Fachhochschule Kärnten gemeinnützige Gesellschaft mbH
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Just work it - Praktische Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege neu gedacht

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

"Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können." (J.W. von Goethe)

 

Von Absolvent/inn/en des Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege wird erwartet, dass sie nach Ende ihres Studiums in unterschiedlichen Bereichen selbstständig arbeiten können. Rückmeldungen aus der Praxis zeigen, dass Berufseinsteiger/inn/en Schwierigkeiten haben, das volle Spektrum der Aufgaben des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zu übernehmen. Dies, obwohl ein Großteil der Ausbildung (2160 Stunden/ 86,4 ECTS) in der Praxis stattfindet. Im Rahmen der praktischen Ausbildung wird ihnen zu selten die Gelegenheit gegeben, den vollen Umfang an Tätigkeiten einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson (DGKP) kennenzulernen. Häufig bekommen die Studierenden einzelne, isolierte Tätigkeiten übertragen. Nur selten wird es ihnen ermöglicht, die gesamten Aufgaben, und damit auch die Verantwortung einer DGKP der jeweiligen Abteilung, zu übernehmen. Auch Studien weisen darauf hin, dass der Übergang von Auszubildenden hin zu Berufsanfänger/inn/en als stressbehaftet wahrgenommen wird und sie sich nicht ausreichend auf ihre zukünftige Rolle als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson und die damit verbundenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten vorbereitet fühlen (Anderson & Edberg, 2012; Higgins, Spencer & Kane, 2010). Es ist also notwendig, bereits im Rahmen des Studiums Lernsituationen zu schaffen, in welchen durch spezielle Lernsettings berufsspezifische Fähigkeiten, Kompetenzen, Einstellungen und Strategien entwickelt werden können, um den komplexen Anforderungen im späteren Berufsleben gerecht zu werden.

Mit diesem Hintergrund und um unseren Studierenden den Übertritt in die Praxis zu erleichtern, entstand im Jahr 2018 die Idee der Lernstation. Damit wird bereits in der Ausbildung ein Setting geschaffen, welches es den Studierenden ermöglicht, die Herausforderungen und den Alltag einer Pflegeperson in seiner Gesamtheit kennenzulernen und, in einem geschützten Rahmen mit Begleitung, zu bewältigen. Ziel der Lernstation ist es, Studierenden des 6. Semesters, für die Dauer eines Berufspraktikums, die Möglichkeit zu geben, ihr erworbenes Wissen, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen so realitätsnahe wie möglich anzuwenden. Begleitet werden die Studierenden dabei von Lehrenden aus dem Studium (Grundprofession DGKP) und Praxisanleiter/inn/en des Krankenhauses. International gesehen, sind „Lernstationen“ nichts Neues. So zeigen Dyar et. al (2019) auf, dass die Lernumgebung einen wesentlichen Einfluss auf den Lernfortschritt hat und „Lernstationen“ oder „student wards“ die Kompetenzentwicklung von Studierenden fördern, indem sie Aufgaben aktiv durchführen sowie Verantwortung für die Patient/inn/en und für ihr eigenes Lernen übernehmen. Unterstützt wird die Kompetenzentwicklung zusätzlich durch das gemeinsame Lernen im Team, den interdisziplinären Austausch und die begleitende Supervision. Dadurch wird den Studierenden die Möglichkeit geboten, alle Kompetenzen, die in der österreichischen Fachhochschul-Gesundheits- und Krankenpflege Ausbildungsverordnung (FHGuK- AV BGBl. II Nr.200/2008, Anlage 1-3) abgebildet werden, in der Praxis umzusetzen.

 

Die Literatur ist bei den Autorinnen am Studiengang für Gesundheits- und Krankenpflege der Fachhochschule Kärnten einsehbar.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Die Studierenden des Bachelorstudiums „Gesundheits- und Krankenpflege“ erhalten mit ihrem Abschluss die Berufsbefähigung eigenverantwortlich an Patient/inn/en tätig zu werden. Dies erfordert unter anderem die Fähigkeit zur Bewältigung schwieriger fachlicher und zwischenmenschlicher Situationen, Kenntnisse aus der Betriebswirtschaft und Organisationslehre aber auch die Übernahme von Verantwortung und das eigenständige Treffen von Entscheidungen sowie das Vertreten dieser nach außen. Zusammengefasst werden diese Kompetenzen in der FH GuK- AV, in die Fach- und Selbstkompetenz sowie die sozialkommunikative und wissenschaftliche Kompetenz. Häufig ist es den Studierenden in den einzelnen Praktika nicht möglich, ihre gesamten Fähigkeiten zu zeigen und alle erworbenen Kompetenzen einzubringen. Die „Lernstation“ ist eine Station, auf der Auszubildende der Gesundheits- und Krankenpflege, für die Dauer eines Berufspraktikums mit 170 Stunden für die Organisation, Betreuung und Pflege von Patient/inn/en verantwortlich sind. Das Ziel dabei ist, dass sie pflegerische Tätigkeiten direkt im Krankenhausalltag praxisbezogen und prozessbegleitend durchführen können. Im Sinne eines studierendenzentrierten und kompetenzorientierten Ansatzes übernehmen die Student/inn/en aktiv die Gesamtverantwortung für die Teamarbeit, die Versorgung der Patient/inn/en und den Stationsalltag. Dabei werden sie von Lehrenden und Praxisanleiter/inn/en begleitet, die sich bewusst im Hintergrund halten.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

With their graduation, students of the bachelor's program "Health Care and Nursing" receive the professional qualification - after registration - to work independently on patients. This requires, among other things, the ability to cope with difficult professional and interpersonal situations, knowledge of business administration and organizational theory, but also the assumption of responsibility and the independent making of decisions as well as the representation of these externally. These competences are summarized in the FHGuK- AV as professional competence, the social-communicative competence, self-competence and the scientific competence.

Often it is not possible for the students to show all their skills and to bring in all acquired competences in their internships. The " dedicated education unit” as it is planned in the project is a ward where trainees of health care and nursing are responsible for the organization, care and nursing of patients themselves for the duration of a professional internship with 170 hours. The aim is to enable trainees to carry out nursing activities directly in the hospital environment in a practical and process-oriented manner. In the sense of a student-centered approach, the students actively assume overall responsibility for teamwork, patient care and the functioning of the ward. During their performance, they are accompanied by nursing educators and practical instructors who deliberately remain in the background.

Nähere Beschreibung des Projekts

Die steigende Komplexität im Gesundheitswesen und die damit einhergehenden Anforderungen an das Gesundheitspersonal erfordern ein erhöhtes Maß an Kompetenz aller Pflegepersonen, um in kritischen Situationen Entscheidungen treffen zu können. Die erforderlichen Kompetenzen für den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege finden sich in der FHGuK- AV. Im Rahmen von theoretischen Lehrveranstaltungen an der Fachhochschule und unterschiedlichen Praktika sollen die Studierenden diese Kompetenzen erwerben. Häufig fühlen sich Absolvent/inn/en zum Berufseintritt allerdings überfordert. Der Übergang zur Rolle der DGKP geht mit Stress und Überlastung einher (Anderson & Edberg, 2012; Higgins, Spencer & Kane, 2010). Es ist erforderlich, Lernsituationen und -settings zu schaffen, um den Studierenden und zukünftigen Kolleg/inn/en diesen Übertritt zu erleichtern.

Das Praktikum auf der Lernstation bietet Studierenden des 6. Semesters die Möglichkeit, die Rolle der DGKP mit der miteinhergehenden Gesamtverantwortung, in einem geschützten Rahmen und durch Praxisanleiter/inn/en und Lehrende begleitet, gezielt zu übernehmen. Da es nicht möglich war, das Praktikum allen Studierenden anzubieten wurde dem Jahrgang 2018 die Möglichkeit geboten, sich für dieses freiwillig zu bewerben. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich mehr als die Hälfte des Jahrgangs (insg. 32 Student/inn/en) für das Praktikum beworben, die Auswahl der Teilnehmer/inn/en erfolgte nach dem „first-come, first-serve“ Prinzip. Insgesamt absolvieren 15 Student/inn/en ihr Praktikum auf der Lernstation.

 

Vorbereitung:

Gemeinsam mit Mitarbeiter/inn/en und Praxisanleiter/inn/en des Krankenhauses, welches als Kooperationspartner gewonnen wurde, wurde 2019 ein Projektteam gegründet. Unterstützt wird dieses durch zwei Studierende die das Praktikum im 6. Semester auf der Lernstation absolvieren. Damit konnten bereits in der Vorbereitung die unterschiedlichen Bedürfnisse und Sichtweisen berücksichtigt werden mit dem Ziel, die Studierenden bestmöglich miteinzubeziehen, um letztendlich eine erfolgreiche Umsetzung gewährleisten zu können.

 

Konkreter Aufbau des Praktikums:

Als Projektstation wurde die Station für Akutgeriatrie und Remobilisation (AG/R) gewählt, mit einer Bettenanzahl von 26. Der Stationsalltag wird durch die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen geprägt und gibt den Studierenden zusätzlich die Möglichkeit, ihre Rolle als DGKP im intra- und interprofessionellen Team wahrzunehmen.

Der Einsatz der Studierenden auf der Lernstation wurde bewusst auf das Ende des Studiums gelegt, da die theoretischen Inhalte bereits vermittelt sowie die erforderlichen praktischen Fähigkeiten erlernt wurden.

 

Das Praktikum ist in 3 Teile gegliedert:

Teil 1: Vorbereitungsphase (Dauer 40 Stunden)

Ziel dieser Woche ist es, die teilnehmenden Studierenden auf das Praktikum auf der Lernstation gut vorzubereiten. Unter Rücksichtnahme auf die Wünsche und Bedürfnisse der Studierenden sowie der AG/R wurden die Inhalte festgelegt. Der Ablauf wurde durch die Studierenden in Form von unterschiedlichen Workshops geplant, in welchen sie jeweils fachspezifische Inputs von Expert/inn/en aus der Praxis erhalten und danach die theoretischen Inhalte selbstständig umsetzen müssen. Als Beispiel kann hier die Pflegedokumentation/Pflegeplanung oder die Hygiene angeführt werden. Im Laufe der Woche ist für die Studierenden Zeit und Raum am Simulator praktische Fertigkeiten im Sinne des Peer Tutoring durchzuführen. Täglich ist eine Ansprechperson der Praxisanleiter/inn/en und Lehrenden definiert, die für Fragen zur Verfügung steht. Am Ende der Woche findet eine „Sprechstunde“ statt, in welcher offene Fragen und Unsicherheiten abschließend geklärt werden können.

 

Teil 2: „going live“ Phase (Dauer 120 Stunden)

Hier übernehmen die Student/inn/en aktiv, für die Dauer von drei Wochen, 24 Stunden täglich, die Rolle der verantwortlichen DGKP im Stationsalltag. Unterstützung im Tagesablauf erhalten die Student/inn/en durch die anwesende Stationsleitung sowie die Pflegeassistent/inn/en der Station, die regulär ihren Dienst verrichten. Neben der Rolle der Bereichsverantwortlichen DGKP haben die Studierenden von Montag bis Freitag einen „Recherchedienst“ und eine „Teamleitung“ aus ihren Reihen zu besetzen. Aufgabe des Recherchedienstes ist es, stationsspezifische Fragestellungen mit dem aktuellen Wissensstand zu beantworten. Dies zeigt den Studierenden sowie der Station eine Möglichkeit auf, Theorie in die gelebte Praxis zu bringen und unterstützt den Theorie-Praxis-Transfer. Hieraus ergeben sich positive Effekte sowohl für die Studierenden als auch für die Station und das Krankenhaus indem aufgezeigt wird, welchen Einfluss die Pflegewissenschaft auf die Praxis und umgekehrt hat. Die Aufgaben der Teamleitung orientieren sich an denen der Stationsleitung. Damit wird den Studierenden die Möglichkeit geboten, Führungs- und Organisationsaufgaben näher kennenzulernen und ihre Kompetenzen in diesem Bereich zu stärken.

Über die gesamte Dauer dieser Phase werden die Studierenden von speziell geschulten Praxisanleiter/inn/en begleitet. Diese sind ebenfalls 24/7 vor Ort und unterstützen die Studierenden, wenn es erforderlich ist und gewährleisten die Patient/inn/ensicherheit. Regelmäßige Reflexionen mit Lehrenden der Fachhochschule ermöglichen gezieltes Feedback und erhöhen den individuellen Lernfortschritt. Die Reflexionen erfolgen regelmäßig als vorab geplante Einzel- beziehungsweise zweimal wöchentlich als Gruppenreflexion.

 

Teil 3: Reflexion (10 Stunden)

Den Abschluss des Praktikums bildet ein Reflexionsworkshop, an dem die Studierenden sowie die beteiligten Lehrenden der Fachhochschule teilnehmen. Ziel des Workshops ist es, den individuellen Lernfortschritt der Studierenden festzumachen und den Kompetenzerwerb zu messen. Dies erfolgt mittels Selbsteinschätzung mit der NPC ® (Nurse Professional Competence) Scala (Kellerer et al., 2019).

 

Die Beurteilung wurde im Projektteam besprochen und es wurde entschieden die Gesamtperformance des Studierendenteams mittels Gruppenbeurteilung zu bewerten. Dies führt zu einer Steigerung der Selbstkompetenz da die Studierenden gefordert sind, ihre fachlichen und persönlichen Möglichkeiten und Grenzen zu erkennen, die eigene Rolle im Berufsfeld zu finden sowie durch kollegiales Feedback und Austausch im Team zur Weiterentwicklung der Profession beizutragen.

 

Interdisziplinärer Ansatz

Wie bereits vorgestellt, geht es darum, den Studierenden die Realität und die Verantwortung des Berufes zu zeigen und sie auf dessen Übernahme vorzubereiten. Dadurch, dass sich die Versorgung der Patient/inn/en im Krankenhaus nur durch eine gelingende interdisziplinäre Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gesundheitsberufe gewährleisten lässt, ist es für die Teilnehmer/inn/en von wesentlicher Bedeutung, diese im Stationsalltag durchzuführen. Die tägliche Zusammenarbeit mit den Ärzt/inn/en und Therapeut/inn/en steht auf der Akutgeriatrie und Remobilisation und damit auf der Lernstation im Vordergrund. Da sich die Interdisziplinarität nicht nur auf den Stationsalltag beschränkt, sondern auch innerhalb einer Krankenanstalt ein kontinuierlicher Austausch mit anderen Berufsgruppen sichergestellt werden muss, ist es notwendig diesen fachlichen Diskurs in die Ausbildung zu integrieren. Hierzu zählen u.a. der Reinigungsdienst, die hauseigene Apotheke und die dort arbeitenden Pharmazeut/inn/en, die Sozialarbeiter/inn/en aber auch die IT Abteilung oder Personalabteilung und Sekretariate. Da jede Woche ein/e Student/in die Teamleitung übernimmt, ist auch die Teilnahme an Stationsleitungssitzungen zu erwähnen sowie die 2x wöchentlich stattfindende interdisziplinäre Besprechung des Teams der AG/R. Dies ermöglicht den Studierenden, Arbeitsabläufe und Prozesse an den gegebenen Nahtstellen der jeweiligen Versorgungs- und Funktionsbereiche kennenzulernen sowie die Rolle der DGKP im multiprofessionellen Team wahrzunehmen um die Versorgungsqualität für die Patient/inn/en aufrechtzuerhalten.

Zukünftig wäre es denkbar andere Gesundheitsberufe wie z.B. Physiotherapie oder Ergotherapie in diese Lernform miteinzubeziehen.

 

Didaktischer Zugang

Das Studium der Gesundheits- und Krankenpflege zielt mit der Lernstation darauf ab, Studierende zu unterstützen, selbstständige, handlungsfähige und kritisch reflektierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen zu werden. Die didaktischen Überlegungen und Hintergründe zum Kompetenzerwerb im Rahmen der Lernstation bilden der Konstruktivismus und der Konnektivismus. Dyar et. al (2019) zeigen in ihrer Studie bereits auf, dass gemeinsames Lernen unter Gleichaltrigen, das Lernen im aktiven Handeln und das Lernen im interdisziplinären Setting von wesentlicher Bedeutung sind. Die Hervorhebung der Wichtigkeit der Supervision für den Lernerfolg der Studierenden in den Studienergebnissen führte zu dem Entschluss die Reflexion als fixen Punkt im Tagesablauf auf der Lernstation zu integrieren. Durch gezielte Reflexionsmöglichkeiten kommt es zu einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln. Dabei werden das eigene implizite Wissen und die eigene Praxis kritisch hinterfragt. Ziel ist dabei nicht, eine eindeutige Lösung für ein bestimmtes Problem zu finden, sondern verschiedene Perspektiven auf das Problem zu erhalten (Roters, 2012; Dyar et. al., 2019). Somit wird es den Teilnehmer/inn/en ermöglicht, ihren individuellen Kompetenzaufbau zu steuern. Die Unterstützung und Begleitung durch Lehrende sowie Praxisanleiter/inn/en ist ein wesentliches Element der Lernstation und dient als „Sicherheitsnetz“ für die Studierenden sowie Patient/inn/en. Während die Hauptaufgabe der Lehrenden im Rahmen der Umsetzung die Einzel- und Gruppenreflexion ist, übernehmen die Praxisanleiter/inn/en die fachliche Begleitung und sind Ansprechpartner/inn/en für Fragen die sich auf Organisation und fachliche Expertise beziehen. Um den erwarteten Kompetenzzuwachs auf der Lernstation sichtbar zu machen, wird eine Selbsteinschätzung der pflegerischen Kompetenz vor und nach dem Praktikum durchgeführt. Als Instrument wird dafür die für Österreich übersetzte NPC® Skala (Kellerer et al., 2019) verwendet. Die NPC® Skala bildet alle in der FHGuK AV beinhalteten Kompetenzklassen ab und eignet sich daher für die Evaluierung des Kompetenzerwerbs im Rahmen der Lernstation. Als Kontrollgruppe dient die restliche Kohorte des Jahrgangs 2018, welche die Einschätzung mittels der NPC® Skala ebenfalls vor und nach ihrem Praktikum durchführen.

Die Lernstation in dieser Form ist ein Lehrkonzept, dass in Kärnten erstmalig umgesetzt wurde. Von wesentlicher Bedeutung ist die fächerübergreifende Kompetenzentwicklung der Studierenden. Die Fachhochschule Kärnten schafft es durch dieses Praktikum in Kooperation mit unserem Partnerkrankenhaus, der „praxisnahen Lehre“ gerecht zu werden und trägt somit wesentlichen dazu bei, den Absolvent/inn/en der Gesundheits- und Krankenpflege den Berufseinstieg zu erleichtern und Sicherheit in ihrem „Tun“ zu erlangen.

 

Einbettung des Projekts in den Bologna Prozess

Der Bologna Prozess unterstützt das Lernen, ein „Leben lang“ und fordert somit von Lehrenden die stetige Weiterentwicklung und Umsetzung von Lehr- und Lernprozessen, die diesen Lernzuwachs unterstützen. In Skandinavien oder den USA ist die akademische Ausbildung von Pflegepersonen bereits seit Jahrzehnten Tradition. Die Tätigkeitsbereiche der professionell Pflegenden sind international gesehen sehr viel umfassender als derzeit in Österreich vorgesehen, Best Practice Beispiele für die zukünftigen Pflegepersonen können hier abgeleitet werden. Die tertiäre Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege an Fachhochschulen bietet der Pflege in Österreich die Chance zur Weiterentwicklung und zu einer Ausdehnung der Tätigkeitsbereiche für professionell Pflegende. Um in Österreich diese pflegerische Versorgung anbieten und garantieren zu können, benötigt es eine entsprechende akademische Ausbildung, von der generalistischen Berufsausbildung mit Bachelorabschluss über unterschiedliche Masterstudiengänge bis hin zum Doktorat. Die akademische Ausbildung ermöglicht es den Pflegenden das Kompetenzspektrum des pflegerischen Tuns und den Wirkungsgrad der Pflege zu erhöhen (Dieplinger, Nestler & Osterbrink, 2018). Neben der Anpassung der theoretischen Ausbildung benötigt es aber auch eine Veränderung der klinischen/praktischen Lernumgebung. Sieht man sich internationale Studienergebnisse und Untersuchungen zur Kompetenzentwicklung an, zeigt sich einheitlich, dass die Schaffung von speziellen Lernsetting wie dem der Lernstation geschaffen werden müssen, um den Kompetenzzuwachs der Studierenden zu unterstützen. Damit wird der stressbehaftete Übergang ins Berufsleben erleichtert und Sicherheit für die Ausübung des Berufes gegeben (Manninen et al., 2013, Nash et al., 2008; Dyar et.al. 2019).

 

Die Literatur ist bei den Autorinnen an der Fachhochschule Kärnten einsehbar.

Nutzen und Mehrwert

Die Studierenden haben durch die Lernstation die Möglichkeit, das volle Aufgabenspektrum der Gesundheits- und Krankenpflege im stationären Akutsetting kennenzulernen und umzusetzen. Das Besondere ist, der sichere Rahmen, in welchem die Studierenden die komplexen, berufsspezifischen Anforderungen selbstständig bewältigen. Neben der fachlichen Weiterentwicklung liegt der Fokus auf der Performance im interprofessionellen sowie innerstudentischen Team. Durch die geplanten Reflexionen wird die Transition zur DGKP wesentlich unterstützt und führt zu einem stressfreieren Einstieg ins Berufsleben.

 

Der Nutzen für die Hochschule ergibt sich aus der Kooperation mit dem örtlichen Krankenhaus um die Vernetzung mit den regionalen Partnern zu forcieren. Das Anbieten eines Praktikums auf einer „Lernstation“ bedeutet einen zusätzlichen Attraktivitätsgewinn für den Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege an der Fachhochschule Kärnten. Es ermöglicht neue Zugänge zum reflektierten, lösungsorientierten und selbstgesteuerten Lernen. Die Möglichkeit der Kollaboration von allen Gesundheitsberufen in der Lernstation führt bereits in der Ausbildung zu einem besserem Verständnis unter den Berufsgruppen und fördert somit die Zusammenarbeit in der Praxis wesentlich. Ein weiterer Mehrwert des Projekts zeigt sich durch die intensivierte Zusammenarbeit von theoretischer und praktischer Ausbildungsstätte. Da ein Großteil der Ausbildung in der Praxis erfolgt ist diese Vernetzung von enormer Bedeutung.

 

Für die Krankenanstalt ergibt sich ein Mehrwert dadurch, dass durch die Lernstation, die Wissenschaft Einzug in die gelebte Praxis hält. Der erhöhte Austausch mit den Lehrpersonal der Fachhochschule bringt auch dem Krankenhaus Vorteile im Theorie-Praxis-Transfer indem vor allem die Kommunikation zwischen den Ausbildungsstätten forciert wird. Ein weiterer Pluspunkt in der derzeitigen Personalsituation ist die Attraktivität als innovativer und fortschrittlicher Arbeitgeber für die Absolvent/inn/en.

 

Durch die erhöhte Tagespräsenz der Studierenden und die gezielte Aufgabe, regelmäßige Mikroschulungen durchzuführen ergibt sich auch für die Patient/inn/en ein Mehrwert, der langanhaltend sein soll und von dem die Patient/inn/en auch nach der Entlassung nach Hause noch profitieren. Durch die Mikroschulungen lernen Patient/inn/en mit ihren individuellen Herausforderungen im Alltag umzugehen. Als Beispiel kann hier die selbstständige Durchführung der subkutan Injektion nach operativen Eingriffen oder Maßnahmen zur Dehydratationsprophylaxe genannt werden.

Nachhaltigkeit

Das Praktikum auf der Lernstation erfolgt im März 2021, bei erfolgreicher Umsetzung wäre es anzudenken, diese Form des Praktikums in den Regelbetrieb der Fachhochschule Kärnten über zu führen. Wünschenswert wäre eine Verankerung im Curriculum des Studiengangs Gesundheits- und Krankenpflege um den Studierenden die einmalige Gelegenheit zu bieten, ihre spätere Berufsrolle bereits in der Ausbildung vollständig wahrnehmen zu können. Die Lernstation kann als Vorzeigeprojekt für andere Gesundheitsberufe dienen. Hier sollten die gemeinsamen Grundlagen für die Zusammenarbeit in der Praxis geschaffen werden, um ein besseres Verständnis für andere Gesundheitsberufe bereits in der Ausbildung zu schaffen.

Interdisziplinäres Arbeiten ist ein wesentlicher Grundstein für die Patient/inn/enversorgung und führt zur Steigerung der Patient/inn/enzufriedenheit sowie der Mitarbeiter/inn/enzufriedenheit. Vorstellbar wäre eine Lernstation mit allen Studierenden der Gesundheitsberufe und Auszubildenden der Pflegeassistenz sowie Pflegefachassistenz. Auf dieser Grundlage wäre es bereits in der Ausbildung möglich sich mit Kolleg/inn/en anderer Berufsgruppen auszutauschen und deren Tätigkeitsbereiche kennen zu lernen.

Aufwand

Unter anderem wurde die Durchführung und Vorbereitung des Praktikums auf der Lernstation durch die Mittel für Innovationsprojekte aus der Lehr- und Lernprojektförderung (jährliche Ausschreibung der FH Kärnten mit dem Ziel, qualitätsvolle Lehre am Puls der Zeit zu fördern) ermöglicht. Der Großteil des Projektbudgets wurde für FH- interne Personalkosten (HBL und Studentische Mitarbeiter/inn/en) aufgewendet.

Der große Vorbereitungsaufwand und die Marketingarbeiten erforderten zusätzlich ein hohes Maß an Eigeninitiative, Engagement und Zeitressourcen der hauptverantwortlich Lehrenden.

Positionierung des Lehrangebots

Das Lehrangebot richtet sich an Studierende des Bachelorstudienganges "Gesundheits- und Krankenpflege" des 6. Semesters. Den Studierenden wird die Möglichkeit geboten im Rahmen ihres Berufspraktikums 5 (20,5 ECTS), Modul 24, den ersten Block (170 Stunden, 6,8 ECTS) von insgesamt drei Blöcken, auf der Lernstation zu absolvieren.

Links zum Projekt
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2021 nominiert.
Ars Docendi
2021
Kategorie: Kooperative Lehr- und Arbeitsformen
Ansprechperson
Kathrin Radl, BA, MEd
Studienbereich Gesundheit und Soziales, Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege
0590500-3407
Nominierte Person(en)
Kathrin Radl, BA, MEd
Studienbereich Gesundheit und Soziales, Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege
Isabella Wilhelmer, BA, MEd
Studienbereich Gesundheit und Soziales, Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege
Themenfelder
  • Erfahrungslernen
  • Prozess der Curriculagestaltung
  • Curriculagestaltung
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften