UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie
Eduard Wallnöfer-Zentrum 1, 6060 Hall in Tirol
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Präsentationslehrveranstaltung mit Peer-Beurteilung

Würdigung der Jury

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Hohe Studierendenzahlen und große Gruppen stellen sowohl Studierende als auch Lehrende vor besondere Herausforderungen. Die dadurch meist große Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Studierenden stellt jedoch auch ein beträchtliches Potenzial dar, das besonders genutzt werden kann und soll. Das Aufzeigen der möglichen Nutzung dieses Potenzials ist eines der Ziele dieser Lehrveranstaltung.

Das Masterstudium ist für viele Studierende die letzte Station ihrer Ausbildung vor dem Übertritt in das Berufsleben. Der Übergang in das Berufsleben stellt einen besonderen Wandel dar: von dem/der Informationsempfänger/in und vom Prüfling hin zum/zur Selektierer/in, Aufbereiter/in und Vermittler/in von Informationen sowie zum/zur Prüfer/in und Beurteiler/in. Neben der Aneignung von fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen und Qualifikationen sollen die Studierenden in diesem Kurs verstärkt auf diese neuen Rollen vorbereitet werden. Gleichzeitig sollen die Studierenden die Lehrenden beim Beurteilen und Korrigieren unterstützen.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Es handelt sich um ein generelles Konzept für innovative Lehrmodelle bei hohen Studierendenzahlen und großen Gruppen, welches inhaltlich für verschiedene Fachbereiche adaptiert werden kann. Neben der Aneignung von fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen und Qualifikationen sollen die Master-Studierenden in diesem Kurs verstärkt auf ihre neuen Rollen nach dem Studium vorbereitet werden.

In der ersten Unterrichtseinheit werden die Studierenden in Gruppen eingeteilt, wobei dieser Prozess genauer betrachtet und reflektiert wird. Zu jedem Unterrichtstermin hält eine der Gruppen eine Präsentation von ca. 40 Minuten Dauer. Die restlichen Studierenden bereiten die Literatur zur jeweiligen Präsentation ebenfalls vor und schreiben zu Beginn jedes Unterrichtstermins eine Kurzklausur. Im Anschluss darauf folgt die Gruppenpräsentation. Die präsentierende Gruppe wird im Anschluss von den zuhörenden Studierenden beurteilt und es wird wertschätzend über Inhalt und Durchführung der Präsentation diskutiert. Besonderer Wert wird dabei auf die Selbstreflexion der Studierenden, die die Präsentation gehalten haben, gelegt. Die Gruppe, die die Präsentation gehalten hat, korrigiert im Anschluss unter Anleitung der/des Lehrenden die Kurzklausuren.

Nähere Beschreibung des Projekts

In diesem Konzept wird von einem Format ausgegangen, bei dem 65 Studierende für die Dauer eines Semesters, welches aus 15 Unterrichtswochen besteht, einmal pro Woche für zwei Unterrichtseinheiten (= 1,5 Stunden) im Plenum zusammenkommen. Dieses Konzept kann für Formate mit anderen Studierendenzahlen, Unterrichtswochen etc. entsprechend adaptiert werden.

Neben der Aneignung von fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen und Qualifikationen sollen die Master-Studierenden in diesem Kurs verstärkt auf ihre neuen Rollen nach dem Studium vorbereitet werden.

Bereits im Vorfeld wird den Studierenden ein strukturiertes, nachvollziehbares und kompetenzorientiertes Konzept auf der Online-Plattform (z.B. Moodle) elektronisch zur Verfügung gestellt, in dem die vorab definierten Lernziele und Lernergebnisse (Kompetenzprofile) mitgeteilt werden, sodass die Studierenden bereits vorbereitet zur ersten Unterrichtseinheit kommen können.

Die Lehrveranstaltung wird in drei Phasen gegliedert:

1. Informationsphase (Termin 1)

2. Inhaltliche Phase (Termine 2-14)

3. Reflexionsphase (Termin 15)

1. Informationsphase (Termin 1)

Beim ersten Termin werden Informationen über den Ablauf des Kurses gegeben und es erfolgt die Einteilung der Studierenden in Gruppen. Neben den individuellen Leistungsbestandteilen soll ein Teil der Leistungen in diesem Kurs in Kleingruppen geleistet werden. Durch Zusammenarbeiten in Gruppen können Studierende wichtige Erfahrungen machen und zudem fachübergreifende Kompetenzen und Qualifikationen erlangen und festigen, die sie auch in ihrem späteren beruflichen und privaten Wirken nutzen können. Eine kritische Entscheidung ist jene der optimalen Gruppengröße. Für dieses Format wird eine Gruppengröße von 3 bis 5 Personen angestrebt. Für das hier gewählte Format mit 65 Kursteilnehmenden und 13 Präsentationsterminen würden 13 Gruppen zu je 5 Personen gebildet werden. Bei anderer Studierendenzahl kann die Gruppengröße und/oder die Anzahl der Präsentationen pro Termin angepasst werden.

Die Einteilung der Studierenden in Gruppen stellt einen kritischen Teil nicht nur im Bereich von universitären Lehrveranstaltungen, sondern auch in sämtlichen anderen Lebensbereichen wie dem (späteren) Berufsleben dar. Die Studierenden sollten daher mehrere Varianten kennenlernen, diskutieren und entsprechend einschätzen können.

Beispielsweise könnten folgende Varianten zur Auswahl stehen:

- Einteilung nach vorhandenen Listen (alphabetisch, Matrikelnummer etc.)

- Einteilung durch Los (von Studierenden selbst gezogen vs. durch andere Person)

- Willkürliche Einteilung durch die/den Lehrende/n, eventuell unter Berücksichtigung bestimmter Merkmale wie Geschlecht, Nationalität, Alter etc.

- Selbstständiges Zusammenfinden in Gruppen durch die Studierenden

- Bestimmen von Gruppenleiter/inne/n, die ihre Gruppenmitglieder auswählen können (z.B. Zug um Zug vs. ohne Regel)

- Vorstellen von Themengebieten (und Präsentationszeitpunkten) der Reihe nach; Wird ein Themengebiet von genau 5 Personen gewählt, wird es an diese vergeben und sie bilden eine Gruppe. Themen, zu denen sich nicht exakt 5 Personen melden, werden vorerst nicht vergeben, sie kommen in die nächste Runde, so lange, bis alle Themen vergeben und Gruppen gebildet sind.

- Sind Ergebnisse über Vorleistungen der Studierenden bekannt (z.B. Notendurchschnitt, Punkte aus früheren Leistungen) können die Studierenden entsprechend dieser Leistungen in Gruppen eingeteilt werden (homogene vs. heterogene Gruppen aufgrund der Vorleistung).

Die unterschiedlichen Einteilungsverfahren unterscheiden sich einerseits in Zeitaufwand und Komplexität der Durchführung sowie andererseits im Erleben der Studierenden (Selbstwirksamkeitserleben, Gerechtigkeits- bzw. Ungerechtigkeitsempfinden, Wahrnehmen von Begehrtheit bzw. Ablehnung etc.). Je nach Verfahren können unterschiedliche Erfahrungen gemacht sowie fachübergreifende Kompetenzen erlangt werden. So kann beispielsweise das Erleben gefühlter Ungerechtigkeit (z.B. in „schlechter“ Gruppe zu sein) sowie der Umgang damit eine wichtige Lernerfahrung für Studierende darstellen, in der sie erkennen, wie dadurch Faktoren wie Arbeitszufriedenheit, Loyalität und Motivation beeinträchtigt werden können. Die Studierenden sollten auch erfahren, dass das Reflektieren über die einzelnen Einteilungsmethoden sowie das Rechtfertigen der gewählten Einteilungsmethode die Akzeptanz des gewählten Einteilungsprozesses erhöhen kann.

2. Inhaltliche Phase (Termine 2-14)

In dieser Phase sollen die formalen Inhalte der Lehrveranstaltung vermittelt werden, angereichert durch verschiedene fachübergreifende Kompetenzen. Der Lehrstoff wird in 13 etwa ähnlich umfangreiche Themenbereiche geteilt. Zu jedem der 13 Themenbereiche wird allen Studierenden Basisliteratur (Buchkapitel, Zeitschriftenartikel etc.; ca. 20-40 Seiten pro Themenbereich) genannt oder bereitgestellt.

Jeder dieser Termine setzt sich aus folgenden Teilen zusammen:

a) Kurzklausur

b) Gruppenpräsentation mit Diskussion und Reflexion

a) Kurzklausur

Zu Beginn jedes Termins findet für alle Studierende, ausgenommen für jene, die die Präsentation halten, eine Kurzklausur (= individuelle Leistung; Dauer maximal 10 Minuten), bestehend aus ca. drei kurzen Fragen, statt. Als Klausurstoff dient die Basisliteratur für den jeweiligen Termin. Die Fragen, welche von dem/der Lehrenden erstellt wurden, beziehen sich auf inhaltliches Wissen und Verständnis, eine Frage beinhaltet die kritische Reflexion über Inhalte des Klausurstoffs. Dadurch sollte erreicht werden, dass sich die Studierenden bereits bei der Lektüre kritisch mit der Literatur auseinandersetzen. Das Korrigieren der Klausuren wird im Anschluss an den Termin von den Mitgliedern jener Gruppe, welche zu diesem Termin die Präsentation gehalten hat, vorgenommen. Der/die Lehrende instruiert die Studierenden und überprüft die Korrekturleistungen. Die Studierenden sollten somit auch die andere Seite, nämlich jene der/des Korrigierenden, kennenlernen. Die/der Lehrende erfährt eine Unterstützung bei der Korrekturarbeit und kann so den enormen (wöchentlichen) Korrekturaufwand bei großen Studierendenzahlen leichter bewältigen.

Sinn der Kurzklausuren für die Prüflinge ist einerseits, dass die Studierenden zum Selbststudium angeregt werden, also selbstorganisiert und selbstgesteuert lernen müssen. Dies stellt eine wichtige Vorbereitung für das spätere Berufsleben dar, wo der Wissenserwerb ebenfalls meist selbstorganisiert und selbstgesteuert stattfinden muss. Zudem kann dadurch der Anstoß zu lebensbegleitendem Lernen im Sinne einer kontinuierlichen Kompetenzentwicklung und Lernergebnisorientierung angestoßen werden. Andererseits wird dadurch der Wissensstand auf ein höheres Niveau gehoben, was gehaltvollere Diskussionen und Reflexionen im Plenum ermöglicht. Durch den kontinuierlichen Prüfungscharakter wird die Prüfungslast zudem nicht auf einen einzigen Termin konzentriert.

b) Gruppenpräsentation mit Diskussion und Reflexion

An jedem der 13 Termine hält eine Gruppe eine Präsentation zum jeweiligen Themengebiet (Dauer ca. 40 Minuten), wobei jedes Gruppenmitglied präsentieren muss. Eine mögliche verschärfte Bedingung könnte sein, dass unmittelbar vor der Präsentation z.B. per Los entschieden wird, welches Gruppenmitglied welchen Teil der Präsentation zu halten hat.

Als Basisliteratur dient derselbe Stoff wie bei den Kurzklausuren. Diese Basisliteratur sollte jedoch noch durch weitere Literatur vertieft werden. Die Präsentationsgruppe wird am Ende des vorherigen Termins durch die/den Lehrende/n instruiert. Die Gruppe muss die Literatur selbstständig aufbereiten und auch die Präsentation selbstständig erstellen. Damit soll Eigenverantwortung geweckt werden. Die Vermittlung der Inhalte sollte durch den Einsatz unterschiedlicher Medien und Darstellungsarten im Sinne didaktischer Methodenvielfalt (Bildschirmpräsentation, Filme, Audio, Animationen, Sketch, Provokation etc.) unterstützt werden. Die Präsentierenden sollten ihre Kreativität zum Ausdruck bringen dürfen und sich an der Schnittstelle zwischen seriöser Informationsvermittlung und Unterhaltung („Infotainment“) ausprobieren können. Die Diversität der Gruppenmitglieder soll konstruktiv genutzt werden. Die Fähigkeit, Informationen sachlich und gleichzeitig anregend darbieten zu können, stellt neben der Erweiterung der rhetorischen Fähigkeiten eine weitere wichtige fachübergreifende Kompetenz dar, die in vielen Berufsfeldern den wesentlichen Unterschied ausmachen kann. Die Präsentationen sollten auch Fragen und Provokationen beinhalten, um Diskussionen anzustoßen. Gerade in Zeiten von „Fake News“ sollten die Zuhörenden dazu animiert werden, sämtliche Informationen kritisch zu hinterfragen.

Schließlich sollten die Präsentationen in einen dialogischen Austausch mit den Zuhörenden übergeführt werden. Aufgeworfene Fragestellungen bzw. Provokationen sollten diskutiert werden. Zudem sollten Schnittstellen bzw. Verknüpfungen zu anderen Fachdisziplinen aufgezeigt werden. Gegebenenfalls kann sich die/der Lehrende hier korrigierend, ergänzend oder auch provokativ einbringen. Am Ende der Diskussion werden die Präsentierenden anonym (mit Hilfe computer- bzw. mobiltelefonbasierter Abstimmungsapplikationen) anhand vorher festgelegter Kriterien (inhaltliche Aufbereitung des Stoffs; Vermittlung der Inhalte; Kreativität) evaluiert (Skala jeweils: 0 = ungenügend; 10 = hervorragend).

Die Präsentierenden sollten anschließend über ihre Präsentation reflektieren und zu den Bewertungen Stellung beziehen. Gemeinsam mit den Zuhörenden sollten positive sowie verbesserungswürdige Aspekte der Präsentation erörtert werden – neben der quantitativen Beurteilung sollte somit auch eine qualitative Evaluation erfolgen. Dabei wird besonders auf einen wertschätzenden Umgang zwischen den Diskutierenden hingewiesen. Die Präsentierenden erhalten die Möglichkeit, den Umgang mit Kritik zu üben bzw. zu verbessern. Dadurch, dass sich die Zuhörenden ebenfalls intensiv mit den Inhalten der Präsentation auseinandergesetzt haben, sollten sie auch besser in der Lage sein, die Leistung einzustufen. Durch das gemeinsame Reflektieren, das kollegiale Feedback und den Austausch sollten nicht nur die Präsentierenden, sondern auch die Zuhörenden eine Weiterentwicklung sowohl im fachlichen und kommunikativen Bereich als auch im Bereich ihrer Persönlichkeit erfahren. Die Zuhörenden können sich zudem in einer weiteren fachübergreifenden Kompetenz üben, nämlich dem Beurteilen anderer Personen bzw. Leistungen. Gleichzeitig bekommen sie ein Gefühl dafür, inwieweit ihre Beurteilungen mit denen ihrer Kolleg/inn/en übereinstimmen. Durch Einbeziehen der Bewertungen der Zuhörenden bei der Notengebung ist diese somit auch nicht alleine vom subjektiven Urteil der/des Lehrenden abhängig.

3. Reflexionsphase (Termin 15)

Der letzte Termin dient der anonymen Evaluation der/des Lehrenden und des Lehreformats durch die Studierenden sowie der gemeinsamen Reflexion über den Kurs. Zusätzlich kann hier bei Bedarf auch noch eine letzte Leistungsüberprüfung (Schlussklausur) vorgenommen werden.

Durch die anonyme Evaluation der/des Lehrenden sollte den Studierenden die Möglichkeit gegeben werden, auch heikle Belange anzusprechen, ohne Angst vor möglicher Vergeltung haben zu müssen. Gerade solche Anmerkungen können der/dem Lehrenden wichtige Hinweise zur Verbesserung ihrer/seiner Lehre liefern. Auch positive Aspekte sollten mitgeteilt werden können. Neben dieser qualitativen Evaluierung sollte es auch eine quantitative Evaluierung anhand von über die Zeit konstanten Fragen geben, um der/dem Lehrenden eine zusätzliche Vergleichbarkeit über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen. Die Ergebnisse sollte der/dem Lehrenden erst nach Ende einer möglichen zusätzlichen Prüfungsleistung zur Verfügung gestellt werden.

Abschließend sollte eine gemeinsame Reflexion von Studierenden und Lehrenden über den Kurs (persönliches Empfinden, fachlicher als auch fachübergreifender Lernfortschritt, Verbesserungsvorschläge etc.) stattfinden.

Benotung

Für die Ermittlung der individuellen Kursnoten können folgende Teilbeurteilungen herangezogen werden:

- Ergebnisse aus den Kurzklausuren; eventuell können 1-2 Streichergebnisse gewährt werden (Z.B. werden die 10 erfolgreichsten Klausuren gewertet.)

- Quantitative Bewertungen der Gruppenpräsentationen durch die Studierenden

- Subjektive Bewertung der Gruppenpräsentationen + Diskussion durch die/den Lehrende/n

- Ergebnisse aus einer möglichen abschließenden Klausur bzw. Reflexion

Dadurch, dass Teile der Beurteilungen auch von den Studierenden vorgenommen werden (z.B. Kreativität oder Vermittlung der Inhalte), ist der Anteil an subjektiver Beurteilung der/des Lehrenden verringert, was zu einer größeren Akzeptanz der erhaltenen Note führen sollte.

Positionierung des Lehrangebots

Master-Studierende

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
Nominiert 2017
Kategorie: Innovative Lehrmodelle bei hohen Studierendenzahlen und großen Gruppengrößen
Ansprechperson
Univ.-Ass. MMag. Dr. Robert Schorn
Institut für Psychologie
050 8648 3906
Nominierte Person(en)
Univ.-Ass. MMag. Dr. Robert Schorn
Institut für Psychologie
Themenfelder
  • Lehr- und Lernkonzepte
  • Rund ums Evaluieren der Lehre
  • Rund ums Prüfen
Fachbereiche
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften