Technische Universität Graz
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Advanced Engineering Geodesy

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Die Lehrveranstaltung „Advanced Engineering Geodesy“ ist ein Pflichtfach in der Vertiefungsrichtung Ingenieurgeodäsie/Kataster des Masterstudiums Geomatics Science. Ziel der Lehrveranstaltung ist die Anleitung der Studentinnen und Studenten zur zielgerichteten Umsetzung des im Bakkalaureatsstudiums erworbenen theoretischen Grundlagenwissens auf konkrete ingenieurgeodätische Fragestellungen.

 

Konventionellerweise erfolgt die messtechnische Ausbildung einem strikten Verlauf. Zuerst wird die Funktionsweise (physikalisches Grundprinzip, mechanische Ausprägung, etc.) erklärt. Anschließend werden mögliche Fehlerquellen, notwendige Kalibrierungen und Umgebungsbedingungen diskutiert. Die möglichen Einsatzgebiete des Sensors werden erst abschließend vorgestellt.

 

Dieses traditionelle Vorgehen einer sensorgeprägten Ausbildungskette hemmt krititsche Diskussionen und regt nicht zu neuen Lösungsansätzen an. Ebenso werden durch die lineare Vortragsweise am Ende meist nur Beispiele gezeigt, in welchen die eingesetzten Sensoren und Auswertemethoden das gewünschte Ergebnis liefern. Dieses Vorgehen entspricht mehr einer self-fulfilling prophecy anstatt der Realität in der echte Daten echte Probleme liefern.

 

Um die Interaktivität und die kritische Auseinandersetzung sowie die Kreativität zu fördern sind somit neue Lehrkonzepte für messtechnische Lehrveranstaltungen erforderlich.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Für die die Lehrveranstaltung „Advanced Engineering Geodesy“ wurde ein neues Lehrkonzept entwickelt und umgesetzt, indem die übliche kausale Kette einer messtechnischen Vorlesung umgedreht wird. Ausgangspunkt sind nicht Sensoren, sondern konkrete Fragestellungen, für welche messtechnische Lösungen gefunden werden müssen.

 

Die Fragestellungen, die zu Beginn jeder Vorlesungseinheit aufgeworfen werden, stammen von tatsächlichen Projekten und repräsentieren Herausforderungen mit welchen Absolventinnen und Absolventen auch in Zukunft konfrontiert sein werden.

Zur Konkretisierung der Fragestellung und Motivation der Studierenden werden echte Daten von echten Projekten eingesetzt. Da diese Projekte einerseits bekannt sind (z.B. Gotthard Basistunnel, Burj Khalifa) und andererseits der Vortragende an vielen der Projekte aktiv beteiligt war, können auch Detailaspekte diskutiert werden.

 

Der Anteil von Frontalunterricht ist in der Lehrveranstaltung gering und dient hauptsächlich zur Beschreibung der Fragestellung und zur Vorstellung von Hintergrundinformation. Hauptelement ist die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen durch intensive Diskussionen. Ergänzend dazu werden Lösungen präsentiert, welche in den Projekten tatsächlich eingesetzt worden sind. Diese können durchaus von der in der Lehreinheit gemeinsam entwickelten Lösung abweichen.

Den Studierenden wird bewusst, dass die Lösungen immer mehrdimensional sind und eine interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit erfordern.

Kurzzusammenfassung des Projekts in englischer Sprache

A new teaching concept was developed and implemented for the course "Advanced Engineering Geodesy". Central element of the new concept is reversing the usual causal chain of a metrological lectures. The starting point is not sensors, but concrete questions for which metrological solutions have to be found.

The questions that are raised at the beginning of each lecture come from actual projects and represent challenges with which graduates will also be confronted in the future.

To concretize the question and to motivate students, real data from real projects are used. These projects are already known by the students due their large and sometimes iconic nature (for example Gotthard Base Tunnel, Burj Khalifa). As the lecturer was actively involved in many of the projects, the basic knowledge of the students can be combined with real data and detailed aspects can be discussed.

The proportion of frontal teaching is low in the course and serves mainly to describe the question and to present background information. The main element is the joint development of solutions through intensive discussions. In addition, solutions will be presented that were actually used in the projects. These may well differ from the solution developed jointly in the teaching unit.

This approach makes students aware that solutions are always multi-dimensional and require interdisciplinary and international cooperation.

Nähere Beschreibung des Projekts

Für die Lehrveranstaltung "Advanced Engineering Geodesy" wurde ein neues Lehrkonzept entwickelt und im Studienjahr 2017 /2018 bereits umgesetzt. Kernelement des Konzepts ist die Umkehr der üblichen kausalen Kette einer messtechnischen Vorlesung. Ausgangspunkt sind nicht die Sensoren, sondern konkrete Fragestellungen, für welche messtechnische Lösungen gefunden werden müssen. Die Lösungen sind immer mehrdimensional und erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. So ist die geeignete Auswahl der Sensorpositionen und die korrekte Dateninterpretation nur in einer intensiven Zusammenarbeit mit anderen Fachleuten (Hydrologe, Geotechniker, Statiker, …) möglich. Dieses Vorgehen entspricht auch dem heutigen Arbeitsumfeld, in welchem die Ingenieurgeodätin bzw. der Ingenieurgeodät, die Rolle eines Systemarchitekten von vollautomatischen Überwachungs- und Steuerungssystemen einnimmt. Im Zentrum steht dabei immer ein konkretes Objekt (Tunnel, Staudamm, Hochgeschwindigkeitstrasse, …).

 

Zu Beginn jeder Vorlesungseinheit werden konkrete Fragestellungen aufgeworfen werden, welche in tatsächlichen internationalen Projekten aufgetreten sind und mit welchen Absolventinnen und Absolventen auch in Zukunft konfrontiert sein werden. Beispiele dafür sind:

• Koordinatenübertragungen bei großen Schachtabtäufungen

• Innerstädtische Bauwerksüberwachungen aufgrund von U-Bahn und S-Bahn Bauten

• Weitenmessungen bei Leichtathletikbewerben

• Integrale Brückenüberwachungen

• Gebäudeabsteckungen unter Berücksichtigung von Deformationen während des Bauprozesses

• Lebensbegleitende Überwachung von kritischen Infrastrukturbauten wie Staudämmen über deren geplanten Lebenszeitraum hinaus.

 

Der Anteil von Frontalunterricht ist in der Lehrveranstaltung gering gehalten und dient hauptsächlich zur Beschreibung der Fragestellung und zur Vorstellung von Hintergrundinformation. Hauptelement ist die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen durch intensive Diskussionen. Ergänzend dazu werden Lösungen präsentiert, welche in den Projekten tatsächlich eingesetzt worden sind. Diese können durchaus von der in der Lehreinheit gemeinsam entwickelten Lösung abweichen.

 

Zur Konkretisierung der Fragestellung und Motivation der Studierenden werden echte Daten von echten Projekten eingesetzt (z.B. Gleismessungen von Hochgeschwindigkeitsstrecken). Da diese Projekte einerseits bekannt sind (z.B. Gotthard Basistunnel, Burj Khalifa) und andererseits der Vortragende an vielen der Projekte auch aktiv beteiligt war, können auch Detailaspekte diskutiert werden. Kritisch hinterfragt wird in der Lehrveranstaltung auch, ob die gemeinsam entwickelten Methoden für aktuelle Projekte anwendbar sind. Z.B. wird diskutiert, ob die Lösungen für die Schachtabtäufungen des Gotthard Basistunnels (Schachttiefe 800 m) auch auf die aktuell durchgeführte Schachtabtäufung des Semmeringbasistunnels (Schachttiefe 400 m) übertragbar sind. Bewusst werden auch Fragestellungen aufgeworfen, für die es heute noch keine vollständigen Lösungen gibt.

 

Neue Medien werden in die Vorlesung ebenfalls einbezogen. Dazu zählen unter anderem ausgewählte YouTube Beiträge, Monitoring Blogs (z.B. AGU Blogsphere: blogs.agu.org/landslideblog/) sowie Google Earth und Street View und webbasierte Dashboards zur Echtzeitanzeige von Monitoringdaten. Google Street View eignet sich z.B. für die Analyse der Konfiguration von installierten Überwachungssystemen. So wird in einer Vorlesungseinheit das innerstädtische Überwachungsnetz beim Bau der Nord-Süd U-Bahnlinie in Amsterdam im Detail rekonstruiert. Mit geeignetem Blick und dem vorgetragenem Hintergrundwissen können die Studentinnen und Studenten die Positionen der Instrumente in Google Street View identifizieren. Werden die Positionen der detektierten Instrumente auf Google Earth eingetragen, ist der unterirdische Verlauf der U-Bahntrasse rein aufgrund der Position der oberirdischen Überwachungsstationen sofort erkennbar.

 

Die Evaluierung für das WS2017/2018 ist bereits abgeschlossen. Das Feedback zur Lehrveranstaltung und zum Vortragenden ist sehr positiv bekommen. Alle Evaluierenden unterstützen die Nominierung für den Preis für exzellente Lehre der TU Graz. Diese Nominierung wurde auch vom Auswahlgremium des Lehrpreises der TU Graz bestätigt und die Lehrveranstaltung mit dem Preis für exzellente Lehre an der TU Graz 2017/18 ausgezeichnet. Die Begründungen der Studierenden lauten wie folgt (Originaltext entnommen aus dem TUG online Evaluierungsergebnis):

 

+) Herausragende Aufbereitung des Inhaltes mit Praxisbeispielen (inkl. Bildern, Videos) und persönlichen Erfahrungen des Lehrenden.

 

+) Gilt für VO und UE! Bisher beste Lehrveranstaltung! Behandelt sehr viele Probleme, die in der Praxis der Geodäsie auftreten können. Für den Beruf des Geodäten essentielles Wissen, welches sehr gut und verständlich aufbereitet wurde.

 

+) Der Vortragende schafft es, die teilweise komplexen Themengebiete auf eine angenehme und praxisbezogene Art und Weise zu präsentieren. Durch die aktive Einbindung der Studenten bleiben diese immer beim Thema und haben gar keine Chance gedanklich abzuschweifen. Außerdem wird auf Fragen immer genau eingegangen bis diese für alle verständlich beantwortet sind.

+) theoretische Themen werden durch praktische Anwendungsbeispiele 'leicht' verständlich und interessant aufbereitet

 

+) Die LV ist eine der interessantesten in diesem Fachbereich. Durch die Praxisnähe ist sie von großem Wert für alle, die in diesem Fachbereich einen Beruf ergreifen möchten. Der Vortragende gestaltet die LV sehr interessant und bindet die Studierenden durch anregende Fragen in die Vorlesung ein.

 

Die Lehrveranstaltung „Advanced Engineering Geodesy“ ist ein wesentlicher Bestandteil der Masterausbildung im Fachbereich Ingenieurgeodäsie. Durch die Behandlung aktueller Fragestellungen, der Einbeziehung neuer Medien und der Analyse echter Projekte werden die Studentinnen und Studenten zur aktiven Diskussion und kritischen Hinterfragung möglicher Lösungsansätze angeleitet. Die Entwicklung eigener Ideen und der zielgerichtete Einsatz von Mess- und Auswertemethoden werden gezielt gefördert.

Positionierung des Lehrangebots

Master

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2019 nominiert.
Ars Docendi
2019
Kategorie: Forschungsbezogene bzw. kunstgeleitete Lehre
Ansprechperson
Werner Lienhart, Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme
+433168736321
Nominierte Person(en)
Werner Lienhart, Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Erfahrungslernen
  • Infrastruktur/Lehrmaterialien
  • Internationalisation@home
  • Kommunikation/Plattform für Lehrende
  • Digitalisierung
  • Sonstiges
Fachbereiche
  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften