Universität für Bodenkultur Wien
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Projekt Citizen Science: Co-creation in der transdisziplinären Lehre

Würdigung der Jury

Mit dieser Nominierung für die Shortlist würdigt die Jury eine Lehrveranstaltung, die in überzeugender Weise die Anliegen von Citizen Science aufgreift und in einem probaten Zusammenhang zu einem Unterfangen studentischer Forschung werden lässt. Masterstudierende verschiedener Schwerpunkte finden in dem curricular ungebundenen Studienprojekt die Chance, sich methodisch umfassend an dem seit 2013 laufenden und erfolgreichen Citizen-Science-Projekt Roadkill zu beteiligen. Bei diesem geht es um eine breite und kontinuierliche Datenerhebung, die mit der Hilfe aller Interessierten über eine App die Informationen zu im Straßenverkehr überfahrenen Wirbeltieren erfasst.

Gefördert wird im Lehrprojekt die Entwicklung eigener Fragestellungen im Rahmen des Projekts und die Umsetzung dieser Fragen (Datennutzung, Datenerhebung, Management, Kommunikation). Diese Fragen sind namentlich auf den Citizen-Science-Ansatz bezogen, betreffen aber auch die wissenschaftliche Auswertung und Interpretation der durch die Citizen Scientists erhobenen Daten. Gearbeitet wird in Gruppen, die ein kontinuierliches Feedback bekommen und sich auch ihr methodisches Arsenal zielgerichtet erarbeiten.

Die Veranstaltung beeindruckt durch einen sequentiell klaren, modularen Aufbau, der dennoch einer kollaborativen Praxis weiten Raum einräumt. Die Interaktion mit den Lehrenden wird – namentlich wegen der gemeinsamen Praxis von Studierenden, Lehrenden und Citizen Scientists – als besonders kooperativ und kollegial wahrgenommen. Bemerkenswert ist zudem, dass die Initiative zu dem Projekt von Studierenden ausging, die von dem Citizen-Science-Ansatz unter dem Aspekt einer gesellschaftlichen Relevanz und Öffnung von Wissenschaft (Third Mission) nicht nur rezeptiv erfahren, sondern in entsprechenden Projekten eigene Praxiserfahrungen sammeln wollten.

Univ.-Prof. Dr. Michael Kämper-van den Boogaart
Humboldt-Universität zu Berlin

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die Universitäten sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) betrachtet es als Pflicht und Selbstverständlichkeit, die Gesellschaft, aus deren Leistungen die BOKU erhalten wird, an ihrer Arbeit teilhaben zu lassen und die Fragen der Gesellschaft forschend und lehrend aufzugreifen. Gelebte Nachhaltigkeit und die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung ist der BOKU ein großes Anliegen. Viele der Themen, die an der BOKU bearbeitet werden, sind für die Gesellschaft von großer Bedeutung.

Die großen Herausforderungen (Grand Challenges) unserer Zeit, wie der Klimawandel, die Biodiversitätskrise oder auch die Corona-Krise, haben deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass einerseits die Zivilgesellschaft wissenschaftliche Prozesse versteht, um fundierte Entscheidungen zu treffen, und dass andererseits viele Fragen nur unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft beantwortet werden können.

Durch die Third Mission ist an den Hochschulen eine dritte akademische Mission zu den beiden Missionen Lehre und Forschung hinzugekommen. Citizen Science, als aktive Beteiligung von Bürger*innen an wissenschaftlichen Projekten, ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Teil der Third Mission geworden. Immer mehr Wissenschaftler*innen binden die Zivilgesellschaft in ihre Forschung mit ein und somit hat Citizen Science als wissenschaftliche Methode an den Universitäten an Bedeutung gewonnen.

Citizen Science setzt aber von Seiten der Bürger*innen und der Studierenden, neben dem fachspezifischen Wissen, auch den Blick über den Tellerrand voraus, damit folgende Kompetenzen wie z.B. Bürgerschaftskompetenz, Wissenschaftskompetenz, Interpersonelle Kompetenz und digitale Kompetenzen vermittelt werden.

Durch die institutionen- und fachübergreifende Arbeit bei der Koordination des Citizen Science Network Austria mit der dazugehörigen Onlineplattform „Österreich forscht“, die 2014 gegründet wurde und von der Universität für Bodenkultur Wien koordiniert wird, wurde die Notwendigkeit aufgezeigt, transdisziplinäre Lehrveranstaltungen für Citizen Science anzubieten. Diese LVs sollen zukünftigen Wissenschaftler*innen die entsprechenden Kompetenzen vermitteln, um sich im transdisziplinären Feld der Citizen Science erfolgreich etablieren zu können.

Daher wird an der BOKU seit dem Sommersemester 2016 regelmäßig die Lehrveranstaltung “Citizen Science in der Ökologie” angeboten. In dieser Lehrveranstaltung sollen Studierende einen Einblick in die Methode Citizen Science erhalten und sich kritische und normative Kompetenzen aneignen, um die Möglichkeiten und Grenzen dieser Forschungsmethode zu beleuchten.

Regelmäßig wurde von Seiten der Studierenden der Wunsch geäußert, mehr praktische Erfahrungen mit Citizen Science zu sammeln. Auf der Grundlage unserer Erfahrungen und dem Feedback der Studierenden wurde daher im nächsten Schritt die Lehrveranstaltung "Projekt Citizen Science" entwickelt.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Eine enge Verbindung von Lehre und Forschung ermöglicht es, Studierenden jene Qualifikationen zu vermitteln, die in einem dynamischen Wissenschaftsfeld tatsächlich benötigt werden. Das transdisziplinäre und forschungsgeleitete Lehrkonzept des „Projekt Citizen Science“ taucht mit den Studierenden tief in das laufende Citizen Science Projekt Roadkill (www.roadkill.at) ein, welches seit 2013 gemeinsam mit der Bevölkerung zu überfahrenen Wirbeltieren in Österreich forscht. Die Studierenden arbeiten in Kleingruppen in einem Co-creation Prozess an einer selbst erarbeiteten Forschungsfrage direkt im Projekt Roadkill. Einerseits fließen die dabei entwickelten Forschungsansätze in das Projekt Roadkill ein, andererseits arbeiten die Studierenden in einem laufenden Forschungsprojekt mit und erfahren, wie Citizen Science in der Praxis funktioniert. Die Lehrveranstaltung orientiert sich dabei am Kompetenzgewinn der Studierenden im Bereich der Kommunikation, des Community-Managements oder des Marketings, die für zukünftige Wissenschaftler*innen von enormem Wert sein werden. Das studierendenzentrierte Lehrformat zielt also darauf ab, dass Studierende in der Lage sind, Wissen und Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen aufzugreifen, kritisch zu reflektieren und in die eigene Tätigkeit einzubringen. Darüber hinaus werden wichtige Beiträge zur Weiterentwicklung der Citizen Science an der Universität geleistet.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

A close connection between teaching and research provides students with the qualifications that are needed in a dynamic field of science. The transdisciplinary and research-led teaching concept of "Project Citizen Science" immerses students deeply in the ongoing citizen science project Roadkill (www.roadkill.at), which has been investigating road-killed vertebrates in Austria together with an interested public since 2013. The students of the course “Project Citizen Science” work in small groups in a co-creation process on a research question they have developed themselves directly within Project Roadkill. On the one hand, the research approaches developed during this process are integrated into Project Roadkill, on the other hand, the students work in an ongoing research project and experience how citizen science is done in practice. The course is oriented towards the students gaining competencies in the areas of communication, community management or marketing, which will be of enormous value to future scientists. The student-centred teaching format thus aims to enable students to pick up knowledge and insights from different disciplines, to reflect on them critically and to apply them to their own work. In addition, important contributions are made to the further development of citizen science at the university.

Nähere Beschreibung des Projekts

Citizen Science beschreibt die aktive Beteiligung von Personen außerhalb des Wissenschaftsbereichs (Amateur*innen), an wissenschaftlichen Projekten. Dabei kann die Beteiligung in der kurzzeitigen Erhebung von Daten bis hin zu einem intensiven Einsatz von Freizeit bestehen, um sich gemeinsam mit Wissenschaftler*innen und/oder Ehrenamtlichen in ein Forschungsthema zu vertiefen. (Grünbuch Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland)

Über die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Daten hinaus kann Citizen Science einen Mehrwert für die Gesellschaft erzielen: Menschen erweitern ihr Wissen über z.B. Natur, Technik, Geschichte – und lernen, wie Wissenschaft funktioniert. Sie können Daten und Ergebnisse aus der Wissenschaft besser einschätzen und auch die Grenzen wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse nachvollziehen. Unabdingbar ist, dass bei allen Citizen-Science-Projekten der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn im Fokus bleibt. (Grünbuch Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland)

Die Lehrveranstaltung "Projekt Citizen Science" ist auf den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ausgerichtet. Das zentrale Element der Lehrveranstaltung ist der Co-Creation-Prozess. Studierende, Lehrende und Bürger*innen arbeiten gemeinsam im Citizen Science Projekt Roadkill, wobei die Studierenden selbständig neue wissenschaftliche Fragestellungen, neue Bewerbungskampagnen oder neue Community-Managementmaßnahmen entwickeln können. Diese Aktivitäten werden nicht isoliert im Seminarraum durchgeführt, sondern direkt im laufenden Citizen Science Projekt Roadkill. So entsteht die Co-creative Zusammenarbeit von Studierenden, Lehrenden und Citizen Scientists.

Das Projekt Roadkill wurde 2014 gestartet (www.roadkill.at). Seither sammeln Citizen Scientists Daten zu überfahrenen Wirbeltieren (Roadkills) auf Österreichs Straßen. Seit Anfang 2021 können sich Citizen Scientists im gesamten Forschungsprozess beteiligen. So können sie Forschungsfragen einsenden, Roadkill Daten erheben, Daten analysieren und sich auch bei wissenschaftlichen Publikationen beteiligen. Die Studierendenzentrierung ist dabei ein wichtiger Grundbaustein der Lehrveranstaltung, da die Studierenden aus verschiedenen Curricula kommen und dadurch unterschiedliche Vorkenntnisse mitbringen. Durch einen modularen Aufbau der Lehrveranstaltung erhalten die Studierenden eine nachvollziehbare Struktur in dem für die meisten ungewohnten Co-creation-Prozess, der auch an den vorab angegebenen Lernergebnissen ausgerichtet ist. Gleichzeitig kann die Lehrveranstaltung auf diese Weise auch maximal flexibel mit nur wenigen Präsenzterminen organisiert werden, um auf die verschiedenen Lebensrealitäten der Studierenden Rücksicht nehmen zu können.

Im Einführungsmodul erhalten die Studierenden einen theoretischen Input, in dem das zugrundeliegende Citizen Science-Projekt Roadkill im Detail erklärt wird und die Abläufe im Projekt vorgestellt werden (z.B. Datenqualitätssicherung, Kommunikation mit den Citizen Scientists).

Nach diesem Einblick werden erste Themen, die die Studierenden interessieren, gesammelt und gemeinsam mit den Studierenden erste Entwürfe für Forschungsfragen zu den Themen formuliert. Die Themen können dabei sehr vielseitig sein und von der Analyse bereits durch Citizen Scientists erhobenen Daten (z.B. mit einem Schwerpunkt auf einzelne Tierarten), über die Kampagnenerstellung um mit Citizen Scientists neue Daten zu erheben bis hin zu Neukonzeptionierungen des Community Managements reichen. Bei all diesen Themen steht die transdisziplinäre Forschung der Studierenden im Mittelpunkt. Die Forschung wird entweder direkt im Citizen Science Projekt Roadkill durchgeführt oder die Ergebnisse daraus fließen in das Projekt ein. Um die Vielfalt der bisher gewählten Forschungsfragen zu illustrieren, hier drei Beispiele. So wurde von den Studierenden in vergangenen Semestern bereits untersucht, wo Feldhasen besonders häufig überfahren werden und welche Faktoren dazu führen könnten. Das unterschiedliche Meldeverhalten von Citizen Scientists wurde analysiert oder es wurde untersucht, ob Nationalparks ihre Schutzfunktion in Bezug auf Roadkills erfüllen.

In der Folgeeinheit werden die Forschungsfragenentwürfe erneut in einem kollaborativen Prozess konkretisiert und die Studierenden wählen selbst aus, welche der selbst entwickelten Forschungsfragen sie verfolgen möchten. Dabei ist es den Studierenden freigestellt, ob sie alle gemeinsam an einer Forschungsfrage arbeiten oder ob sie sich in mehrere Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Fragestellungen aufteilen. Auf diese Weise wird auch hier auf die individuellen Vorkenntnisse und Interessen Rücksicht genommen. Damit ist das Einführungsmodul abgeschlossen und das Methodenmodul beginnt.

Im Methodenmodul werden gemeinsam mit den Studierenden die Methoden zur Beantwortung ihrer Forschungsfragen diskutiert und festgelegt. Anschließend beginnen die Studierenden, die Forschungsfrage selbstständig und nach eigenem Zeitbudget zu bearbeiten und ihre Fortschritte zu dokumentieren. Die Grundstruktur zur Dokumentation orientiert sich dabei am Aufbau einer wissenschaftlichen Publikation (also Einleitung, Material und Methoden, Ergebnisse und Diskussion). Wichtig für die Studierenden dabei ist, dass sie stets bedenken, dass ihre Methoden in einem laufenden Citizen Science Projekt umgesetzt werden, also direkten Einfluss auf Citizen Scientists hat, die Teil der Projekt Roadkill Community sind und sie gegebenenfalls direkt mit den Citizen Scientists zusammenarbeiten.

Diese Struktur hat sich bewährt, da so naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche oder praktische Fragestellungen strukturiert bearbeitet werden können. Dabei stehen die Lehrenden jederzeit, auch kurzfristig, für Hilfestellungen zur Verfügung.

Im Folgenden arbeiten die Studierenden in den Kleingruppen die Methoden selbstständig fertig aus und dokumentieren diese. Dieses Methodendokument wird den Lehrenden vor der nächsten Präsenzeinheit zugesandt, damit sie sich auf die Gruppendiskussion vorbereiten und mit konkreten Vorschlägen in die Einheit kommen können. Das Methodenmodul endet mit einer gemeinsamen Besprechung des Methodendokuments. Dort werden Stärken und Schwächen besprochen, aber auch Fragen und Ideen, die die Studierenden im Plenum geäußert haben. Die Gruppendiskussionen werden von allen Studierenden verfolgt, so dass die Gruppen auch voneinander lernen können. Dieser Austausch ermöglicht auch eine disziplinenübergreifende Ausbildung, da die Studierenden aktiv zu den Methoden der anderen Gruppen beitragen können. Sobald die Methoden aller Gruppen fertiggestellt sind, endet das Methodenmodul und das Ergebnismodul beginnt.

Im Ergebnismodul werden die Methoden zunächst in die Praxis umgesetzt. Konkret bedeutet dies, dass entweder neue Daten von den Citizen Scientists erhoben, vorhandene Daten ausgewertet und analysiert oder beispielsweise Social-Media-Kampagnen auf den bereits bestehenden Kanälen mit mehreren hundert Followern des Projekts Roadkill in Twitter und Instagram durchgeführt werden. Die Ergebnisse müssen detailliert dokumentiert und aufgeschrieben werden. Je nach gewählter Methode wird dabei besonders auf die gute wissenschaftliche Praxis geachtet. Die Dokumentation der Ergebnisse wird dem Methodendokument beigefügt und vor der nächsten Präsenzeinheit nochmals an die Lehrende verschickt. Die Ergebnisse werden gruppenübergreifend besprochen und eventuelle Fehler werden verbessert. Es werden auch erste Ideen zur Interpretation der Ergebnisse gesammelt, die die Grundlage für das Einführungs- und Diskussionsmodul bilden.

Im Einleitungs- und Diskussionsmodul recherchieren die Studierenden die zu ihrer Forschungsfrage passende Literatur und erweitern damit ihren fachlichen Horizont im Bereich ihrer Forschungsfrage und lernen, ihre Ergebnisse in den Kontext bereits publizierter Studien zu stellen. Die Ergebnisse werden kontextualisiert, indem die Studierenden in ihrem Einleitungssdokument die vorhandene Literatur zu ihrer Forschungsfrage zusammenfassen und herausarbeiten, wo es Forschungslücken gibt. Im Diskussionsdokument werden die Ergebnisse aus der Gruppenarbeit mit Ergebnissen aus der Literatur verglichen und interpretiert, warum es Unterschiede, Widersprüche oder Bestätigungen gab.

Am Ende der Module haben die Studierenden nicht nur ein eigenes Forschungsprojekt durchgeführt, sondern im Zuge der Dokumentation auch eine Seminararbeit in der Struktur einer wissenschaftlichen Publikation verfasst und sind so innerhalb eines Semesters mit der wissenschaftlichen Arbeitsweise in einem transdisziplinären Citizen Science Projekt vertraut geworden.

Darüber hinaus erhalten die Studierenden in der letzten Einheit auch einen Einblick in den Publikationsprozess wissenschaftlicher Studien, d.h. einen Überblick über wissenschaftliche Verlage und Zeitschriften, den Begutachtungsprozess, Publikationslizenzen (Open Access vs. Closed Access) und Publikationsmetriken (z.B. Journal Impact Factor, Altmetrics). Damit wird auch eine Lücke in der Ausbildung von Studierenden geschlossen, denn normalerweise wird der Publikationsprozess in Lehrveranstaltungen nicht behandelt.

Nutzen und Mehrwert

Die Lehrveranstaltung erzielt nicht nur sehr gute Lernresultate bei den Studierenden, wie die Seminararbeiten belegen, sondern erarbeitet neue Forschungsfragen für das Projekt „Roadkill“. Auf diese Weise gewinnen Studierende wie auch Lehrende neue Perspektiven auf das Projekt und können bisher nicht untersuchte Fragen stellen, die im Idealfall in neue Masterarbeiten oder Publikationen münden.

Eine Untersuchung des Meldeverhaltens der Citizen Scientists im Roadkill-Projekt durch die Studierenden ergab beispielsweise, dass vor allem Poweruser*innen einen großen Teil der Daten melden. Diese User*innen sind, im Vergleich zu User*innen, die weniger häufig melden, öfter mit dem Fahrrad unterwegs. Sie melden auch Tiere, die von anderen Menschen ignoriert werden (z.B. Tauben). Diese Erkenntnisse ermöglichen es, die Kommunikation im Projekt entsprechend anzupassen, um neue Teilnehmer*innen besser abzuholen.

Das Format hat unterschiedliche Herausforderungen für Lehrende und Studierende, die aber von beiden Seiten als Mehrwert empfunden werden. Die Inhalte der Module können nicht im Detail vorbereitet werden, da auf die Ideen der Studierenden eingegangen werden muss. Die Herausforderung für die Lehrenden besteht darin, dass sie offen sein müssen für Ideen aus verschiedensten Disziplinen (Ökologie, Soziologie, Marketing usw.) und in der Lage sein müssen, spontan auf Entwicklungen zu reagieren. Der Mehrwert besteht darin zu erleben, mit wie viel Kreativität und Begeisterung die Studierenden sich den selbst gewählten Themen widmen. Darüber hinaus werden die Ideen der Studierenden (z.B. Social-Media Kampagnen) in einem realen Projekt mit Citizen Scientists umgesetzt. So werden Fehler, aber auch Erfolge öffentlich wahrgenommen. Nach bisherigen Erfahrung empfinden dies die Studierenden aber als besonders reizvoll, da ihre Arbeit einen direkten Einfluss auf ein Citizen Science Projekt hat und sie dadurch einen wertvollen Beitrag für Wissenschaft und Gesellschaft leisten.

Nachhaltigkeit

Das Projekt Citizen Science ist eine freie Wahllehrveranstaltung, die derzeit noch in keinem Curriculum integriert ist und allen BOKU-Studierenden offensteht. Die Lehrveranstaltung wurde auf Anregung von Studierenden der LV „Citizen Science in der Ökologie“ entwickelt, die sich mehr praktischen Bezug zu Citizen Science wünschten.

Die Lehrveranstaltung wird seit Wintersemester 2021/22 einmal im Jahr angeboten. Eine zusätzliche Abhaltung der Lehrveranstaltung im Sommersemester ist gerade in Planung, da im Sommersemester ganz neue Forschungsfragen bearbeitet werden könnten. Aufgrund des Praxisbezugs könnten beispielsweise neue Erhebungen durchgeführt werden oder die Citizen Scientists leichter zu speziellen Erhebungen herangezogen werden, was im Wintersemester aufgrund des deutlich geringeren Aufkommens von „Roadkills“ häufig keinen Sinn machen würde.

Das Citizen Science Projekt Roadkill wurde 2021 durch eine Förderung des FWF innovativ weiter entwickelt. So können Citizen Scientists nicht nur Daten zu überfahrenen Tieren sammeln, sondern sich nun im gesamten Forschungsprozess beteiligen, d.h. Forschungsfragen einsenden, Daten erheben, bei der Datenkontrolle unterstützen, Daten analysieren und sogar bei wissenschaftlichen Publikationen mitschreiben. In Zukunft können die Studierenden diese Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten nutzen, um noch vielfältigere Forschungsfragen zu bearbeiten. Längerfristig ist geplant, die Lehrveranstaltung in geeignete Curricula aufzunehmen.

Dissemination/Transfer

Grundsätzlich eignet sich der gelebte Citizen Science-Ansatz sehr gut für andere Lehrveranstaltungen, die sich ebenfalls auf die praktische Forschungsarbeit in einem Citizen Science-Projekt konzentrieren wollen und ein langfristiges Citizen Science-Projekt als Grundlage haben. Darüber hinaus kann dieses Konzept auch in anderen Lehrveranstaltungen, die sich auf die Vermittlung praktischer Forschungsarbeit konzentrieren, gut eingesetzt werden.

Institutionelle Unterstützung

Die Universität unterstützt die Fortführung dieses Lehrgangs durch die unbefristete Anstellung der beiden Lehrgangsleiter an der BOKU.

Positionierung des Lehrangebots

Dies ist eine freie Lehrveranstaltung, die nicht an ein Curricula gebunden ist. Voraussetzungen für die Teilnahme sind ein abgeschlossenes Bachelor-Studium, Grundkenntnisse des wissenschaftlichen Arbeitens und der Statistik.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2023 nominiert.
Ars Docendi
Nominiert 2023
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Dr. Florian Heigl
Institut für Zoologie
01 47654 83320
Nominierte Person(en)
Dr. Florian Heigl
Institut für Zoologie
Dr. Daniel Dörler
Institut für Zoologie
Themenfelder
  • Erfahrungslernen
  • Forschung/EEK geleitete Lehre
  • Kooperationen in der Lehre
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Wissenschaftsvermittlung
  • Flexibel Studieren
  • Digitalisierung
  • Lehr- und Lernkonzepte
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften