Medizinische Universität Wien
Spitalgasse 23, 1090 Wien
Weitere Beispiele der Hochschule

„Unified-Patient-Webambulanz“- Üben von Klinischem Denken für Lernende aller Ausbildungsstufen mit authentischen, multimedial aufbereiteten Krankengeschichten

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Ausgangslage: Klinisches Denken erfordert die Verbindung von medizinischem Fachwissen mit einem konkreten Patient/inn/enproblem um eine Diagnose und eine Behandlungsempfehlung zu erarbeiten. In modernen Medizincurricula werden Studierende intensiv auf diese Aufgabe vorbereitet, indem Ärzte und Ärztinnen anonymisierte authentische Befunde von Patient/inn/en präsentieren. Die Aufgabe der Studierenden ist es, in der Rolle des Arztes oder der Ärztin zu agieren und Hypothesen über mögliche Diagnosen zu generieren, gegeneinander abzuwägen und zu rechtfertigen. Aufgabe der fallpräsentierenden Arbeitsgruppe ist es, klinische Fälle auszuwählen und aufzubereiten. Für die Falldiskussion wird das klinische Datenmaterial transformiert, anonymisiert und in die Unified Patient-Kartei eingepflegt. Das klinische Denken der Studierenden wird durch offene Fragen zum Fall angeregt. Die Aufgabe der Ärzte und Ärztinnen ist es, die studentischen Vorschläge zu kommentieren oder zu korrigieren und aktuelle Informationen zum Fall und zum Krankheitsbild zu liefern. Aber auch bereits im Berufsalltag stehende Ärzte und Ärztinnen stehen vor der Aufgabe ihr klinisches Denken im Zusammenhang mit Symptomen und Krankheiten, die in ihrer täglichen Praxis nur selten vorkommen durch Austausch mit anderen Ärzte und Ärztinnen zu trainieren.

Motive: Allerdings ist die Aufbereitung von Patient/inn/enfällen für den Unterricht zeitaufwendig, da Patient/inn/enunterlagen aus verschiedenen Quellen ausgehoben, auf deren Tauglichkeit für die Präsentation in der Lehre überprüft und in präsentationstaugliches Format übergeführt werden müssen. Dies bedeutet hohe Anforderungen an die Lehrenden unabhängig davon, ob der Fall im Hörsaal oder im Online Setting präsentiert und bearbeitet wird.

Ziele: Ärzte und Ärztinnen, werden durch die „Unified-Patient-Webambulanz“ sowohl in der multimedialen Aufbereitung, als auch in der didaktischen Umsetzung von Fällen für die Lehre unterstützt. Durch die Möglichkeit einmal aufbereitete Fälle sowohl online als auch im Hörsaal zu präsentieren, können durch dieses Material sowohl Studierende, als auch praktizierende Ärzte und Ärztinnen erreicht werden.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Gemeinsam mit Expert/inn/en verschiedener medizinischer Fachrichtungen werden regelmäßig multimediale Krankengeschichten aufbereitet und über die Unified-Patient-Kartei für die Lehre zur Verfügung gestellt.

Das erfolgreichste daraus entstandene Lehr/Lernszenario ist die „Web-Ambulanz“, die seit 2007 routinemäßig innerhalb der „Interdisziplinären Fallkonferenzen“ für fortgeschrittene Studierende der Humanmedizin mit 500-600 Teilnehmer/innen läuft. Dort sind multimedial aufbereitete Krankengeschichten, und kommunikativ-soziale Elemente, wie Live-Vortrag und Diskussion durch Expert/inn/en und die durch Expert/inn/en moderierte studentische online Falldiskussion kombiniert. Weitere Webambulanzen gibt es in den Bereichen HNO und Zahnheilkunde.

Nachahmung gefunden hat das Lernszenario der „Webambulanz“ in ähnlichen Veranstaltungen außerhalb der Universität.

• OESO-Interdisciplinary-Clinical Case Discussions: OESO Foundation; (www.oeso.org), seit 2009 internationale Webambulanz für gastrointestinale Spezialisten

• DRG-Radio4students/ Radio-Report/, deutsche Röntgengesellschaft zweimal pro Jahr; „Webambulanz-Röntgenquiz“ für Studierende mit bis zu 1000 Hörern pro Veranstaltung; 14-tägig gesendete Webambulanz-Röntgenquiz für Fachärzte und Fachärztinnen.

• ESSD webinars and clinical case discussions (www.myESSD.org): interdiziplinäre ESSD & der Europäischen Gesellschaft für Schluckstörungen, seit Mai 2015 7 Webinare pro Jahr, interaktive Lernveranstaltungen und Falldiskussionen

Nähere Beschreibung des Projekts

Webambulanzen des Unified Patient Programms - Medizinische Universität Wien, Teaching Center

 

„Jenseits aller Grenzen“ - Üben von klinischem Denken für Lernende aller Ausbildungsstufen mit authentischen, multimedial aufbereiteten Krankengeschichten

 

Der Vision der Webambulanzen des Unified Patient Programmes der MedUni Wien liegt seit Beginn der Konzeptualisierung im Jahr 2001 die Intention zugrunde, den Studierenden, Fachkolleg/inn/en und Nichtmediziner/innen das Üben bzw. das Erleben von Klinischem Denken anhand authentischer Fälle und Materialien zu ermöglichen. Dabei sollen im Fall-basierten Unterricht die Lernenden nicht nur vom wissenschaftlichen Hintergrund profitieren, sondern auch von der Erfahrung der Expert/inn/en, die ihre Strategie zur Bearbeitung weitergeben.

 

Während vor dem Start des damaligen Unified Patient Programms die ersten Lehrprojekte sich damals noch auf Papier-Materialien aus Büchern und Krankengeschichten stützen, entdeckte unsere Arbeitsgruppe nach und nach das Potential elektronischer Kommunikationstools zur Überbrückung von „Grenzen“ wie Raum, Zeit, Institutionen, Disziplinen und Ausbildungsstufen. Die Inspiration zur Nutzung elektronischer Kommunikationstools zu Lehrzwecken verdankt unsere Gruppe der Radiologie. Dieses Fach ist stets mit elektronisch-digitaler Informationsverarbeitung beschäftigt und kombiniert die Patient/inn/enbetreuung mit ständigem interdisziplinärem Austausch mit anderen Fachdisziplinen und Ausbildungsstufen.

 

Nicht nur innerhalb der Medizinischen Universität Wien sind daher die „Webambulanzen“ ein Wegbereiter des modernen E-Learning in der Medizin: Die Neuerung dieser didaktischen Szenarien zum Üben von klinischem Denken ist, dass diese stets problembezogen, fallbezogen und interdisziplinär aufgebaut sind. Der Online-Anteil wird zumeist mit direktem Kontakt zum Lernenden kombiniert (blended learning). Bei internationalen Webambulanzen sind die Teilnehmer/innen mit Fachgesellschaften vernetzt, welche das online Angebot zwischen ihren Kongressen als willkommene Ergänzung nutzen. Die Webambulanzen ermöglichen neben der Visualisierung von Inhalten, zu denen Lernende verschiedenster Ausbildungsstufen ansonsten keinen Zugang hätten, auch das Erleben und den interaktiven Kontakt mit Expert/inn/en, die ansonsten für Lernende oftmals nicht greifbar sind.

 

 

„Web-Ambulanz Emergency“ - Qualität und Professionalität durch Integration verschiedener Lehr/Lern Perspektiven

 

Ausgangspunkt der Entwicklung der innovativen Lernszenarien ist das Humanmedizin-Curriculum N202 der MedUni Wien. Dieses modular integrierte, organsystembasierte Curriculum ist als Reformcurriculum zu bezeichnen, daher kommt der Abstimmung der Lehre mit den übrigen Angeboten im Studiengang große Bedeutung zu. In den Lernveranstaltungen erfolgt diese Abstimmung durch folgende Maßnahmen:

 

• Fallauswahl anhand von Kriterien: Ein Fall muss curricular relevante Inhalte darstellen. Wenn sich dann auch noch hinter einer vordergründig „einfachen Situation“ ein seltenes Krankheitsbild verbirgt, ist das auch für leistungsstarke Lernende eine Herausforderung, die Spaß macht.

 

• konsequente Beteiligung einer klinischen tätigen Expert/inn/engruppe an der Auswahl und Präsentation relevanter klinischer Fälle

 

• regelmäßige Beteiligung einer studentischen Planungsgruppe an der Vorbereitung der Fallmaterialien, der Begleittexte und der Diskussionsfragen.

 

• Abschluss jedes Web-Ambulanz Jahres mit einer offenen Befragung zum „Lernerlebnis“

 

Dank der thematischen Bandbreite medizinischer Notfälle erfreut sich diese Web-Ambulanz für den klinischen Unterricht großer Beliebtheit. Bis heute wurden bereits über 2.500 Mediziner/innen mit der Wiener Webambulanz Emergency ausgebildet. Das entspricht 7 % aller österreichischen Ärzte und Ärztinnen. Das Besondere an der Web-Ambulanz Emergency ist jedoch, dass sie über die „Universität hinaus“ geht und damit einen Raum für Life-Long-Learning schafft, der gut in die spätere berufliche Tätigkeit von Ärzten und Ärztinnen integrierbar ist. Somit ist die Wiener Webambulanz Emergency das erste kombinierte institutionelle Projekt, welches sowohl für Studierende als auch approbierte Ärzte und Ärztinnen entwickelt wird. Seit 2009 stehen Webambulanz - Projekte national und international zur Verfügung. In naher Zukunft soll die Webambulanz im gesamten deutschsprachigen Raum abrufbar sein. Ärzte und Ärztinnen sollen dabei für ihre Mitarbeit an den Fällen, die sie für Prüfungen benötigen, Fortbildungspunkte erwerben.

 

Der besondere Wert der Webambulanz-Emergency liegt damit darin, dass Lernende bereits während des Studiums mit einer Lernform vertraut gemacht werden, die sie in allen weiteren Stufen der Ausbildung nutzen können. Die Lernenden erwerben damit Schlüsselkompetenzen im Umgang mit elektronischen Kommunikationstools und Life-Long-Learning.

Positionierung des Lehrangebots

5. und 6. Studienjahr, Nutzungsmöglichkeit für die Studienabschnitte I und II, indem die Medien und Falldaten auch für den theoretischen Unterricht verwendet werden können. Zudem ist es im Pilotversuch des Sommersemesters 2017 bereits möglich, die Falldiskussionen auch für Alumnis und andere Health professionals zu öffnen, zur Aus- und Weiterbildung einschließlich des postgraduellen Bereiches.

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
2017
Kategorie: Innovative Lehrmodelle bei hohen Studierendenzahlen und großen Gruppengrößen
Ansprechperson
Peter Pokieser, Ao. Univ. Prof. Dr.
Teaching Center
+43 (0) 664 4281325
Nominierte Person(en)
Peter Pokieser, Ao. Univ. Prof. Dr.
Teaching Center
Martina Scharitzer, Ass.-Prof. Dr.
Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin
Giora Meron, Ass.-Prof. Dr.med.univ.
Universitätsklinik für Notfallmedizin
Matthäus Grasl, Ao.Univ.-Prof. Dr.med.univ. MME
Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten
Gerhard Zlabinger, Univ.-Prof. Dr.med.univ.
Teaching Center, Institut für Immunologie
Alexander Hirsch
Hans Domanovits, Ao.Univ.-Prof. Dr.med.univ.
Universitätsklinik für Notfallmedizin
Michaela Wagner-Menghin, Assoc. Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr.
Teaching Center
Evelin Gschosmann
Teaching Center
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Digitalisierung
Fachbereiche
  • Medizin und Gesundheitswissenschaften