Die Höhle der Löwen: Förderung des Theorie-Praxis-Transfers anhand der Methode „Problem-based Learning“

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Im Studienjahr 2016/17 und 2017/18 wurde im Vertiefungsmodul Betriebswirtschaft durch die Studierenden ein Businessplan für ein fiktives Unternehmen erstellt und im Zuge eines abgeänderten Formates der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ (VOX, 2017) präsentiert. Die Erstellung des Businessplans erfolgte auf Basis der "Problem-based Learning-Methode". Die Präsentation fand vor externen Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft (Unternehmer/innen und Geschäftsführer/innen) statt und diese legten ihr Augenmerk auf die tatsächliche Umsetzbarkeit im unternehmerischen Kontext und investierten fiktives Kapital in die Geschäftsideen der Studierenden (WKO.tv, 2017). Neben dem fachlichen Kompetenzerwerb sind die zentralen Ziele die Förderung unternehmerischen Denkens durch die Erstellung eines Businessplans und das praxisnahe Feedback durch Unternehmerinnen und Unternehmer. Dies zielt auf einen extensiven Theorie-Praxis-Transfer ab und soll dadurch zur Erlangung des übergeordneten Bildungszieles, Sensibilisierung für die Entrepreneurship-Erziehung, beitragen.

Kurzzusammenfassung des Projekts

In der beruflichen Bildung ist die "Problem-based-Learning-Methode" eine wesentliche Lernform zur Entwicklung von fachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen. Das Lernen erfolgt fallbasiert, kooperativ und selbstgesteuert. Zentraler Bestandteil des Projektes sind hochschuldidaktische Überlegungen zum "Problem-based-Learning-Konzept" nach Müller Werder (2013). Dabei sind die Analyse von Problemen, das Identifizieren von Wissensdefiziten, die Wissenserarbeitung sowie die Problemlösung wesentliche Angelpunkte der Methode. Basis jeglicher hochschuldidaktischen Überlegungen ist der Abgleich von intendierten Lernergebnissen, dem Kompetenzerwerb und der Prüfungsmethode in Form des "Constructive Alignments" nach Biggs (2003). Die praktische Umsetzung dieser Methode erfolgte im Vertiefungsmodul Betriebswirtschaft an der Pädagogischen Hochschule Tirol im Studium Sekundarstufe Berufsbildung, Fachbereich Information und Kommunikation. Hierbei wurde in einer abgewandelten Form des TV-Formates „Die Höhle der Löwen“ ein ausgearbeiteter Businessplan einer Experten-Kommission (Unternehmer/innen und Geschäftsführer/innen) durch Studierende präsentiert. Mittels eines teilstrukturierten Gruppeninterviews nach Mayring wurden die Herausforderungen aber auch Chancen der Methode sichtbar gemacht. Daraus wurden konkrete Handlungsempfehlungen für den methodisch-didaktischen Einsatz abgeleitet und flossen in die Überarbeitung des Projektes ein.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

In vocational training the method problem-based-learning represents an essential form of learning and of the developing professional competencies. Learning is based on cases and takes place cooperatively and self-regulated. The basis of the conception of the project is the theory of Müller Werder (2013) according problem-based-learning. Whereby problem analysis, the identification of knowledge gaps, the acquisition of knowledge and problem solving are the core of the concept. Biggs (2003) describes with the concept of constructive alignment the basics for didactics in higher education and shows that there needs to be an alignment between learning objective, development of competencies and examination. The practical application of these concepts took place within the module business administration II at the bachelors programme “Information and Communication” of the Pedagogical University of Tyrol. Students elaborated a business concept for a fictional company and presented the conception within a setting which is similar to the TV-Show “Dragons Den”, where they pitched their idea in front of entrepreneurs and the entrepreneurs could invest in a business idea.

 

Nähere Beschreibung des Projekts

Zunächst werden die hochschuldidaktischen Überlegungen und deren konkrete Aufarbeitung innerhalb des Moduls beschrieben. Dabei werden zwei theoretische Modelle in die hochschuldidaktische Praxis des Moduls „Betriebswirtschaft Vertiefung“ des Studiengangs Informations- und Kommunikationspädagogik übersetzt. Die Einhaltung der curricularen Vorgaben ist Basis für die Übersetzung der Modelle und kann auch als Inputfaktor für diese gesehen werden.

Den hochschuldidaktischen Grundüberlegungen des Vertiefungsmoduls Betriebswirtschaft liegen zwei zentrale Konzepte zu Grunde. Zum einen das "Constructive Alignment" nach Biggs (2003) und zum anderen der "Problem-based-Learning-Ansatz" nach einem Modell von Müller Werder (2013).

Das "Constructive Alignment" lässt sich verkürzt mit der Kohärenz zwischen Lernzielen, Lehr-/Lernformen und Prüfungen bzw. auch als didaktischer Dreisprung beschreiben (Bachmann, 2014, S. 46). Die Lehr- und Lernformen werden an das intendierte Lernergebnis angepasst. Ebenfalls soll die Prüfung oder Überprüfung der Lernergebnisse auf diese abgestimmt werden. In anderen Worten ist die Grundlage der Prüfung das angestrebte Lernergebnis bzw. die angestrebten Lernergebnisse (Biggs, 2003, S. 2). Ausgehend von diesen Überlegungen wurden die Bildungsziele im Vertiefungsmodul Betriebswirtschaft unter die Lupe genommen:

Die Studierenden erweitern ihr Wissen über die Rechtsformen der Unternehmen und setzen sich mit betrieblichen Organisationsabläufen und Marketingstrategien auseinander. Sie erwerben grundlegende Kenntnisse im Bereich "E-Commerce" und "M-Commerce" und entwickeln Bewusstsein für die "Entrepreneurship-Erziehung" an BMHS und fächerübergreifenden Unterricht und sind sich der Bedeutung und der Verknüpfung der BWL mit dem eigenen Fachbereich an BMHS bewusst. Sie setzen die erworbenen Kenntnisse methodisch-didaktisch um und analysieren und reflektieren die methodisch-didaktische Umsetzung. Sie setzen Handlungsstrategien im Unterricht um und reflektieren diese in Hinblick auf ihre Wirksamkeit. (Pädagogische Hochschule Tirol, 2014, S. 82)

 

Nach Diskussion der Beschreibung der Bildungsziele ergab sich für die Dozierenden im Modul eine Besonderheit in Bezug auf den Konkretisierungsgrad der Ziele. So lässt sich feststellen, dass neben konkreten fachlichen und didaktischen Zielen, wie z. B. dem Erwerb grundlegender Kenntnisse im Bereich "E-Commerce" oder der methodisch-didaktischen Umsetzung der erworbenen Kenntnisse, ein wenig konkretes Ziel, nämlich das der "Entrepreneurship-Erziehung" an BMHS genannt wird. Hierbei sollen im Unterricht alle „Bildungsmaßnahmen zur Weckung unternehmerischer Einstellungen und Fertigkeiten“ gefördert werden, insbesondere die „Entwicklung bestimmter Werte und Haltungen und persönlicher Qualifikationen, die sowohl zur Gründung eines Unternehmens führen können als auch für die unselbständige Arbeit wesentlich sind.“ (Bundesministerium für Bildung, 2017). Nach Analyse der aktuellen Lehrpläne im Bereich der Handelsakademien (HAK) und der Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe (HLW) lässt sich feststellen, dass die genannten Inhalte der "Entrepreneurship-Education" nicht nur in facheinschlägigen Unterrichtsfächern vermittelt werden, sondern eine Querschnittsmaterie darstellen. Besonders im Lehrplan-Cluster "Entrepreneurship – Wirtschaft und Management" (HAK) und Wirtschaft (HLW) werden die Inhalte in hohem Maße abgebildet (vgl. Bundesministerium für Bildung, 2014, 2015). Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass in beiden Lehrplan-Clustern jene Unterrichtsfächer (Angewandtes Informationsmanagement, Wirtschaftsinformatik sowie Officemanagement und angewandte Informatik) angesiedelt sind, für die die Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Informations- und Kommunikationspädagogik speziell an der Pädagogischen Hochschule ausgebildet werden. Wie bereits beschrieben, handelt es sich beim Bildungsziel "Entrepreneurship-Erziehung" an BMHS vielmehr um eine Haltung bzw. ein übergeordnetes Ziel der Ausbildung an einer BMHS im Sinne eines Unterrichtsprinzips als um eine konkrete zertifizierbare (Teil-)Kompetenz. Daher gilt es im Rahmen des Moduls die hochschuldidaktische Konzeption so zu gestalten, dass eben diese "Entrepreneurship-Education", welche auch mit unternehmerischem Denken und Handeln gleichgesetzt werden kann, zu fördern.

 

Im Fall des Vertiefungsmoduls Betriebswirtschaft ist das primär intendierte Lernergebnis die Bewusstseinsentwicklung für die "Entrepreneurship-Erziehung" an BMHS. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das methodische Vorgehen des "Problem-based-Learnings" gewählt. Die Prüfung sollte in einem der unternehmerischen Praxis realitätsnahem Setting erfolgen. Hierfür erschien eine Präsentation vor Expertinnen und Experten naheliegend.

 

In der beruflichen Bildung stellt "Problem-based-Learning" (PBL) oder problemorientiertes Lernen eine wesentliche Lernmethode dar und wird vor allem dann angewandt, wenn von einem bestimmten Ausgangspunkt aus ein Ziel erlangt werden soll. Dadurch soll die Problemlösefähigkeit in der Praxis gefördert werden (Riedl, 2004, S. 135 ff.). In der realen Lebens- oder Arbeitswelt sind Problemstellungen häufig mit erhöhter Komplexität verbunden. Diese Komplexität bedarf daher einer „Strategie des Suchens und Findens“ und nicht eines rein „reproduktiven Denkens“ um Probleme zu bearbeiten (Riedl & Schelten, 2013, S. 215). Dieses Argument verstärkt die Notwendigkeit der selbständigen Bearbeitung von Problemstellungen durch die Studierenden.

Müller Werder (2013) nennt fünf zentrale Ziele des PBL-Ansatzes:

- umfassendes und flexibel anwendbares Wissen erwerben,

- sich effektive Problemlösungskompetenzen aneignen,

- Kompetenzen im Bereich selbstgesteuertes, lebenslanges Lernen erlangen,

- effektive Zusammenarbeit erlernen und

- intrinsische Motivation für das Lernen entwickeln

(Müller Werder, 2013, S. 55 f.).

Somit werden bei Müller Werder (2013) auch soziale bzw. personale Kompetenzen durch PBL angestrebt. Zentral für das Konzept des PBL ist eine definierte bzw. vorgegebene Problemsituation. Die Lösung von Problemsituationen soll eine Lücke zwischen Vorwissen und neuem Wissen schließen, die Motivation der Lernenden erhöhen, die theoretischen Aspekte der Ausbildung aufgreifen und die vielseitigen Möglichkeiten mit dem Problem umzugehen aufzeigen. Dadurch entsteht ein erhöhter Realitätsbezug und der Theorie-Praxis-Transfer soll gefördert werden (Müller Werder, 2013, S. 57 ff.). Der beschriebene Nutzen dieser Methode ist von besonderem Interesse und steht für den Einreichenden auch im Zusammenhang mit der Förderung eines Kompetenzerwerbs auf mehreren Ebenen. Darüber hinaus definiert Müller Werder (2013) verschiedene Problemtypen, welche bei der Konzeption von Lernszenarien mit Hilfe des PBL-Ansatzes Berücksichtigung finden. Dieses Projekt basiert auf einer Problemstellung, bei welcher es sich um ein „Designproblem“ nach Müller Werder (2013) handelt. Bei Designproblemen wird ausgehend von einem offenen Istzustand eine kreative Erzeugung verlangt. Die Aufforderung an die Lernenden ist somit das Entwerfen eines gewünschten Sollzustandes. Näher betrachtet liegen dem Designproblem „unklar abgegrenzte Rahmenbedingungen“ und „vage Zielformulierungen“ zugrunde. Das Besondere bei Designproblemen ist auch die projektorientierte Form der Lösung des Problems, wobei auch von einem PBL-Ansatz gesprochen wird. Dies bedeutet konkret, dass das Problem verschiedenartig gelöst werden kann. Daher ist die konkrete Lösung weder richtig noch falsch, vielmehr ist das Endergebnis eine von vielen möglichen Lösungen (Müller Werder, 2013, S. 60).

 

 

Beim problemorientierten Lernen erarbeiten Lernende im Zuge der Problembearbeitung jenes Wissen, welches für die Lösung benötigt wird. Daher wird den Lernenden nicht eine umfassende Theorie am Anfang vermittelt, sondern im Laufe des Prozesses der Problemlösung mit den Lernenden weiteres Wissen erarbeitet. Ausgangspunkt ist eine komplexe Problemsituation, welche im vorliegenden Modul „Vertiefung Betriebswirtschaft“ die Umsetzung einer Geschäftsidee war. Im Anschluss sollen Lernende „eine erste, wenn auch noch allgemeine Gesamtsicht einer Thematik gewinnen sowie für die nachfolgende Erarbeitung motiviert werden. Sie sollen das komplexe Problem selbständig identifizieren, in Teilprobleme gliedern, sowie das Wissen und Können identifizieren, das notwendig ist, um die Teilprobleme umfassend zu analysieren, zu verstehen und zu bearbeiten“ (Müller Werder, 2013, S. 51). Dies wurde im Fall des beschriebenen Moduls in Form einer Stärken-Schwächen und Chancen-Risiken-Analyse (SWOT-Analyse) und einer Umfeldanalyse nach PESTEL durchgeführt. Durch diese Analyse und im vorliegenden Fall auch durch die konkreten Überlegungen bezüglich der Geschäftsidee, wurden Wissenslücken in der Arbeitsgruppe durch die Studierenden identifiziert. Die Wissenserarbeitung erfolgte im Rahmen der Vorlesung und somit in Form von Vorträgen des Lehrenden und durch gesteuertes Selbststudium. Dadurch mussten die Lernenden auch „Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen“ (Müller Werder, 2013, S. 51). Die darauffolgende Problemlösung erfolgte in Form der Erstellung eines Businessplans mit Hilfe eines Online-Tools der Wirtschaftskammer Österreich (Wirtschaftskammer Österreich, 2017). Durch diese Erarbeitung des Businessplans wurde die ursprüngliche Geschäftsidee im Detail beschrieben. Ausgehend von einer Beschreibung der Strategie - über Marketingpläne bis hin zu Detailkalkulationen wurde von den Studierenden die Geschäftsidee operationalisiert.

Die Ausarbeitung des Businessplans erfolgte im gesamten Modul (6 ECTS) über das Semester hinweg und mündete in einer Abschlusspräsentation in einer abgewandelten Form der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ am Ende des Semesters. Hochschulexterne Personen (Unternehmer/innen und Geschäftsführer/innen) bewerteten die Geschäftsideen, indem sie fiktiv gefordertes Kapital in das jeweilige Projekt/Unternehmen investierten. Jede Studierendengruppen musste am Anfang der Präsentation ein von den potentiellen Investoren gefordertes Kapital und den Verwendungszweck des Kapitals nennen (Bsp. Infrastruktur Ausbau, Marketingmaßnahmen, Forschung und Entwicklung, etc.). Die Kriterien der Investition standen den Jurymitgliedern frei und wurden nach Rückfrage anhand realistischer Kriterien wie z. B. Marktpotential, Finanzierung oder Produktidee gewählt (WKO.tv, 2017). Durch diese Form der Präsentation wurde der Theorie-Praxis-Transfer gefördert und den Studierenden die Möglichkeit geboten, ein Feedback von erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmern für ihre unter Laborbedingungen erarbeitete Geschäftsidee zu erhalten. Weitere Details zur Präsentation selbst sind in der angefügten Linksammlung in Form von einem TV-Beitrag und einem Zeitungsartikel zu entnehmen. Besonders der TV-Beitrag veranschaulicht das Setting der Präsentation sehr gut.

 

Positionierung des Lehrangebots

Bachelorstudium Information- und Kommunikationspädagogik (Bachelor of Education)

5. Semester

Links zu der/den Projektmitarbeiter/innen
Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2019 nominiert.
Ars Docendi
2019
Kategorie: Lernergebnisorientierte Prüfungskultur und deren Verankerung in der Lehrveranstaltung
Ansprechperson
Mag. (FH) Patrick Pallhuber, MA
Institut für Berufspädagogik
0664/88660812
Nominierte Person(en)
Mag. (FH) Patrick Pallhuber, MA
Institut für Berufspädagogik
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Schnittstelle zum Arbeitsmarkt
  • Erfahrungslernen
  • Rund ums Evaluieren der Lehre
  • Sonstiges
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften