Mathematik sichtbar machen

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Oftmals stellen die Lehrveranstaltung aus Analysis ein gewisse Hürde im Mathematikstudium dar. Hohe Dropout-Raten haben an vielen Studienstandorten zu unterschiedlichen Maßnahmen geführt, um Studierende bei der Bewältigung der Herausforderung zu unterstützen. Neben der traditionellen Form von Tutorien und Brücken- oder Aufbaukursen kann auch die Verwendung digitaler Lehr- und Lernformen eine Hilfe für die bessere Bewältigung neuer Lehrinhalte sein. Eigens erstellte interaktive Arbeitsblätter sollen den Studierenden helfen, die Lerninhalte besser zu erfassen, langfristig zu sichern und in Aufgabenstellungen gezielt anzuwenden. Die Grundintention bei der Entwicklung der Materialien war immer das Bestreben, den Studierenden eine Möglichkeit zu bieten, die oft sehr abstrakt formulierten Definitionen und Sätze in anschaulicher Weise – wo immer dies möglich ist – aufzubereiten. Dabei sollen die Studierenden selbst - abhängig von der konkreten Problemstellung - beispielsweise Parameter variieren, Veränderungen untersuchen oder Auswirkungen beobachten. Dieses Prinzip der adäquaten Visualisierung bewährt sich vor allem bei der Darstellung von räumlichen Objekten, wie sie im Zusammenhang mit Funktionen in zwei Variablen vorkommen.

Dieses zusätzliche Angebot orientiert sich an den unterschiedlichen Voraussetzungen von heterogenen Studierendengruppen und unterstützt ein individuelles Lerntempo. Das Konzept Mathematik sichtbar machen sieht sich als innovativen Beitrag für eine gute Hochschuldidaktik.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Studierende der Mathematik stehen beim Lernen oft vor der Herausforderung, formale Definitionen und Sätze mit anschaulichen Vorstellungen nachhaltig in Einklang zu bringen. In vielen Fällen können Visualisierungen der mathematischen Inhalte helfen diese Brücke zu schlagen. Gerade in der Analysis, die als wichtiger Teilbereich der Mathematik die Differential- und Integralrechnung umfasst, bieten sich viele Möglichkeiten, zusätzlich zu einem konventionellen Skriptum ergänzende Materialien als Lernhilfe bereitzustellen. Diese Lernmaterialien zu den Lehrveranstaltungen aus Analysis, die am Studienstandort Linz angeboten werden, umfassen zum momentanen Zeitpunkt (Februar 2020) über 100 einzelne Objekte und stehen als Open Educational Resources allen Studierenden und Lehrenden frei zur Verfügung. Dies beinhaltet sowohl die Möglichkeit der Online-Nutzung, des Downloads als auch der Kopie sowie der Erlaubnis der Veränderung des Materials unter der Creative Commons ShareAlike Lizenz (CC-BY-SA).

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

Mathematics students are often faced with the challenge of sustainably harmonizing formal definitions and sentences with clear ideas. In many cases, visualizations of the mathematical content can help to bridge this gap. Especially in analysis, which includes differential and integral calculus as an important sub-area of mathematics, there are many opportunities to provide additional materials as a learning aid in addition to a conventional script. These learning materials for the courses from analysis, which are offered at the study location Linz, currently comprise (February 2020) over 100 individual objects and are freely available to all students and teachers as Open Educational Resources. This includes the possibility of online use, downloading, copying and changing the material under the Creative Commons ShareAlike license (CC-BY-SA).

Nähere Beschreibung des Projekts

Seit 2016 findet das Lehramtsstudium im Verbund Mitte (Salzburg und Oberösterreich) in Kooperation von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen statt. Durch die Neukonzeption von vielen Lehrveranstaltungen bot sich die Chance, ganzheitliche Lehr- und Lernformen in das Angebot im Mathematikstudium einfließen zu lassen. Dazu wurde für die Lehrveranstaltungen aus Analysis (Vorlesung und Übung zu Analysis I und Analysis II) eine Reihe von dynamischen Arbeitsmaterialien erstellt (Analysis I: 58 Arbeitsblätter, Analysis II: 47 Arbeitsblätter, Stand 7. 2.2020) . Diese Lernmaterialien in Form von dynamischen Applets wurden in enger Anlehnung an das Skriptum geschrieben, das vom Institut für Analysis der Universität Linz für die Vorlesung aus Analysis zur Verfügung gestellt wird. Durch das Feedback von Studierenden und Lehrenden werden die Materialien ständig verbessert und ergänzt.

In der höheren Mathematik schränkt sich die Wissensvermittlung sehr stark auf den kognitiven Bereich ein. Deshalb ist ein wesentliches Bestreben bei der Erstellung von neuen Arbeitsmaterialien, eine Verbindung der enaktiven Handlungsweise mit der ikonischen und symbolischen Repräsentation nach dem Konzept von Jerome Bruner zu ermöglichen. Die Applets stellen gleichsam eine Mathematik zum Anfassen dar, auch wenn das Anfassen in diesem Sinne im virtuellen Bereich mithilfe von digitalen Medien geschieht. Auf diese Art wird im wahrsten Sinn des Wortes Mathematik zum “Begreifen” geschaffen.

Durch das innovative Konzept Mathematik sichtbar machen wird eine Verbindung von traditionellen Aufgabenstellungen (Berechnungen, Beweise, Begründungen etc.), die in der Präsenzphase der Übungen zur entsprechenden Vorlesung behandelt werden, mit der Visualisierung des behandelten Sachverhalts geschaffen. Gerade die Visualisierung soll dabei die Nachhaltigkeit des Erlernten absichern, da es den Studierenden ermöglicht, die Online-Materialien in ihrem eigenen individuellen Lerntempo zu bearbeiten.

Weiters bieten die Arbeitsmaterialien viele zusätzliche interaktive Angebote wie Multiple Choice Aufgaben, die den Lernenden ein unmittelbares Feedback über die Richtigkeit der eingegebenen Antworten anbieten.

Alle beschriebenen Arbeitsblätter wurden mit der dynamischen Mathematiksoftware GeoGebra, die von Linz ausgehend entwickelt wird, erstellt und sind auf der Materialienplattform der Website als sogenannte GeoGebra-Bücher unter den Titeln Analysis I www.geogebra.org/m/hJCe3vDp und Analysis II www.geogebra.org/m/Cvn52Hg6 frei verfügbar. Dies beinhaltet sowohl die Möglichkeit der Online-Nutzung, des Downloads als auch der Kopie sowie der Erlaubnis der Veränderung des Materials unter der Creative Commons ShareAlike Lizenz (CC-BY-SA).

Nutzen und Mehrwert

Neue Medien ermöglichen neue Zugänge zu bekannten Inhalten. Die didaktische Mathematiksoftware GeoGebra, die in Linz entwickelt wird, stellt Visualisierungen zur Verfügung, die eine bessere, weil anschaulichere Vermittlung von mathematischen Inhalten möglich macht. Durch den Einsatz der digitalen Materialien in der Lehre und dem daraus resultierendem Feedback der Studierenden werden wiederum Erfahrungen gemacht, die helfen, die Software weiter zu entwickeln und zu verbessern. Dies stellt eine Win-Win-Situation sowohl für Lehrende als auch für die Programm-Entwickler/innen dar. Der Autor ist als Mitglied im GeoGebra-Team im ständigen Austausch mit dem Software-Entwickler-Team und den Gestalter/innen der Webseite.

Nachhaltigkeit

Das Konzept wurde im Jahr 2017 nach der Einführung des neuen Lehramtstudiums Lehrer/innenbildung NEU begonnen und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt.

Mathematik sichtbar machen findet inzwischen auch Verwendung in anderen Lehrveranstaltungen am Standort Linz, beispielsweise in der Technischen Mathematik oder in der Studienrichtung Artificial Intelligence (AI). Auch an anderen Studienorten in Österreich wird in diversen Lehrveranstaltungen mit mathematischen Inhalten (auszugsweise) auf einzelne Arbeitsblätter zugegriffen.

Die Arbeitsmaterialien wurden bereits mehrfach bei Mathematik-Tagungen im In- und Ausland vorgestellt und diskutiert.

Akzeptanz

Als wichtigstes Argument für die Akzeptanz des Projekts sind die Zugriffszahlen auf die Webserver zu nennen. Einzelne Arbeitsblätter wie beispielsweise jenes zum Thema Differenzen- und Differentialquotient weisen bereits über 68.000 Aufrufe und circa 50 Kopien (vermutlich von Lehrenden) alleine in der deutschsprachigen Version auf. Dies deutet auf eine durchaus weite Verbreitung und oftmalige Nutzung der Materialien hin.

Einzelne Arbeitsblätter aus dem Bereich der Geometrie, die bereits auf Englisch übersetzt wurden, erreichen bereits Zugriffszahlen von annähernd 140.000 (Stand 7.2.2020). Vor allem die Anzahl der angefertigten Kopien sprechen eine deutliche Sprache.

Aus den Rückmeldungen der Studierenden (Online-Evaluierungen) zeigt sich, dass die angebotenen Materialien sehr wohl angenommen werden, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Vor allem engagierte und interessierte Studierende nützen das Angebot und profitieren nach deren eigener Einschätzung sehr davon. Leider muss festgehalten werden, dass eher leistungsschwache Studierende die Online-Materialien nicht als Mehrwert sondern als zusätzliche Belastung empfinden.

Aufwand

Das Projekt hat außer dem Zeitaufwand des Autors keine Kosten verursacht. Der zeitliche Aufwand kann nur sehr grob abgeschätzt werden, da es im Lauf der letzten drei Jahre zu vielen Überarbeitungen und Ergänzungen gekommen ist. Eine überschlagsmäßige Einschätzung liegt bei etwa 500 bis 700 Arbeitsstunden.

Positionierung des Lehrangebots

Vor allem 1. - 4. Semester im Bachelor-Studium Lehramt Mathematik.

Da es sich bei den vorgestellten Materialien um Open Educational Resources handelt, kann das Material in allen Lehrveranstaltungen mit ähnlichem Inhalt zum Thema Analysis auch in anderen Studienrichtungen verwendet werden.

Links zum Projekt
Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Links zu Social Media-Kanälen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2020 nominiert.
Ars Docendi
2020
Kategorie: Digitale Transformation in der Lehre
Ansprechperson
Andreas Lindner, Mag.
Pädagogische Hochschule Oberösterreich, Institut für Sekundarstufenpädagogik
+43 680 3042447
Nominierte Person(en)
Andreas Lindner, Mag.
Pädagogische Hochschule OÖ
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Digitalisierung
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften