studenten und Studentinnen dieser LV aus. Ebenso wie auch die Seminararbeit. Denn mit der Seminararbeit, welche 50% der Gesamtnote ausmachte, konnten die Studierenden ihre Note durch das Anwenden des Ethikantrag-Feedbacks wesentlich verbessern.

 

Die Motivation der Studierenden wurde auch durch die Aufgabenstellung (empirische Übung) gefördert und erhalten. Studenten und Studentinnen standen vor der Herausforderung der (1) eigenen Umsetzung eines Forschungsprojektes mit einer (2) für die Studierenden neuen Datenerhebungs- und Analysemethode. Die (3) Realisierung von Verantwortung durch den LV-Schwerpunkt der Forschungsethik trug weiter zu der Motivation Studierender bei.

Die Studierenden standen jedoch nicht nur vor Herausforderungen, sondern auch Chancen, wie beispielsweise (4) einem eigenen Interesse wissenschaftlich nachzugehen zu können (die Wahl des Forschungsschwerpunktes stand den Studierenden frei), (5) zur Entwicklung eines methodologischen Feldes beizutragen, und (6) einen Vorsprung für ihre Masterarbeit zu erhalten (dem Piloting des potentiellen Masterarbeitsdesigns und Erhalten von detailliertem schriftlichen Feedback der LV-Leiterin). Ich bin der Ansicht, dass Relevanz, Sinn, Verantwortung und meisterbare Herausforderungen Studierende motivieren, was sich in der LV bestätigte.

 

Zu Motivationspunkt fünf (Beitrag zur Entwicklung eines methodologischen Feldes): Es handelt sich bei kreativen Interviewmethoden um ein sich momentan entwickelndes Feld. Dies ermöglicht Studierenden die theoretisch-methodische Reflexion des aktuellen Forschungsstandes und kreiert die einzigartige Chance, durch ihre empirischen Übungen an der Entwicklung dieses methodologischen Feldes teilzuhaben. Mit der Aufgabenstellung kreative teilstrukturierte Interviews empirisch umzusetzen, führten die Studierenden dieser Lehrveranstaltung alle innovative Forschung durch, welche sie nicht nur mit dem aktuellen Stand qualitativer Sozialforschung auseinandersetzen lässt, sondern sie direkt in ihr positioniert. Weiteres, da ich das Lehrveranstaltungsthema - kreative Interviewmethoden - momentan selbst empirisch umsetzte und theoretisch (weiter-)entwickle (Universität Cambridge) und ich Materialien dieser Forschung zur Einsicht und Besprechung mitnahm, erhielten die Studierenden wertvolle Einblicke in den aktuellen Forschungsstand und der Wissenschaftskultur außerhalb Österreichs. Die Spracherweiterung durch diese englischen LV-Inhalte und der Möglichkeit der Verfassung der Seminararbeit auf Englisch fördert zudem den Forschungskompetenzaufbau auf einer weiteren Ebene. Denn Englisch öffnet die Tür zu Studien, Netzwerkbildung und Austausch mit Akademikern und Akademikerinnen weltweit.

 

All diese Methoden gründen in meinem didaktischen Zugang. Meine Didaktik, wie auch das LV-Thema (qualitative Forschungsmethoden), ist von der Ontologie des (gemäßigten) Konstruktivismus geprägt. Die Forschungskompetenzentwicklung wird mit meiner konstruktivistischen Didaktik bei Studierenden angeregt, nicht nur vermittelt. Dies da ich der Ansicht bin, dass Lernprozesse von jedem Individuum selbst vollzogen werden. Lernen kann somit nur angeboten und nicht erzwungen werden. Diese innovative Sichtweise auf die Lehrende-Lernende-Beziehung vermindert das traditionelle Machtverhältnis (wie auch in qualitativer Forschung). Studierende werden durch die Chance, am Lehr- und Lernprozess aktiv teilzunehmen emanzipiert/befähigt und können im Dialog Wissen konstruieren (siehe Sozialer Interaktionismus). Dies führt zu den folgenden didaktischen Maßnahmen: kritische Auseinandersetzung (Diskussion) mit vorgestellten Theorien/Forschungsbeispielen und kollektives Lernen in Forschungswerkstätten. Die empirische Übung machte den Lerninhalt lebens- und berufsnah und den Lernprozess aktiv. Damit verbunden war die Verwendung von methodisch vielfältigen Lehr- und Lernmaterialien ein großes Anliegen.

 

Ganz im Sinne des LV-Schwerpunktes – kreative Interviewmethoden – ist auch meine Lehrveranstaltung vom ganzheitlichen Erleben des Lehrstoffes durch die Verwendung methodisch vielfältiger Lehr- und Lernmaterialien geprägt. Studierende erhielten wertvolle Einblicke in meine Forschung und den qualitativen Forschungsprozess durch das Mitbringen von Materialien zur Umsetzung der kreativen, qualitativen Methoden (z. Bsp.: meine verwendeten Ethikanträge, Einverständniserklärungen, Rekrutierungsflyer, Umgang und Kommunikation mit Forschungsteilnehmer und -teilnehmerinnen anhand anonymisierte Emails, Teilschritte innerhalb meiner qualitativen Datenanalyse, Publikationen wie beispielsweise veröffentlichte Forschungsberichte). Zudem konnten die Studierenden die kreativen Methoden selbst erfahren: Ich nahm eine Vielfalt an Süßigkeiten (inkl. Halāl-freundliche Varianten) und Fernsehserien-Intros aus den 1990er/2000er Jahren als Stimuli für eigene Kindheitserfahrungen mit (emotion und memory elicitation methods; sensory methodology); eine Auflockerung und großer Spaß für alle.

Abschließend trug die Verwendung von digitalen Medien zur Verdeutlichung der Lerninhalte bei.

Studierenden wurden Videos zur Umsetzung von Interviews, kreativen Methoden, sowie in der LV behandelten Theorien gezeigt, welche im Anschluss kritisch betrachtet und reflektiert wurden. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Informationen zum Inhalt und Aufbau des Seminares sowie Quellen und Theorien wurden mit vielen Bildern und Farben auf PowerPoint-Folien präsentiert. Die digitalen Medien unterstützten das freie Vortragen und Sprechen meinerseits als LV-Leiterin. Anschließend wurden die detaillierten PowerPoint-Folien und Videos den Studierenden auf OLAT zur Verfügung gestellt, welches ein eigenständiges Nacharbeiten und Auffrischen des LV-Inhaltes nach Abschluss der LV ermöglichte.

 

Zu guter Letzt lege ich großen Wert auf Gendersensibilität innerhalb meiner Lehre und somit auch diesem Projekt. Ich arbeite als LGBTQ+ Forscherin an der Universität Cambridge. Sprachsensibilität, Inklusion und Diversität sind wesentliche Bestandteile meiner Forschung und somit ein Anliegen, welches ich auch meinen Studierenden vermittle. Ich versuchte zu jeder Zeit ein Sprachvorbild für gendersensible Sprache zu sein (z. Bsp.: Verwendung von Plural (Studierende) oder das Nennen aller Geschlechtsformen (Forschungsteilnehmer und -teilnehmerinnen)). Schriftliche Materialien wie PowerPoint-Folien wendeten konsequent geschlechtssensible und inklusive Sprache an (z. Bsp: Vermeidung von heteronormativer Sprache). Weiteres war die Verwendung von gendersensibler, inklusiver Sprache ein Beurteilungskriterium für die Ethikanträge und Seminararbeiten. In den Feedbacks erhielten Studierende ein positives Kommentar, wenn sie dies umsetzten. Die Materialien und Beispiele meiner LGBTQ+ Forschung halfen zudem Geschlechtsstereotypen kritisch zu hinterfragen und Studierende in Bezug auf Diversität zu sensibilisieren, was sich in lebendigen Diskussionen in LV-Pausen manifestierte.

 

 

Nutzen und Mehrwert

Wie bereits oben detailliert beschrieben, bestand der Mehrwert dieses Projektes für Studierende in der Entwicklung von Forschungskompetenz auf verschiedensten Ebenen (z. Bsp.: die Durchführung von qualitativ hochwertiger und ethischer Forschungsarbeit, Kommunikation mit Kommilitonen und Kommilitoninnen, Spracherweiterung, Forschungsmethodenerweiterung durch innovative LV-Thematik, Auseinandersetzung mit und Positionierung innerhalb des aktuellen Forschungstandes). Zusätzlich erhielten die Studierenden einen Vorsprung für ihre Masterarbeit, indem sie ein Konzept empirisch erproben konnten (piloting) und detailliertes Feedback von mir und Mitstudierenden erhielten. Vieler der durch diese LV geförderten Kompetenzen, vor allem die im Sozial- und Kommunikationsbereich, sind fachübergreifend und bereicherten Studierende laut Feedbacks auch auf einer persönlichen Ebene.

 

Für mich als LV-Leiterin stellte das Konzept der Forschungswerkstätten eine Arbeitsentlastung (große Teilnehmer- und Teilnehmerinnenzahl) dar und erhöhte die Qualität der Begleitung, da die Unterstützung personalisiert werden konnte.

 

Zudem stellt dieses Projekt folgenden Mehrwert für Hochschulen dar: Die Einführung von Ethikanträgen vor der Umsetzung empirischer Sozialforschung (Methodenseminare, Abschlussarbeiten), ein Standard in englischsprachigen Universitäten, würde österreichische Universitäten in Bezug auf Qualität der Lehre und Forschung von anderen deutschsprachigen Universitäten/Ländern positiv unterscheiden. Es könnte eine Vorreiterrolle übernommen werden, ein Mehrwert, welcher durch meine LV und Netzwerkeinbettung in Institutionen wie der Universität Cambridge und Universität Oxford angeregt wurde.

Nachhaltigkeit

Das (1) Mitbringen von Forschungsmaterialien für Einblicke in den Forschungsalltag und jeweiligen Forschungsbereich, (2) die Begleitung von empirischer Arbeit in Forschungswerkstätten, (3) das Teilen der anhand von Beispielen besprochenen Beurteilungskriterien für maximale Transparenz, (4) schriftliches Feedback zu Seminararbeiten, sowie (5) die Einführung eines Ethikantrages, um die Gefährdung von Forschungsteilnehmer und -teilnehmerinnen sowie Studierenden zu vermindern und den Ruf der Universität zu schützen, kann mit Leichtigkeit auf andere LV, vor allem Forschungsmethodenseminare, übertragen werden.

 

Das Blockseminarformat und die erhöhte individuelle Begleitung und der Austausch Studierender in Forschungswerkstätten birgt weiteres großes Übertragbarkeitspotential für den Online-Lehre-Modus, besonders während der Corona Pandemie in welcher sich viele Studierende nach erhöhtem sozialem Austausch, Unterstützung und Begleitung sehnen. Studenten und Studentinnen mit Pflege- und Erziehungsverantwortungen während des Lockdowns könnten zudem durch das hier vorgestellte LV-Format entlastet werden, indem ein Kinder- bzw. Pflegebetreuungsersatz leichter für wenige einzelne Tage (Blöcke) als häufig stattfindende Zeiten zu organisieren und auch sicherer ist. Abschließend lässt sich die große Flexibilität für Studierende innerhalb dieses LV-Formates besser mit zusätzlichen Verantwortungen verbinden, welches die Barrierefreiheit, Studierendenzentrierung und Studierbarkeit erhöht. Gleichzeitig können Lehrende durch die Verwendung von Forschungswerkstätten entlastet werden, indem dieses Format die Betreuung außerhalb der LV-Zeiten minimiert (viele erst durch die empirische Planung aufkommende und ansonsten durch Emails nachträglich gestellte Fragen werden so bereits in den Forschungswerkstätten beantwortet).

 

Die Verwendung von Ethikanträgen als Qualitätskontrolle und Schadensvermeidung bei empirischen Übungen ist in Corona-Zeiten wichtiger denn je, insbesondere wenn die empirischen Übungen online durchgeführt werden (z. Bsp.: Zoom oder Email Interviews). Dies, da der Onlinemodus zusätzliche Herausforderungen an Forschungsethik stellt, besonders in Bereichen wie der Gestaltung eines freundlichen und sicheren Interviewsettings, der Forschungsteilnehmer und -teilnehmerinnen Beziehung und der Datensicherheit.

Aufwand

Die Hinzufügung eines Ethikantrages als Teilbereich der Gesamtnote (30%) ist eine innovative Form der Prüfungsgestaltung in einem Forschungsmethodenseminar. Trotz des Mehraufwandes von Seiten der Studierenden und insbesondere der LV-Leiterin (60 Ethikanträge mussten in 3 Wochen detailliert kommentiert werden), war diese Ergänzung von großer Bedeutung, um sicherstellen zu können, dass die empirischen Übungen gut vorbereitet und ethisch umgesetzt wurden und die Studierenden damit nicht andere (Forschungsteilnehmer und -teilnehmerinnen), sich selbst und den Ruf der Universität gefährdeten. Zudem ermöglichte der Ethikantrag einen großen Vorsprung für die Seminararbeiten, welche 50% der Gesamtnote ausmachten, doch zu etwa 80% aus dem Ethikantrag und dessen Feedback bestand.

 

Die Lehrveranstaltung fand im Wintersemester 2019/2020 statt. Die Lehre an sich fand über zwei Wochenendblöcke statt, welche ein Monat auseinander lagen, um Studenten und Studentinnen genügen Zeit zur empirischen Umsetzung zu ermöglichen.

Positionierung des Lehrangebots

Dieses Projekt fand im Rahmen des Masterstudiums Erziehungs- und Bildungswissenschaft an der Universität Innsbruck statt. Die Lehrveranstaltung (LV) ist Teil des im ersten Semester zu belegenden Pflichtmoduls „Methodologie & Forschungsmethoden der Erziehungs- und Bildungswissenschaft“. Der Methodenfokus (in diesem Fall: kreative qualitative Interviewmethoden) und LV Aufbau obliegt jedoch den LV Leitern und Leiterinnen. Somit handelt es sich bei der hier vorgestellten LV um ein einzigartig konzipiertes und umgesetztes Projekt.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2021 nominiert.
Ars Docendi
2021
Kategorie: Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit
Ansprechperson
Elisabeth Sandler, MPhil MSc
Universität Innsbruck, Fakultät für Bildungswissenschaften
0512 507 40071
Nominierte Person(en)
Elisabeth Sandler, MPhil MSc
Universität Innsbruck, Fakultät für Bildungswissenschaften
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Rund ums Prüfen
  • Erfahrungslernen
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften