METHODENWERKSTATT I Psychotherapeutische Schulen im Gespräch

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Der Deutsche Bundesrat hat das Psychotherapiegesetz II endgültig beschlossen, das am 26. September 2019 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde. Vorgesehen ist, ab dem Wintersemester 2020/21 bundesweit die reformierte Ausbildung zum/zur Psychotherapeut*in im Rahmen einer einschlägigen Direktausbildung umzusetzen: die Ausbildung der Psychotherapeut*innen regelt sich sodann im Rahmen eines Direktstudiums der Psychotherapie, das mit der Approbation abschließt und an welches sich eine fünfjährige Weiterbildung in einer wissenschaftlich anerkannten Fachkunde („Richtlinienverfahren“) anschließt. Die künftigen Psychotherapeut*innen in Weiterbildung („PiWs“) erhalten eine angemessene Vergütung für ihre Tätigkeit. Mit Abschluss der Weiterbildung können Psychotherapeut*innen sich in das Arztregister der Kassenärztlichen Landesvereinigungen eintragen lassen und erwerben somit den Zugang für Tätigkeiten im Rahmen der gesetzlichen Regelversorgungssysteme.

 

Der für Deutschland neue Ausbildungsweg, der als Modell für die europäische Psychotherapiedidaktik stehen kann, sieht ein fünfjähriges einschlägiges Hochschulstudium gem. der Bologna Kriterien vor, welches mit einer staatlichen Prüfung endet und zur Berufsberechtigung unter dem Titelschutz als „Psychotherapeut*in führt. Bislang mussten in Deutschland sog. Psychologische Psychotherapeut*innen ein Vollstudium der Psychologie absolvieren, ab September 2020 wird das Psychologiestudium keine Voraussetzung mehr für den Zugang zum Beruf als Psychotherapeut*in sein.

Die Entwicklungen der Psychotherapiereform in Deutschland stehen wegweisend, nachhaltig und paradigmatisch für die Entwicklungen des Faches zur eigenständigen akademischen Disziplin. Die Verankerung des Berufs des*r Psychotherapeut*in sichert so den eindeutigen Status als akademischen Heilberuf und führt zur Justierung und Ausdifferenzierung der Kompetenzbereiche. Als Folge werden die gängigen Paradigmata in Ausbildung, Lehre und Psychotherapieforschung neu überdacht, neue Wege werden beschritten, um den hohen Anforderungen der Profession gerecht zu werden. Die Psychotherapie kann nicht mehr als Appendix, Paradisziplin oder Subfach von ausschließlich Psychologie oder Medizin in den akademischen und professionellen Fächerkanon eingeordnet werden. Die Zeit ist reif, methodisch und inhaltlich die Kontur der Psychotherapie als Wissenschaft und Profession im Zusammenhang einer Psychotherapiewissenschaft im Einklang mit ihren Bezugswissenschaften zu definieren, um inhaltliche und strukturelle Aspekte einzubinden. So entwickeln Psychotherapeut*innen der kommenden Generationen eine berufliche Erstidentität im Sinne des „Scientific-Practioner-Modells“ und erzielen erweiterte Kompetenzen und Professionalisierung für die akademischen aber gleichzeitig ambulanten, stationären und präventiven Bereiche sowie Versorgungsstrukturen. Spezifiziert auf die Professionsentwicklung in Deutschland bedeutet dies einen historischen Meilenstein, die Etablierung der Direktausbildung bzw. des Direktstudiums Psychotherapie(wissenschaft) für die Bereiche der Berufsausübung, der Weiterbildung und der Akademisierung des Faches nachhaltig für die nächsten Generationen zu verankern. Somit steht Deutschland an der Spitze der internationalen Psychotherapieentwicklung.

 

Die Sigmund Freud PrivatUniversität (SFU) ist eine akkreditierte europäische humanwissenschaftliche Privatuniversität. Seit 2004 bietet die Sigmund Freud PrivatUniversität Wien das europaweit erste Vollstudium der Psychotherapiewissenschaft (Bachelor/Master/Doktorat/Habilitation) an und betreibt internationale Psychotherapieforschung unter Einbeziehung der Methodenvielfalt sowie einschlägige Ausbildungsforschung. Seit 2016 wird das Direktstudium der Psychotherapie in Forschung und Lehre auch am SFU Standort Berlin am Campus Flughafen Tempelhof angeboten. Zudem betreibt die SFU Berlin am Department für Psychotherapiewissenschaft eine in Deutschland staatlich anerkannte Ausbildungsstätte für Psychotherapie und eine kassenermächtigte Lehr- und Forschungsambulanz. Somit bildet die SFU sowohl den „alten“ Weg für Kolleg*innen in der Übergangszeit (Psychologiestudium und Ausbildung) als auch den neuen deutschen Weg (Psychotherapiestudium und Weiterbildung) für den Nachwuchs zur Gänze ab und greift auf einschlägige und einmalige Vorerfahrungen und Netzwerke zurück.

 

Methodenvielfalt | Komplexe Herausforderung der Psychotherapiewissenschaft

Die Integration (angrenzender) Wissenschaften und des herrschenden Methodenpluralismus in der Psychotherapie sowie die gleichzeitig eigenständige und gerechtfertigte Positionierung gemäß ihres Wesens sind schlussendlich die komplexe Herausforderung an die postmoderne und zukunftsgerichtete Psychotherapiewissenschaft. Die spezifischen Wissenschafts-, Methoden-, Theorie- und Professionsverständnisse spiegeln einen Teil der Vielschichtigkeit und den dynamisch anhaltenden Diskurs der menschlichen Kultur- und Ideengeschichte wider.

 

Im Zuge dessen werden hochschuldidaktische Fragen an Universitäten und Ausbildungsinstituten immer virulenter: Wie lernt man Psychotherapie? Wie lehrt man Psychotherapie? Um ein Studium der Psychotherapie, künftig ausschließlich an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen, durchführen zu können, bedarf es innovativer Hochschuldidaktik und studierendenzentrierte Lehre, um eine curriculare Kohärenz im Dreiklang mit Theorie, Praxis und persönlicher Entwicklung, zu ermöglichen, wobei die Lehre die Zusammenschau zwischen wissenschaftlichen Theorien und Methoden und der Berufs- und Lebenspraxis verdeutlichen soll.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Im Rahmen der verpflichtenden Lehrveranstaltung „Methodenwerkstatt – Psychotherapeutische Schulen in Gespräch“ wird mittels Erfahrungswissen die Methodenvielfalt der state-of-the-art Psychotherapie erlebbar und spürbar. Welche Theorien und Methoden der psychotherapeutischen Behandlungstechniken sind heute noch maßgeblich? Im Zeitalter eines pluralistischen Psychotherapiezuganges wird der Vergleich, das Aufspüren von theoretischen und klinisch- praktischen Gemeinsamkeiten der verschiedenen Richtungen von zentraler Bedeutung. Es wird veranschaulicht, wie sich die Methoden, Menschenbilder und Paradigmen unterscheiden.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

As part of the mandatory course "Workshop – Psychotherapeutic Schools in Conversation," the diversity of methods of state-of-the-art psychotherapy can be experienced and felt by means of experience. Which theories and methods of psychotherapeutic treatment techniques are still relevant today? In the age of a pluralistic psychotherapy access, the comparison, the recognition of theoretical and clinical-practical similarities of different directions becomes central. It illustrates how the methods, images of people and paradigms differ.

Nähere Beschreibung des Projekts

An der Fakultät Psychotherapiewissenschaft müssen sich die Studierenden im 5. Semester des BA pth. Studiums im Rahmen eines Pflichtfaches auf eine Spezialisierung in einer psychotherapeutischen Schule entscheiden, in der sie dann bis zum Ende des Magisterstudiums ausgebildet werden. Zur Auswahl stehen acht Methoden. Auf diese Weise bilden sich innerhalb des Studienganges Studierendengruppen, die unterschiedliche Schwerpunkte gewählt haben.

Im Rahmen des Psychotherapiestudiums an der SFU ist eine über mehrere Semester laufende Lehrveranstaltung eingerichtet, die zum Ziel hat, einerseits den Studierenden die Wahl einer Psychotherapiemethode zu erleichtern, andererseits unterschiedliche Sichtweisen und Arbeitsweisen der Psychotherapeutischen Schulen sichtbar und erfahrbar zu machen.

 

Die Veranstaltungen werden in zwei didaktische Vorgehensweisen angeboten:

 

1) Plenarveranstaltung

Zu einem psychotherapiewissenschaftlich relevanten Thema wird ein Inputvortrag gehalten, der dann jeweils von Lehrtherapeuten unterschiedlicher Psychotherapieschulen diskutiert wird und deren schulenspezifische Sichtweisen zum Thema dargeboten werden. Im Anschluss haben die Studierenden Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich an der Diskussion zu beteiligen.

 

2) Falldarstellungen unter dem Gesichtspunkt unterschiedlichen Methoden

Es bildet sich für jede Psychotherapeutische Methode, die an der SFU angeboten werden ein Arbeitskreis, dem ein/e LehrtherapeutIn der jeweiligen Methode vorsitzt. Ein/e Student/in dieser Methode präsentiert eine Fallvignette aus der Ambulanzarbeit zu einem vorgegebenen Thema (z.B: Suchtpatient, Angstpatient o.ä.). TeilnehmerInnen der Arbeitskreise sind Studierende unterschiedlicher Methodenspezialisierungen. Der/die vorsitzende LehrtherapeutIn nimmt aus der Sicht seiner/ihrer Psychotherapieschule zum Fall Stellung und diskutiert mit den Studierenden im Arbeitskreis. Nach 30 Minuten wechseln die Studierenden in den nächsten Arbeitskreis, dem eine LehrtherapeutIn einer anderen Psychotherapieschule vorsitzt. Die gleiche Fallvignette wird nun aus Sicht der anderen Methode beleuchtet und diskutiert. Dieser Vorgang wiederholt sich, bis alle Arbeitskreise und Methoden absolviert sind.

 

Diese Vorgangsweise ermöglicht den Studierenden einerseits ein „über den Tellerrand“ der eigenen Psychotherapieschule zu schauen, zu spüren, ob die gewählte oder zu wählende Methode als passend zur eigenen Persönlichkeit empfunden wird und zur Erweiterung des fachlichen Horizonts.

Nutzen und Mehrwert

Didaktischer Zugang zum erlebnisorientierten Erlernen von Psychotherapie als Kunstlehre

Nachhaltigkeit

Hochschuldidaktische Fragen an Universitäten und Ausbildungsinstituten werden virulent sowie die Frage nach der Einhaltung curricularer Kohärenz:

 

Wie lernt man Psychotherapie? Wie lehrt man Psychotherapie? Um ein universitäres Studium der Psychotherapie durchführen zu können, bedarf es innovativer Hochschuldidaktik und studierendenzentrierte Lehre, Forschung und persönlicher Entwicklung.

Akzeptanz

Laufende Evaluierung seit Beginn der Methodenwerkstatt qua EVA System

Aufwand

Mehraufwand Kosten (mehrere externe Dozent*innen für eine LV)

Positionierung des Lehrangebots

M1 (1. Semester Magisterstudium) Psychotherapiewissenschaft (PTW), Direktstudium Psychotherapie

Links zum Projekt
Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Links zu Social Media-Kanälen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2020 nominiert.
Ars Docendi
2020
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Ass.-Prof. Dr. Katharina Reboly
Direktorin SFU Berlin
+493078950935
Nominierte Person(en)
Univ.-Prof. Dr. Jutta Fiegl
Dekanin für Psychotherapiewissenschaft SFU Wien Berlin
Univ.-Prof. Dr. Georg Franzen
Departmentleitung Psychotherapie SFU Berlin
Ass.-Prof. Dr. Katharina Reboly
Department Psychotherapie SFU Berlin
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Erfahrungslernen
  • Vor dem Studium/Beginn des Studiums
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften