Pädagogische Hochschule Wien
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Digitale Transformation der Lehre "Bewegung und Sport" an der Pädagogischen Hochschule Wien

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

1. Ausgangslage

„Theorie ohne Praxis ist leer. Praxis ohne Theorie ist blind.“ (Kant)

In der Curriculumsentwicklung (2012-2014) für das Bachelorstudium „Lehramt für die Primarstufe“-NEU musste im Fachbereich „Bewegung und Sport“ eine Grundsatzentscheidung getroffen werden. Im Rahmen der vorgegebenen 11,68 ECTS im Grundstudium und 26,5 ECTS im Schwerpunktstudium war zu überlegen, welchen Umfang an theorieorientierteren Lehrveranstaltungen (VO, SE) und welchen Anteil an praxisnäheren Lehrveranstaltungen (UE, SE) es geben sollte. Es galt frei nach Kant abzuwägen, die Ausbildung zur Primarstufenlehrperson weder leer noch blind bzw. positiv formuliert erkenntnis- und erfahrungsreich zu gestalten.

Wir haben uns für größere Praxisnähe (30,68 ECTS UE, 7,5 ECTS SE, 0 ECTS VO) entschieden. Gleichzeitig war uns klar, dass wir uns Vermittlungsmöglichkeiten überlegen müssen, wie wir das früher teilweise stark frontal unterrichtete Wissen (mittels VO) der Sporttheorie jetzt neu didaktisieren, um „blinde Praxis“ zu verhindern. Eine „kleine VO“ in der Sporthalle zu Beginn der praktischen Übung abzuhalten, ist keine Option. Der theoretische Input zu Beginn hätte wieder Zeit von der praktischen Umsetzung des theoretisch Gelernten genommen.

 

2. Motive

Aufgrund der gerade angeführten Ausgangslage war das bestimmende erste Motiv, ein didaktisches Modell für den Fachbereich „Bewegung und Sport“ im Allgemeinen zu entwickeln, um einen effizienten Umgang mit der Übungszeit der Studierenden zu gewährleisten, ohne den theoretischen Wissenszuwachs, der die Basis für das praktische Ausführen im Fach Bewegung und Sport darstellt, zu vernachlässigen.

Hennessy (Leiter der Stanford University) bezeichnet das Flipped-Classroom-Modell als eine der Alternativen, welche das Format der klassischen Vorlesung in absehbarer Zukunft ablösen werde. Als „Flippen“ wird das Umdrehen des Unterrichts verstanden: Vorab wird durch angeleitetes Selbststudium Wissen generiert, welches in der Präsenzphase praktisch vertieft wird (vgl. Hennessy 2016, o.S.).

Nach Entwicklung der ersten LV wurde sehr schnell klar, dass unsere Studierenden dieses

E-Learning-Tool in regelmäßigen Abständen immer wieder brauchen. In einer Sportteamkonferenz wurde beschlossen, welche Lehrveranstaltungen als Inverted-Classroom-Modelle umgesetzt werden sollen, um einerseits zu gewährleisten, dass die Studierenden jährlich zumindest einen Kurs nach diesem Format haben und zweitens eine gewisse Heterogenität des breiten Spektrums des Sports abgebildet wird. Der einheitliche Aufbau soll den Studierenden die Orientierung in den Kursen bzw. die Handhabung ebendieser erleichtern. Die jährlich wiederkehrende Auseinandersetzung mit Inverted Classroom in „Bewegung und Sport“ gewöhnt die Studierenden zur Nutzung dieser Plattform als Informationsanlaufstelle (methodischer Aufbau sportspezifischer Inhalte: Motorische Grundlagen, Turnen – Vermittlungskonzepte, Wintersport / Sommersport, Leichtathletik; Lehrplanbezug; Kompetenzorientierung; sinnvolle Nutzung digitaler Medien).

 

3. Ziele

Vorrangiges Ziel ist die Erkenntnisertragssicherung der Studierenden, die an der Pädagogischen Hochschule ihre Ausbildung für das Lehramt Primarstufe absolvieren. Die E-Learning-Plattformen geben uns in ihrer Summe die Möglichkeit über vier Jahre Wissen über Methodik und Didaktik in verschiedenen sportlichen Felder genauso zu vertiefen, wie den Lehrplanbezug zu verinnerlichen, die Kompetenzorientierung positiv aufzunehmen und umzusetzen, Übungs- und Spielegut auch ihrer Intention nach zu verstehen u.v.m., wofür es sonst jeweils thematische Vorlesungsveranstaltungen gebraucht hätte.

Die Teilnahme an einer „Inverted Classroom“-Lehrveranstaltung sichert lebenslanges Zugriffsrecht auf den Kurs. Auch hierfür ist der jeweilige Ordner „Übungs- und Spielesammlung“ als Zusammenfassung sämtlicher Übungen und Spiele aus der LV als auch thematisch passende vielfache Erweiterungen (der Übungen und Spiele) angeführt. Unsere Studierenden können auch nach Abschluss ihrer Ausbildung auf die Unterrichtsmaterialien zugreifen (und / oder herunterladen), um sie in ihrem Unterricht in der Primarstufe zu verwenden.

Die konsequente Thematisierung von mobilen Applikationen zur Unterstützung des sportlichen Lernerfolgs schafft Sicherheit bei unseren Studierenden im Umgang mit neuen Medien. Die entsprechenden Sammlungen von Beschreibungen zur Handhabung diverser Apps, ermöglicht unseren Studierenden lebenslang (s.o.) sich rasch Ideen zur modernen Unterrichtsgestaltung in „Bewegung und Sport“ zu holen.

Die Projektideen, -planungen und -umsetzungen sind Möglichkeiten für unsere Studierenden als zukünftige Lehrer*innen zu unterschiedlichen Themen einen Schulsporttag an ihrem Schulstandort inszenieren zu können. Praxiserprobt in der Umsetzung mit Schüler*innen von Seiten der Studierenden ist das durch einen Leichtathletik-Kinderzehnkampf.

Der Zugang zu (v.a.) den Übungen und Spielen und zu den Unterlagen für Schulsporttage (aber auch den theoretischen Inhalten ohne e-Tivities) ist auch bereits im Dienst befindlichen Volksschullehrer*innen möglich. Eine Kooperation mit der Bildungsdirektion wurde mit der Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien Fr. Hofrätin Mag. Ruth PETZ im Dez. 2019 besprochen. Ein Termin zur Zusammenarbeit mit der Bildungsdirektion wird für Herbst 2020 anvisiert. Volksschullehrpersonen, die bei uns eine Fortbildungsveranstaltung besuchen, greifen bereits jetzt auf das jeweilige Kursangebot zu.

Die E-Learning-Plattformen für „Turnen – Vermittlungskonzepte“, „Wintersportkurs“ und „Leichtathletik“ sollen auch Einzug in die Kinder- und Jugendtrainingsarbeit finden. Zumindest für letzteren Kurs laufen bereits erste Gespräche mit der Bundessportakademie Wien, Abteilung Instruktorenausbildung (Abteilungsleitung Dr. Erwin Reiterer). Siehe auch Link „Referenzschreiben von Dr. Erwin Reiterer“

Kurzzusammenfassung des Projekts

Das neue Curriculum „Bachelorstudium für das Lehramt Primarstufe“ an der Pädagogischen Hochschule Wien (Start Herbst 2015) hat mit Sommer 2019 ihren erstmaligen vollständigen Durchlauf abgeschlossen. Die Notwendigkeit gezielter Informationsaufbereitung durch entsprechend gestaltete E-Learning-Plattformen war unumgänglich (Vorlesung zu theoretischen Inhalten fehlen). Um den Studierenden konstant über ihr komplettes Studium hinweg Fachwissen in sehr heterogenen Feldern des Sports vermitteln zu können, wurde jeweils eine Lehrveranstaltung nach dem Flipped-Classroom-Modell pro Studienjahr ausgewählt und entsprechend „designed“.

Durch den sehr ähnlichen Aufbau „gewöhnen“ sich die Studierenden an die lebenslange, berufsbegleitende Nutzung dieser Plattformen als Informationsbasis und Übungs- & Spielesammlung (Ziel des Projektes). In der letzten Ausbaustufe wurden sämtliche Kurse noch einmal adaptiert: Eigene Übungs- & Spielsammlungen wurden hinzugefügt. Mobile Applikationen wurden gesammelt abgebildet und ihr mehrwertstiftender Nutzen in verschiedenen Schulsportkontexten veranschaulicht. Außerdem werden die E-Learning-Plattformen durch Evaluierungsschleifen permanent kontrolliert und adjustiert.

Die LV „Leichtathletik“ ist ein weltweites Sport-Unikum: Der vorangestellte digitalisierte Rahmen (e-learning-unterstütztes, angeleitetes Selbststudium) ermöglicht eine Projektarbeit, an dessen Ende die Studierenden einen Kinderleichtathletik-Zehnkampf mit einer Volksschulklasse realisieren.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

The new curriculum at the University College of Teacher Education Vienna in the Primary School sector (starting in autumn 2015) finished its first complete run-through in summer 2019. The need of a specific implementation of information by correspondingly arranged e-learning-platforms was inevitable (no more lecture classes for theoretical contents).

To be able to impart specific knowledge in very heterogenic fields of sports constantly through the complete four years of the bachelor program, there was chosen one course as flipped-classroom-model and got designed appropriately for each year.

Due to the very similar structure of the e-learning-classes, the students familiarize to use these platforms life-long, extra-occupational as a base of information und a collection of exercises and games (goal of this project). At the latest configuration level, each of the four courses was adapted: Proper collections of exercises and games were added. Mobile applications were collectively portrayed and their added value in different context of sports in school was illustrated.

Additionally, these e-learning-platforms get evaluated and adjusted permanently by loops of evaluation (and their interpretation).

The course “athletics” is worldwide unique: The preposed digitalized frame (e-learning supported, guided self-study) enables project work, finally leading to the realization of a children’s athletics decathlon with a primary school class.

Nähere Beschreibung des Projekts

1 Einleitung

Im Fachbereich Bewegung und Sport wurde ein Projekt mit dem Titel „Digitale Transformation in der Lehre“ entworfen, auf Machbarkeit untersucht, praktisch umgesetzt, in allen Lehrveranstaltungsgruppen der fünf Lehrveranstaltungen Leichtathletik - drei Lehrende (sechs Gruppen); Motorische Grundlagen – fünf Lehrende (15 Gruppen); Turnen Vermittlungskonzepte – sechs Lehrende (15 Gruppen) und Natur- und erlebnisorientierte Wintersportprojekte planen, gestalten und evaluieren – Wintersportwoche - drei Lehrende (drei Gruppen) implementiert und evaluiert.

Die Notwendigkeit einer neuen didaktischen Umsetzung u.a. der Lehrveranstaltung „Leichtathletik“ wird durch die Analyse des nun gültigen Primarstufencurriculums sichtbar.

Durch die neue Schwerpunktsetzung werden im Grundstudium keine Seminare bzw. im gesamten Studium keine Vorlesungen im Fach Bewegung und Sport angeboten, in denen die theoretische Grundlage vermittelt wird. Im Vergleich zum Curriculum-ALT wurde auch die Anzahl der praktischen Lehrveranstaltungsstunden (Übungen) verringert (ergo Gesamt-ECTS in „Bewegung und Sport“ reduziert).

Es gilt die Problematik zu lösen, dass nach traditionellem Unterricht in den Übungen zuerst der theoretische Input verarbeitet werden muss und dadurch das praktische Umsetzen und Üben (Festigen) des theoretisch Gelernten zeitlich zu kurz kommt.

Im genannten Fall kommt das Inverted Classroom Szenario zum Einsatz (Kerres, 2012, S. 6). Die Lehrveranstaltung wird in vorbereitende Onlinephasen und in anschließende Präsenzphasen geteilt. In der Onlinephase informieren sich die Lernenden über die Inhalte, z.B. mittels eines Lehrvortrages online als Video oder als aufbereitete Lehrunterlagen über die Technik und über vorbereitende Übungen und Spiele. „Neben herkömmlichen Formaten, wie Texten und Bildern, lassen sich unter Berücksichtigung wahrnehmungspsychologischer Grundsätze nun vor allem auch dynamische Objekte (Videos, Simulationen, Animationen) kombinieren und zur Veranschaulichung von Wissen einsetzen.“ (Danisch und Friedrich 2009, S. 312f) In der anschließenden Präsenzphase werden die theoretischen Inhalte nicht noch einmal vorgetragen, sondern gestellte Bewegungsaufgaben praktisch durchgeführt. Die Studierenden sollen dabei die Inhalte aus der Onlinephase anwenden, analysieren und bewerten und neue Inhalte kreieren (Sam, 2012, S.19). Das kooperative Lernen und das Kommunizieren unter den Teilnehmer*innen kann durch Foren während der Online-Phase ermöglicht werden (Steiner, 2016, S. 137).

2 Exkurs - Digitale Medien

Der Begriff „digitale Medien“ wird oft auch als Synonym für „neue Medien“ verwendet. In diesem Zusammenhang werden immer wieder Begriffe wie „Multimedia“, „E-Learning“ und „Hypermedia“ genannt. In der Literatur und im Alltag finden Überschneidungen der Begrifflichkeiten statt. Eine genaue Abgrenzung scheint nicht möglich, da sie sich lediglich durch ihre Eigenschaften in Bezug auf die technische Dimension und den Anwendungsaspekt unterscheiden. Die Verwendung der unterschiedlichen Begriffe orientiert sich im Allgemeinen an der Funktion und dem Kontext, in dem sie gebraucht werden (Thienes, Fischer & Bredel, 2005, S. 6).

Thienes, Fischer und Bredel (2005, S. 6) definieren Medien als eine Bezeichnung von Objekten zur Speicherung, Präsentation und Vermittlung von Information.

Eine weitere Gliederung des Medienbegriffes erfolgt nach Hoffmann (2003, S. 14) in folgende Bereiche:

• Kulturphänomenologisch wird das Medium als materieller Zeichenträger verstanden. Jedes Zeichen wird als Medium verstanden, wie zum Beispiel ein Verkehrszeichen oder auch die Sprache.

• Kommunikationswissenschaftlich bezieht sich der Medienbegriff auf Massenmedien wie Buch, Presse, Film, Rundfunk und Fernsehen. Dazu zählen auch CD, DVD, Schallplatte, Foto, Dia, Tonkassette, Video und Computer.

• Pädagogisch-didaktisch umfassen Medien alle Objekte, die zu Lehr- und Lernzwecken dienen wie Tafel, Schreibstifte, Werk- und Gestaltungsmaterialien, Smartboard, Lehrperson. Diese Medien haben durch ihren Einsatz das Ziel, Lehr- und Lernprozesse zu optimieren.

• Kultur- und sozialpädagogisch werden Medien für Ausdrucksformen wie Musik, Tanz, Theater, Spiel und künstlerisches Gestalten verwendet.

Digitale Medien spielen eine immer bedeutendere Rolle im Leben unserer Gesellschaft und gerade auch im Leben von unseren Kindern und Jugendlichen. Der große Trend zur Digitalisierung aller Medien ist nicht mehr aufzuhalten (Schelhowe, 1997, S. 182).

2.1 Wirkungen und Wirksamkeit neuer Medien in Lernprozessen

Im Allgemeinen hat sich gezeigt, dass die Wirkung digitaler Medien höchst widersprüchlich bewertet wird. Die Bewertung schwankt zwischen „Hypothesen der Allmacht und der Ohnmacht der Medien“ (Kerres, 2003, S. 33). Diese Widersprüchlichkeiten lassen sich insbesondere darauf zurückführen, dass die wirksamen Faktoren des Medieneinsatzes im Lernprozess schwer zu identifizieren sind und das Verhältnis zwischen Lernenden und dem Medium des Lernens sehr komplex ist. Es kann nicht von unmittelbaren Wirkungen digitaler Medien auf Lernprozesse und - ergebnisse im Sinne eines Ursache-Wirkungs-Verhältnisses ausgegangen werden. In der Praxis wirken sich verschiedene Faktoren, wie etwa die Akzeptanz der eingesetzten digitalen Medien durch Lernende und Lehrende und die Selbstlernkompetenzen der Lernenden ebenfalls auf die Wirkung von Medien im Lernprozess aus. Das mediale Angebot wirkt nicht unmittelbar auf die Lernenden, das Angebot wird von ihnen individuell verarbeitet, was für die Wirkung des digitalen Mediums entscheidend sein kann (ebd).

Nach Kerres (2003, S. 32ff) wird Medienwirkung nicht als einfaches Ursache-Wirkungs-Verhältnis, sondern als System wechselseitiger Wirkungen verstanden.

Digitale Medien haben auf Grund ihrer medialen Form (z. B. bestimmte technische Charakteristika) eine immanente Wirkung. Daher können bestimmte Medien die Motivation des Lernenden erhöhen und so ein intensiveres Lernverhalten mit sich bringen. Dies kann unter anderen durch Visualisierung, Interaktivität und Simulation erfolgen. Es genügt nicht, sich nur auf die Wirkung digitaler Medien oder auf die Zuschreibung der Wirkung digitaler Medien zu verlassen, um Lernprozesse mit digitalen Medien zu unterstützen. Der Erfolg medienunterstützter Lernprozesse ist nur dann gegeben, wenn ihr Einsatz durch ein mediendidaktisches Konzept erfolgt (Kerres, 2003, S. 39f). Die Wirkungen neuer Medien sind nach Kerres „demnach nicht Effekte, die von gestaltenden Medien ausgehen, sondern von dem, was Menschen mit den digitalen Medien machen.“ (Kerres, 2003, S. 41)

2.2 Potentiale digitaler Medien in Lernprozessen

Wenngleich in der Medienwirkungsforschung sowohl positive, als auch negative Wirkungen beschrieben werden, wird im Folgenden verstärkt auf den Mehrwert und den Nutzen digitaler Medien eingegangen.

• Dimension Wissen-Lernen: Hier ermöglichen digitale Medien mehr selbstorganisierte Lern- und Bildungsprozesse (Thiedecke 2008, S. 430).

• Digitale Medien bieten die Möglichkeit der multimedialen Nutzung, indem sie beim Wissen-Lernen dafür verwendet werden können, Lerninhalte anschaulicher zu machen und miteinander zu kombinieren (Fromme, 2011, S. 304).

• Dimension Können-Lernen: Mit Hilfe der digitalen Medien werden Inhalte nicht nur bereitgestellt, sondern von den Lernenden selbst gestaltet (teilweise auch in kollaborativer Form). Nicht mehr rein rezeptive, sondern auch partizipative Lösungsformen müssen zum Einsatz kommen. Das praktische Handlungs- und Interaktionswissen der Dimension Können-Lernen wird geschult (Fromme 2011, S. 303f, Kerres 2003, S. 37; Witt 2008, S. 440).

• Dimension Leben-Lernen: Durch die Anwendung des Web 2.0 (z. B. Wikis, Foren, Weblogs, usw.) wird durch das Teilen von Inhalten durch Texte, Bilder oder Videos von Nutzer*innen die Gemeinschaftsbildung, Vernetzung und Kooperation mit anderen Personen bzw. Organisationen mit dem gleichen thematischen Hintergrund ermöglicht (Fromme 2011, S. 311; Thiedecke 2008, S. 428ff).

• Dimension Lernen-Lernen: Durch das Reflektieren von Arbeits- und Lernprozessen, in denen der eigene Arbeits- und Lernfortschritt dokumentiert und reflektiert wird, kann die Dimension Lernen-Lernen unterstützt werden (Ganguin/Sander 2008, S.423f.; Thiedecke 2008, S. 430).

2.3 Hochschule – Bologna – digitale Medien

Durch die Unterzeichnung der Bologna Erklärung durch 29 europäische Bildungsminister*innen im Jahre 1999 befindet sich der Europäische Hochschulraum in einem Wandel. Der genaue Wortlaut über die sechs Kernziele zur Schaffung eines gemeinsamen Hochschulwesens wird in der Bologna Deklaration festgehalten (Bologna Deklaration, 1999, S. 3f.).

Im hochschulischen Lernen kommt es zu einem Paradigmenwechsel. Der Wechsel erfolgt von einer Institution die Lehre bereitstellt zu einer Institution, welche Lernen produziert. Es erfolgt ein Wechsel von der Input-Orientierung zur Output-Orientierung, dem sogenannten Learning-Outcomes (Wildt, 2003, S. 14).

Nach Wildt (2003, S. 14) sind im Kontext des Hochschulischen Lernens folgende Merkmale signifikant:

• Studierendenzentrierung: Wichtig dabei ist eine Fokussierung auf die Lernenden und ihre Lernprozesse.

• Arrangieren von Lernumgebungen, Lernsituationen und Lernberatung: Diese bedeutet eine Abkehr von reinen Instruktionen.

• Ausrichtung des Lernens auf Ergebnisse

• Unterstützung aktiver und selbstorganisierter Lernprozesse

• Beachtung motivationaler, volitionaler und sozialer Aspekte des Lernens

• Verbinden des Erwerbes von Wissen und Lernstrategien.

In der Hochschuldidaktik wird Student Centred Learning als ein sich vollziehender "Übergang von einer Inhalts- und Dozentenzentrierung zu einer Prozess- und Studierendenzentrierung“ beschrieben (Mansbrügge, Wildt, 2010, S. 235).

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung definiert Student Centred Learning als „einen auf die Bedürfnisse der Studierenden zugeschnittenen Lehr-, und Lernbetrieb. Dieser wird durch hochschuldidaktische Methoden, technische Hilfsmittel, verschiedene Studienarten und Ansätze aktiv gefördert. Dazu gehören z.B. Modularisierung der Curricula, selbstbestimmtes Lernen, Blended Learning und E-Learning.“ (BMWFE, 28.09.2016)

3 Realisierung in „Bewegung und Sport“ an der Pädagogischen Hochschule Wien

Für das Lehren und Lernen im Fach Bewegung und Sport ist der Vorteil der Mediennutzung evident, da konkrete Vorstellungen von sportspezifischen Bewegungen und Handlungsformen durch die mediale Nutzung erzeugt werden können. Diese sind Voraussetzung für ein erfolgreiches Erlernen neuer Bewegungen und Handlungsweisen für Schüler*innen aber auch für Studierende (Danisch; Friedrich, 2009, S. 319).

Die Wirkungsbereiche digitaler Medien im Sportunterricht können folgendermaßen beschrieben werden:

• Lehrmedien können die Motivation zum Erlernen sportlicher Bewegungen positiv beeinflussen und zum Üben animieren

• Lehrmedien können komplexe Bewegungsaufgaben veranschaulichen, um ein Bewegungsproblem zu lösen

• Lehrmedien können eigene Realisierungsversuche darstellen und Informationen über Differenzen zur geforderten Bewegungsausführung abbilden (Gröben & Prohl, 2002, S. 106)

An der pädagogischen Hochschule Wien lernt im Grundstudium jede(r) Studierende (ca. 400 pro Studienjahrgang) zwei E-Learning-Kurse zu elementaren Themen des „Bewegung- und Sport“-Unterrichts in der Volksschule (Primarstufe) kennen (Motorische Grundlagen; Turnen – Vermittlungskonzepte). Je ein Kurs wird pro Studienjahr gewählt.

Diejenigen Studierenden, die den Schwerpunkt „Science & Health“ (Bewegung und Sport; Mathematik; Naturwissenschaften / Sachunterricht) wählen (ca. 75-100 Studierende pro Studienjahrgang) haben zwei weitere „Inverted Classroom“-Lehrveranstaltungen: im dritten Studienjahr „Wintersport“ oder „Sommersport“, im vierten „Leichtathletik“.

Somit findet kontinuierlich (1Kurs pro Studienjahr) eine Auseinandersetzung mit e-learning-unterstützter Vermittlung von „Bewegung und Sport“-Inhalten statt.

Der einheitliche Aufbau erleichtert den Studierenden die Orientierung in den Kursen bzw. die Handhabung ebendieser. Die jährlich wiederkehrende Auseinandersetzung mit Inverted Classroom in „Bewegung und Sport“ gewöhnt die Studierenden zur Nutzung dieser Plattform als Informationsanlaufstelle (methodischer Aufbau sportspezifischer Inhalte: Motorische Grundlagen, Turnen…; Lehrplanbezug; Kompetenzorientierung; sinnvolle Nutzung digitaler Medien). Die Teilnahme an einer Inverted Classroom“-Lehrveranstaltung sichert lebenslanges Zugriffsrecht auf den Kurs. Auch hierfür ist der jeweilige Ordner „Übungs- und Spielesammlung“ als Zusammenfassung sämtlicher Übungen und Spiele aus der LV als auch thematisch passende vielfache Erweiterungen (der Übungen und Spiele) angeführt. Unsere Studierenden können auch nach Abschluss ihrer Ausbildung auf die Unterrichtsmaterialien zugreifen (und / oder herunterladen), um sie in ihrem Unterricht in der Volksschule zu verwenden.

4 Literaturliste

Siehe Link „Projektbeschr.-A.D..."

Nutzen und Mehrwert

Ursprünglicher Impuls (angestrebter Mehrwert) dieses Projekts war es, die Zeit in der Sporthalle aktiver nutzen zu können bzw. den Aufwand zur Darlegung theoretischer Grundkenntnisse während der praktischen Einheit zu minimieren (Ergänzung von Präsenzlehre und Förderung von Selbststudium durch ein digitales Format).
Im Rahmen der Projektentwicklung (bereits in der ersten Entwurfphase) hat sich gezeigt, dass die E-Learning-Plattformen eine ganze Reihe weiterer Lehr-&Lernaspekte ermöglicht. Diese galt es sofort umzusetzen:
-    Langfristig (= größtes Ziel): E-Learning-Plattformen werden zu lebenslanger Anlaufstelle der Studierenden / später Lehrer*innen für die Auffrischung theoretischen Wissens, schneller und qualitativ hochwertiger Unterrichtsplanung (durch entsprechende Übungs- und Spielesammlungen) und Ideenspender zur wertvollen Nutzung mobiler Applikationen im „Bewegung und Sport“-Unterricht
-    Optimale Zusammenspiel von Theorie und Praxis während der Präsenzzeit im Turnsaal: Theorie-Input (weniger – bereits vorab im Online-Kurs), Theorieverfestigung (eher), praktische Umsetzung von theoretisch im angeleiteten Selbststudium Erworbenem und durch Reflexionsschleifen Gefestigtem
-    Bildhafte Darstellung und Verschriftlichung von Theorie
-    Einsatz innovativer Lehr- und Lernformen zum Sichtbar-Machen von Kompetenzorientierung
(Darstellung im Onlinebuch; Forums-Arbeitsaufträge zur Diskussion von Kompetenzebereichen, praktische Arbeitsaufträge für Lehrauftritte mit Kompetenzanteilen)
-    Individuellen Kompetenzerwerb während der LV sichtbar-machen durch das Kompetenzzeugnis
(siehe Link „Beschreibung – INHALTLICH“)
-    Überprüfung erworbener Kompetenzen bzw. deren Umsetzung UND deren persönlichen Wahrnehmung
(in der Praxis als auch mittels Evaluierungsbogen zu Beginn und Ende der LV)
-    Abgleich von Lehr- und Lerninformationen mit lernergebnisorientierten Prüfungsmethoden
(Quiz am Ende jedes Theorieteils zu jedem Lehrveranstaltungstermin)
-    Förderung des Erwerbs digitaler Kompetenzen im Sinne des European Digital Competence
(Umgang mit E-Learning-Plattform / Einsatz von Digitalen Medien im Unterricht)
-    Reflexive Verwendung digitaler Lehr- und Lernformen zur Förderung studierendenzentrierter Lehre
(durch Aufgaben im Diskussionsforum zur abschließenden Vorbereitung auf die praktischen Einheiten; Verlinkung mit anderen Seiten mit relevanten Inhalten zum jeweiligen LV-Termin – Bewusstsein schaffen, wo es Inhalte zu den basalen Fertigkeiten der Leichtathletik – Laufen, Springen, Werfen als auch zu leichtathletischen Zielfertigkeiten und Wettkampfformen im Internet gibt)
-    Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit durch die Nutzung von Erkenntnissen aus Evaluation und Monitoring (Vorbereitung – Durchführung – Prüfung)
(Überprüfung, was die Studierenden im Selbststudium wirklich verstanden haben – Selbstreflexion: Verbesserung in der Aufbereitung notwendig?)
-    Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden im Sinne einer lebendigen Feedbackkultur
(s.o.; Zusätzlich: Studierende setzen Aufgabenstellungen – z.B. Anleitung von Spielen & Übungen zum Thema „Laufen“ / „Springen“ / „Werfen“ – in der Praxis um; Lehrendenrolle verändert sich von der inszenierenden Lehrperson hin zum kompetenzorientierten und fachdidaktisch fokussierten Coach)
-    Organisatorischer Mehrwert 1: Zeitersparnis für Lehrende
-    Organisatorischer Mehrwert 2: Lernerleichterung für Studierende
-    Einheitlichkeit in der Lehre – alle Bewegungs- und Sportlehrer, unterrichten beim selben LV Termin in der entsprechenden Lehrveranstaltung (Motorische Grundlagen / Turnen – Vermittlungskonzepte / Wintersportkurs / Leichtathletik) dieselben Inhalte. Zur Unterscheidung und „Freiheit der Lehre“ kommt es durch die persönliche Schwerpunktsetzung der LV-Leitung, durch unterschiedliche methodisch-didaktische Vorgehensweisen und durch unterschiedliche Coachingpunkte der verschiedenen Lehrendenpersönlichkeiten. „Freiheit der Lehre“ verlässt „Beliebigkeit der Lehre“
-    Transfer von Schulsportunterlagen für Vereinssport/Kindertraining: 1.Projekt läuft mit Leichtathletik“ und ÖLV und BSPA Wien (siehe Link: Referenz Erwin Reiterer); nächste angedachte Kooperation „Wintersportkurs“ mit Wiener Skiverband (noch keine Gespräche geführt)
-    Tatsächliches Ausprobieren und anwenden Digitaler Medien im Unterricht
-    Auseinandersetzen von Lehrenden mit aktuellen Digitalen Medien – Wissenserwerb bei den Lehrenden, „State of the Art“ bezüglich neuer Lehrmethoden
-    Gegenseitiger Austausch in Bezug auf die Anwendung neuer Medien – Erweiterung des Lernmananagmentsystems

Nachhaltigkeit

Ja, dieses Konzept ist auf andere Lehrveranstaltungen übertragbar. Laut den Evaluierungsergebnissen wünschen sich Studierende auch in anderen Lehrveranstaltungen ähnliche Online-Kurse.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass dieses didaktische Modell nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern auch in der Sportlehre an den Universitäten einen Mehrwert generieren kann. Der entscheidende Punkt ist, dass die Didaktik den Informationsprozess steuert und nicht umgekehrt.

 

Das Konzept wurde auch schon auf mehrere Lehrveranstaltungen übertragen (siehe auch „Mehrwert“). Zuletzt wurde dieses didaktische Szenario für einen Wintersportkurs an der Pädagogischen Hochschule Wien übertragen und auch tatsächlich im Dezember 2019 umgesetzt.

 

Das Konzept wird in allen Lehrveranstaltungen laufend evaluiert, weiterentwickelt und den Bedürfnissen angepasst.

 

Im Herbst 2019 wurde dieses didaktische Konzept auch auf eine Lehrveranstaltung an der Pädagogischen Hochschule Burgenland im berufsbegleitenden Bachelorstudium in der Primarstufe übertragen und somit außerhalb der eigenen Institution eingesetzt.

Akzeptanz

Das Projekt trifft sowohl bei den Studierenden als auch bei den Lehrenden auf eine enorm positive Akzeptanz.

ALLE Lehrenden der beschriebenen Lehrveranstaltungen Leichtathletik - drei Lehrende (sechs Gruppen); Motorische Grundlagen – fünf Lehrende (15 Gruppen); Turnen Vermittlungskonzepte – sechs Lehrende (15 Gruppen) und Natur- und erlebnisorientierte Wintersportprojekte planen, gestalten und evaluieren – Wintersportwoche - drei Lehrende (drei Gruppen) setzen freiwillig dieses didaktische Konzept (E-Learning und Praxiseinheiten) um.

Bei den Studierenden zeigt sich nicht nur bei der gemeinsamen Umsetzung (E-Learning-Kurs und gemeinsame Praxiseinheit, sondern auch durch die Evaluierung ein sehr hohes Maß an Akzeptanz.

 

Beispielhafte Ergebnisse sollen an dieser Stelle kurz herausgegriffen werden:

 

1..stimme voll zu// 2…stimme eher zu// 3…stimme teilweise zu// 4…stimme eher nicht zu// 5…stimme überhaupt nicht zu

 

Akzeptanz in Verbindung mit Userbility des E-Learning-Kurses:

n=838, Median=1,5; Modus=1; Minimum=1; Maximum=5; Perzentile (25)=1; Perzentile (50)=1,5; Perzentile (75)=2

 

Zustimmung bezüglich theoretischer Inhalte unterstützen mich auf dem Weg der Professionalisierung:

n=838, Median=1,6; Modus=1; Minimum=1; Maximum=5; Perzentile (25)=1,2; Perzentile (50)=1,6; Perzentile (75)=2,2

 

Selbständiges Arbeiten:

n=838, Median=1,8; Modus=1; Minimum=1; Maximum=5; Perzentile (25)=1,3; Perzentile (50)=1,8; Perzentile (75)=2,3

 

Kooperatives Arbeiten:

n=838, Median=2,5; Modus=2; Minimum=1; Maximum=5; Perzentile (25)=1,5; Perzentile (50)=2,5; Perzentile (75)=3

 

Mehr Zeit für praktisches Üben:

n=838, Median=2; Modus=1; Minimum=1; Maximum=5; Perzentile (25)=1; Perzentile (50)=2; Perzentile (75)=3

 

Medienkompetenz:

n=838, Median=2; Modus=2; Minimum=1; Maximum=5; Perzentile (25)=1; Perzentile (50)=2; Perzentile (75)=3

 

Es gibt eine statistisch signifikante Veränderung der Kompetenzen der Teilnehmer nach der pädagogischen Intervention.

n=435; F(1,346) = 1.513,3; p <0,001; ?² = 0,81

Aufwand

Monetäre zusätzliche Kosten sind für die Pädagogische Hochschule Wien nicht entstanden. Der tatsächliche Aufwand in Stunden ist durch den großen Umfang und die lange Laufzeit nicht mehr eruierbar.
siehe Link "Projektbeschreibung - Projektwürdigkeit", exemplarisch an der LV "Leichtathletik"

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorstudium, Lehramt Primarstufe: 1.&2.&3.&4.Studienjahr

Fortbildungsstudium, Lehramt Primarstufe

(in Planung / in Gesprächen: Instruktorenausbildung BSPA Wien, Leichtathletik & ÖLV)

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2020 nominiert.
Ars Docendi
2020
Kategorie: Digitale Transformation in der Lehre
Ansprechperson
Stephan Wieser, Mag.
Pädagogische Hochschule Wien
06802173764
Nominierte Person(en)
Stephan Wieser, Mag.
Pädagogische Hochschule Wien
Christian Rudloff, Dr. BEd MA. MBA Prof.
Pädagogische Hochschule Wien
Themenfelder
  • Curriculagestaltung
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Digitalisierung
  • Organisatorische Studierendenunterstützung
  • Rund ums Evaluieren der Lehre
  • Weiterbildung Lehrende
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften