Johannes Kepler Universität Linz
Altenberger Straße 69, 4040 Linz
Weitere Beispiele der Hochschule

Seminar Buddy & MORE

Ziele/Motive/Ausgangslage/Problemstellung

Seit dem WS 2015/2016 beteiligt sich die Johannes Kepler Universität (JKU) Linz an der MORE-Initiative der Österreichischen Universitätenkonferenz (UNIKO) und ermöglicht damit Asylwerber/innen einen "niederschwelligen" Zugang zur Universität. Einen wichtigen Bestandteil der Linzer MORE-Initiative stellt das Buddy&MORE Programm dar, in dem Studierende der JKU als Buddies auf ehrenamtlicher Basis die Teilnehmer/innen am MORE-Programm unterstützen.

 

Hier setzt die eingereichte Lehrveranstaltung an: Sie unterstützt und begleitet die LVA-Teilnehmer/innen in ihrem Engagement als Buddies, insbesondere bei der Entwicklung und Umsetzung von Projekten, die der Integration dienen.

Kurzzusammenfassung des Projekts

Das MORE-Programm der Johannes Kepler Universität (JKU) unterstützt Asylwerbende beim Zugang zum Hochschulsystem. Wichtiger Bestandteil ist ein Buddy-System, in dem Studierende die MORE-Teilnehmer/innen durch Aktivitäten unterstützen. Die Lehrveranstaltung Buddy & MORE zielt auf eine wissenschaftlich fundierte und praktisch relevante Weiterentwicklung dieser Aktivitäten ab und fördert die Partizipation aller beteiligten Gruppen. Konkret verfolgt werden folgende Ziele:

1. Auseinandersetzung mit der Situation von Asylwerbenden mit dem Ziel der Integration (in Diskussion mit Expert/innen).

2. Entwicklung und Umsetzung von ressourcenorientierten Maßnahmen (Orientierung an Bedürfnissen und Potentialen der MORE-Teilnehmer/innen).

3. Förderung von Kompetenzen zur Gestaltung von Freiwilligenarbeit, sowie von kreativer, innovativer und interdisziplinärer Projektarbeit über Kulturgrenzen hinweg.

4. Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und Ausbildung eines humanistischen Weltbildes durch eine systematische Kombination von Erfahrungslernen und Reflexion: Studierende erleben direkte Zusammenarbeit mit MORE-Teilnehmer/innen in eigenverantwortlicher Projektarbeit, und reflektieren unterstützt durch die LVA-Leiterinnen die gemachten Erfahrungen, Werthaltungen und unvorhergesehene Situationen im Projektverlauf.

Die Lehrveranstaltung wird unentgeltlich von zwei Lehrenden aus den Bereichen Wirtschaftswissenschaften und Psychologie angeboten und steht allen Studierenden der JKU offen.

Nähere Beschreibung des Projekts

ZIELE DES SEMINARS

 

Seit WS 2015/2016 nimmt die Johannes Kepler Universität (JKU) Linz an der MORE-Initiative der UNIKO (Österreichische Universitätenkonferenz) teil. Konkret werden an der JKU für Asylwerber/innen mit Hochschulberechtigung Intensiv-Deutschkurse abgehalten, damit diese möglichst rasch das für ein reguläres Studium erforderliche Sprachniveau B2+ erreichen können. Im WS 2015/2016 wurden die ersten 50 Teilnehmer/innen in das Programm aufgenommen, im laufenden SS 2017 sind es bereits ca. 100. Begleitet und unterstützt werden die Teilnehmer/innen am MORE-Programm durch ehrenamtlich tätige Buddies (mehrheitlich JKU-Student/innen, aber auch JKU-Mitarbeiter/innen). Die Hauptaktivitäten der Buddies konzentrieren sich darauf, den MORE-Teilnehmer/innen im Uni-Alltag behilflich zu sein, mit ihnen Deutsch zu üben, sowie gemeinsame Freitzeitaktivitäten zu unternehmen. Indirekt wird damit die Integration in die österreichische Gesellschaft unterstützt, ein Kennenlernen des neuen kulturellen Umfeldes erleichtert, sowie der Kontakt zwischen jungen Menschen (gleich welcher kultureller Herkunft) gefördert.

 

Die eingereichte Lehrveranstaltung unterstützt diese Buddy-Aktivitäten und gibt ihnen einen strukturellen Rahmen, ohne das Engagement der Freiwilligen zu behindern. Zugleich trägt sie der gesellschaftspolitischen Verantwortung Rechnung, die einer universitären Einrichtung zukommt. Konkret wird im Rahmen des Seminars einerseits durch Vorträge und Zurverfügungstellung/Diskussion wissenschaftlicher Literatur Hintergrundwissen zum Thema „Integration“ vermittelt, andererseits erhalten die Studierenden Begleitung und Unterstützung für ihr praktisches Engagement als Buddies, insbesondere bei der Entwicklung und Umsetzung von Projekten, die der Integration dienen bzw. das MORE-Projekt unterstützen. Konkret verfolgt die LVA folgende Ziele:

- Unterstützung der Teilnehmer/innen am MORE-Projekt bei der Integration in die österreichische Gesellschaft/Kultur,

- Unterstützung der Buddies in ihrem ehrenamtlichen Engagement, insbesondere bei der Planung und Umsetzung von integrationsbezogenen Projekten,

- Erkennen und Reflektieren kultureller Gemeinsamkeiten und Unterschiede,

- Persönlichkeitsentwicklung und Erhöhung der eigenen „Cultural Intelligence“ im Zuge der interkulturellen Zusammenarbeit,

- Sammeln von Erfahrung im Projektmanagement.

 

INHALT UND ABLAUF

 

Die LVA wird im Umfang von 3 ECTS in deutscher Sprache abgehalten und ist offen für JKU-Studierende aller Studienrichtungen, ebenso wie für Teilnehmer/innen am MORE-Programm selbst. Im WS 2016/2017 besuchten 17 Studierende das Seminar, darunter drei Teilnehmer am MORE-Programm. Die Mehrzahl studiert an der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (Global Business, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Sozialwirtschaft, Kulturwissenschaften), aber auch die technisch-naturwissenschaftliche Fakultät war vertreten (Computer Science).

 

Ein erster ganztägiger Blocktermin zu Seminarbeginn beinhaltet theoretische Inputs zum Thema Integration im allgemeinen sowie zu kulturellen Aspekten, mit besonderem Fokus auf Gemeinsamkeiten und Unterschieden zum österreichischen Kulturraum. Im WS 2016/2017 wurden folgende drei wissenschaftliche Texte eingesetzt:

- Ager, Alastair & Strang, Alison (2008). Understanding Integration: A Conceptual Framework. Journal of Refugee Studies, 21(2), 166-191.

- Berry, John W. (1997). Immigration, Acculturation, and Adaptation. Applied Psychology: An International Review, 46(1), 5-68.

- Ting-Toomey, Stella (1999). Communicating across Cultures. New York, London: The Guilford Press. (daraus Kapitel 9: Identity Change and Intercultural Adaptation)

 

Die praktische Seite kultureller Integration wurde beim ersten Blocktermin im WS 2016/2017 durch einen Vortrag mit anschließender Diskussion seitens Mag.a Elisa Roth beleuchtet, die beim Verein SOS-Menschenrechte für das Projekt „Amigo“ (Begleitung von Asylwerber/innen, Asylberechtigten und Migrant/innen durch Freiwillige) verantwortlich zeichnet.

 

Der zweite Teil des ersten Blocktermines fokussiert auf die Entwicklung konkreter Projekte durch zuvor gebildete Kleingruppen, welche dann im Laufe des Semesters eigenverantwortlich umgesetzt werden sollen. Im WS 2016/2017 wurden folgende vier Projekte initiiert (als LVA-Leiterinnen halfen wir mit, die von Studierendenseite entworfenen Ideen zu kanalisieren):

 

Projekt 1: Öffentlichkeitsarbeit, um den Bekanntheitsgrad und damit die Akzeptanz des MORE-Programms und seiner Teilnehmer/innen an der JKU zu steigern. Konkrete Teilprojekte umfassten einen Kreativ-Wettbewerb unter den MORE-Teilnehmer/innen und Buddies für ein MORE-Logo, die Konzeption und Erstellung einer eigenen JKU-MORE-Fanpage auf Facebook (unter dem Titel „Buddy&MORE of JKU“), sowie Kurzvideos und Interviews, die Menschen im und hinter dem Programm zeigen.

 

Projekt 2: Stofftaschen gestalten und verkaufen, mit dem Ziel, die Fahrtkosten der MORE-Student/innen nach Linz und an die Universität zu mindern (entsprechend dem dezentralen oberösterreichischen Integrationskonzept wohnen viele der Teilnehmer/innen am MORE-Projekt außerhalb von Linz und hohe Fahrtkosten stellen für viele ein großes Problem dar). Konkret wurden in Folge Stoffbeutel mit Motiven aus Projekt 1 bedruckt und von Buddies und MORE-Teilnehmer/innen gemeinsam an der Uni verkauft.

 

Projekt 3: Workshopreihe von MORE-Teilnehmer/innen für JKU-Studierende, um die unter den MORE-Teilnehmer/innen vorhandenen vielfältigen Kompetenzen und Talente „vor den Vorhang“ zu holen. Die Vorbereitung erfolgte gemeinsam mit der Projektgruppe, die Ausführung lag bei den jeweiligen MORE-Teilnehmer/innen, mit Unterstützung der Gruppe. Stattgefunden haben im WS 2016/2017 ein Kreativitätsworkshop kombiniert mit einem kleinen Arabisch-"Crashkurs", sowie ein Multimediaworkshop; weitere Workshops sind in Planung.

 

Projekt 4: Culture & Integration APP. Hier ging es (in Kooperation mit dem Österreichischen Integrationsfonds) um die Entwicklung einer Handy-App in mehreren Sprachen (Deutsch, Englisch, Persisch, Arabisch), die den MORE-Studierenden (und anderen Flüchtlingen) helfen soll, sich an der JKU/in Linz/in Österreich einzuleben, indem sie z.B. im Unialltag Hilfestellung leistet, aber auch über die österreichische Kultur und Traditionen informiert. MORE-Teilnehmer/innen gaben der Projektgruppe Feedback bzw. äußerten Wünsche zum Inhalt und halfen so mit, die App weiterzuentwickeln.

 

Prozessbegleitend beinhaltet das LVA-Design im Laufe des Semesters Zwischentreffen für mündliche Statusberichte und Feedback. Ergänzend dazu gibt es die Möglichkeit für persönliche Beratungsgespräche der Projektgruppen mit den LVA-Leiterinnen; diese sind als Angebot konzipiert, wobei die Initiative für ein Treffen von der Gruppe selbst ausgehen soll. Im WS 2016/2017 fanden zwei Statustreffen gemeinsam für alle Gruppen statt, bei denen Projektfortschritte und aktuelle Herausforderungen besprochen wurden, weiters Face-to-Face Treffen mit zwei der Gruppen, ergänzt durch regen Email-Kontakt mit allen vier Gruppen; zur Dokumentation fand die Lernplattform Moodle Anwendung. Eines der Statustreffen wurde auch für ein zusätzliches buddybezogenes Unterstützungsangebot genutzt, indem eine der Lektorinnen der MORE-Deutschkurse, Dr.in Karin Willinger-Rypar, mit den Studierenden über Möglichkeiten und Herausforderungen diskutierte, die sich beim Deutsch-Üben mit den MORE-Teilnehmer/innen stellen.

 

Ein weiterer Bestandteil des Seminars liegt in der individuellen Reflektion der Studierenden über ihre Erfahrungen (sowohl innerhalb des Projektes als auch bzgl. allgemeiner Buddy-Aktivitäten) in Form eines leitfragenbasierten Projekttagebuches. Die Erfahrung im WS 2016/2017 zeigte, dass die Mehrzahl der LVA-Teilnehmer/innen dieses Medium intensiv nutzte und teils sogar längere Texteinträge als gefordert verfasste. In Einzelfällen führten Einträge auch zu persönlichen und vertraulichen Gesprächen der LVA-Leiterinnen mit den Studierenden.

 

Zum die Lehrveranstaltung abschließenden Blocktermin werden die umgesetzten Projekte mündlich präsentiert, zusätzlich ist ein schriftlicher Projektbericht zu erstellen. Präsentation und Bericht sollen sich auf folgende Themen beziehen: (a) Hintergrund des Projektes und Zielsetzung, (b) Planung und Umsetzung, (c) kritischer Rückblick und Lernerfahrung, (d) Nachhaltigkeit des Projektes. Im WS 2016/2017 konnten erfreulicherweise alle vier Projekte erfolgreich umgesetzt werden, wobei nur in Kleinigkeiten von der ursprünglichen Konzeption abgegangen werden musste.

 

BEURTEILUNG UND EVALUIERUNG

 

Kriterien für die positive Absolvierung der LVA beinhalten die aktive Teilnahme am Seminar (25%), Planung und Umsetzung des Projektes als Gruppenleistung (30%), Abschlusspräsentation und schriftliche Kurzfassung als Gruppenleistung (25%), sowie die Eintragungen im persönliches Projekttagebuch (20%).

 

Die Lehrveranstaltungsevaluierung (schriftlich, Abfrage einzelner Aspekte nach dem Notensystem kombiniert mit offenen Fragen) erbrachte sehr gute Beurteilungen: So wurde z.B. die „zusammenfassende Beurteilung der LVA“ mit der Durchschnittsnote 1,4 bewertet. 90% der Studierenden nannten den „aktiven Beitrag zur Integration von Flüchtlingen“ als einen der Hauptgründe für ihre Teilnahme am Seminar. Besonders gut gefiel (exemplarisch) der „individuelle Beitrag, den man leisten kann“, „neue Erfahrungen bzgl. Integration“, die „Offenheit der LVA-Leiterinnen“, die „freie Themenwahl“ und die „sehr angenehme Atmosphäre“. Negative Kommentare bezogen sich mehrheitlich auf die Länge der Blocktermine.

 

AUSBLICK

 

Für uns als LVA-Leiterinnen schön zu beobachten war, dass alle vier Projekte nicht mit dem Ende der LVA ihren Abschluss fanden, sondern weitere projektbezogene Aktivitäten in Planung sind, d.h. die Projekte laufen über das offizielle LVA-Ende hinaus weiter. Auch an den allgemeinen Buddy-Aktivitäten ist ein Teil der LVA-Teilnehmer/innen nach wie vor beteiligt.

 

Um die Sichtbarkeit und Nachhaltigkeit der Projekte zu erhöhen und auch, um weitere JKU-Studierende zur Mitarbeit im Buddy&MORE Programm zu gewinnen, wurden die Projektgruppen im Februar 2017 vom MORE-Team eingeladen, ihre Ergebnisse bei einem öffentlichen Workshop zu präsentieren. Rückmeldungen belegen, dass das positive Feedback durch die Zuhörerschaft die Gruppen weiter in ihrer Arbeit bestärkte.

 

Im Sinne von forschungsgeleiteter Lehre bzw. von Lehre, die in die Forschung rückwirkt, finden die Projekttagebücher als erste qualitative Daten Eingang in ein neu gestartetes Forschungsprojekt der LVA-Leiterinnen zum Rahmenthema „Cultural Integration“. Geplant ist in der ersten Phase eine Exploration der Frage, wie der Begriff „Integration“ von unterschiedlichen Stakeholders in Österreich (Asylwerber/innen und Asylberechtigte, österreichische Bevölkerung, Institutionen, politische Entscheidungsträger) verstanden wird. Erste Auswertungen deuten darauf hin, dass zumindest von unseren Studierenden Integration als Aufgabe und Verantwortung beider Seiten (der neu Hinzukommenden und der „Alteingesessenen“) konzeptualisiert wird. Dies steht im teilweisen Widerspruch zum öffentlichen Diskurs, der Integration oft als in der alleinigen Verantwortung der Zugewanderten beschreibt.

 

Zusammenfassend haben wir als Lehrveranstaltungsleiterinnen das Gefühl, dass mit diesem Seminar eine gute Verbindung zwischen Theorie und Praxis in Hinblick auf das Integrationsthema geschaffen werden konnte, dass wir die Begeisterungsfähigkeit junger Menschen zum Helfen fördern und begleiten konnten, und dass das Buddy-Programm (über die LVA hinaus) eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten darstellt.

Positionierung des Lehrangebots

Alle an der JKU belegbaren Studienrichtungen und -abschnitte (LVA absolvierbar im Rahmen der freien Wahlfächer)

Das Beispiel wurde für den Ars Docendi Staatspreis für exzellente Lehre 2017 nominiert.
Ars Docendi
2017
Kategorie: Persönlichkeitsorientierte und/oder kreativitätsfördernde Ansätze in Lehrveranstaltungen und Studierendenbetreuung
Ansprechperson
a.Univ.-Prof.in Dr.in Erna Szabo MBA
Institut für Internationales Management, Johannes Kepler Universität Linz
0732 2468 3470
Nominierte Person(en)
a.Univ.Prof.in Dr.in Erna Szabo MBA
Institut für Internationales Management, Johannes Kepler Universität Linz
assoz.Univ.-Prof.in Dr.in Nicole Kronberger
Abteilung für Sozial- und Wirtschaftspsychologie, Johannes Kepler Universität Linz
Themenfelder
  • Sonstiges
Fachbereiche
  • Wirtschaft und Recht
  • Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften