Jam In Class

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ziel des Projektes ist, dass Studierenden sich berufsfeldbezogene Kompetenzen für das Anleiten von musikalischen Gestaltungsprozessen mit heterogenen Gruppen im Unterricht aneignen und dabei einen individuellen Stil entwickeln.

Ausgangspunkt für die Entwicklung des Lehrveranstaltungskonzeptes ist die Rückmeldung aus der Schulpraxis zur Neubewertung der Bedeutung des Musizierens mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufen 1 und 2 in den Lehrplänen der letzten Jahre und die daraus resultierenden erweiterten Kompetenzen zur Anleitung von künstlerischen Gruppenprozessen.

Um jene Fertigkeiten zu trainieren und das fachdidaktische Spektrum zu erweitern, bildet die Idee eines Kooperationsprojekts mit einer außerschulischen Institution einen wesentlichen Bestandteil der Lehrveranstaltung. Der Unterschied zwischen dem freiwilligen Musizieren innerhalb von informeller Lernsettings und dem angeleiteten Musizieren im System einer Schule wird durch die Durchführung einer Jam Session erfahrbar gemacht. Die Jam Session schafft einen informellen Zugang zur Musik und führt zu einer voraussetzungsfreien Partizipation an musikalischen Prozessen. Die daraus gewonnenen Erfahrungen erweitern den Blick auf die traditionellen Formen des Klassenmusizierens.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Das niederschwellige Musizieren mit Gruppen ist ein wichtiger Bestandteil eines zeitgemäßen Musikunterrichts. Die Didaktik des Klassenmusizierens bildet den Inhalt der Lehrveranstaltungen „Musizieren in der Klasse 1“ und Musizieren in der Klasse 2“ und stellt den Studierenden Methoden als auch Modelle zur Anleitung von künstlerischen Gruppenprozessen für den Unterricht vor. Neben den traditionellen angeleiteten Formen des Klassenmusizierens werden jene Musizierformen, die von einer prinzipiellen Freiwilligkeit ausgehen, initiiert und so die methodisch-didaktische Vielfalt der Anleitungsformen für Gruppenprozesse erweitert. In Kooperation mit dem Zentrum für Jugendarbeit „z6“ in Innsbruck wird eine gemeinsame Jam Session mit den Jugendlichen mit (und ohne) Migrationshintergrund und den Studierenden des Departments Musikpädagogik initiiert. Die Studierenden werden mit Hilfe der in der Lehrveranstaltung vorgestellten Methoden der Praxisforschung zur forschenden Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Praxis angeleitet.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Making music on a low-threshold level with groups is an important part of music lessons today. The didactics of making music in the classroom forms the main topic of the course “Music-making in the classroom 01 and 02” and offers methods as well as models for instructing artistic processes with groups in schools. Besides the traditional forms of instructing a group process the focus is also geared to forms of music making which are based on a voluntariness of the participants to illustrate a wide range of possibilities for guiding group processes. Together with the Zentrum für Jugendarbeit “Z6” the department of music education Innsbruck organizes a Jam Sessions with students and juvenile migrants. The methods of action research will help the students to explore and analyze the processes of music making.

Nähere Beschreibung des Projekts

Das Musizieren im Unterricht mit Schülerinnen und Schüler ist ein zentraler Bestandteil des Musikunterrichts und erfährt durch die Entwicklung der Lehrpläne der letzten Jahre eine zusätzliche Aufwertung. In der Lehrveranstaltung „Musizieren in der Klasse“ wird dieser Aspekt besonders hervorgehoben. Für die Entwicklung des Konzeptes wurden auf die Prinzipien der „Community Music“ (vgl. Hill, de Banffy-Hall, 2017) und des „Klassenmusizierens“ (Jank, 2013) zurückgegriffen und bilden den Rahmen für die – im Curriculum des Faches Lehramt Musik kaum bis gar nicht vertretenen – Themen „Improvisation“ und „Rap- bzw. Sprechgesang“ als inhaltliche Schwerpunktsetzung.

Die Kooperation mit dem Zentrum für Jugendarbeit Z6 in Innsbruck bildet das Kernstück der Lehrveranstaltungskonzeption. Das Z6 arbeitet mit Jugendlichen ab 12 bis 21 Jahren und steht diesen jungen Menschen als Freizeitort sowie auch als Beratungsort zur Verfügung. Mit den z6 Kulturproduktionen können gezielt verunsicherte Jugendliche erreicht werden, die aufgrund schwieriger Erfahrungen und problematischer Biografien, ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft keinen oder einen erschwerten Zugang zur Gesellschaft finden. Ein erprobter Arbeitsansatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des z6 mit den Jugendlichen ist der niederschwellige und freiwillige Zugang zu verschiedenen Workshop-Angeboten. (vgl. Tätigkeitsbericht z6, 2018) Einer dieser Angebote hat die gemeinsame Jam Session mit den Studierenden der Lehrveranstaltung als Ziel. In dem Kooperationsprojekt „Rhythm:Poetry“ mit dem Mozarteum Universität Salzburg Department Musikpädagogik Innsbruck wird der Schwerpunkt auf die Kultur des Hip Hop und des Rap– bzw. Sprechgesangs gelegt.

 

1 Phase

In der ersten Phase erhalten die Studierenden Einblick in die verschiedenen Formen des Klassenmusizierens mit und ohne Verwendung von Musikinstrumenten. Methoden zur Anleitung von Musizierprozessen ohne den Gebrauch von Musikinstrumenten werden am Beginn vorgestellt. Bevor die Studierenden eigene Anleitungssequenzen erarbeiten, lernen sie die Methoden aus der teilnehmenden Perspektive kennen. Mit Hilfe der Stimme und Bodypercussion – zusammenfassend auch als „Bodymusic“ bezeichnet – erarbeiten die Studierenden gemeinsam mit der Lehrveranstaltungsleitung kurze Stücke. Diese Stücke (sogenannte Circle Grooves) bestehen aus kurzen musikalischen Sequenzen, die fortwährend „im Kreis“ wiederholt werden. Die einzelnen Motive fügen sich zu einem gesamten Circle Groove und verbinden vokales Musizieren mit Body Percussion, Bewegungssequenzen und szenischen Elementen. Sie bieten einen spielerischen und unkomplizierten Zugang zum Gruppenmusizieren. Die ständige Wiederholung der Motive bildet eine ideale Voraussetzung für erste Improvisationen und die Entwicklung für Begleitpatterns von Rapstücken. Darauf aufbauend können die Prinzipien einer Jam Session, wie bspw. eine freiwillige Teilhabe, trainiert werden.

 

2 Phase Methoden der Reflexion „Wendepunkte“

In der mittleren Phase steht die Reflexion der performativen Prozesse im Fokus. Die Studierenden lernen verschiedene Methoden der Reflexion kennen und anwenden. Die Beschreibung der „Wendepunkte“ wird dabei besonders hervorgehoben. Diese stellen jene Momente dar, in denen die anleitende Person während der Handlung eine Änderung an der ursprünglich geplanten Anleitung vornimmt. Ausgehend von einer gewissen „Unsicherheit“ im Augenblick der gerade stattfindenden Anleitung werden Denkprozesse angeregt, die mögliche Änderungen und deren Folgen vorwegnehmen. Das zukünftige Ergebnis dieser Modifikation wird abgewogen und führt zu einer Entscheidung in der Gegenwart. Dieses Modell greift auf die Methoden der Aktionsforschung und der von Donald Schön (vgl. Vaughan, S. 169, 2012) formulierten reflection on Action zurück. Die speziell für die Lehrveranstaltung adaptierte Beschreibung von angeleiteten Gruppenprozessen unterscheidet drei Arten von Wendepunkten, die die Planung, Durchführung und Reflexion leiten. Die „geplanten Wendepunkte“ fassen jene Alternativen zusammen, die schon in der Planung einer Musiziersequenz vorweggenommen werden. Die „ungeplanten Wendepunkte“ sind all jene unerwarteten Momente während der Durchführung, die eine Entscheidung bzw. eine Änderung des ursprünglichen Plans erfordern. Diesen Entscheidungen geht ein bewusstes kognitives Abwägen der Alternativen während des gerade stattfindenden Gestaltungsprozesses voran. Schließlich stehen die „intuitiven Wendepunkte“ für jene Änderungen, welche die anleitenden Personen aus der Situation heraus treffen. Dabei wird meist erst in der daran anschließenden reflektierenden Analyse die Ursache der Entscheidung verbalisiert und deutlich.

 

3 Phase Der JAM

In der letzten Phase findet das gemeinsame Musizieren statt. Gemeinsam mit den Personen der jeweiligen kooperierenden Institution wird eine Jam Session nach den offenen Musizierkonzepten organisiert. Die Studierenden nehmen als aktive Musikerinnen und Musiker daran teil und lernen so das niederschwellige und auf Freiwilligkeit aufbauende Musizieren kennen. Der Jam wird dokumentiert und aufgezeichnet. Im Anschluss nach dem JAM findet in einem Abschlusstreffen eine Reflexion statt. Bei diesem Treffen werden die Erfahrungen ausgetauscht und schließlich in einem schriftlichen Dokument festgehalten. Diese schriftlichen Reflexionen dokumentieren den Erfahrungszuwachs und den Lernfortschritt der Studierenden.

 

Ausgewählte Literatur

Hill, B. & de Banffy–Hall, A. (Hrsg), (2017) Community Music – Beiträge zur Theorie und Praxis aus internationaler und deutscher Perspektive. Münster. Waxmann

Pabst-Krueger, M. (2013). Klassenmusizieren. In W. Jank (Hrsg.), Fachdidaktik: Musik-Didaktik: Praxishandbuch fu?r die Sekundarstufe I und II (S. 158–168). Berlin: Cornelsen Scriptor.

Jank, W. (2013). Fachdidaktik: Musik-Didaktik: Praxishandbuch fu?r die Sekundarstufe I und II. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Alisch M. & May, M. (Hrsg.), (2017) Methoden der Praxisforschung im Sozialraum. Leverkusen. Verlag Budrich

Göllner; M. & Steinbach, A. (2017) Die Lehrveranstaltungen „Grundlagen Musikpädaogischer Praxisforschung“ im Rahmen des Mannheimer Musikpädagogischen Modells – Eindrücke und Erfahrungen aus Sicht der Lehrenden. In: Krause-Benz, M. (Hrsg.) Willkommen in der Wissenschaft: Das Mannheimer Musikpädaogische Modell (M3). – Ergebnisse, Reflexionen, Perspektiven. Hildesheim: Georg-Olm Verlag

Vaughan, K. (2012) Mariposa: The Story of New Work of Research/Creation, Taking Shape, Taking Flight. In: Smith, H. & Dean, R. T. (Hrsg.) Practice–led Research, Research–led Practice in the Creative Arts. (S. 166 – 186). Edinburgh: Edinburgh Univerity Press Ltd

Nutzen und Mehrwert

Konkrete und berufsrelevante Praxiserfahrungen für die Studierenden, Entwicklung eine individuellen Stils der Anleitung

Nachhaltigkeit

Das Konzept wird langfristig eingesetzt und stets weiterentwickelt.

Das Konzept ist für die Praxisphasen für die Fächer Musik- und Instrumentalmusikerziehung übertragbar, als Unterrichtsplanung.

Akzeptanz

In den internen Evaluierungen schnitt die Lehrveranstaltung sehr positiv. Besonders die schulpraktische Ausrichtung wurde von den Studierenden hervorgehoben.

Aufwand

keinen zusätzlichen Zeitaufwand, keine Kosten

Positionierung des Lehrangebots

Die Lehrveranstaltung „Musizieren in der Klasse“ wird im Bachelorstudium Musikerziehung (Lehramt Sekundarstufe Allgemeinbildung) als Gruppenunterricht für Studierende in den ersten beiden Semestern angeboten. Die Kooperation mit externen Institutionen (Schulen, Kultureinrichtung) und die damit einhergehende praxisorientierte Forschung ist im Lehrveranstaltungskonzept vorgesehen. Durch die größere Bedeutung des Musizierens mit Gruppen (siehe neuer Lehrplan) hat sich im Laufe der Jahre die Entwicklung des Lehrangebots hin zu Kooperationsformen mit außerschulischen Institutionen zusätzlich geöffnet. Die Lehrveranstaltung verbindet die künstlerische und die fachdidaktische Ausbildung mit den schulpraktischen Anforderungen und nimmt so eine besondere auf das Berufsfeld ausgerichtete Stellung ein.

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2020 nominiert.
Ars Docendi
2020
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Johannes Steiner, Mag. Dr.
Department für Musikpädagogik Innsbruck
+43 512 560319 6722
Nominierte Person(en)
Johannes Steiner, Mag. Dr.
Department für Musikpädagogik Innsbruck
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Erfahrungslernen
Fachbereiche
  • Kunst, Musik und Gestaltung